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  • 12.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211114

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 10.07.2019 – 3 W 542/19

    Ein Prozessvergleich in 2. Instanz ändert grundsätzlich nichts an der Verzinsung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs (wie OLG Nürnberg, 12 W 253/18 entgegen OLG Köln, 17 W 78/13, v.g.).


    Oberlandesgericht Dresden

    Beschl. v. 10.07.2019

    Az.: 3 W 542/19

    In Sachen

    H...... K......
    - Klägerin und Beschwerdeführerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    S........... ...... Rechtsanwälte, ...
    gegen
    U...... H........... GmbH, ...
    vertreten durch die Geschäftsführer Dr. E...... E...... und A...... K......
    - Beklagte und Beschwerdegegnerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte O..........., W..........., H..........., ...

    wegen gesellschaftsrechtlicher Abfindungsansprüche
    hier: Kostenfestsetzungsbeschwerde

    hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
    Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. N......,
    Richterin am Oberlandesgericht A...... und
    Richterin am Oberlandesgericht M......

    ohne mündliche Verhandlung am 10.07.2019 beschlossen:

    Tenor:

    Auf die Beschwerde der Klägerin wird der die erstinstanzlichen Kosten behandelnde Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dresden vom 24.04.2019 (42 HKO 363/06) geändert.

    Die von der Beklagten der Klägerin zu erstattenden Prozesskosten erster Instanz werden auf 20.641,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches aus 20.496,70 € vom 16.01.2015 bis zum 27.02.2019 und aus 20.641,00 € ab 28.02.2019 festgesetzt.

    Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, nur für die Beklagte.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte. Eine Gerichtsgebühr wird im Beschwerdeverfahren allerdings nicht erhoben.

    Wert des Beschwerdegegenstandes: 3.500,00 €.

    Gründe

    I.

    Die Prozessparteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren um die Verzinsung des prozessualen Kostenerstattungsanspruches der Klägerin.

    Gestritten wird (nur) zu den Kosten der ersten Instanz. Das Landgericht legte diese Kosten der Beklagten auf, durch Urteil vom 09.01.2015. Vom Berufungsgericht wurde dies zunächst bestätigt. Dessen Entscheidung wurde allerdings vom Bundesgerichtshof kassiert. Im so wieder aufgenommenen Berufungsverfahren einigten sich die Prozessparteien am 12.12.2018 durch Prozessvergleich auf eine Kostenverteilung von 35 (Klägerin) zu 65 (Beklagte).

    Auf der Grundlage dieses Vergleichs hat die landgerichtliche Rechtspflegerin zu den erstinstanzlichen Kosten 20.641,00 € zugunsten der Klägerin festgesetzt. Verzinst hat sie diese - erst - ab 30.01.2019, nicht - schon - ab 16.01.2015. Am 16.01.2015 hatte die Klägerin ihren Antrag zur Festsetzung der erstinstanzlichen Kosten erstmals beim Landgericht angebracht. Am 30.01.2019 tat sie es neuerlich. Grund dieser wiederholten Beantragung war eine Aufforderung der landgerichtlichen Rechtspflegerin. Diese hielt den ursprünglichen Festsetzungsantrag für verbraucht, weil schon im Frühjahr 2016 zugunsten der Klägerin verbeschieden.

    Mit ihrer jetzt vom Oberlandesgericht zu bescheidenden Kostenfestsetzungsbeschwerde beansprucht die Klägerin eine Verzinsung ihres prozessualen Kostenerstattungsanspruches bereits ab 16.01.2015. Das ist ihres Erachtens der für den Zinsbeginn maßgebliche Zeitpunkt. Die Beklagte beurteilt es anders. Sie hält für richtig, was die landgerichtliche Rechtspflegerin entschied.

    Der beim Oberlandesgericht mit der Beschwerde zunächst befasste Einzelrichter hat das Verfahren dem Senat zur Entscheidung in Dreierbesetzung übertragen. Dieser verweist zu den Einzelheiten des Kostenfestsetzungs- und des Beschwerdeverfahrens auf die zu ihnen eingereichten Schriften der Prozessparteien (GA V 866 ff., VI 1113 ff., 1128 f, 1135 f, 1154 ff., 1159 ff.), auf die beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts vom Frühjahr 2016 (GA VI 1079) und vom 24.04.2019 (GA VI 1146) sowie auf die zur Hauptsache ergangenen Entscheidungen der mit ihr befassten Gerichte (GA V 858, VI 1055, VII 69) und auf den Prozessvergleich (GA VI 1101 f).

    II.

