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  • 13.12.2021 · IWW-Abrufnummer 226323

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 12.10.2021 – 17 U 545/20

    1.

    Die Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank, betreffend die Pflicht, eine Bereitstellungsprovision zu zahlen "Bereitstellungsprovision von 0,250 % pro Monat auf den ab ... nicht zur Auszahlung kommenden Betrag bis zur vollen Auszahlung, jeweils fällig mit den Zinsen." ist als Preisabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB entzogen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18 -, juris).
    2.

    Die Klausel ist nicht nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, auch wenn die Bereitstellungsprovision den Darlehenszins relativ um mehr als 100% übersteigt. Vergleichsmaßstab für die Sittenwidrigkeit ist vielmehr der marktübliche Bereitstellungszins.
    3.

    Das Gesamtgefüge des Vertrages wäre in einer - wie jetzt - bestehenden langfristigen Niedrigzinsphase auch bei einer relativen Überschreitung des Bereitstellungs- gegenüber dem Darlehenszins von 100 % nicht als sittenwidrig zu beurteilen. Vielmehr müsste in Niedrigzinsphasen - spiegelbildlich zur Hochzinsphase - eine absolute Abweichung des effektiven Vertragszinses vom marktüblichen Effektivzins als Grenze zur Sittenwidrigkeit herangezogen werden, wobei nach Ansicht des Senats ein Spread der Immobilienkreditkonditionen von 3 Prozentpunkten hinzunehmen wäre.




    In dem Rechtsstreit
    V. e. V., vertreten durch d. Vorsitzenden
    - Kläger und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigter:
    Rechtsanwalt ...
    gegen
    V. Bank eG, vertreten durch d. Vorstand
    - Beklagte und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    wegen unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen
    hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 17. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2021
    für Recht erkannt:
    Tenor:

        1.

        Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 26. Mai 2020 - 10 O 38/20 - wird zurückgewiesen.
        2.

        Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
        3.

        Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
        4.

        Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer von der beklagten Bank im Bereich der Baufinanzierung verwendeten AGB-Klausel.

    Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Die beklagte Bank verwendet in "Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen gemäß § 491 Abs. 3 BGB" mit ausdrücklicher Abnahmeverpflichtung (vgl. Ziff. 1) ua folgende Klauseln (vgl. Anlage BB 1):

    3.2. Kosten, Nebenleistungen, Nettodarlehensbetrag

    (...)

    Sonstige Kosten: (...)

    Bereitstellungsprovision von 0,250 % pro Monat auf den ab [einzufügendes Datum] nicht zur Auszahlung kommenden Betrag bis zur vollen Auszahlung, jeweils fällig mit den Zinsen.

    10.Sicherheiten, Verträge, Versicherungen

    (...)

    Das Darlehen kann erst in Anspruch genommen werden, wenn sämtliche vertraglichen Bedingungen erfüllt sind, die vorgesehenen Sicherheiten bestellt wurden, die Bank die Ordnungsmäßigkeit der vorgesehenen Sicherheiten geprüft hat, deren Bestellung nicht mehr widerrufbar ist und eine von der Bank verlangte Empfangsbestätigung über ausgehändigte Unterlagen vorliegt.

    In dem von dem Kläger als Beispielsfall vorgelegten Darlehensvertrag zwischen einem Verbraucher und der Beklagten betrug der vereinbarte jährliche Vertragszins ab Auszahlung des Darlehens 1,220 %.

    Der Kläger, der die Klausel über die Bereitstellungsprovision für inhaltlich unangemessen und deswegen unwirksam hält, hat erstinstanzlich beantragt:

        1.

        Der Beklagten wird untersagt, gegenüber Verbrauchern gem. § 13 BGB die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen gem. § 491 Abs. 3 BGB zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen:

        Bereitstellungsprovision von 0,250 % pro Monat auf den ab ... nicht zur Auszahlung kommenden Betrag bis zur vollen Auszahlung, jeweils fällig mit den Zinsen.
        2.

        Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR (ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen) oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

    Die Beklagte hält die verwendete Klausel für wirksam und hat Klageabweisung beantragt.

    Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

    Das Landgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen. Ein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der streitgegenständlichen Klausel nach § 1 UKlaG setze einen Verstoß der verwendeten Klausel gegen die §§ 307 bis 309 BGB voraus. An einem solchen fehle es vorliegend. Zwar handele es sich bei der streitgegenständlichen Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Indes unterliege sie als Preishauptabrede nicht der Inhaltskontrolle. Die Klausel verstoße auch nicht gegen § 138 BGB. Selbst wenn die Bereitstellungsprovision den vertraglich vereinbarten Zins um mehr als 100 % überschreite, führe dies mangels Vergleichbarkeit von Vertragszins und Bereitstellungsprovision nicht zu einer Sittenwidrigkeit der Regelung. Während der Vertragszins synallagmatisch für die langfristig gebundene Überlassung der Darlehensvaluta geschuldet werde, handele es sich bei dem Bereitstellungzins um ein Entgelt für die sich möglicherweise immer wieder um kurze Zeitabschnitte verlängernde Bereitstellung des Darlehenskapitals. Der Zinssatz für kurze Perioden sei aber typischerweise höher als der für längere Zeiträume. Dass die Höhe der Bereitstellungsprovision verglichen mit der marktüblichen Provision für diese Leistung sittenwidrig wäre, trage der Kläger nicht vor und sei auch nicht ersichtlich. Darüber hinaus lägen die subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB nicht vor, da die zeitliche Verzögerung der Abnahme des Darlehens eindeutig der Sphäre des Darlehensnehmers und nicht der des Klauselverwenders zuzuordnen sei.

    Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

    Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens seine bisherigen Anträge weiterverfolgt.

    Hilfsweise stellt er folgenden weiteren Antrag:

    Der Beklagten wird untersagt, gegenüber Verbrauchern gem. § 13 BGB die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen gem. § 491 Abs. 3 BGB zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen:

    Bereitstellungsprovision von 0,250 % pro Monat auf den ab ... nicht zur Auszahlung kommenden Betrag bis zur vollen Auszahlung, jeweils fällig mit den Zinsen,

    es sei denn, dass die Bereitstellungsprovision niedriger als 200 % des vereinbarten Darlehenszinses ist.

    Gegen das landgerichtliche Urteil wendet der Kläger im Wesentlichen ein,

    die beanstandete Klausel verstoße gegen §§ 309 Nr. 5 lit. a), 309 Nr. 5 lit. b), 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Bei der Auslegung der Klausel sei zu berücksichtigen, dass die Bereitstellungsprovision auch dann zu zahlen sei, wenn es zu einer für den Verbraucher unverschuldeten Bauverzögerung komme und die Beklagte - da der Verbraucher wegen des fehlenden Baufortschritts die notwendigen weiteren Sicherheiten nicht stellen könne - die Auszahlung des verbleibenden Darlehensbetrags zurückhalte. Die Zurückhaltung des unbesicherten Restdarlehens erfolge ausschließlich im eigenen Interesse der Beklagten. Zugleich könne die Beklagte nicht nur den vom Verbraucher einzukalkulierenden Vertragszins geltend machen, sondern - wie im vorliegenden Fall eines vereinbarten Vertragszinssatzes von 1,220 % p.a. - 250 % desselben, obwohl sie im Falle der Nichtauszahlung des (restlichen) Darlehensbetrages weder ein Ausfallrisiko trage noch ihr ein die Höhe des Vertragszinses erreichender Schaden entstehe. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte die entsprechenden Beträge klauselmäßig nicht einmal als Schadenersatzanspruch geltend machen dürfe. Im Übrigen handele es sich in der gegenwärtigen Marktsituation bei der Bereithaltung des Darlehensbetrages nicht um eine Sonderleistung, so dass die Bereitstellungsprovision kein Entgelt für eine Nebenleistung sei. Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass die Klausel jedenfalls gegen § 138 BGB verstoße.

    Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und beantragt Zurückweisung der Berufung.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    II.

    Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

    Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der beanstandeten Klausel nach § 1 UKlaG. Der Anspruch setzt nach dem Wortlaut dieser Vorschrift einen Verstoß der verwendeten Klausel gegen die §§ 307 bis 309 BGB voraus. An einem solchen fehlt es vorliegend. Die Klausel ist als Preisabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB entzogen (1.) und verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (2.). Soweit im Rahmen des § 1 UKlaG über die §§ 307 bis 309 BGB hinaus Prüfungsmaßstab auch das sonstige zwingende Recht einschließlich des § 138 BGB sein kann (vgl. hierzu MüKoZPO/Micklitz/Rott, 5. Aufl., UKlaG § 1 Rn. 17 mwN; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 39. Aufl., UKlaG § 1 Rn. 4 mwN; Joachimsthaler/ Walker, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl., UKlaG § 1 Rn. 5), liegen die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB mangels Sittenwidrigkeit der Klausel nicht vor (3.).

    1. Die beanstandete Klausel ist als Preisabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB entzogen.

    a) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Gegenstand der Inhaltskontrolle solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Darunter fallen grundsätzlich weder bloß deklaratorische Klauseln noch solche, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen. Kontrollfähig sind aber Klauseln, die von gesetzlichen Preisregelungen abweichen, sowie Bestimmungen, die kein Entgelt für eine Leistung zum Gegenstand haben, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, sondern mittels derer der Verwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälzt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18 -, juris Rn. 9 mwN).

    Ob eine Klausel nach diesen Grundsätzen eine kontrollfähige Preisnebenabrede oder eine kontrollfreie Preisabrede enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Diese hat sich nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich danach zu richten, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18 -, juris Rn. 10 mwN).

    b) Nach diesen allgemeinen Maßstäben hat das Landgericht die Klausel zutreffend als Preisabrede qualifiziert. Denn sie bepreist eine von der Beklagten erbrachte Sonderleistung.

    aa) Die von der Beklagten erbrachte Sonderleistung besteht in der von der Beklagten übernommenen Verpflichtung, dem Darlehensnehmer den Nettodarlehensbetrag nach Abschluss des Darlehensvertrages für einen vereinbarten Zeitraum, die sogenannte Ziehungsperiode, auf Abruf bereit zu halten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18 -, juris Rn. 11 mwN; Urteil vom 7. Juli 2020 - XI ZR 542/18 -, juris Rn. 15 mwN). Zu einer solchen Vorhaltung des Kapitals bis zum Abruf durch den Darlehensnehmer ist die Beklagte auf der Grundlage der von Gesetzes wegen bestehenden darlehensvertraglichen Pflichten aus § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verpflichtet. Ohne die angegriffene Klausel wäre die Beklagte vielmehr berechtigt, den Nettodarlehensbetrag gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort an den Darlehensnehmer auszuzahlen (BGH, Beschluss vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18 -, aaO mwN) und den für die Kapitalüberlassung geschuldeten Zins zu beanspruchen. Der Darlehensnehmer ist zur Abnahme der Darlehensvaluta - anders beim Überziehungskredit - verpflichtet. Die gesetzliche Ausgestaltung des Darlehensvertrags als Konsensualvertrag in § 488 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz rechtfertigt danach keine Aufgabe der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, aaO mwN).

    Die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 16. Juli 2020 (EuGH, Urteil vom 16. Juli 2020 - C-224/19 und C-259/19 -, juris) steht der rechtlichen Einordnung der beanstandeten Bereitstellungsprovision als Preisabrede für eine Sonderleistung mangels Vergleichbarkeit der dort beurteilten Bereitstellungsprovision nicht entgegen. Denn dort handelte es sich - anders als hier - nicht um ein Entgelt für eine Sonderleistung, sondern letztlich um ein (bei Abschluss des Vertrages anfallendes) Bearbeitungsentgelt in Höhe von 1 % des Darlehensbetrages (vgl. EuGH, aaO Rn. 30).

    bb) An der Qualifizierung der beanstandeten Bereitstellungsprovision als Preisabrede ändert die von der Berufung als "Standardsachverhalt" dargelegte Situation, in der der Verbraucher den Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Bauvorhabens abgeschlossen habe, und sich das Bauvorhaben - für ihn unverschuldet - verzögere, nichts. Dabei kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Beklagte in dieser Situation - wie von ihm geltend gemacht (Berufungsbegründung, dort S. 4 ff. = I 16 ff. und Schriftsatz vom 27. Juli 2021, dort S. 2 f. = II 81 f.) und von der Beklagten in Abrede gestellt (Berufungsantwort, dort S. 2 f. = II 32 f. und Schriftsatz vom 8. September 2021, dort S. 1 f. = II 87 f.) - berechtigt ist, die (weitere) Auszahlung des Darlehensbetrages zurückzuhalten.

