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  • 20.10.2020 · IWW-Abrufnummer 218377

    Oberlandesgericht Brandenburg: Urteil vom 24.06.2020 – 7 U 44/19

    1. Wer ein Unternehmen fortführt, haftet für von dem früheren Geschäftsinhaber gegründete Zahlungsverpflichtungen nur dann, wenn er die vor der Übernahme der Geschäftsführung verwendete Firma fortführt (§ 25 Abs. 1 S. 1 HGB).

    2. Die Fortführung allein einer Geschäfts- oder Etablissementbezeichnung begründet die Haftung des neuen Inhabers nach § 25 Abs. 1 S. 1 HGB nicht. Insbesondere ist § 25 Abs. 1 S. 1 HGB nicht analog auf Geschäftsbezeichnungen anzuwenden.




    In dem Rechtsstreit
    ...
    - Beklagte und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigter: ...
    gegen
    ...
    - Klägerin und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte: ...
    hat das Brandenburgische Oberlandesgericht - 7. Zivilsenat - durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Burghart als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung am 03.06.2020 für Recht erkannt:
    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. März 2019 abgeändert:

    Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 7. Dezember 2017 - 17-1067561-2-6 - wird aufgehoben.

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin mit Ausnahme der durch die Versäumnis der Beklagten veranlassten Kosten; diese Kosten trägt die Beklagte.

    Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Gründe

    I.

    Eines Tatbestandes bedarf es nicht (§ 313 a I 1 ZPO).

    II.

    Die Berufung ist begründet.

    Die Bedenken der Klägerin gegen die Zulässigkeit des Einspruchs (§ 694 II 1 ZPO) der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid sind nicht berechtigt. Die Beklagte ist bei dieser Prozeßhandlung wirksam vertreten worden. Der Vertreter hat im Namen der Beklagten gehandelt. Er hat ihren Namen als die "Bezeichnung des Absenders" in das Widerspruchsformular eingetragen (Bl. 17). Daß er angegeben hat, den Widerspruch "als Prozessbevollmächtigter" zu erheben, indem er die Zeilen 8 bis 10 des Formular ausgefüllt und dort den Namen eines Rechtsanwalts eingetragen hat, ist als Irrtum beim Ausfüllen eines für Laien ungewohnten, unübersichtlichen Formulars erkennbar. Der Erklärende hat selbst den Widerspruch für die Beklagte erheben und dabei darauf hinweisen wollen, der Prozeß werde sodann mit Hilfe eines Rechtsanwalts als Prozeßbevollmächtigtem geführt werden. Ob der Vertreter schon zur Zeit der Abgabe der Erklärung bevollmächtigt war, bedarf wegen der von der Beklagten erklärten Genehmigung (Bl. 142) keiner Erörterung.

    Die Klage ist unbegründet.

    Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 8.244,67 Euro, die die Klägerin zuvor mit den als Anlagen K 4 bis K 13 (Bl. 102 ff.) vorgelegten Rechnungen für Steuerberaterleistungen von dem Ehemann der Klägerin, Herrn G... N..., verlangt hat, der unter der seinem Namen hinzugesetzten Bezeichnung "Hotel S..." mit der Klägerin einen "Steuerberatungsvertrag" geschlossen hatte (Anlage K 3 = Bl. 100 f.).

    Für diese von ihrem Ehemann als früherem Geschäftsinhaber vereinbarten Zahlungsverpflichtungen haftet die Beklagte nicht. Sie hat während ihrer Fortführung des Unternehmens die vor ihrer Übernahme der Geschäftsführung verwendete Firma nicht fortgeführt (§ 25 I 1 HGB).

    Die Kontinuität des Unternehmens ist der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger. Diese Unternehmenskontinuität tritt nach außen in Erscheinung durch die Fortführung der Firma (BGH, ZIP 2001, 567, 568; 2004, 1103, 1104).

    Die haftungsbegründende Unternehmenskontinuität ist in diesem Sinne sichtbar, wenn die unter dem bisherigen Geschäftsinhaber tatsächlich geführte und von dem Erwerber weitergeführte Firma eine derart prägende Kraft besitzt, dass der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortführung der bisherigen Firma sieht. Dazu muß der neue Inhaber die alte Firma nicht vollständig und buchstabengenau unverändert fortgeführen. Die Unternehmenskontinuität wird schon ausreichend sichtbar, um die Haftung zu rechtfertigen, wenn der prägende Teil der alten in der neuen Firma beibehalten ist und deswegen die mit dem jeweiligen Unternehmen in geschäftlichem Kontakt stehenden Kreise des Rechtsverkehrs die neue Firma noch mit der alten identifizieren (BGH, ZIP 2004, 1103, 1104).

    Für die Sicht des maßgeblichen Verkehrs kommt es nicht auf die firmenrechtliche Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der alten oder der neuen oder beider Firmen an (BGH, ZIP 2001, 567, 568). Ob die hier fraglichen Bezeichnungen nach § 19 I Nr. 1 HGB als Firmen geführt werden durften, braucht deshalb nicht näher erörtert zu werden.

    Die Fortführung der Bezeichnung "Berghotel und Restaurant 'S...'" (vgl. Anlagen K 15, K 16 = Bl. 151 f.) oder von Teilen davon begründet die Haftung der Beklagten nicht. Die Fortführung allein einer Geschäfts- oder Etablissementbezeichnung begründet die Haftung des neuen Inhabers nach § 25 I 1 HGB nicht. Geschäftsbezeichnungen in der Form der Etablissementbezeichnung sind gerade bei Hotels und Gaststätten seit jeher verbreitet. Der Rechtsverkehr versteht solche Namen regelmäßig als Bezeichnung eines bestimmten Geschäfts und nicht als Firma, die das Unternehmen kennzeichnet (BGH, ZIP 2014, 1329, Rdnr. 9). Geschäftsbezeichnungen von Hotels und Gaststätten unterscheiden sich von einer Firma dadurch, daß sie nicht auf den Inhaber des Unternehmens, sondern nur auf das Unternehmen hinweisen (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 965 - Laterna).

