15.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225223
Bundesgerichtshof: Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19
a) Die Pflicht des Rechtsanwalts zur Beratung des Mandanten über die Erfolgsaussichten einer in Aussicht genommenen Rechtsverfolgung besteht unabhängig davon, ob der Mandant rechtsschutzversichert ist oder nicht.
b) Die Pflicht des Rechtsanwalts, den Mandanten über die Erfolgsaussichten einer in Aussicht genommenen Rechtsverfolgung aufzuklären, endet nicht mit deren Einleitung; verändert sich die rechtliche oder tatsächliche Ausgangslage im Laufe des Verfahrens, muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten über eine damit verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufklären.
c) Ein bestehender Deckungsanspruch des Mandanten gegen seinen Rechtsschutzversicherer oder eine bereits vorliegende Deckungszusage können den Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhalten des Mandanten ausschließen; dies gilt nicht, wenn die Rechtsverfolgung objektiv aussichtslos war.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2021 durch den Vorsitzenden Richter Grupp, die Richterin Möhring, den Richter Dr. Schultz, die Richterin Dr. Selbmann und den Richter Dr. Harms
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 5. Juli 2019, berichtigt durch Beschluss vom 9. August 2019, im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 11.078,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 8.281,93 € seit dem 16. Mai 2017 und auf weitere 2.796,38 € seit dem 8. November 2017 abgewiesen worden ist. Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Klägerin, ein Rechtsschutzversicherer, nimmt die beklagten Rechtsanwälte aus übergegangenem Recht zweier ihrer Versicherungsnehmer auf Ersatz eines Kostenschadens in Anspruch. Der Schaden soll dadurch verursacht worden sein, dass die Beklagten für die Versicherungsnehmer einen von vornherein aussichtslosen Rechtsstreit geführt haben.
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Die Versicherungsnehmer beteiligten sich im Jahr 1997 an einem Fonds, der in Immobilien investierte. Die Wertentwicklung des Fonds verlief nicht wie vorhergesagt und von den Versicherungsnehmern erwartet. Im Frühjahr 2011 wandten sich die Beklagten mit einem Serienbrief an sämtliche Fondsanleger. In der Folge erteilten die Versicherungsnehmer und tausende andere Anleger den Beklagten den Auftrag, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Im Namen der Versicherungsnehmer wandten sich die Beklagten daraufhin an den Anlagevermittler und forderten Schadensersatz wegen eines angeblichen Beratungsfehlers. Zur Hemmung der Verjährung fertigten die Beklagten nach einem Muster Güteanträge, die sie kurz vor Ablauf der Verjährungshöchstfrist im Dezember 2011 bei einer staatlich anerkannten Gütestelle einreichten. Es handelte sich um etwa 12.000 Anträge. Diese richteten sich zu ungefähr gleichen Teilen gegen den Anlagevermittler, den Fondsinitiator und eine Treuhandkommanditistin. Die hier interessierenden Güteverfahren gegen den Anlagevermittler scheiterten.
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Im Anschluss erhoben die Beklagten im Auftrag ihrer Mandanten etwa 1.750 Klagen gegen die Rechtsnachfolgerin des Anlagevermittlers. Die Klage der Versicherungsnehmer wurde im Juni 2013 erhoben. Das von der hiesigen Klägerin beauftragte Schadensabwicklungsunternehmen erteilte Deckungszusage für den ersten Rechtszug. Das Landgericht wies die Klage wegen Verjährung ab. Am 12. Juni 2015 legten die Beklagten Berufung ein. Das von der hiesigen Klägerin beauftragte Schadensabwicklungsunternehmen erteilte Deckungszusage auch für den zweiten Rechtszug. Sechs Tage nach Einlegung der Berufung - am 18. Juni 2015 - verkündete der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ein Urteil, das sich zu den Anforderungen an einen die Verjährung hemmenden Güteantrag verhielt (III ZR 198/14). Diesen Anforderungen genügte der von den Beklagten verwendete Mustergüteantrag nicht. Der III. Zivilsenat bestätigte die Anforderungen an einen die Verjährung hemmenden Güteantrag in zahlreichen weiteren Entscheidungen. Spätere Entscheidungen des III. Zivilsenats betrafen auch den hier streitbefangenen Mustergüteantrag (etwa Beschluss vom 28. Januar 2016 - III ZR 116/15; vom 4. Februar 2016 - III ZR 356/14; vom 24. März 2016 - III ZB 75/15).
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Mit Beschluss vom 6. September 2016 wies das Berufungsgericht die Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hin, dass die Berufung der Versicherungsnehmer offensichtlich unbegründet sei. Die Beklagten rieten den Versicherungsnehmern nicht zur Rücknahme der Berufung. Mit Beschluss vom 2. November 2016 wurde die Berufung zurückgewiesen. Gegen den die Berufung zurückweisenden Beschluss legten die Streithelfer, beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte, im Namen der Versicherungsnehmer Nichtzulassungsbeschwerde ein. Auch für die Durchführung dieses Verfahrens erteilte das von der hiesigen Klägerin beauftragte Schadensabwicklungsunternehmen eine Deckungszusage. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 11. Mai 2017 zurückgewiesen (III ZR 578/16).