    Denn unabhängig davon, dass die Verzögerung des Bauvorhabens in diesen Fällen weder von der Beklagten verschuldet ist noch die Gründe hierfür aus deren Sphäre stammen, erbringt die Beklagte auch in diesem Fall eine Sonderleistung, wenn sie dem Darlehensnehmer den (restlichen) Nettodarlehensbetrag nach Ablauf der Abnahmefrist bereithält. Ob die Beklagte das Darlehen nach Ablauf der Abnahmefrist deshalb nicht auszahlt, weil die sonstigen vertraglich vereinbarten Auszahlungsvoraussetzungen - ggf. ohne Verschulden des Darlehensnehmers - nicht vorliegen (z.B. Stellung der vereinbarten Grundschuld), oder ob sie zur (weiteren) Auszahlung des Darlehens vertraglich deshalb nicht verpflichtet ist, weil ein bestimmter Bautenstand nicht erreicht ist, ist bei der rechtlichen Beurteilung der Klausel als kontrollfähige Preisnebenabrede oder kontrollfreie Preisabrede unerheblich. Auch wenn die Bauverzögerung von dem Verbraucher nicht verschuldet sein mag, erbringt die Beklagte eine auf der Grundlage der von Gesetzes wegen bestehenden darlehensvertraglichen Pflichten aus § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht geschuldete Sonderleistung.

    cc) Entgegen der Ansicht der Berufung rechtfertigt die geschilderte gegenwärtige Situation, in der (manche) Banken keine Guthabenzinsen mehr bezahlen, sondern für ein Guthaben ein "Verwahrentgelt" verlangen (Schriftsatz vom 13. April 2021, dort S. 1 f. = II 34 f.), keine andere rechtliche Beurteilung der beanstandeten Klausel. Unabhängig davon, dass die Berufung nicht geltend macht, die Beklagte zahle derzeit keine Guthabenzinsen mehr und verlange von ihren Kunden stattdessen einen Negativzinssatz oder beabsichtige, dies in absehbarer Zeit so zu handhaben, führt die dargelegte Situation nicht dazu, die beanstandete Klausel als kontrollfähige Preisnebenabrede zu qualifizieren. Es erschließt sich dem Senat nicht, weshalb die von der Beklagten übernommene, gesetzlich nicht vorgesehene Verpflichtung, dem Darlehensnehmer den Nettodarlehensbetrag auf Abruf bereit zu halten, deshalb keine Sonderleistung sein soll, weil die Beklagte (!) während der Dauer der Bereitstellung des Darlehens (derzeit) verpflichtet ist, der Europäischen Zentralbank (im Folgenden: EZB) für das "Parken" des von dem Darlehensnehmer nicht abgerufenen Darlehens einen negativen Einlagezinssatz zu zahlen. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Bank selbst verpflichtet ist, für die Dauer der Bereithaltung des Darlehensbetrags an die EZB Zinsen zu zahlen, die im Fall der (sofortigen) Inanspruchnahme des vollständigen Darlehens durch die Darlehensnehmer nicht anfielen, für die Beurteilung der übernommenen Verpflichtung als Sonderleistung. Im Übrigen ist es konsequent, wenn die Bank, die von anderen Kunden bei Geldeinlagen die Zahlung von Zinsen verlangt, dies auch für die - vergleichbare - Bereitstellung eines Geldbetrages zum jederzeitigen Abruf geltend macht.