    Die nach §§ 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG, 568 S. 2 ZPO infolge der erwähnten Übertragung vom vollbesetzten oberlandesgerichtlichen Zivilsenat zu bescheidende Kostenfestsetzungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig und im Wesentlichen begründet. Der Senat vermag allerdings nicht auszuschließen, dass dieses Ergebnis dem widerspricht, was ansonsten in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung vertreten wird. Deshalb lässt er die Rechtsbeschwerde zu (§ 574 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 ZPO).

    1. Zulässigkeit der Kostenfestsetzungsbeschwerde

    a)

    Nötig zu ihr ist eine formelle Beschwer der Klägerin zu den Zinsen. Gegeben ist sie nur, wenn die Rechtspflegerin den Zinsantrag der Klägerin teils zurückwies. Das tat sie. Die Klägerin hat das Festsetzungsgesuch zwar erneut angebracht. Sie hat dabei aber ausdrücklich die Verzinsung schon ab 16.01.2015 beansprucht (GA VI 1113).

    b)

    Der nach § 567 Abs. 2 ZPO (§§ 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG) erforderliche Beschwerdewert von mehr als 200,00 € ist erreicht. Der mit der Beschwerde beanstandete Zinsnachteil beträgt etwa 3.500,00 €. Die Beschwerde ist zeit- und formgerecht eingereicht. Sie ging beim Landgericht per Telefax am 07.05.2019 ein. Zugestellt war der Klägerin der mit ihr angefochtene Beschluss am 29.04.2019. Damit sind die 14 Tage, die das Gesetz der Klägerin zur Einreichung der Beschwerde zubilligt, nicht überschritten (§ 569 ZPO).

    2. Zinsbeginn

    Nach § 103 Abs. 1 ZPO kann der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO ist auf Antrag auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrages mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind. Maßgeblich zur Verzinsung des prozessualen Kostenerstattungsanspruches sind demnach die Anbringung des Festsetzungsgesuches, der Zinsantrag und der Titel.

    Angebracht wurde das klägerische Festsetzungsgesuch am 16.01.2015. Zinsrechtlich verbraucht, wie die landgerichtliche Rechtspflegerin sagt, ist es nicht. Einen solchen Verbrauch kennt die Zivilprozessordnung nach Einschätzung des Beschwerdegerichts nicht. So nimmt denn auch niemand an, das Berufungsgericht, das abweichend vom erstinstanzlichen Prozessgericht nur einen Teil der Klageforderung zuspricht, dürfe Prozesszinsen erst ab Zustellung der klägerischen Berufungserwiderung zubilligen. Im Übrigen ist der ursprüngliche Kostenfestsetzungsbeschluss aus dem Frühjahr 2016 gegenstandslos, weil nach höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung ein Kostenfestsetzungsbeschluss durch jede Änderung der Kostengrundentscheidung "seine Wirkung verliert", damit auch die etwaige eines Verbrauchs des seinerzeitigen Festsetzungsgesuchs (Nw. zur erwähnten Rspr. bei Herget in Zöller, ZPO, 32. Aufl., Rn. 21 zu § 104 ZPO, Stichwort "Wegfall des Titels" = S. 443).

    Der Zinsantrag ist gestellt. Er kann nachgeschoben werden, ohne dass sich der Zinsbeginn ändert. Hier war er sogar von Beginn an, also ab 16.01.2015, angebracht (GA V 867).

    Den "Titel" bot zunächst das (für vorläufig vollstreckbar erklärte) landgerichtliche Urteil vom 09.01.2015 (§ 704 ZPO), zuletzt der Vergleich, den die Prozessparteien vor dem Dresdner Oberlandesgericht als Berufungsgericht abgeschlossen haben (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Geschlossen haben die Prozessparteien diesen Vergleich am 12.12.2018. Stellt man auf ihn ab, kann der Kostenerstattungsanspruch erst ab 12.12.2018 verzinst werden.

    Der Kostenfestsetzungsbeschwerde der Klägerin könnte so nur zu einem geringen Anteil stattgegeben werden. Hält man hingegen das landgerichtliche Urteil für ausschlaggebend, ist dem klägerischen Anliegen - im Wesentlichen - zu entsprechen.

    Vertretbar ist beides. Für richtiger hält das Beschwerdegericht angesichts der BGH-Entscheidung X ZB 7/05 Letzteres, also die frühere Verzinsung.

