01.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194267
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 27.04.2017 – IX ZB 80/16
InsO §§ 289 , 290 Abs. 2 aF
Das Insolvenzgericht darf Vortrag des Schuldners zu einem Versagungsantrag nicht präkludieren, den dieser nach dem Schlusstermin innerhalb eines ihm gewährten Schriftsatznachlasses gehalten hat.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, die Richter Prof. Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
am 27. April 2017
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Memmingen vom 12. September 2016 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Über das Vermögen des Schuldners wurde auf seinen Antrag - verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung - am 23. März 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der weitere Beteiligte zu 1 wurde zum Treuhänder bestellt. Der weitere Beteiligte zu 2 (künftig: Gläubiger) meldete Steuerforderungen in Höhe von rund 580.000 € an, die zur Tabelle festgestellt wurden. Am 10. Juni 2015 wurde der Schlusstermin durchgeführt, bei dem sich der in Haft befindliche Schuldner durch seinen Anwalt vertreten ließ.
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Im Schlusstermin hat der Gläubiger unter Bezugnahme auf Berichte des Treuhänders beantragt, die Restschuldbefreiung zu versagen, weil der Schuldner in seinen Erklärungen bei Antragstellung und auch auf Nachfrage des Treuhänders eine Motoryacht und einen Pkw Mercedes Benz CLK verschwiegen habe. Der Anwalt des Schuldners hat die Vorwürfe vorläufig bestritten, Abweisung des Versagungsantrags beantragt und weitere Ausführungen nach Akteneinsicht und Rücksprache mit dem inhaftierten Schuldner angekündigt und hierfür beantragt, ihm eine Frist zur Stellungnahme zu gewähren. Im Anschluss sind dem Schuldner der schriftliche Versagungsantrag und die Niederschrift vom Schlusstermin zugestellt und ist ihm eine Frist gesetzt worden, zu dem Versagungsantrag Stellung zu nehmen. Weiter hat er in die Insolvenzakten Einsicht nehmen können. Nach Eingang der Stellungnahme des Schuldners hat das Insolvenzgericht am 17. Mai 2016 die Restschuldbefreiung versagt. Das Beschwerdegericht hat das Rechtsmittel des Schuldners zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
II.
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Die statthafte ( § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO , §§ 6 , 289 Abs. 2 Satz 1 InsO aF) und auch im Übrigen zulässige ( § 575 ZPO ) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Auf das Verfahren sind die Vorschriften der Insolvenzordnung in der bis zum 30. Juni 2014 geltenden Fassung anzuwenden ( Art. 103h EGInsO ). Der Insolvenzantrag ist vor dem 1. Juli 2014, nämlich am 18. März 2010, beim Insolvenzgericht eingegangen.
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2. Das Beschwerdegericht hat den Versagungsantrag für zulässig und begründet erachtet. Dem Schuldner sei nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO die Restschuldbefreiung zu versagen, weil er zumindest bedingt vorsätzlich unterlassen habe, sowohl in seinen Vermögensverzeichnissen als auch anlässlich einer Besprechung mit dem Treuhänder am 1. April 2010 offensichtlich anfechtungsrelevante Umstände im Zusammenhang mit der Übertragung einer Motoryacht im Wert von mindestens 19.000 € und der Übertragung eines Pkw Mercedes Benz CLK im Wert von mindestens 7.500 €, geschehen jeweils kurz vor Insolvenzantragstellung, anzugeben. Er habe den Tatsachenvortrag des Gläubigers nicht rechtzeitig substantiiert bestritten. Er sei über den Schlusstermin und darüber ordnungsgemäß belehrt worden, im Schlusstermin könne ein Versagungsantrag gestellt werden, dem der Schuldner nur im Termin entgegentreten könne. Dass der Schuldner sich zum Zeitpunkt des Schlusstermins in Haft befunden habe, stehe dem nicht entgegen, weil er sich zum Schlusstermin habe vorführen lassen können. Wenn er lediglich einen Vertreter in den Termin entsandt habe, der nur zu pauschalem Bestreiten in der Lage gewesen sei, gehe dies zu seinen Lasten. Es entlaste den Schuldner auch nicht, dass ihm und seinem Vertreter im Termin die im Versagungsantrag in Bezug genommenen Berichte des Treuhänders nicht zur Verfügung gestanden hätten. Denn es hätte ihm oder seinem Vertreter oblegen, den Antrag im Termin und die Akte vor dem Termin einzusehen. Nach alledem habe das Insolvenzgericht den Sachvortrag des Gläubigers mit Recht als unbestritten angesehen. An diesem Ergebnis könne sich nicht dadurch etwas ändern, dass dem Schuldner durch das Amtsgericht eine Frist gewährt worden sei, zum Versagungsantrag Stellung zu nehmen. Dies führe nicht dazu, dass ein Bestreiten des Tatsachenvortrags nachträglich möglich geworden wäre.