    dd) An der Qualifizierung der beanstandeten Bereitstellungsprovision als Preisabrede ändert schließlich der Einwand der Berufung nichts, die Beklagte dürfe die entsprechenden Beträge (gemeint: die Differenz zwischen den von dem Verbraucher aus der Regelung über die Bereitstellungsprovision geschuldeten Beträge einerseits und der aus der Vereinbarung über den Vertragszinssatz geschuldeten Beträge andererseits) "nicht einmal als Schadensersatzanspruch klauselmäßig geltend machen" (Berufungsbegründung, dort S. 8 ff. = II 20 ff.). Die Berufung verkennt in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der Bereitstellungsprovision nicht um eine Entschädigung für die Nichtabnahme des (vollständigen) Darlehensbetrages handelt, sondern um ein Entgelt für die Bereitstellung als Sonderleistung. Der Umstand, dass dieses Entgelt höher ist als das Entgelt für die Überlassung des Darlehensbetrages macht die beanstandete Klausel nicht zu einer kontrollfähigen Preisnebenabrede oder - wie die Berufung wohl meint - zu einer Umgehungsregelung nach § 306a BGB im Sinne eines pauschalierten Schadensersatzes.

    2. Soweit die Klausel - obwohl sie als Preisabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB entzogen ist - nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB der Transparenzkontrolle unterliegt (vgl. etwa BGH Beschluss, vom 24. April 2018 - XI ZR 335/17 -, juris; EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2019 - C-621/17 -, juris Rn. 31), verstößt sie - was der Kläger auch nicht geltend macht - nicht gegen das Transparenzgebot und ist insbesondere hinreichend bestimmt. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2005 - VIII ZR 48/05 - juris Rn. 23 mwN). Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH, aaO Rn. 24). Mit der verwandten Formulierung ("Bereitstellungsprovision von 0,250 % pro Monat auf den ab [einzufügendes Datum] nicht zur Auszahlung kommenden Betrag bis zur vollen Auszahlung") ist für den Kunden klar, dass damit - wie dargelegt - die Höhe des von ihm zu zahlenden Entgelts für die von der Beklagten zusätzlich übernommene Verpflichtung, ihm den (restlichen) Nettodarlehensbetrag nach dem vereinbarten Termin auf Abruf bereit zu halten, geregelt wird.

    3. Die in Streit stehende Klausel ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.

    a) Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. April 2016 - XI ZR 305/14 -, juris Rn. 37 mwN). Bei der Prüfung der objektiven Voraussetzungen des wucherähnlichen Kreditgeschäfts kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne Unterschied zwischen einem reinen Privatkredit und einem gewerblichen Kredit objektiv auf das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung an (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 - XI ZR 152/17 -, juris Rn. 25 mwN). Ein auffälliges Missverhältnis ist im Allgemeinen dann zu bejahen, wenn der effektive Vertragszins den marktüblichen Effektivzins relativ um etwa 100 % oder absolut um 12 Prozentpunkte überschreitet, wobei in Einzelfällen die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB auf Grund einer Gesamtwürdigung aller weiteren Geschäftsumstände auch zu bejahen sein können, wenn die relative Zinsdifferenz nur zwischen 90 % und 100 % beträgt (BGH, aaO mwN). Zu dem auffälligen Missverhältnis als objektiver Tatbestandsvoraussetzung müssen in der Regel weitere subjektive Merkmale hinzutreten, etwa eine verwerfliche Gesinnung. Diese wird jedoch indiziert, wenn nicht nur ein auffälliges, sondern ein besonders auffälliges, besonders grobes oder besonders krasses Missverhältnis festzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1994 - IV ZR 35/93 -, juris Rn. 11; Urteil vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99 -, juris Rn. 12; Urteil vom 26. Februar 2008 - XI ZR 74/06 -, juris Rn. 38).

    b) Nach diesen allgemeinen Maßstäben hat das Landgericht die in Streit stehende Klausel zu Recht als nicht sittenwidrig angesehen.

    aa) Zwar mag bei der derzeitigen Marktsituation zwischen der Höhe des vereinbarten Vertragszinssatzes einerseits und der Höhe der Bereitstellungsprovision andererseits in nicht seltenen Fällen - wie in dem von dem Kläger dargelegten Beispielsfall, in dem sich der Vertragszinssatz auf 1,220 % p.a. beläuft - rechnerisch ein auffälliges Missverhältnis im Sinne der obigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegen. Jedoch verkennt der Kläger die fehlende Vergleichbarkeit des Vertragszinses mit der Bereitstellungsprovision, weshalb es auf die von der Berufung in diesem Zusammenhang geltend gemachten Umstände (Berufungsbegründung, dort S. 10 ff. = II 21 ff.) nicht ankommt.