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Aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer hat die Klägerin von den Beklagten Ersatz der von ihr für den ersten bis dritten Rechtszug erstatteten Kosten des Ausgangsverfahrens verlangt. Im Hinblick auf noch offene Honorarrechnungen der Beklagten hat sie die Feststellung begehrt, dass keine weiteren Gebührenansprüche gegen die Versicherungsnehmer bestünden. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer vom Senat in diesem Umfang zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Leistungsbegehren im Blick auf die von ihr für den zweiten und dritten Rechtszug erstatteten Kosten des Ausgangsverfahrens weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat zum überwiegenden Teil Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit das Berufungsgericht Ersatzansprüche im Blick auf die von der Klägerin für den zweiten Rechtszug des Ausgangsverfahrens erstatteten Kosten in Höhe von 4.133,83 € sowie hinsichtlich der für den dritten Rechtszug erstatteten Kosten verneint hat. Wegen der übrigen für den zweiten Rechtszug erstatteten Kosten (1.572 €) ist die Revision unbegründet.
I.
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Die noch anhängige Klage ist weiterhin zulässig. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Feststellungsbegehren der Klägerin durch die insoweit erfolgte Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin in Rechtskraft erwachsen ist.
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Die Klägerin hat die negative Feststellung begehrt, gegenüber den Versicherungsnehmern bestünden keine weiteren Gebührenansprüche der Beklagten. Hintergrund des auf das Nichtbestehen eines (Dritt-)Rechtsverhältnisses zwischen den Beklagten und den Versicherungsnehmern gerichteten Feststellungsantrags waren offene Honorarrechnungen der Beklagten, die auch den zweiten Rechtszug des Ausgangsverfahrens betreffen. Das Berufungsgericht hat den Feststellungsantrag nicht ausdrücklich beschieden, die Klage jedoch insgesamt abgewiesen, und zwar ersichtlich als unbegründet.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Urteil, das eine negative Feststellungsklage aus sachlichen Gründen abweist, grundsätzlich dieselbe Bedeutung wie ein Urteil, welches das Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellt. Dem entspricht die Rechtskraftwirkung eines derartigen Urteils. Mit der rechtskräftigen Abweisung der negativen Feststellungsklage wird deshalb zugleich positiv rechtskräftig ausgesprochen, dass dem Prozessgegner der Anspruch zusteht, dessen Nichtbestehen der Feststellungskläger geltend gemacht hat (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2018 - I ZR 114/17, NJW 2019, 1610 Rn. 27 mwN). Geht es wie hier um ein Drittrechtsverhältnis, wirkt die Rechtskraft jedoch nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen nur zwischen den Parteien des Feststellungsrechtsstreits (BGH, Urteil vom 30. März 1953 - IV ZR 241/52, LM Nr. 4 zu § 325 ZPO; Stein/Jonas/ Roth, ZPO, 23. Aufl., § 256 Rn. 127). Eine Geltendmachung des Feststellungsbegehrens in gewillkürter Prozessstandschaft der Versicherungsnehmer durch die Klägerin, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
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Dass im Verhältnis zur Klägerin vom Bestand weiterer Gebührenansprüche der Beklagten gegen die Versicherungsnehmer auszugehen ist, führt nicht dazu, dass die Klage auf Ersatz von Schäden, die andere Kosten des Ausgangsverfahrens betreffen, wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig ist. Die vom Feststellungsbegehren umfassten Gebührenansprüche betreffen nur einen Teil des einheitlichen, aber teilbaren Gesamtschadens. Die Klägerin hätte demnach das Feststellungsbegehren von vornherein von der Nichtzulassungsbeschwerde ausnehmen können (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 4/06, NJW 2007, 1466 Rn. 6 ff). Es kommt hinzu, dass die Kosten des Ausgangsverfahrens - auch innerhalb eines Rechtszugs - zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden sind. Da es für den geltend gemachten Kostenschaden maßgeblich auf die Pflichten der Beklagten im jeweiligen Zeitpunkt ankommt, steht deshalb eine abweisende Entscheidung über einen Teilschaden nicht im Widerspruch zu einer stattgebenden Entscheidung, die einen anderen Teil betrifft.
II.
