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  • 10.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142012

    Sozialgericht Karlsruhe: Urteil vom 26.03.2014 – S 14 P 2561/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 608,21 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 307,61 Euro seit dem 17.07.2011, aus jeweils 19,23 Euro seit dem 02.08.2011, 02.09.2011, 02.10.2011, 02.11.2011 und 02.12.2011 und aus jeweils 18,58 Euro seit dem 02.01.2012, 02.02.2012, 02.03.2012, 02.04.2012, 02.05.2012, 02.06.2012, 02.07.2012, 02.08.2012, 02.09.2012, 02.10.2012 und 20.11.2012 sowie 120,76 Euro zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die Gerichtskosten des Mahnverfahrens. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um Beiträge zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von 602,21 Euro für den Zeitraum vom 01. April 2010 bis 31. Dezember 2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,76 Euro.

    Die Klägerin hat mit dem Beklagten im Jahr 2004 unter der Vertragsnummer XXX einen privaten Pflegeversicherungsvertrag abgeschlossen. Im November 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet. Ab dem 01.01.2010 fielen Beiträge in Höhe von 19,23 Euro und ab dem 01.01.2012 in Höhe von 18,58 Euro an.

    Der Beklagte zahlte die Beiträge ab April 2010 nicht. Die Klägerin beauftrage daraufhin ihre Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung der rückständigen Beiträge. Diese mahnten den Beklagten mit Mahnung vom 04.12.2012 an, die rückständigen Beiträge in Höhe von 608,21 Euro für die Zeit von April 2010 bis November 2012 zu bezahlen. Im Anschluss beantragten sie vor dem Amtsgericht Mayen den Erlass eines Mahnbescheids hinsichtlich der rückständigen Beiträge sowie der Anwaltsvergütung für die vorgerichtliche Tätigkeit. Gegen den am 24. Mai 2013 zugestellten Mahnbescheid erhob der Beklagte Widerspruch.

    Sodann hat das Amtsgericht Mayen das Verfahren am 22. Juli 2013 an das Sozialgericht Karlsruhe abgegeben.

    Während die Klägerin zunächst noch 15,00 Euro für kaufmännische Mahnschreiben vom Beklagten verlangt hat, hat sie die Klage am 27. September 2013 diesbezüglich zurückgenommen.

    Der Beklagte hat am 23.09.2013 eine Mitgliedsbescheinigung der AOK vom 06.08.2013 vorgelegt, wonach er seit dem 01.11.2009 bei dieser versichert sei.

    Die Klägerin trägt vor, der Beklagte habe die fälligen monatlichen Beiträge nicht bezahlt. Dass der Kläger bei der AOK pflichtversichert sei, führe nicht automatisch zum Wegfall der Versicherung bei ihr, sondern lediglich zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Klägers. Eine Kündigung sei aber gerade nicht erfolgt. Sie habe erstmals aufgrund der übersandten Mitgliedsbescheinigung der AOK vom 27.03.2013 Kenntnis von der gesetzlichen Versicherung des Beklagten erlangt. Auf Grund des Zahlungsverzuges sei die beklagte Partei auch verpflichtet, die darüber hinaus als Verzugsschaden nach §§ 280, 286 BGB geltend gemachten Rechtsanwaltskosten zum Ausgleich zu bringen. Die Gebühr für die außergerichtliche Forderungsbeitreibung bestimme sich nach Nr. 2300 RVG und sei auch angemessen. Die Anmerkung zu Nr. 2300 VV RVG beschränke die Geschäftsgebühr auf 1,3, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalt weder umfangreich noch schwierig war. In Beitreibungssachen sei eine 1,3 Geschäftsgebühr regelmäßig angemessen. Schließlich habe der Rechtsanwalt bei Festlegung der Gebühren einen Ermessensspielraum.