    Bei der Prüfung der objektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit ist - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - auf das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung abzustellen.

    Da den von dem Darlehensnehmer zu erbringenden Leistungen (Zahlung des Vertragszinses und Zahlung der Bereitstellungsprovision) unterschiedliche Gegenleistungen des Darlehensgebers gegenüberstehen, können diese nicht miteinander verglichen werden (Hölldampf, BKR 2020, 240, 243 f.): Während die Zahlung des Vertragszinses die von dem Darlehensnehmer zu erbringende Gegenleistung für die Überlassung der Darlehensvaluta durch den Darlehensgeber darstellt, ist die Zahlung der Bereitstellungsprovision die von ihm zu erbringende Gegenleistung für die von dem Darlehensgeber erbrachte Bereithaltung des (restlichen) Nettodarlehensbetrags nach Ablauf der Abnahmefrist (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 4. September 2019 - 31 U 108/18, BKR 2020, 256 [BGH 31.03.2020 - XI ZR 581/18] Rn. 32).

    Deshalb ist bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit einer Bereitstellungsprovision die beanstandete Bereitstellungsprovision (hier: 0,25 % pro Monat) mit der marktüblichen Vergütung für die Bereithaltung eines Darlehens zum jederzeitigen Abruf innerhalb einer Zinsbindungsfrist zu vergleichen. Zu dieser marktüblichen Vergütung trägt der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger trotz der entsprechenden Ausführungen des Landgerichts in dem angegriffenen Urteil (LGU 12) jedoch auch in der Berufungsinstanz nichts vor.

    Im Übrigen verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, die Beklagte habe das Darlehen bei Abschluss des Darlehensvertrages für die gesamte Vertragslaufzeit refinanziert (mit der Folge, dass die Beklagte im Fall des Nichtabrufens des Darlehens durch den Darlehensnehmer trotz fehlenden Ausfallrisikos durch den Erhalt der Bereitstellungsprovision einen höheren Gewinn erwirtschafte, als wenn der Darlehensnehmer das Darlehen ausbezahlt bekomme und hierfür den vereinbarten Darlehenszinssatz zahle), dass die Beklagte (derzeit) verpflichtet ist, der Europäischen Zentralbank für das "Parken" des von dem Darlehensnehmer nicht abgerufenen Darlehens einen negativen Einlagezinssatz zu zahlen. Diesem Umstand trägt der Kläger - auch mit seinem Hilfsantrag - keine Rechnung.

    bb) Aber selbst wenn der Vertragszinssatz einerseits und die Bereitstellungsprovision andererseits miteinander vergleichbar wären, läge in der derzeitigen Niedrigzinsphase ohne das Hinzutreten weiterer Umstände auch bei einer Zinsdifferenz von rund 250 % - wie in dem dargelegten Beispielsfall - kein zu einer Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB führendes auffälliges Missverhältnis vor.

