02.09.2019 · IWW-Abrufnummer 210958
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 10.04.2019 – 10 K 3589/18 Kg
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf
10 K 3589/18 Kg
Tenor:
Die Kindergeldbescheide vom 5. Oktober 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 21. November 2018 werden dahin abgeändert, dass Kindergeld über den in den Bescheiden geregelten Nachzahlungszeitraum hinaus für das Kind B für den Zeitraum von Juli 2016 bis Januar 2018 und für das Kind C für den Zeitraum von August 2017 bis Januar 2018 nachgezahlt wird.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
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Strittig ist, ob die Beklagte die Auszahlung des Kindergeldes für die am 3. August 1993 und am 25. Juli 1999 geborenen Söhne B und C des Klägers entgegen der rückwirkenden Festsetzung ab Juli 2016 bzw. August 2017 aufgrund der Regelung in § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für Anspruchszeiträume vor Februar 2018 versagen durfte.
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Auf Antrag des Klägers vom 20. August 2018 (Kindergeldakte – KG-Akte – Bl. 88) setzte die Beklagte durch Bescheide vom 5. Oktober 2018 rückwirkend für B ab Juli 2016 und für C ab August 2017 Kindergeld fest. Die Auszahlung des Kindergeldes für Anspruchszeiträume vor Februar 2018 versagte sie unter Hinweis auf § 66 Abs. 3 EStG in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung (KG-Akte Bl. 126 f., 131 f.).
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Der Kläger legte dagegen mit Schreiben vom 20. Oktober 2018 am 30. Oktober 2018 Einspruch ein. In einem Schreiben, das er im Zusammenhang mit der Beendigung der Kindergeldzahlungen ab Juli 2016 bzw. August 2017 erhalten habe, sei mitgeteilt worden, dass Kindergeld vier Jahre nachgezahlt werden könne. Er habe sich deshalb Zeit gelassen, zumal Bankguthaben kaum noch Zinsen erbrächten. Über die durch das Gesetz vom 23. Juni 2017 eingeführte Regelung in § 66 Abs. 3 EStG sei er nicht informiert worden. Das Kindergeld sei für seine Kinder eine Absicherung ihres Studiums. So habe sich sein Sohn B durch sein Studium in X hoch verschuldet. Mit dem Kindergeld habe ein Teil der Schulden gegenüber dem X Staat bezahlt werden sollen. Dass das Kindergeld für diese Zeiten nicht ausgezahlt werde, treffe ihn in voller Härte. Dies sei mit Sicherheit nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen, als er dieses neue Gesetz erlassen habe. Auch sei er, der Kläger, der Meinung, dass das Kindergeld ihm vom jeweils festgesetzten Zeitpunkt an zustehe, weil das Gesetz zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existiert habe. Ein Gesetz könne aber nur für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit Geltung beanspruchen (KG-Akte Bl. 134).
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Die Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidungen vom 21. November 2018, in denen sie an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Rechtsauffassung festhielt und auf die verwiesen wird, als unbegründet zurück.
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Mit der daraufhin erhobenen Klage hält der Kläger an seinem Begehren fest. Er macht geltend, dass er anlässlich eines erneuten Antrags von Kindergeld für seinen volljährig gewordenen Sohn C im Juli 2017 ein Merkblatt zum Kindergeldanspruch für volljährige Kinder erhalten habe, das keine Information zur neuen Rechtslage enthalten habe. Recherchen aufgrund dieses Merkblattes hätten durchweg die Information enthalten, dass Kindergeld – der Rechtslage bei einkommensteuerlicher Antragsveranlagung vergleichbar – rückwirkend für vier Jahre ausgezahlt werde. Da die Frist für die Antragsveranlagung nicht geändert worden sei, sei er davon ausgegangen, dass sich auch die Rechtslage beim Kindergeld nicht geändert habe. Die Beklagte sei in diesem Punkt ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen. Die Neuregelung habe überdies aus Vertrauensschutzgründen erst nach einer Übergangszeit in Kraft treten dürfen. Da das Gesetz erst am 1. Januar 2018 in Kraft getreten sei, sei es zudem auf Zeiträume vor diesem Stichtag nicht anwendbar. Schließlich lasse es keine Berücksichtigung von Härtefällen zu. Ein solcher Härtefall bestehe in Bezug auf seinen Sohn B, der für sein Studium in X ein Darlehen aufgenommen habe, das er jetzt mangels Auszahlung des Kindergeldes für Zeiträume vor Januar 2018 nicht zurückzahlen könne.