    Sie beantragt nunmehr noch,

    die beklagte Partei zu verurteilen, an die Klägerin EUR 608,21 nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.07.2011, darüber hinaus Rechtsanwaltskosten in Höhe von 120,76 Euro zu zahlen

    sowie

    der beklagten Partei die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich der (Gerichts-)Kosten für das vorangegangene Mahnverfahren (§193 Abs. 1 S. 2 SGG) - aufzuerlegen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er trägt vor, er sei bei der Klägerin nicht pflegeversichert. Die Pflegeversicherung bestehe seit dem 01.11.2009 bei der AOK Mittlerer Oberrhein. Zudem seien die Kosten für die anwaltliche Tätigkeit weder notwendig gewesen noch in dieser Höhe angefallen. Er habe mehrmals darauf hingewiesen, bei der AOK versichert zu sein. Damit sei klar gewesen, dass eine anwaltliche Tätigkeit mit dem Ziel der außergerichtlichen Forderungsbeitreibung keine Aussicht auf Erfolg mehr gehabt habe und unnötig gewesen sei. Zudem handle es sich bei den außergerichtlichen Mahnungen der Klägerbevollmächtigten um Schreieben einfacher Art. Für diese sei eine Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1,3 überhöht.

    Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakten und Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der gerichtlichen Entscheidung.
    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und auch begründet.

    Der Beklagte ist zur Zahlung der Beiträge zur privaten Pflegepflichtversicherung (§ 23 Abs. 1 Sozialgesetzbuch XI - SGB XI -) vom 01. April 2010 bis 30. November 2012 in Höhe von 608,21 Euro verpflichtet. Anspruchsgrundlage hierfür sind der Versicherungsvertrag i.V.m. § 1 Abs. 2 Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG), § 8 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung(MB/PPV). Nach § 1 Abs. 2 VVG hat der Versicherungsnehmer die vereinbarte Prämie zu entrichten. Der Beklagte hat den Abschluss des Versicherungsvertrages nicht bestritten. Er macht lediglich geltend, diesen bereits zu einem früheren Zeitpunkt gekündigt zu haben. Eine Kündigung gemäß § 205 Absatz 2 VVG kann der Kläger jedoch nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht nachweisen. Er hat hierzu mitgeteilt, weder über Schriftstücke, noch sonstige Nachweise zu verfügen, die die vorgetragene Kündigung bestätigen können. Auch aus dem vorlegten Schreiben an den Insolvenzverwalter lässt sich nicht erkennen, ob der Klägerin tatsächlich eine Kündigung der streitgegenständlichen Versicherung zugegangen ist bzw. eine solche auch nur erfolgt ist. Hierin wird lediglich mitgeteilt, dass Probleme mit der Klägerin bestehen und diese weiter Beiträge berechnet. Zur Überzeugung der Kammer reicht dies nicht aus, um den Zugang der Kündigung bei der Klägerin nachzuweisen. Da den Kläger die Nachweispflicht für die erfolgte Kündigung trifft (vgl. hierzu Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. Januar 2006, Az.: L 1 P 14/05, [...]), geht eine diesbezügliche Nichterweislichkeit zu seinen Lasten.

    Der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 120,76 Euro ergibt sich als Verzugsschaden aus §§ 280, 286 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Auf die Frage, ob eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) angemessen ist, kommt es vorliegend nicht an. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich die anwaltliche Gebühr nicht aus Nr. 2300 VV RVG. Vielmehr ist vorliegend Nr. 2400 VV RVG (in der bis zum 31. 07. 2013 geltenden Fassung - aF) anzuwenden. § 3 Absatz 1 RVG bestimmt, dass in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren entstehen. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftragsgeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetz genannten Personen gehört. Nach Absatz 2 der Vorschrift gilt dies entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb des gerichtlichen Verfahrens.

    Auf das vorliegende Verfahren ist das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden. Der Kläger gehört zu dem in § 183 Satz 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personenkreis. Versicherte im Sinne des § 183 Satz 1 SGG sind vorwiegend die in der Sozialversicherung versicherten Personen nach Maßgabe der besonderen einschlägigen Vorschriften. Als Versicherte in diesem Sinne privilegiert sind jedoch auch die in der privaten Pflegeversicherung versicherten Personen, vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, § 183, Rn. 5.