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Soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die im Ausgangsverfahren verfolgten Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmer gegen den Anlagevermittler seien bereits verjährt gewesen, bevor die Beklagten für die Versicherungsnehmer Klage erhoben hätten. Die Verjährungshöchstfrist nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB sei am 2. Januar 2012 abgelaufen. Der von den Beklagten gefertigte Güteantrag habe den Ablauf der Verjährungsfrist nicht hemmen können, weil er nicht den vom III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 18. Juni 2015 (III ZR 198/14) aufgestellten Individualisierungsanforderungen genügt habe. Noch im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung im Ausgangsverfahren hätten die Beklagten allerdings von der die Verjährung hemmenden Wirkung ihres Güteantrags ausgehen dürfen. Die dem Urteil des III. Zivilsenats vom 18. Juni 2015 zu entnehmenden Anforderungen habe es so vorher nicht gegeben. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte sei uneinheitlich gewesen. Die Beklagten seien vor diesem Hintergrund nicht verpflichtet gewesen, von der Einlegung der Berufung abzuraten. Ein Rechtsanwalt müsse von einer Klage oder einem Rechtsmittel nicht abraten, solange die Rechtsverfolgung nicht völlig oder offensichtlich aussichtslos erscheine.
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Im Zeitpunkt der Mitteilung des Hinweisbeschlusses des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO sei die Lage anders gewesen. Aufgrund des zwischenzeitlich veröffentlichten, im Hinweisbeschluss genannten Urteils des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 2015 habe es den Beklagten als nahezu sicher erscheinen müssen, dass die Berufung erfolglos bleiben und deshalb die bei Fortsetzung des Verfahrens anfallenden oder nicht ersparten Kosten nutzlos aufgewendet würden.
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Ob die Beklagten den Versicherungsnehmern der Klägerin eine Rücknahme der Berufung hätten anraten müssen, könne jedoch dahinstehen. Es sei nicht dargetan oder jedenfalls nicht bewiesen, dass die Versicherungsnehmer einem solchen Rat der Beklagten gefolgt wären. Habe ein Rechtsschutzversicherer - wie hier - eine Deckungszusage für einen Rechtsstreit erteilt, ohne dass diese durch falsche Angaben erlangt worden sei, greife der Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhalten des Mandanten im Grundsatz nicht. Etwas anderes komme nur dann in Betracht, wenn der Rechtsschutzversicherer berechtigt sei, die Deckungszusage zu widerrufen. Dies sei hier nicht der Fall.
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Im Blick auf das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde fehle es schon an einer Pflichtverletzung. Das Absehen von der Nichtzulassungsbeschwerde sei nicht in jedem Fall die einzig interessengerechte Lösung gewesen. Die Nichterhebung der Nichtzulassungsbeschwerde hätte den endgültigen Verlust etwaiger Schadensersatzsprüche der Versicherungsnehmer bedeutet. Mit einer Nichtzulassungsbeschwerde habe hingegen eine, wenn auch nur sehr geringe Chance auf Realisierung der Ansprüche ohne Nachteil wahrgenommen werden können, sofern die Klägerin Deckungszusage erteilte und nicht die Gefahr des Widerrufs einer solchen Zusage bestand. Die Beklagten hätten deshalb eine Deckungsanfrage stellen dürfen, hätten diese aber mit vollständigen und wahrheitsgemäßen Informationen versehen müssen. Dies hätten die Beklagten getan.
III.
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Die Ausführungen halten rechtlicher Prüfung für den überwiegenden Teil der von der Klägerin für den zweiten und dritten Rechtszug des Ausgangsverfahrens erstatteten Kosten nicht stand. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Abweisung der Klage nur im Blick auf die im zweiten Rechtszug für die Einlegung der Berufung entstandenen Gerichtskosten, die nicht durch eine spätere Rücknahme der Berufung vermindert werden konnten. Im Übrigen lässt sich ein ersatzfähiger, gemäß § 86 VVG auf die Klägerin übergegangener Schadensersatzanspruch nicht verneinen. Das Zahlungsbegehren der Klägerin kann seine rechtliche Grundlage in § 280 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB finden.
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1. Im Umfang des noch streitgegenständlichen Zahlungsbegehrens sind etwaige, unter dem Gesichtspunkt der Rechtsanwaltshaftung in Betracht kommende Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmer gegen die Beklagten auf die Klägerin übergangen (§ 86 Abs. 1 VVG).
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Die Rechtsschutzversicherung ist eine Schadensversicherung, für die § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG gilt. Nach dieser Regelung geht ein dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt. Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruchsübergang im Sinne von § 412 BGB (BGH, Urteil vom 23. Juli 2019 - VI ZR 307/18, ZInsO 2019, 1939 Rn. 8; vom 13. Februar 2020 - IX ZR 90/19, ZIP 2020, 561 Rn. 10). Die Voraussetzungen für den Anspruchsübergang sind erfüllt.
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a) Die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten sind Ersatzansprüche im Sinne des § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG.