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Der Kläger beantragt,
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die Bescheide vom 5. Oktober 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 21. November 2018 dahin zu ändern, dass die von der Beklagten verfügte Auszahlungsbeschränkung hinsichtlich des für B und C festgesetzten Kindergeldes aufgehoben und dadurch das für B festgesetzte Kindergeld auch für den Zeitraum von Juli 2016 bis Januar 2018 und das für C festgesetzte Kindergeld auch für den Zeitraum von August 2017 bis Januar 2018 ausgezahlt wird.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält an ihrer in den Einspruchsentscheidungen vertretenen Rechtsaufassung fest. Wegen ihres ergänzenden Vorbringens im Klageverfahren wird auf ihren Schriftsatz vom 4. Februar 2019 verwiesen.
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Ein Ausdruck der digitalisierten Kindergeldakte im Umfang von Bl. 88 bis Bl. 150 hat vorgelegen.
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Entscheidungsgründe
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I. 1. Bei der Klage handelt es sich um eine Anfechtungsklage i. S. von § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden vorgenommene Begrenzung der Nachzahlung des Kindergeldes auf die letzten sechs Monate vor dem Eingang seines Kindergeldantrags. Bei dieser Begrenzung handelt es sich um eine Regelung i. S. von § 118 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) und damit um einen Verwaltungsakt. Ob dieser Verwaltungsakt als Abrechnungsbescheid i. S. von § 218 Abs. 2 AO zu qualifizieren ist (so Niedersächsisches Finanzgericht – FG –, Urteil vom 25. Oktober 2018 10 K 141/18, juris), kann dahinstehen. Er erschöpft sich jedenfalls nicht in einer Ablehnung, gegen die eine Verpflichtungsklage zu erheben wäre, sondern regelt den Zeitraum, für den ein Auszahlungsanspruch nach Auffassung der Beklagten besteht. Diese Regelung kann, sofern sie rechtswidrig ist, vom Gericht gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO im Wege der Anfechtungsklage abgeändert werden. Damit steht zugleich fest, dass es sich bei der Klage nicht um eine Leistungsklage i. S. von § 40 Abs. 1 Variante 3 FGO handelt.
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2. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 11. März 2019 darauf hingewiesen hat, dass die Beklagte für seinen Sohn B ab dem der Klageerhebung folgenden Monat, d. h. ab Januar 2019, kein Kindergeld mehr ausgezahlt hat, ist dies zwar – wie auch die von der Beklagten auf Bitten des Berichterstatters am 22. März 2019 per E-Mail übersandte Zahlungsübersicht zeigt – zutreffend. Grund dafür ist jedoch nicht die Regelung in § 66 Abs. 3 EStG, sondern die Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG, wonach ein Kind auch im Fall einer Berufsausbildung längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt wird, falls kein Verlängerungstatbestand gemäß § 32 Abs. 5 EStG gegeben ist oder die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG vorliegen, wofür im Streitfall nichts ersichtlich ist. Diese Regelungen gelten auch im steuerrechtlichen Kindergeldrecht (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG). Da B das 25. Lebensjahr bereits im August 2018 vollendet hatte, wäre die Festsetzung des Kindergeldes bereits im Bescheid vom 5. Oktober 2018 auf die Zeit bis August 2018 und damit zugleich die Aus- bzw. Nachzahlung des Kindergeldes für dieses Kind bis zum Ablauf dieses Monats zu begrenzen gewesen. Die Einstellung der Zahlung des Kindergeldes für dieses Kind ab Januar 2019 war jedoch bei Klageerhebung nicht bekannt und beruht auch nicht auf § 66 Abs. 3 EStG, weshalb das Gericht den Gegenstand des Klagebegehrens auf die Anwendung dieser Vorschrift begrenzt ansieht. Auch eine Klageänderung i. S. von § 67 Abs. 1 FGO ist insoweit nicht anzunehmen, weil der Kläger dies zum einen nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht hat und zum anderen sein diesbezügliches Begehren zunächst zum Anlass für eine Klärung durch die Beklagte, z. B. durch einen Abrechnungsbescheid, nehmen müsste.