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3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
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a) Das Beschwerdegericht ist mit Recht von einem schlüssigen Versagungsantrag des Gläubigers ausgegangen. Ein Versagungsantrag kann nämlich durch Bezugnahme insbesondere auf Berichte des Treuhänders schlüssig gemacht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009 - IX ZB 73/08 , ZVI 2009, 168 Rn. 6; vom 19. Mai 2011 - IX ZB 94/09 ,ZInsO 2011, 1412Rn. 2). Der Gläubiger hat seinen Antrag auch hinreichend glaubhaft gemacht ( § 290 Abs. 2 InsO ). Denn die Glaubhaftmachung kann ebenfalls durch Vorlage der schriftlichen Erklärung eines Insolvenzverwalters oder Treuhänders erfolgen (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2009, aaO; vom 19. Mai 2011, aaO). Aus den vom Gläubiger ausreichend in Bezug genommenen Berichten des Treuhänders vom 1. Februar 2011 und vom 3. März 2015 ergibt sich die Verwirklichung des Versagungstatbestandes nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO .
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aa) Der Schuldner ist den ihn im Insolvenzverfahren treffenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten aus §§ 20 , 97 InsO objektiv nicht nachgekommen, als er den Erwerb und die Veräußerung der Motoryacht wenige Monate und die Schenkung des Fahrzeugs der Marke Mercedes an seine Frau gut ein Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags im Insolvenzantrag und gegenüber dem Treuhänder verschwiegen hat. Zu den Umständen, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können ( § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO ), zählen auch solche, die eine Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff InsO begründen können, weil diese zur Mehrung der Insolvenzmasse führen kann. Die Pflicht zur Auskunft - und zwar ohne besondere Nachfrage von sich aus - setzt in einem solchen Fall nicht voraus, dass die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung tatsächlich vorliegen. Bereits konkrete Anhaltspunkte, die eine Anfechtbarkeit möglich erscheinen lassen, begründen die Pflicht des Schuldners, den Sachverhalt zu offenbaren ( BGH, Beschluss vom 11. Februar 2010 - IX ZB 126/08 , ZVI 2010, 281 Rn. 6; vom 8. März 2012 - IX ZB 70/10 ,ZInsO 2012, 751Rn. 13 f). Somit hätte der Schuldner vorliegend von sich aus auf die Übertragung des Eigentums an der Yacht auf N. und die Übertragung des Eigentums an dem Fahrzeug auf seine Frau wenige Monate vor Stellung des Insolvenzantrags hinweisen müssen, weil die Hingabe der Vermögensgegenstände möglicherweise der insolvenzrechtlichen Rückabwicklung unterlagen. Das Vorliegen des objektiven Tatbestandes des Versagungsgrundes wird von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt. Tatsächlich hatten die späteren Anfechtungsklagen des Treuhänders auch Erfolg; N. wurde zur Zahlung von 19.000 € an die Masse verurteilt, die Ehefrau hat sich mit dem Treuhänder verglichen, an die Masse 7.500 € zu zahlen, wobei dieser ihr einen Teil der Forderung erlässt, wenn sie ihrer Ratenzahlungsverpflichtung pünktlich nachkommt.