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aa) Der Annahme eines Ersatzanspruchs gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG steht insbesondere nicht der versicherungsvertragliche Deckungsanspruch entgegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten schließt der Deckungsanspruch die Annahme eines (Kosten-)Schadens des Versicherungsnehmers nicht aus. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass es den Schädiger nicht entlastet, wenn der Versicherer des Geschädigten den Schaden deckt (vgl. MünchKommBGB/Oetker, 8. Aufl., § 249 Rn. 257). Dieser Grundsatz kommt auch in § 86 VVG zum Ausdruck. Die Vorschrift soll zweierlei bewirken: Der Schädiger soll durch die Versicherungsleistung nicht befreit, der Versicherungsnehmer nicht bereichert werden (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 31. Aufl., § 86 Rn. 1; Langheid in Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 86 Rn. 2; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. März 1954 - VI ZR 162/52, NJW 1954, 1113, 1115 zu § 67 VVG aF). Zu einer ungerechtfertigten Entlastung des einen Kostenschaden verursachenden Rechtsanwalts käme es, wenn der Deckungsanspruch des Mandanten gegen seinen Rechtsschutzversicherer den Schaden und damit die Haftung des Rechtsanwalts ausschlösse. Dies liefe dem Zweck des § 86 VVG zuwider.
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bb) Die Beklagten sind Dritte gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG. Auf die von den Streithelfern aufgeworfene Frage, ob der Repräsentant des Versicherungsnehmers Dritter im Sinne der Vorschrift ist, kommt es nicht an. Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in einem Einzelfall reicht nicht aus, um die Repräsentantenstellung der Beklagten zu begründen (BGH, Urteil vom 14. August 2019 - IV ZR 279/17, BGHZ 223, 57 Rn. 27). Ein darüber hinausgehender Mandatsumfang ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
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b) Im Umfang ihres Zahlungsbegehrens hat die Klägerin den Versicherungsnehmern den Schaden ersetzt, indem sie diese von den Kosten des Ausgangsverfahrens freigestellt hat. Die Klägerin hat die Leistungen aufgrund der erteilten Deckungszusagen erbracht. Dass die Deckungszusagen in dem Wissen erteilt wurden, ein Deckungsanspruch bestehe nicht, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Entgegen der Ansicht der Streithelfer kommt es demnach nicht darauf an, ob „bewusste Liberalität“ (vgl. MünchKomm-VVG/Möller/Segger, 2. Aufl., § 86 Rn. 114) dem Übergang des Ersatzanspruchs entgegensteht. Die irrtümliche Leistung schließt den Anspruchsübergang nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1988 - IVa ZR 143/87, NJW-RR 1989, 922, 923).
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2. Die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche durch die Klägerin aus übergegangenem Recht verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rechtsverfolgung der Klägerin insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Schadensabwicklungsunternehmen der Klägerin die Deckungsanfragen der Beklagten geprüft und die zur Begründung der Schadensersatzansprüche geltend gemachte Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung selbst hätte erkennen können.
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Die Klägerin ist aus dem Versicherungsverhältnis gegenüber den Versicherungsnehmern berechtigt und verpflichtet. Gegenüber den Beklagten treffen sie keine Pflichten. Nach den Versicherungsbedingungen (vgl. etwa § 3a ARB 2010) kann der Rechtsschutzversicherer die Deckung in bestimmten Fällen ablehnen, wenn nach seiner Auffassung die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01, RuS 2003, 363, 364 f). Verpflichtet ist er hierzu nach dem Wortlaut der Bedingungen nicht. Erst recht besteht keine Pflicht zur Ablehnung des Rechtsschutzes gegenüber dem Rechtsanwalt des Versicherungsnehmers. Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ist die Klägerin daher nicht gehalten, die Prüfung des bedingungsgemäßen Versicherungsfalls zur Vermeidung einer Haftung des Rechtsanwalts einzusetzen. Es obliegt allein dem Rechtsanwalt, seine Tätigkeit so auszurichten, dass der Mandant nicht geschädigt wird. Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 86 VVG ändert daran nichts. Allerdings ist die Rechtsanwaltshaftung kein Mittel zum Ausgleich der Folgen einer (möglicherweise) unzureichenden Prüfung der Erfolgsaussichten durch den Rechtsschutzversicherer. Die Haftung des Rechtsanwalts kann auch kein Ausgleich dafür sein, dass die Ablehnung des Rechtsschutzes durch den Versicherer aufgrund der einschlägigen Versicherungsbedingungen hohen formalen Anforderungen unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15, NJW-RR 2016, 1505 Rn. 33) und wegen des bedingungsgemäß vorgesehenen Stichentscheids- oder Schiedsgutachterverfahrens ungewissen Ausgangs ist. Der danach notwendige Interessenausgleich wird jedoch bereits durch die Anwendung der hergebrachten Grundsätze zur Rechtsanwaltshaftung, insbesondere der Regeln über den Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhalten des Mandanten, bewirkt. Eines Rückgriffs auf § 242 BGB bedarf es nicht.