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II. Die Klage ist zulässig.
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Der Kläger hat die Klage fristgerecht erhoben.
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Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidungen richtet sich gemäß § 365 Abs. 1 AO nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO. Danach gilt eine Einspruchsentscheidung, die durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, es sei denn, dass sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.
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Die Aktenausfertigungen der Einspruchsentscheidungen tragen in der Zeile „abgesandt am“ kein Datum. Aus dem vom Kläger vorgelegten Briefumschlag, mit dem sie ihm übersandt worden sind, ergibt sich jedoch, dass sie erst am 26. November 2018 vom Postdienstleister, dessen die Beklagte sich bedient, zur Übermittlung an den Kläger abgeholt wurden (vgl. auch den Aktenvermerk des Berichterstatters vom 21. März 2019). Tag der Aufgabe zur Post war daher der 26. November 2018. Die Einspruchsentscheidungen gelten damit nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am 29. November 2018 bekannt gegeben. Die Klagefrist begann daher am 30. November 2018 und endete gemäß § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Ablauf des 31. Dezember 2018, weil der 29. Dezember 2018 als rechnerisches Fristende auf einen Samstag fiel. Der Kläger hat die Klage jedoch bereits am 28. Dezember 2018 und damit fristgerecht erhoben.
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III. Die Klage ist auch begründet.
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Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte in diesen Bescheiden Kindergeld für B ab Juli 2016 und für C ab August 2017 festgesetzt, die Nachzahlung des festgesetzten Kindergeldes jedoch auf den Zeitraum von Februar 2018 bis September 2018 begrenzt hat. Diese Begrenzung war aufzuheben und die Nachzahlung gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO auch auf die davorliegenden Zeiträume bis zu dem Monat zu erstrecken, ab dem Kindergeld für das jeweilige Kind festgesetzt wurde.
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1. Das Kindergeld nach § 62 EStG wird gemäß § 70 Abs. 1 EStG von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt. Nach § 66 Abs. 3 EStG wird das Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Diese Regelung gilt nach § 52 Abs. 49a Satz 7 EStG für alle Anträge, die – wie der im August 2018 gestellte Antrag des Klägers – nach dem 31. Dezember 2017 eingehen.
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§ 66 Abs. 3 EStG und § 52 Abs. 49a Satz 7 EStG wurden durch das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 23. Juni 2017 (BGBl. I 2017, 1682) eingefügt. Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses vom 26. April 2017 (Bundestags-Drucks. 18/12127, S. 62) sollte durch § 66 Abs. 3 EStG verhindert werden, dass für einen mehrjährigen Zeitraum in der Vergangenheit rückwirkend Kindergeld ausgezahlt werden kann. Abweichend von der regulären Festsetzungsfrist von vier Jahren gemäß § 169 AO sehe die Regelung vor, dass Kindergeld nur noch sechs Monate rückwirkend ausgezahlt werden könne. Das Kindergeld solle von seiner Zwecksetzung her im laufenden Kalenderjahr die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes sicherstellen. Hierfür sei eine mehrjährige Rückwirkung aber nicht erforderlich, weil Anträge auf Kindergeld regelmäßig zeitnah gestellt würden. In Fällen, in denen das Kindergeld vollständig der Familienförderung i. S. des § 31 Satz 2 EStG diene, sei ein Gleichklang mit der steuerlichen Festsetzungsfrist ebenfalls nicht erforderlich. Die Regelung bewirke, dass das Kindergeld über die zurückliegenden sechs Monate hinaus nicht mehr zur Auszahlung gelangen könne. Der materiell-rechtliche Anspruch werde hierdurch nicht berührt, was insbesondere für an das Kindergeld anknüpfende Annexleistungen im außersteuerlichen Bereich von Bedeutung sei.