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bb) Der Gläubiger hat hinreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass der Schuldner diese Angaben vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hat. Die vom Schuldner nur zwei Monate und gut ein Jahr vor dem Insolvenzantrag ohne eine allen seinen Gläubigern zugutekommende Gegenleistung weggegebenen Gegenstände - die Yacht und der Mercedes - hatten einen Wert von insgesamt über 25.000 €. Am 1. April 2010 wurde er vom Treuhänder in einer persönlichen Besprechung auf etwaige bislang nicht genannte Vermögensgegenstände angesprochen. Aus diesen vorgetragenen äußeren Tatsachen kann und muss auf den Vorsatz des Schuldners als innere Tatsache geschlossen werden, so dass Vortrag und Glaubhaftmachung auch den Schuldvorwurf umfassten. Denn es kann ausgeschlossen werden, dass der Schuldner die Weggabe der wertvollen Vermögensgegenstände wenige Monate und ein Jahr vor Insolvenzantragstellung vergessen hat, zumal er in den von ihm auszufüllenden Formularen zum Insolvenzantrag ausdrücklich zu Schenkungen befragt worden ist. Dass sich der Treuhänder für diese Geschäfte interessieren würde, lag auch für den Schuldner auf der Hand. Gerade die Übertragung des Eigentums an der Motoryacht auf einen Dritten im nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Insolvenzantragstellung erklärt sich danach nur damit, dass die Yacht bewusst aus dem Insolvenzverfahren heraus gehalten werden sollte. Auf einen relevanten Rechtsirrtum hat sich der Schuldner zudem nicht berufen.
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b) Allerdings hätte das Beschwerdegericht das Bestreiten des Schuldners im Schlusstermin und seinen nach dem Schlusstermin gehaltenen Vortrag nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Denn sein Bestreiten im Schlusstermin war - zumindest bezogen auf die Motoryacht - nicht unsubstantiiert, weil der schuldnerische Verfahrensbevollmächtigte konkludent auf seinen Schriftsatz vom 2. März 2011 Bezug genommen hat. Ebenso wenig durfte das Beschwerdegericht den Vortrag, den der Schuldner in der vom Insolvenzgericht gewährten Stellungnahmefrist gehalten hat, als verspätet zurückweisen. Dadurch handelte es den Grundsätzen eines fairen Verfahrens zuwider und verletzte den Schuldner in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Insolvenzgericht hat in dem Anwalt des Schuldners das Vertrauen geweckt, es werde dem Schuldner Gelegenheit geben, sich zu den Versagungsanträgen nachträglich zu äußern. Denn es ist den Anträgen des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners auf Akteneinsicht und auf Schriftsatznachlass, um mit dem inhaftierten Schuldner Rücksprache zu nehmen, nicht entgegengetreten. Dadurch hat es verhindert, dass dieser im Schlusstermin zu den Versagungsanträgen ergänzend vortrug und selbst auf seine Stellungnahmen im Insolvenzverfahren Bezug nahm (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2010 - I ZB 40/09 , GRUR 2010, 1034 Rn. 11; vom 7. März 2013 - I ZR 43/12 ,TranspR 2013, 461Rn. 11; vom 16. September 2014 - VI ZR 118/13, VersR 2015, 338 Rn. 6; vom 11. Februar 2016 - I ZB 87/14 , GRUR 2016, 500 Rn. 24; BVerfGE 84, 188, 190 [BVerfG 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90] ; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Februar 2017 - 2 BvR 395/16, nv Rn. 6 mwN).