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3. Für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagten der Klägerin aus übergegangenem Recht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sind, kommt es darauf an, ob es bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten im Ausgangsverfahren zur Durchführung des Berufungs- und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gekommen wäre. Ohne Bedeutung ist, ob das Verfahren zu einem erfolgreichen Abschluss hätte gebracht werden können.
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Die Klägerin verlangt Ersatz eines Kostenschadens. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein und derselbe Kostenschaden zwei unterschiedlichen, sich wechselseitig ausschließenden Streitgegenständen unterfallen. Der Mandant kann behaupten, der Vorprozess wäre bei pflichtgemäßem Vorgehen des Anwalts gewonnen und ihm folglich keine Kostenpflicht auferlegt worden. Hier tritt der Kostenschaden neben den Schaden, der im Verlust der Hauptsache liegt. Zum anderen kann der Mandant geltend machen, der Anwalt habe den nicht gewinnbaren Vorprozess gar nicht erst einleiten oder fortführen dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - IX ZR 198/06, WM 2008, 1612 Rn. 34 f; vom 13. März 2008 - IX ZR 136/07, WM 2008, 1560 Rn. 24; Beschluss vom 29. September 2011 - IX ZB 106/11, WM 2011, 2113 Rn. 13). Das macht die Klägerin geltend. Sie wirft den Beklagten vor, einen von Anfang an aussichtslosen Rechtsstreit geführt zu haben.
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4. Eine mandatsbezogene Pflicht, einen von Anfang an aussichtslosen Rechtsstreit nicht zu führen, gibt es als solche nicht. Maßgeblich ist, ob der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur Beratung des Mandanten über die Erfolgsaussichten des in Aussicht genommenen Rechtsstreits genügt hat. Für den Inhalt dieser Pflicht ist es ohne Bedeutung, ob der Mandant eine Rechtsschutzversicherung unterhält oder nicht. Verletzt der Rechtsanwalt die ihm obliegende Beratungspflicht, kommt es darauf an, wie sich der Mandant im Falle pflichtgemäßer Unterweisung verhalten hätte. Erst hier kann von Bedeutung sein, ob eine Rechtsschutzversicherung besteht.
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a) Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung des Auftraggebers verpflichtet. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH, Urteil vom 1. März 2007 - IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261 Rn. 9; vom 21. Juni 2018 - IX ZR 80/17, WM 2018, 1988 Rn. 8; st. Rspr.).
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aa) Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es danach, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-)Entscheidungen („Weichenstellungen”) in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen. Dazu muss sich der Anwalt über die Sach- und Rechtslage klarwerden und diese dem Auftraggeber verständlich darstellen. Der Mandant benötigt, insbesondere wenn er juristischer Laie ist, nicht unbedingt eine vollständige rechtliche Analyse, sondern allein die Hinweise, die ihm im Hinblick auf die aktuelle Situation und sein konkretes Anliegen die notwendige Entscheidungsgrundlage liefern. Erscheint unter mehreren rechtlich möglichen Alternativen die eine deutlich vorteilhafter als die andere, hat der Anwalt darauf hinzuweisen und eine entsprechende Empfehlung zu erteilen (BGH, Urteil vom 1. März 2007, aaO Rn. 10).
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Auch im Blick auf die Erfolgsaussichten eines in Aussicht genommenen Rechtsstreits geht es darum, den Mandanten in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung in seinen rechtlichen Angelegenheiten vermeiden zu können. Aufgrund der Beratung muss der Mandant in der Lage sein, Chancen und Risiken des Rechtsstreits selbst abzuwägen. Hierzu reicht es nicht, die mit der Erhebung einer Klage verbundenen Risiken zu benennen. Der Rechtsanwalt muss auch das ungefähre Ausmaß der Risiken abschätzen und dem Mandanten das Ergebnis mitteilen. Ist danach eine Klage praktisch aussichtslos, muss der Rechtsanwalt dies klar herausstellen. Er darf sich nicht mit dem Hinweis begnügen, die Erfolgsaussichten seien offen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 22 mwN). Vielmehr kann der Rechtsanwalt nach den gegebenen Umständen gehalten sein, von der beabsichtigten Rechtsverfolgung ausdrücklich abzuraten (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2004 - IX ZR 30/03, WM 2004, 481, 482 f; Vill in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 2 Rn. 184).
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In welchem Maße der Rechtsanwalt zu Risikohinweisen verpflichtet ist, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Beratung, insbesondere auch nach der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der jeweils aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt für die Erfüllung der dem Rechtsanwalt obliegenden vertraglichen Aufgaben überragende Bedeutung zu. Deshalb hat er seine Hinweise, Belehrungen und Empfehlungen in der Regel danach auszurichten, dies sogar dann, wenn er die Rechtsprechung für unzutreffend hält (BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 6/99, BGHZ 145, 256, 263 mwN).