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§ 66 Abs. 3 EStG entspricht wörtlich einer Vorgängerregelung, die bis zu ihrer Aufhebung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I 1997, 2970) mit Wirkung ab dem 1. Januar 1998 in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1997 galt. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 6. November 2003 2 BvR 1240/02, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungs-Report 2004, 81) hat diese Vorgängerregelung – wie zuvor schon der Bundesfinanzhof – BFH – (vgl. Urteile vom 24. Oktober 2000 VI R 65/99, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2001, 109, und vom 14. Mai 2002 VIII R 68/00 Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs 2002, 1293) als verfassungsgemäß angesehen. Das Gericht schließt sich dieser Ansicht auch für die erneute Regelung – ebenso wie für die Inkrafttretensregelung – an (ebenso Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 66 Rn. 70).
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§ 66 Abs. 3 EStG enthält keine Regelung, die sich ausschließlich auf den Bereich der Erhebung, d. h. die Auszahlung des Kindergeldes, bezieht. Die Vorschrift bezieht sich vielmehr zugleich auf die Festsetzung des Kindergeldes (ebenso Niedersächsisches FG, Urteil vom 25. September 2018 8 K 95/18, juris, und Urteil vom 25. Oktober 2018 10 K 141/18, juris; Avvento in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 2019, § 66 Rn. 7; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 66 EStG Anm. J 17-6; ders., Deutsches Steuerrecht – DStR – 2018, 2065 unter 4.1; Selder in Blümich, Einkommensteuergesetz/Körperschaftsteuergesetz/Gewerbesteuergesetz, § 66 EStG Rn. 35a; a. A. R. Claßen in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 66 Anm. 7; Bauhaus in Korn, Einkommensteuergesetz, § 66 Rz. 13). Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut der Norm („gezahlt“), wie er auch Gegenstand der Regelungen in § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 5, § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 66 Abs. 2 EStG ist, als auch aus der systematischen Stellung; denn § 66 EStG gehört noch zu den Bestimmungen, die – wie die §§ 62 bis 66 EStG – den Kindergeldanspruch dem Grunde und der Höhe nach regeln, während die §§ 67 ff. EStG seine Geltendmachung und verfahrensrechtliche Fragen betreffen.
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Hinzu kommt, dass auch bezüglich der in den Jahren 1996 und 1997 geltenden Vorgängervorschrift seitens des BFH (Urteil vom 24. Oktober 2000 VI R 65/99, BStBl II 2001, 109) davon ausgegangen wurde, dass sie sich auch auf Festsetzungsverfahren bezieht (so zutreffend Wendel, DStR 2018, 2065 unter 4.1 a. E.). Zudem wurde § 66 Abs. 3 EStG auch im Gesetzgebungsverfahren als eine von der Festsetzungsfrist gemäß § 169 AO abweichende Regelung verstanden, nicht dagegen als Regelung, die nur Bedeutung für die Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) hätte. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO schließt aber eine Steuerfestsetzung nach Ablauf der Festsetzungsfrist aus, d. h. im Fall des Kindergeldes die Festsetzung des Kindergeldes als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG).
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2. Die Beklagte war daher nach § 66 Abs. 3 EStG gehindert, Kindergeld für B und C für Monate vor Februar 2018 festzusetzen. Die gleichwohl erfolgten, weiter zurückreichenden Festsetzungen sind damit rechtswidrig, mangels Nichtigkeit oder Aufhebung, etwa aufgrund einer Anfechtung durch den Kläger, aber auch für die Beklagte gemäß § 124 Abs. 2 AO bindend. Sie bilden den Rechtsgrund für eine Verpflichtung zur Auszahlung ab dem Monat der Festsetzung des Kindergeldes (ebenso Selder in Blümich, Einkommensteuergesetz/Körperschaftsteuergesetz/Gewerbesteuergesetz, § 66 EStG Rn. 35a).