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c) Doch hat das Beschwerdegericht die Restschuldbefreiung mit Recht versagt, auch wenn das Bestreiten des Schuldners als erheblich angesehen und sein Vortrag in dem Schriftsatz vom 2. März 2011 und im nachgelassenen Schriftsatz berücksichtigt wird.
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aa) Zwar hat der Schuldner im Verfahren durch Schriftsatz seines damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 2. März 2011 vortragen lassen - wenigstens lässt sich dieser Schriftsatz so verstehen -, er sei nie Eigentümer der Sportyacht geworden, sondern habe das Boot mit Mitteln des und für N. erworben. Dieser Vortrag trifft jedoch nicht zu, wie sich aus den vom Treuhänder ermittelten Umständen ergibt. Am 15. Dezember 2009 stellte der Schuldner einen Antrag auf Ausstellung eines Flaggenzertifikats, am 11. Januar 2010 versicherte er das Sportboot für 25.000 €, seit 12. Januar 2010 ist er Mitglied einer Sportbootvereinigung, am 22. Februar 2010 bat er die Sportbootvereinigung um Überlassung von Unterlagen bezüglich einer von ihm mit seinem Boot geplanten größeren Tour in 2010. Er selbst hat vorgetragen, das Boot am 25. Januar 2010 durch einen Standardkaufvertrag an Herrn N. verkauft zu haben. Mithin war der Schuldner vom 7. November 2009 bis zur Veräußerung des Boots am 25. Januar 2010 Eigentümer des Sportbootes. Aufgrund der eigenen Einlassung des Schuldners steht weiter fest, dass N. aufgrund des Kaufvertrages vom 25. Januar 2010 einen Kaufpreis an den Schuldner nicht gezahlt hat. Selbst wenn der Vortrag des Schuldners unterstellt wird, das Boot sei ursprünglich mit Mitteln des N. erworben worden, hätte dieser Sachverhalt dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder mitgeteilt werden müssen.
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Dass der Schuldner den Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen NU-GG 64 am 26. November 2008 gekauft hat und dieses Auto stets auf seine Ehefrau zugelassen war, die es am 28. Februar 2011 für 10.000 € an einen Dritten verkauft hat, ergibt sich aus den Ermittlungen des Treuhänders, deren Ergebnis in dem Schlussbericht und seinem Schreiben an das Insolvenzgericht vom 8. April 2013 nebst Anlagen festgehalten ist. Daraus ist zu folgern, dass der Schuldner entweder die ganze Zeit Eigentümer des Fahrzeugs war und dieses Eigentum weder im Insolvenzantrag noch sonst angegeben hat oder aber dass er - was wahrscheinlicher ist - das Fahrzeug seiner Frau in der Zeit bis zur Stellung des Insolvenzantrags geschenkt hat. Zu diesem Sachvortrag hat sich der Schuldner nicht geäußert. Ob insoweit das einfache Bestreiten im Schlusstermin ausreichte, kann dahin stehen. Jedenfalls wäre es aufgrund des Berichts des Treuhänders widerlegt.
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bb) In seinem nachgelassenen Schriftsatz macht der Schuldner keine tatsächlichen Ausführungen zu den ihm vorgeworfenen Versagungstatbeständen. Vielmehr beschränkt er sich auf rechtliche Ausführungen, indem er darauf verweist, dem Gläubigerantrag sei auch unter Berücksichtigung der in Bezug genommenen Berichte des Treuhänders nicht zu entnehmen, dass er den Tatbestand des Versagungsgrundes verwirklicht habe. Die Bezugnahme auf den Bericht des Treuhänders vom 2. Februar 2011 sei unzulässig, weil nicht konkret genug, weiter ergäben sich aus dem Vortrag des Gläubigers keine Anhaltspunkte für ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Schuldners. Diese rechtlichen Einwendungen greifen nicht durch und stellen die Versagung der Restschuldbefreiung nicht in Frage, wie sich aus den obigen Ausführungen unter 3a ergibt.
Kayser
Lohmann
Pape
Grupp
Möhring