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  • 02.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144821

    Amtsgericht Göttingen: Beschluss vom 15.01.2015 – 74 IN 94/10

    1. Im Erbfall besteht eine Verpflichtung des Schuldners zur Anzeige der Erbschaft gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Diese Verpflichtung setzt ein, wenn die Erbschaft angenommen ist bzw. nicht mehr ausgeschlagen werden kann (BGH, Beschl. v. 10. 03. 2011 - IX ZB 168/09, InsbürO 2011,187 = NZI 2011, 329 = ZVI 2011, 346).
    2. Ein Schuldner muss die Obliegenheit des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO durch aktives Tun erfüllen. Er ist zur Verwertung des Nachlasses im Wege der Auseinandersetzung gem. § 2042 BGB und zuvor schon zur Auszahlung eines sich aus dem Barnachlass ergebenden Mindestbetrages verpflichtet.
    3. Bei Obliegenheitsverstößen kann die Stundung gem. § 4c Nr. 5 InsO auf-gehoben werden (LG Göttingen ZInsO 2007,1159 = NZI 2008, 54).


    Amtsgericht Göttingen 15.01.2015
    Insolvenzgericht
    Geschäfts-Nr.: 74 IN 94/10
    (Bitte stets angeben)

    B e s c h l u s s

    In dem Restschuldbefreiungsverfahren

    über das Vermögen der……

    Der sofortigen Beschwerde des Schuldners vom 28.05.2014 gegen den Beschluss vom 08/16.05.2014 wird nicht abgeholfen.

    Die Akten werden dem Landgericht Göttingen zur Entscheidung vorgelegt.

    G r ü n d e :

    I. Über das Vermögen der Schuldnerin ist aufgrund Eigenantrages am 16.06.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet und nach Ankündigung der Restschuldbefreiung im Beschluss vom 15.12.2011 am 05. 03. 2012 aufgehoben worden. Mit dem Aufhebungsbeschluss wurde der Schuldnerin das Merkblatt zur „Wohlverhaltensperiode“ übersandt, in dem sich u. a. ein Hinweis befindet, dass Erbschaften dem Treuhänder und dem Insolvenzgericht gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO mitzuteilen sind.

    Am 22.06.2012 verstarb die Mutter der Schuldnerin, die aufgrund gemeinschaftlichen Erbscheines des Amtsgerichtes Duderstadt vom 04.09.2012 zu gleichen Teilen von der Schuldnerin und deren Schwester beerbt worden ist. Der jetzige Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin übersandte den Erbschein an den Treuhänder, bei dem der Schriftsatz vom 12.09.2012 allerdings erst am 02.10.2012 einging. Eine Herausgabe des hälftigen Wertes des ererbten Vermögens gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist bislang nicht erfolgt trotz Aufforderung des Treuhänders in den Schreiben vom 02.07.2013, 12.06.2014 und 25.07. 2014.

    Mit Beschluss vom 08.05.2014 hat das Insolvenzgericht (Insolvenzrichter) die im Beschluss vom 16.06.2010 bewilligte Stundung gemäß § 4 c Nr. 5 InsO aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung eine Aufhebung der Stundung gemäß § 4 Buchst. c Nr. 5 InsO während des Laufes der Wohlverhaltensperiode in betracht komme, wenn Gründe zweifelsfrei vorlägen, die zur Versagung der Restschuldbefreiung führen können (LG Göttingen ZInsO 2007,1159). Der Obliegenheitsverstoß gem. § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO liege hier darin, dass - nach damaliger Aktenlage - der Treuhänder erst am 05.06.2013 über den Erbfall informiert worden sei. Die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung liege darin, dass dem Treuhänder die Möglichkeit genommen worden sei, den hälftigen Wert heraus zu verlangen (AG Göttingen ZInsO 2008,49). Dagegen hat die Schuldnerin über ihren Verfahrensbevollmächtigten sofortige Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass der am 04.09.2012 erteilte Erbschein bereits mit Schreiben vom 12.09.2012 u. a. an den Treuhänder übersandt worden sei.

    II. Das Insolvenzgericht hält die zulässige Beschwerde für unbegründet und legt die Akten dem Landgericht Göttingen zur Entscheidung vor. Die Schuldnerin hat sowohl gegen die Obliegenheit des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO als auch des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO verstoßen.

    1.) Entgegen der Verpflichtung des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO hat die Schuldnerin von Nr. 2 von Todes wegen erworbenes Vermögen verheimlicht.

    Im Erbfall besteht eine Verpflichtung des Schuldners zur Anzeige der Erbschaft gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Diese Verpflichtung setzt ein, wenn die Erbschaft angenommen ist bzw. nicht mehr ausgeschlagen werden kann (BGH, Beschl. v. 10. 03. 2011 - IX ZB 168/09,InsbürO 2011,187 = NZI 2011, 329 = ZVI 2011, 346). Auch unter Berücksichtigung der jetzigen Aktenlage liegt ein Verstoß vor. Die Erblasserin ist am 22..06.2012 verstorben. Von einer zeitnahen Kenntnis der im selben Ort wohnenden Schuldnerin ist auszugehen, so dass wenige Tage nach dem 03.08.2012 die sechswöchige Frist zur Ausschlagung der Erbschaft gemäß § 1944 BGB ablief. Eine erst mindestens einen Monat später erfolgte Information des Treuhänders genügte nicht.

    2.) Weiter hat die Schuldnerin entgegen der Verpflichtung des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht die Hälfte des Wertes des ererbten Vermögens an den Treuhänder herausgegeben.

    Die Schuldnerin ist mehrfach vergeblich vom Treuhänder zur Zahlung aufgefordert worden. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass die Erbauseinandersetzung mit ihrer Schwester noch nicht abgeschlossen ist. Ein Schuldner ist nämlich verpflichtet, bei Bestehen einer Erbengemeinschaft aktiv zu werden im Wege der Auseinandersetzung und Verwertung des Nachlasses auch gegen den Willen des Miterben (BGH, Beschl. v. 10. 01.2013 - IX ZB 163/11, NZI 2013, 191 = ZInsO 2013, 303 = ZVI 2013, 114). Auf diese Rechtsprechung hat das Gericht mit Schreiben vom 15.07.2014 auch hingewiesen.

    Weiter hätte die Schuldnerin zumindest den von ihrem Verfahrensbevollmächtigten im Schriftsatz vom 04.07.2014 Seite 4 ausgerechneten Mindestbetrag von 1.332,20 € auskehren müssen. Ergänzend ist zu bemerken, dass es nicht Aufgabe des Treuhänders ist, den abzuführenden Betrag zu berechnen.

    RechtsgebietErbfallVorschriften§ 295 InsO