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bb) Die Pflicht des Rechtsanwalts, den Mandanten über die Erfolgsaussichten eines in Aussicht genommenen Rechtsstreits aufzuklären, endet nicht mit dessen Einleitung. Verändert sich die rechtliche oder tatsächliche Ausgangslage im Laufe des Verfahrens, muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten über eine damit verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufklären. Nur so erhält der Mandant die Möglichkeit, die ursprünglich getroffene Entscheidung zu hinterfragen und die Chancen und Risiken der laufenden Rechtsverfolgung auf der Grundlage der veränderten Lage neu zu bewerten. Auch hier kann der Rechtsanwalt nach den gegebenen Umständen gehalten sein, von einer Fortführung der Rechtsverfolgung abzuraten. Dies kommt etwa in Betracht, wenn eine zu Beginn des Rechtsstreits noch ungeklärte Rechtsfrage in einem Parallelverfahren höchstrichterlich geklärt wird und danach das Rechtsschutzbegehren des Mandanten keine Aussicht auf Erfolg mehr hat.
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cc) Die Pflicht des Rechtsanwalts zur Beratung über die Erfolgsaussichten eines in Aussicht genommenen Rechtsstreits gilt gleichermaßen sowohl gegenüber einem nicht rechtsschutzversicherten Mandanten als auch gegenüber einem Mandanten mit Rechtsschutzversicherung.
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Das Recht des Mandanten, nach entsprechender Beratung durch den Rechtsanwalt eigenverantwortlich über die Einleitung und Fortführung der Rechtsverfolgung zu entscheiden, wird durch eine bestehende Rechtsschutzversicherung nicht berührt. Ein Rechtsanwalt erfüllt daher seine Pflichten aus dem Mandatsverhältnis nicht dadurch, dass er ohne vorhergehende Beratung des Mandanten und dessen (eigenverantwortliche) Entscheidung eine Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers erwirkt. Dass die Deckungszusage mit vollständigen und wahrheitsgemäßen Informationen erlangt worden und der Rechtsschutzversicherer an die Zusage auch sonst gebunden ist, ändert daran nichts.
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Der versicherungsvertragliche Anspruch auf Deckungsschutz entsteht mit Eintritt des bedingungsgemäßen Versicherungsfalls. Ab diesem Zeitpunkt befindet sich der Anspruch als eigenständiger Wert im Vermögen des rechtsschutzversicherten Mandanten. Die spätere Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers verstärkt lediglich den bereits bestehenden Deckungsanspruch im Sinne eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13, BGHZ 202, 122 Rn. 21). Es obliegt allein dem rechtsschutzversicherten Mandanten, über den Einsatz des Deckungsanspruchs für die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu entscheiden. Es gilt nichts anderes, als für das sonstige Vermögen des Mandanten, das ebenfalls allein seiner Disposition unterliegt. Um die Entscheidung über den Einsatz des Deckungsanspruchs eigenverantwortlich und sachgerecht treffen zu können, ist der rechtsschutzversicherte Mandant über die Erfolgsaussichten ebenso zu beraten wie der nicht versicherte. Überdies berührt die Einleitung oder Fortsetzung eines Rechtsstreits nicht nur die Vermögensinteressen des Mandanten. Trotz anwaltlicher Vertretung erfordert ein Rechtsstreit Zeit und Aufmerksamkeit. Die Beziehungen des Mandanten zum Prozessgegner können negativ beeinflusst werden. Auch deshalb ist es allein Sache des Mandanten, nach entsprechender Beratung durch den Rechtsanwalt über die Einleitung oder Fortsetzung der Rechtsverfolgung zu entscheiden.
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b) Fällt dem Rechtsanwalt eine schuldhafte Verletzung der ihm obliegenden Beratungspflicht zur Last, kommt es darauf an, wie sich der Mandant im Falle pflichtgemäßer Unterweisung verhalten hätte. Insoweit kann von Bedeutung sein, ob der Mandant eine Rechtsschutzversicherung unterhält.
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aa) Die Frage, wie sich der Mandant bei vertragsgerechter Belehrung durch den rechtlichen Berater verhalten hätte, zählt zur haftungsausfüllenden Kausalität, die der Anspruchsteller nach dem Maßstab des § 287 ZPO zu beweisen hat. Zu Gunsten des Anspruchstellers ist jedoch zu vermuten, der Mandant wäre bei pflichtgemäßer Beratung den Hinweisen des Rechtsanwalts gefolgt, sofern im Falle sachgerechter Aufklärung aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Eine solche Vermutung kommt hingegen nicht in Betracht, wenn nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit bestanden hätte, sondern nach pflichtgemäßer Beratung verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht gekommen wären, die unterschiedliche Vorteile und Risiken in sich geborgen hätten. Greift die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens ein, so liegt hierin keine Beweislastumkehr, sondern ein Anscheinsbeweis, der durch den Nachweis von Tatsachen entkräftet werden kann, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten im Falle pflichtgemäßer Beratung sprechen (BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 36; Beschluss vom 15. Mai 2014 - IX ZR 267/12, WM 2014, 1379 Rn. 2 ff; st. Rspr.).