    Der Senat bleibt dabei, eine analoge Anwendung des § 25 I 1 HGB auf Geschäftsbezeichnungen abzulehnen (vgl. Senatsurt., NJW-RR 1999, 395 f. - Strandhotel Imperator). Eine Regelungslücke besteht nicht. Bei der umfassenden Neuregelung des Firmenrechts (§§ 17 ff. HGB) 1998 bestand die Gelegenheit, die bekannten Meinungsverschiedenheiten zu bereinigen, ob der Tatbestand § 25 I HGB den Grund der Haftung des Unternehmenserwerbers zutreffend und vollständig abbilde. Der Tatbestand ist indes auf die Fortführung der Firma beschränkt geblieben und nicht auf Geschäftsbezeichnungen erweitert worden.

    Daß sowohl der alte Inhaber als auch die Beklagte der Geschäftsbezeichnung ihre bürgerlichen Namen hinzugesetzt haben, führt nicht zu einer der Klägerin günstigeren Beurteilung. Ob auch bei Verwendung einer Geschäfts- oder Etablissementbezeichnung eine Haftung gemäß § 25 I 1 HGB in Betracht kommen kann, wenn der Erwerber nicht allein die vom früheren Inhaber genutzte Geschäftsbezeichnung fortführt, sondern sie als Kern seiner eigenen, neuen Firma verwendet (vgl. Staub-Burgard, HGB, 5. Aufl. 2009, § 25 Rdnr. 64; Schodder, EWiR 2014, 407, 408), braucht nicht vertieft zu werden. Sowohl der alte Inhaber als auch die Beklagte haben der Geschäftsbezeichnung ihren bürgerlichen Namen hinzugefügt. Neben dem Namen des Inhabers erlangt eine Geschäftsbezeichnung nicht ein so überragendes Gewicht, daß der Name als prägender Teil der Firma oder - wenn § 19 I Nr. 1 HGB mißachtet wird - firmenähnlichen Bezeichnung nicht mehr in Betracht käme. Die Verkehrskreise, nämlich diejenigen Teilnehmer am Geschäftsverkehr, die Vertragsbeziehungen mit dem Unternehmensträger eingehen, werden bei einer Namensverschiedenheit, die auf eine Personenverschiedenheit hinweist, gerade Zweifel an der Unternehmenskontinuität hegen. Es liegt nämlich nicht fern, daß ein neuer Inhaber mit der Verwendung seines und nicht mehr des Namens des alten Inhabers darauf hinweisen will, daß das Unternehmen nun nach anderen, neuen Grundsätzen und eventuell sogar mit anderem Geschäftsgegenstand betrieben werden soll. Deshalb reicht für eine solche Namensverschiedenheit die Verschiedenheit im Vornamen bei gleichem Familiennamen aus, denn auch so wird eine Personenverschiedenheit deutlich. Während das bloße Weglassen des Vornamens in der neuen Firma, die daneben den Gegenstand des Unternehmens unverändert bezeichnet, die Kontinuität des Unternehmens hervorheben kann (vgl. BGH, NJW 1986, 581, 582), unterstreicht das Ersetzen eines Vornamens durch einen anderen nicht nur den Wechsel der Unternehmensträgers, sondern stellt auch die Kontinuität des Unternehmens in Frage.

    Die Anlagen K 15 bis K 19 (Bl. 151 ff.), auf die die Klägerin und das Landgericht verweisen, eignen sich gerade nicht, um eine Firmenfortführung durch die Beklagte nachzuweisen. Soweit in diesen Anlagen Erklärungen abgegeben wurden, handelte nicht die Beklagte, sondern der alte Inhaber unterschrieb mit seinem Namen unter der Geschäftsbezeichnung, der sein Name hinzugesetzt war. Das spricht dafür, daß die Erklärungen vor der Übernahme des Betriebes durch die Beklagte abgegeben wurden. Nicht der Vertrag zur Übereignung des Grundstücks (Anlage K 2 = Bl. 94 ff.) und nicht die Gewerbean- und -abmeldungen sind entscheidend für die Betriebsübernahme, sondern die tatsächliche Übernahme der Geschäftsführung durch die Beklagte. Sollt der vormalige Inhaber danach noch unter seinem Namen Erklärungen abgegeben haben, so fehlt ein Anhaltspunkt für ein Handeln der Beklagten selbst oder mit ihrer Vollmacht.

    Auch für einen Rechtsschein hat die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht einzustehen. Dazu hätte sie gegenüber der Öffentlichkeit erkennbar werden lassen müssen, für die bisherigen Geschäftsschulden haften zu wollen. Allein die Fortführung einer Etablissementbezeichnung reicht dazu nicht aus, selbst wenn ein annähernd unverändertes Angebot an die Marktteilnehmer gerichtet und das Logo des Unternehmens ebenfalls fortgeführt wird (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Selbst wenn es ausreichen sollte, den Rechtsschein gesetzt zu haben, mit dem früheren Unternehmensträger identisch oder dessen Rechtsnachfolger zu sein (BGH, ZIP 2012, 2007, Rdnr. 23), so läßt sich dies hier gerade nicht feststellen, weil in der geführten Firma oder firmenähnlichen Bezeichnung ein anderer bürgerlicher Name verwendet wird als vom bisherigen Unternehmensträger. Damit wird die Identität gerade verneint.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 I 1, 700 I, 344 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 8.244,67 Euro festgesetzt (§§ 63 II, 47 I 1 GKG).