    Demnach kann jedoch die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit lediglich nach Nr. 2400 RVG aF abgerechnet werden. Danach beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen 40,00 bis 520,00 Euro. Eine Gebühr von mehr als 240,00 Euro kann dabei nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Regelung der Nr. 2400 VV RVG, nach der sich in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten auch bei außergerichtlicher Tätigkeit des Rechtsanwalt die Höhe der Geschäftsgebühr nach einem Betragsrahmen richtet, geht zurück auf die Regelung des § 3 Absatz 2 RVG, vgl. Dinkat in Mayer/Kroiß, RVG, 3. Auflage 2008, § 3, Rn. 1. Dies gilt nach dem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall kein Verwaltungsverfahren im klassischen Sinne vorliegt, sondern sich eine private Pflegekasse anwaltlicher Hilfe zur Beitreibung ihrer Beiträge bedient. Für eine analoge Anwendung der Nr. 2300 VV RVG verbleibt dementsprechend kein Raum und ist auch nicht mit der in § 51 Absatz 1 Nr. 2 SGG niedergelegten gesetzgeberischen Absicht, Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung der Sozialgerichtsbarkeit zuzuordnen, in Einklang zu bringen, vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig, aaO, § 51, Rn. 27.

    Im vorliegenden Fall muss jedoch nach dem Grundsatz "ne ultra petita" nicht entschieden werden, ob der Klägerin die Schwellengebühr der Nr. 2400 VV RVG aF in Höhe von 240,00 Euro zusteht. Sie hat im Verfahren lediglich 120,76 Euro geltend gemacht. Diese waren nach Umfang und Schwierigkeit der vorgerichtlichen Angelegenheit (vgl. hierzu im Ganzen vgl. Dinkat in Mayer/Kroiß, RVG, 3. Auflage 2008, § 3, Rn. 1) jedenfalls vom Betragsrahmen der Nr. 2400 VV RVG aF gedeckt. Der Beklagte hat der Klägerin gemäß § 288 Absatz 1 BGB Verzugszinsen zu zahlen. Danach hat der Schuldner eine Geldschuld ab Verzug an zu verzinsen. Der Zinssatz beträgt für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, dessen jeweilige Höhe sich aus § 247 BGB ergibt. Die Beiträge waren gemäß § 8 Absatz 1 MB/PPV zu jedem Ersten des Monats fällig, weshalb der Zinssatz entsprechend dem Tenor zu staffeln war. Das von der Klägerin im Antrag angegebene Datum des 17. Juli 2011 findet weder eine tatsächliche noch eine rechtliche Grundlage. Die Klage war deshalb im Übrigen abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei besteht keine Möglichkeit, dem Beklagten außergerichtliche Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Gemäß § 182a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist mit dem Eingang der Akten beim Sozialgericht nach den Vorschriften des SGG zu verfahren. Nach § 193 Abs. 4 i. V. m. §§ 184 Abs. 1, 183 SGG sind unter anderem private Pflegeversicherungsunternehmen nicht zur Geltendmachung der außergerichtlichen Kosten berechtigt. Demgegenüber hat der Beklagte die Kosten des vorhergehenden gerichtlichen Mahnverfahrens zu tragen, § 193 Abs. 1 Satz 2 SGG (vgl. auch BSG, Urteil vom 12.02.2004, B 12 P 2/03 R). Auch wenn die Klägerin die zunächst im Mahnverfahren geltend gemachten Forderung in Höhe von 15,00 Euro im Gerichtsverfahren zurückgenommen hat, waren der Klägerin wegen der Geringfügigkeit des Betrages im Vergleich zur gesamten Forderung keine Kosten des Mahnverfahrens aufzuerlegen.

    Die Berufung ist nicht nach § 144 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Berufungsstreitwert in Höhe von 750,00 Euro ist nicht erreicht. Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache ist nicht ersichtlich, vgl. § 144 Absatz 2 Nr. 1 SGG.

    RechtsgebietPflegekasseVorschriften§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG § 183 S. 1 SGG Nr. 2300 VV RVG Nr. 2400 VV RVG