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bb) Die Beantwortung der Frage, ob im Falle sachgerechter Aufklärung aus der (verobjektivierten) Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte, obliegt dem Tatrichter. Die revisionsrechtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Ausgangspunkt für die tatrichterliche Würdigung ist die geschuldete Beratung. Bestanden im Falle pflichtgemäßer Aufklärung mehrere in vergleichbarer Weise erfolgversprechende Handlungsmöglichkeiten oder war das Ausmaß der zu erteilenden Risikohinweise gering, kommt die Annahme des Anscheinsbeweises in der Regel nicht in Betracht. Anders liegt der Fall, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung derart risikobehaftet war, dass der pflichtgemäß handelnde Rechtsanwalt von dieser abzuraten hatte.
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Der Tatrichter muss in seine Überlegungen auch einbeziehen, ob das Risiko des Mandanten, im Falle einer Niederlage die Kosten des Rechtsstreits tragen zu müssen, durch einen bestehenden Deckungsanspruch aus einer Rechtsschutzversicherung oder eine bereits vorliegende Deckungszusage herabgemindert war. Es entspricht dem Erfahrungswissen, dass ein Mandant eher bereit ist, sich auf einen Rechtsstreit ungewissen oder zweifelhaften Ausgangs einzulassen, wenn das Kostenrisiko herabgemindert ist. Ist das Kostenrisiko durch eine (versicherungs-)rechtlich einwandfrei herbeigeführte und daher bestandsfeste Deckungszusage sogar weitestgehend ausgeschlossen, können schon ganz geringe Erfolgsaussichten den Mandanten dazu veranlassen, den Rechtsstreit zu führen oder fortzusetzen (vgl. etwa OLG Hamm, NJW-RR 2005, 134, 137; KG, NJW 2014, 397, 399; OLG Düsseldorf, NJOZ 2017, 99 Rn. 65 ff; vgl. auch Vill in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Pape/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 2 Rn. 181; Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 5. Aufl., § 25 Rn. 21). Ob sich der Mandant im konkreten Einzelfall für die Rechtsverfolgung entschieden hätte, ist für die Frage des Eingreifens des Anscheinsbeweises ohne Bedeutung. Maßgeblich ist, dass aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten das Absehen von der Rechtsverfolgung nicht eindeutig nahegelegen hätte. Dann greift der Anscheinsbeweis nicht ein und ist der Anspruchsteller darauf angewiesen, die nach dem Maßstab des § 287 ZPO notwendige Überzeugung des Tatrichters von einem beratungsgerechten Verhalten des Mandanten auf andere Weise herbeizuführen (vgl. Schultz in Henssler/Gehrlein/Holzinger, Handbuch der Beraterhaftung, Kap. 5 Rn. 91 ff).
39
Die Wirkungen des versicherungsvertraglichen Kostenschutzes auf die Frage des Eingreifens des Anscheinsbeweises finden jedoch ihre Grenze, wenn die (weitere) Rechtsverfolgung des Mandanten objektiv aussichtslos war (vgl. Schwaiger, AnwBl 2014, 752, 753). Der entscheidende Grund dafür liegt nicht in der versicherungsvertraglichen Beziehung zwischen Rechtsschutzversicherer und Mandant. Die Bestandskraft einer erteilten Deckungszusage ist notwendige Bedingung für den Ausschluss des Anscheinsbeweises, wenn die Rechtsverfolgung nur ganz geringfügige Erfolgsaussichten hat. Im Falle der Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung reicht auch eine bestandskräftige Deckungszusage nicht aus. Entscheidend dafür ist, dass eine aussichtslose Rechtsverfolgung nicht im Interesse eines vernünftig urteilenden Mandanten liegt, sondern allein dem (Gebühren-)Interesse des Rechtsanwalts dient. Hierzu wird ein vernünftig urteilender Mandant den Deckungsanspruch gegen seine Rechtsschutzversicherung nicht einsetzen.