    Die von dem Bundesgerichtshof entwickelte 100 %-Grenze ist nämlich nicht starr, sondern als ein Regelbeispiel und Orientierungsmaßstab anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1981 - III ZR 92/79 -, juris Rn. 12 ff.). Deshalb hat der Bundesgerichtshof bei Ratenkrediten aus Hochzinsperioden bereits entschieden, dass auch dann, wenn die Differenz zwischen dem effektiven Vertragszins und dem marktüblichen Effektivzins relativ (deutlich) unterhalb der 100 %-Grenze liegt, trotzdem im Allgemeinen ein auffälliges Missverhältnis zu bejahen ist, wenn er diesen absolut um 12 Prozentpunkte oder mehr überschreitet (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1990 - XI ZR 252/89 -, juris Rn. 17). Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass die relative Überschreitung des Schwerpunktzinses in Hochzinsphasen, in denen der absolute Zinsunterschied stärker ins Gewicht falle, kein ausreichendes Kriterium für die Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sei. Hohe Schwerpunktzinsen ließen bei der grundsätzlich als erlaubt anzusehenden relativen Überschreitung um rund 100 % absolute Zinsdifferenzen als zulässig erscheinen, die in keinem angemessenen Verhältnis zu den höheren Refinanzierungskosten und dem steigenden Insolvenzrisiko der Teilzahlungsbanken stünden; die Kalkulation des Vertragszinses werde nicht nur durch die Aufwendungen für die Refinanzierung, die Beitreibung und die Risikorücklagen, sondern wesentlich auch durch die relativ konstanten Betriebskosten und die Gewinnspanne bestimmt. Überschreitungen des Marktzinses um 12 Prozentpunkte oder mehr überstiegen deshalb auch bei allgemein hohem Zinsniveau die erhöhten Kosten deutlich und erlaubten den Teilzahlungsbanken eine Steigerung ihrer Gewinne auf Kosten von in der Regel finanziell beschränkt leistungsfähigen Kreditnehmern, die durch die hohen Kreditgebühren ohnehin besonders drückenden Belastungen ausgesetzt seien. In derartigen Fällen liege deshalb auch dann ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, wenn die relative Überschreitung des Schwerpunktzinses die kritische Grenze nicht erreicht.

    Vergleichbares muss nach Ansicht des Senats in Niedrigzinsphasen gelten, da andernfalls bereits ein geringfügiger Zinsunterschied zur Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages führen kann. So wäre bei starrer Anwendung der 100 %-Grenze beispielsweise ein Immobiliendarlehen mit einem Effektivzinssatz von 0,6 % p.a. als sittenwidrig anzusehen, wenn der marktübliche Effektivzinssatz bei 0,3 % p.a. läge. Eine solch starre Fixierung auf die 100 %-Grenze in Niedrigzinsphasen ließe außer Betracht, dass die Kalkulation des Vertragszinssatzes jedenfalls in Niedrigzinsphasen maßgeblich nicht durch die Höhe der Refinanzierungskosten, sondern durch die relativ konstanten Aufwendungen für die Beitreibung, die Risikorücklagen, die Betriebskosten und die Gewinnspanne bestimmt werden. Da den Darlehensgebern aber auch in Niedrigzinsphasen eine wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit zugestanden werden muss, hält der Senat zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse eine Beurteilung der Sittenwidrigkeit ausschließlich anhand einer relativen Abweichung des Vertragszinses vom marktüblichen Zinssatz in Niedrigzinsphasen nicht für angemessen. Vielmehr muss in Niedrigzinsphasen - spiegelbildlich zur Hochzinsphase - eine absolute Abweichung des effektiven Vertragszinses vom marktüblichen Effektivzins als Grenze zur Sittenwidrigkeit herangezogen werden, wobei nach Ansicht des Senats ein Spread der Immobilienkreditkonditionen von 3 Prozentpunkten hinzunehmen ist (ebenso Krepold, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Bd. I, 5. Aufl., § 78 Rn. 21). Entsprechendes gilt, wenn man Vertragszinssatz einerseits und die Bereitstellungsprovision andererseits miteinander vergleichen wollte.

    Dass diese Grenze bei von der Beklagten abgeschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen erreicht ist oder bei noch abzuschließenden Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen erreicht werden könnte, trägt der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger auch nach entsprechendem Hinweis in der mündlichen Berufungsverhandlung (Protokoll vom 28. September 2021, dort S. 2 = II 92 nicht vor. Vielmehr hat der klägerische Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Berufungsverhandlung in diesem Zusammenhang selbst ausgeführt, dass bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ein jährlicher effektiver Vertragszins von 0 % oder weniger nicht realistisch sei.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Das Berufungsurteil orientiert sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

    RechtsgebietBankrechVorschriften§ 307 BGB