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  • 20.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141794

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 14.03.2014 – 14 U 180/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Karlsruhe, 14.03.2014 - 14 U 180/12
    Im Rechtsstreit
    - Klägerin / Berufungsklägerin -Prozessbevollmächtigte:
    gegen
    - Beklagter / Berufungsbeklagter
    -Prozessbevollmächtigte:
    wegen Forderung
    hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2014 unter Mitwirkung von
    Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
    Joos Richter am Oberlandesgericht
    Hörster Richter am Oberlandesgericht Wachter
    für Recht erkannt:
    Tenor:
    1.
    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts O. vom 12.10.2012 (2 O 250/12) abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 289.251,57 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 47.155,55 € seit dem 05.01.2012, auf weitere 61.626,53 € seit dem 04.02.2012, auf weitere 61.626,53 € seit dem 06.03.2012, auf weitere 61.626,53 € seit dem 05.04.2012 sowie auf weitere 57.216,43 € seit dem 07.07.0212 zu zahlen.
    2.
    Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
    3.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
    4.
    Die Revision wird zugelassen.
    5.
    Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt € 289.251,57.
    Gründe
    I.
    Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter in dem am 02.12.2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der X. GmbH, R.. Mit Vertrag aus November 2003 hatte die Schuldnerin von der Klägerin gewerbliche Flächen in O. zu einem Mietzins von (zuletzt) brutto € 61.626,53/Monat angemietet. Die Klage geht auf Zahlung von Mietzins und Nebenkosten (€ 289.251,57) für den Zeitraum Januar 2012 bis April 2012, einen Zeitraum, in welchem die Weiternutzung der Immobilie nach Insolvenzverfahrenseröffnung erfolgte (Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 InsO).
    Im Zuge der Abrechnung der Verwertung des dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Anlage- und Umlaufvermögens der Schuldnerin hat der Beklagte € 898.526,00 dergestalt abgerechnet, dass er bei den Einzelzahlungen (€ 300.000,00 am 15.05.2012, € 312,515,00 am 29.06.2012 und 286.011,00 am 02.07.2012) jeweils die Bestimmung traf, dass vorrangig auf die noch offenstehenden Masseverbindlichkeiten und sodann erst mit dem verbleibenden Rest auf Insolvenzforderungen verrechnet werde.
    Die Klägerin hält die erfolgte Tilgungsbestimmung für unbeachtlich, dem Beklagten stehe ein derartiges Recht nicht zu. Die ausbezahlten Beträge müssten nämlich zunächst auf durch das Absonderungsrecht (§ 50 InsO) gesicherte Insolvenzforderungen erfolgen. Einen Betrag i.H. der Klageforderung habe der Beklagte so unzulässigerweise statt auf die offene Insolvenzforderung (€ 793.575,21) auf die Masseverbindlichkeiten für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verrechnet.
    Der Beklagte meint, ihm stehe das Tilgungsbestimmungsrecht zu; er beruft sich zur Rechtfertigung im Einzelnen auf die Argumentation aus einem Urteil des OLG Dresden vom 19.10.2011 (NZI 2011, 995 [OLG Dresden 19.10.2011 - 13 U 1179/10]).
    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Auffassung vertreten, die Klageforderung sei bereits erfüllt, denn die erfolgten Tilgungsbestimmungen seien rechtlich wirksam. Schon durch die Abrechnung des ersten Betrages am 15.05.2012 (€ 300.000,00) seien daher zuerst die im vorliegenden Verfahren geforderten Kaltmieten Januar bis April 2012 i.H.v. € 232.035,14 ebenso erfüllt worden wie sodann der erhobene Anspruch auf Zahlung von Nebenkosten (€ 57.216,43).
    Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die geltend macht, das Landgericht habe sich zu Unrecht und im Übrigen sogar kritiklos der Sichtweise des OLG Dresden angeschlossen. Dass der Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage durch das OLG Dresden nicht gefolgt werden dürfte, ergebe sich aus der (von der Klägerin im Einzelnen aufgegriffenen und dargelegten) Kritik des Urteils durch Lütcke NZI 2012, 262 und Mitlehner EwiR 2011, 819).