40
Auch über die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung hat der Tatrichter zu befinden. Ausgangspunkt der Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwalts zu erteilenden Beratung. War danach die Rechtsverfolgung des Mandanten aussichtslos, kann selbst eine einwandfrei herbeigeführte Deckungszusage den für ein beratungsgerechtes Verhalten des Mandanten sprechenden Anscheinsbeweis nicht hindern. Die Annahme der Aussichtslosigkeit unterliegt allerdings hohen Anforderungen. Die Rechtsverfolgung muss aus der maßgeblichen Sicht ex ante aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen objektiv aussichtslos gewesen sein. Dies kommt etwa in Betracht, wenn eine streitentscheidende Rechtsfrage höchstrichterlich abschließend geklärt ist. Regelmäßig ist dies dann der Fall, wenn eine einschlägige Entscheidung ergangen ist. Auch dann können aber im Schrifttum geäußerte Bedenken, mit denen sich die Rechtsprechung noch nicht auseinandergesetzt hat, Veranlassung zu der Annahme geben, die Rechtsprechung werde noch einmal überdacht. Die niemals auszuschließende Möglichkeit einer zugunsten des Mandanten ergehenden Fehlentscheidung vermag die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung indes nicht auszuschließen.
41
5. Den vorstehenden Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung zum überwiegenden Teil nicht gerecht.
42
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings aus revisionsrechtlicher Sicht die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die Beklagten noch im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung gegen das die Klage im Ausgangsprozess abweisende Urteil des Landgerichts von einer die Verjährung hemmenden Wirkung ihres Güteantrags ausgehen durften. Die durch die Einlegung der Berufung entstandenen Gerichtskosten können demnach den streitgegenständlichen Kostenschaden nicht begründet haben, soweit sie endgültig angefallen waren, also nicht durch eine spätere Rücknahme der Berufung vermindert werden konnten.
43
b) Die Abweisung der Klage wegen der übrigen von der Klägerin erstatteten Kosten des Berufungsverfahrens hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Beklagten den Versicherungsnehmern zur Rücknahme der Berufung raten mussten. Davon ist für das Revisionsverfahren auszugehen. Warum das Berufungsgericht als Zeitpunkt für einen Rat zur Rücknahme der Berufung nur auf den Erhalt des Hinweisbeschlusses nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vom 6. September 2016 abgestellt hat, ist nicht nachvollziehbar. Das Berufungsgericht hat für die Erfolgsaussichten der Berufung im Ausgangsverfahren maßgeblich auf das Urteil des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 2015 (III ZR 198/14) abgestellt. Dann kam eine Pflicht der Beklagten, den Versicherungsnehmern zur Rücknahme der Berufung zu raten, schon deutlich früher in Betracht.
44
Die Annahme des Berufungsgerichts, es fehle im Blick auf die Kosten des Berufungsverfahrens jedenfalls an einem kausalen Schaden, trägt nicht. Das Berufungsgericht hat hier nicht in Erwägung gezogen, dass die weitere Rechtsverfolgung aussichtslos gewesen sein könnte. War das so, konnte die vorliegende Deckungszusage dem Anscheinsbeweis dafür, dass die Versicherungsnehmer dem Rat zur Rücknahme der Berufung gefolgt wären, nicht entgegenstehen.
45
Wäre die Berufung in der Zeit nach Veröffentlichung des Urteils des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 2015 zurückgenommen worden, hätten sich die Gerichtkosten gemäß Nr. 1220 KV GKG um eine 2,0 Gebühr vermindert (Nr. 1222 KV GKG), also um 1.572 €. Ob in dem noch zu bestimmenden Zeitpunkt der (hypothetischen) Rücknahme der Berufung die Kosten des Rechtsanwalts der Rechtsnachfolgerin des Anlagevermittlers (2.561,83 €) schon (in voller Höhe) entstanden und erstattungsfähig waren, lässt sich den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht entnehmen. Wegen der vom Leistungsbegehren der Klägerin erfassten Kosten des Berufungsverfahrens hat die Revision demnach in Höhe von 4.133,83 € (1.572 € zzgl. 2.561,83 €) Erfolg.
46
c) Im Blick auf die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens von 6.944,48 € (4.148,10 € zzgl. 2.796,38 €) tragen die Erwägungen des Berufungsgerichts die Ablehnung einer Beratungspflichtverletzung der Beklagten nicht. Die Annahme einer Beratungspflichtverletzung liegt vielmehr nahe. Das Berufungsgericht hat schon dem Berufungsverfahren keine Erfolgsaussicht mehr beigemessen. Feststellungen, die im Zeitpunkt der Beratung über die Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde eine andere Bewertung rechtfertigen könnten, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Gelangt das Berufungsgericht zur Annahme einer Pflichtverletzung der Beklagten, wird es sich auch insoweit mit der Frage des beratungsgerechten Verhaltens der Versicherungsnehmer zu befassen haben. Der Umstand, dass auch die Streithelfer nicht von einer Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde abgeraten haben, unterbricht den Zurechnungszusammenhang nicht. Eine Unterbrechung kommt nur dann in Betracht, wenn ein Dritter in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Vielmehr haben die Streithelfer allenfalls den gleichen Fehler gemacht wie die Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1993 - IX ZR 120/92, NJW 1993, 1779, 1780).
IV.
47
Das Urteil ist danach aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Grupp
Möhring
Schultz
Selbmann
Harms
Von Rechts wegen