    Auch in dem vom Bundesgerichtshof zu beurteilenden Streitfall haben sich die Prozessparteien nach erstinstanzlich (nahezu durchweg) erfolgreicher Klage im Berufungsverfahren geeinigt. Vom Kläger wurde die Klage zu einem geringen Teil, vom Beklagten die Berufung zur verbliebenen Beschwer zurückgenommen. Diesen Rücknahmen entsprechend verteilte das Berufungsgericht die Kosten des Rechtsstreits, änderte so die erstinstanzliche Kostenentscheidung zum Nachteil der klagenden Prozesspartei ab. Gleichwohl sprach der Bundesgerichtshof dieser den Zinsanspruch ab Anbringung ihres ursprünglichen Festsetzungsgesuchs zu.

    Dem ist nach Einschätzung des Beschwerdegerichts der hier zu beurteilende Streitfall gleichgelagert, zumal anerkannt sein dürfte, dass Kostenabsprachen in Prozessvergleichen regelmäßig nicht anders zu verstehen sind als gerichtliche Kostenentscheidungen. Aus Gründen einheitlicher Rechtsprechung darf es hier also nicht anders entschieden werden als dort, im BGH-Fall. Dem klägerischen Beschwerdeantrag folgend ist der Kostenerstattungsanspruch damit schon ab 16.01.2015 zu verzinsen. Das gilt allerdings nicht zu den klägerischen Terminswahrnehmungskosten. Sie wurden (mit 222,00 €) erstmals am 28.02.2019 zur Festsetzung angemeldet (GA VI 1135). Der auf sie entfallende Erstattungsanspruch (65 % von 222,00 €) ist folglich erst ab dort zu verzinsen.

    3. Zulassung der Rechtsbeschwerde

    Sie ist, wie bereits eingangs der Beschlussgründe bemerkt, geboten. Schon die Rechtspflegerin hat auf die Kommentierung von Herget in Zöller (aaO., Rn. 6 zu § 104 ZPO = S. 425, 426) und die dort angeführte Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte hingewiesen. Nach ihr kann bei einem Prozessvergleich in zweiter Instanz die Verzinsung erst von einem Antragszeitpunkt nach Vergleichsabschluss verlangt werden. Das widerspricht dem hier gefundenen Ergebnis. Diese Rechtsprechung gilt offenbar, wie der Beschluss des Oberlandesgerichts in Köln zum dortigen Aktenzeichen 17 W 78/13 zeigt, auch in Ansehung der erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu X ZB 7/05 nicht als überholt. Hinzu kommt der von der Beschwerdeerwiderung erwähnte Beschluss des Bundesgerichtshofes zu X ZB 2/15. Zwar sieht sich das Beschwerdegericht durch diese bundesgerichtliche Entscheidung eher bestätigt als widerlegt, zumal hier die vom Bundesgerichtshof für maßgeblich erachtete "ununterbrochende Durchsetzbarkeit des Kostenerstattungsanspruches" bestand. Wirkungslos wurde das landgerichtliche Urteil erst durch den Prozessvergleich, nicht schon durch das Berufungs- und das Revisionsurteil. Das Beschwerdegericht vermag aber nicht auszuschließen, dass von ihm diese bundesgerichtliche Entscheidung (und deren Abgrenzung zur vorab erwähnten) nicht richtig verstanden wird (Verständnis wie hier OLG Nürnberg, 12 W 253/18).

    Zur Einlegung der mit dieser Zulassung statthaften Rechtsbeschwerde benötigt die Beklagte einen Rechtsanwalt. Dieser Rechtsanwalt muss beim Bundesgerichtshof zugelassen sein. Das sind die Rechtsanwälte, von denen die Beklagte sich bisher vertreten ließ, nicht. Die Anschriften der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte finden die Verantwortlichen der Beklagten u. a. im Internet. Einen dieser Rechtsanwälte muss die Beklagte bald beauftragen. Nach Zustellung des Senatsbeschlusses bleibt nur ein Monat Zeit, um die Rechtsbeschwerde durch den Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof einreichen zu lassen. Zu beachten sind weitere Förmlichkeiten. Diese kennt der beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwalt. Er kennt sie ob seiner ständigen Befassung mit ihnen besser als die Mitglieder des Beschwerdegerichts. Diese sehen deshalb von weiteren Belehrungen ab. Sie wären sinnlos und können deshalb von Gesetzes wegen nicht gewollt sein.

    4. Kosten des Beschwerdeverfahrens

    Die Entscheidung zu den Kosten dieses Beschwerdeverfahrens folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sowie aus der Anm. zu GKG-KV 1812.

    RechtsgebietKostenrechtVorschriften§ 104 ZPO