    Die Klägerin beantragt,
    auf die Berufung hin das Urteil des Landgerichts O. vom 12.10.2012 (2 O 250/12) entsprechend den in erster Instanz zuletzt gestellten Klageanträgen abzuändern.
    Der Beklagte beantragt,
    die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
    Er hält das angegriffene Urteil für richtig und er ergänzt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.
    II.
    Die zulässige Berufung ist begründet. Der erkennende Senat teilt nicht die Auffassung des der Entscheidung des OLG Dresden vom 19.10.2011 (ZIP 2011, 266 ff) sich anschließenden Landgerichts, dass der Beklagte durch seine Tilgungsbestimmungen bei der Abrechnung der Verwertung des dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Anlage- und Umlaufvermögens der Schuldnerin die hier eingeklagten, nach Insolvenzverfahrenseröffnung entstandenen Mietforderungen bereits getilgt hat. Die entsprechende Tilgungsbestimmung ist vielmehr unwirksam. Die Verwertungsabrechnung muss nämlich zunächst auf die durch das Absonderungsrecht (§ 50 InsO) gesicherten Insolvenzforderungen erfolgen und steht dann erst zur Verrechnung im Übrigen, also auf die (hier betroffenen) offenstehenden Masseverbindlichkeiten zur Verfügung, so dass der (der Höhe nach unstreitige) Klagebetrag noch nicht getilgt wurde und deshalb in Abänderung des landgerichtlichen Urteils zuzusprechen ist:
    Ist ein Schuldner einem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen (was z.B. schon bei mehreren Mietzinsraten der Fall ist - vgl. BGH NJW 84 2404 [BGH 20.06.1984 - VIII ZR 337/82]) verpflichtet und reicht das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche der Schuldner bei der Leistung bestimmt. Dieses sogenannte Leistungsbestimmungsrecht nach § 366 BGB steht dem Schuldner indes bei der Verwertung von Sicherheiten nicht zu (BGH NJW 99, 1704 [BGH 23.02.1999 - XI ZR 49/98]). So verhält es sich hier. Zu Recht verweist Cranshaw in seiner Besprechung des Urteils des OLG Dresden (jurisPR-InsR 2/2012 Anm. 4) darauf, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung v. 17.02.2011 - IX ZR 83/10 (NJW-RR 2011, 688 ff), der zufolge auf die Befriedigung von Forderungen, die durch ein Absonderungsrecht besichert sind, die Rangfolge des § 367 Abs. 1 BGB anzuwenden ist, sich zugleich gegen eine einseitige Tilgungsanordnung bei der "Erlösauskehr" ausgesprochen hat (wenn die Sicherungsabrede keine anderweitige Abrede enthält). Da die Problematik der verschiedenen Teilansprüche aus einem einzigen Schuldverhältnis (Regelungsmaterie des § 367 BGB) synonym derjenigen von § 366 BGB ist, besteht kein Grund für eine abweichende Beurteilung eines Leistungsbestimmungsrechtes des Insolvenzverwalters. Die Sichtweise des Landgerichts führte dazu, dass die Trennung zwischen ungesicherten und gesicherten Forderungen aufgehoben würde, was nicht im Regelungsziel des Gesetzgebers liegt. Damit kann letztlich dahinstehen, ob die für die Anwendbarkeit der Bestimmung von § 366 BGB grundsätzlich erforderliche "Freiwilligkeit" der Leistung bei der Verwertung nach § 159 InsO überhaupt gegeben ist, oder nicht auch deshalb - also mangels Freiwilligkeit - im Rahmen der "Gesamtvollstreckung" nach der InsO ein Bestimmungsrecht des Schuldners nach § 366 BGB nicht in Betracht kommt.
    III.
    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO; der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
    IV.
    Die Revision war zuzulassen, da der hier entscheidenden Frage nach dem Bestehen eines Leistungsbestimmungsrechtes des Insolvenzverwalters zum einen grundsätzliche Bedeutung zukommt, und weiter die Entscheidung dieser Frage durch den Bundesgerichtshof zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Divergenz zum OLG Dresden) erforderlich ist.

    RechtsgebietInsolvenzVorschriften§ 366 BGB