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Das Gericht hält es auch nicht für zulässig, die angefochtenen Bescheide in der Weise auszulegen, dass die Kindergeldfestsetzungen, soweit sie nicht mit dem Nachzahlungszeitraum übereinstimmen, lediglich festsetzungsrechtliche und – im Hinblick auf den Hinweis auf § 66 Abs. 3 EStG im Abschnitt „Nachzahlung“ – nicht zugleich erhebungsrechtliche Wirkungen entfalten. Soweit das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Ziff. 2.1 des Schreibens vom 25. Oktober 2017 (St II 2 – S 2474-PB/17/00001, BStBl I 2017, 1540; ebenso Abschnitt V 22.2 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz – DA-KG – vom 10. Juli 2018 St II 2 – S 2280-BA/18/00001, BStBl I 2018, 822) eine derartige Beurteilung vertritt, beruht sie auf der – nach Auffassung des Gerichts unzutreffenden – Auslegung des § 66 Abs. 3 EStG, dass diese Vorschrift nur im Erhebungsverfahren anzuwenden sei. Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Begründung (Bundestags-Drucks. 18/12127, S. 62) durch die Neuregelung lediglich verhindern, dass dadurch der materiell-rechtliche Kindergeldanspruch berührt wird, soweit er für an das Kindergeld anknüpfende Annexleistungen im außersteuerlichen Bereich bedeutsam ist. Weder die Gesetzesbegründung noch § 66 Abs. 3 EStG selbst sehen aber eine – differenzierende – Regelung dergestalt vor, wie die Beklagte sie in Anlehnung an die Weisungen des BZSt im Schreiben vom 25. Oktober 2017 und in Abschnitt V 22.2 DA-KG getroffen hat. Nach Auffassung des Gerichts haben vielmehr die Stellen, die für die Gewährung der an das Kindergeld anknüpfenden Annexleistungen zuständig sind, selbständig zu prüfen, ob ein Kindergeldanspruch bestanden hat. Es erscheint jedenfalls – selbst wenn die dafür maßgeblichen Normen explizit auf eine Festsetzung des Kindergeldes und nicht nur auf das Bestehen des Anspruchs abstellen sollten – nicht folgerichtig, dass eine über den in § 66 Abs. 3 EStG vorgesehenen Zeitraum hinausreichende rückwirkende Festsetzung des Kindergeldes davon abhängen soll, ob die Familienkasse – wie in Ziff. 2.1 des Schreibens des BZSt vom 25. Oktober 2017 und in Abschnitt V 22.2 DA-KG vorgesehen – den Anspruch auf Kindergeld ohne weitere Sachverhaltsaufklärung feststellen kann, ohne dass es auf ein Interesse des Berechtigten an der Festsetzung ankommt (dann Festsetzung), oder ob sie mangels ausreichender Unterlagen dies nicht kann (dann keine Festsetzung), ohne dass sicher sein muss, ob der Berechtigte ein Interesse an der Festsetzung haben muss. Im Streitfall ist für das Gericht jedenfalls nicht erkennbar, dass der Kläger im Hinblick auf außersteuerliche Annexleistungen ein Interesse an einer rückwirkenden Festsetzung des Kindergeldes für Zeiträume von mehr als sechs Monaten vor Stellung seines Kindergeldantrags ohne gleichzeitige Auszahlung des Kindergeldes für diese Zeiträume gehabt haben könnte. Für eine solche Festsetzung bestand daher aus Sicht des Gerichts kein Anlass. Wenn sie aber, wie im Streitfall, doch erfolgte, so konnte sie nicht durch den Hinweis auf § 66 Abs. 3 EStG im Abschnitt „Nachzahlung“ auf den Bereich der Festsetzung – ohne erhebungsrechtliche Wirkung – begrenzt werden (a. A. möglicherweise Wendl in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 66 EStG Anm. J 17-6; ders., DStR 2018, 2065 unter 4.3).
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Das Gericht ist damit der Auffassung, dass der Erlass von Kindergeldbescheiden des Inhalts, wie ihn das BZSt in seinen Weisungen für zulässig hält und wie sie auch im Streitfall ergangen sind, rechtmäßig und mit der beabsichtigten Rechtsfolge nur möglich ist, wenn § 66 Abs. 3 EStG insoweit eine Regelung enthielte, wie sie in ähnlicher Weise Gegenstand der Regelung in § 181 Abs. 5 Satz 1 und 2 AO ist. Dort ist jedoch ausdrücklich vorgesehen, dass die an sich gegen § 169 AO verstoßende Feststellung nur im Hinblick auf die noch nicht verjährte Folgefestsetzung von Bedeutung ist und darauf – einer gesetzlichen Anordnung folgend – im Feststellungsbescheid hingewiesen wird. Eine vergleichbare Regelung enthält § 66 Abs. 3 EStG derzeit nicht.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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VI. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung. Dem BFH liegt zudem im Revisionsverfahren III R 70/18 bereits ein vergleichbarer Sachverhalt vor.