23.12.2021 · IWW-Abrufnummer 226587
Bundesgerichtshof: Urteil vom 21.10.2021 – IX ZR 265/20
InsO § 92 Satz 1
Der Insolvenzverwalter ist nicht berechtigt, Schadensersatzansprüche der Gläubiger gegen den Insolvenzschuldner geltend zu machen, die auf einer Verkürzung der Insolvenzmasse durch die Verschiebung von Vermögensbestandteilen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruhen.
InsO § 38
Hat der Insolvenzschuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Bestandteile seines Vermögens verschoben, um sie den Insolvenzgläubigern vorzuenthalten, begründen unrichtige Angaben hierzu nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine selbständig geltend zu machenden Neuverbindlichkeiten.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2021 durch den Vorsitzenden Richter Grupp, die Richterinnen Lohmann, Möhring, den Richter Dr. Schultz und die Richterin Dr. Selbmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Schlussvorbehaltsurteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts vom 28. August 2020 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als der Beklagte zu 1 als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 3 verurteilt worden ist, an den Kläger 4.998.000 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 2. Juni 2009 zu zahlen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 104a des Landgerichts Berlin vom 11. Oktober 2019 wird zurückgewiesen, soweit sie den Beklagten zu 1 betrifft.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden wie folgt verteilt: Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3 tragen der Kläger 11 % und die Beklagte zu 3 89 %. Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 75 % und die Beklagte zu 3 25 %.
Tatbestand
1
Am 2. Juni 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 1 (fortan nur: Beklagter) eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 6. Juli 2015 wurde dem Beklagten die Restschuldbefreiung erteilt.
2
Mit seiner am 6. November 2017 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger den Beklagten neben der Beklagten zu 2, der Ehefrau des Beklagten, und der Beklagten zu 3, einer in Palma de Mallorca ansässigen, von der Ehefrau des Beklagten gesetzlich vertretenen Gesellschaft, auf Zahlung von 5.000.000 € nebst Zinsen, von weiteren 400.000 €, von weiteren 100.000 € und von weiteren 200.000 € in Anspruch genommen. Im Laufe des Rechtsstreits hat er Zahlung weiterer 1.500.000 € verlangt. Soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, hat der Kläger auf Einzahlungen auf das Konto der Ehefrau in Höhe von insgesamt 4.998.000 € Bezug genommen, welche der Beklagte am 15. April 2008, am 6. Mai 2008 und am 9. Mai 2008 getätigt hat, sowie auf eine Überweisung in Höhe von 5.400.000 € vom Konto der Ehefrau des Beklagten auf das Konto der Beklagten zu 3 am 20. Mai 2008. Er hat behauptet, dem Beklagten sei es angesichts der drohenden Zahlungsunfähigkeit darauf angekommen, sein Vermögen vor dem Zugriff der Gläubiger zu sichern. Darum habe er den Grund der Zahlungen verschleiern wollen. Im eröffneten Insolvenzverfahren habe er unzutreffende Angaben zum Grund der Zahlungen gemacht und damit Bestandteile seines Vermögens dem Verfahren entziehen wollen.
3
Das Landgericht hat die im Urkundenprozess erhobene Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 3 im Wege des Schluss-Vorbehaltsurteils zur Zahlung von 4.998.000 € nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
4
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es den Beklagten betrifft, und zur Wiederherstellung des die Klage insoweit abweisenden Urteils des Landgerichts.
I.
5
Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt: Der Beklagte habe die Gesamtheit der Gläubiger vorsätzlich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise geschädigt, indem er am 15. April 2008, am 6. Mai 2008 und am 9. Mai 2008 insgesamt 4.998.000 € in bar auf das Konto seiner Ehefrau eingezahlt und von dort aus am 20. Mai 2008 an die Beklagte zu 3 weitergeleitet habe. Die Einordnung der aus diesen Handlungen folgenden Forderungen als Insolvenzforderungen ändere nichts daran, dass ein Schaden in Form der Verkürzung der Insolvenzmasse entstanden sei. Der Beklagte habe durch die genannten Einzahlungen und die Überweisung im kollusiven Zusammenwirken mit der Beklagten zu 3 sein wesentliches Vermögen dem Zugriff seiner Gläubiger entzogen. Der Anspruch sei nicht verjährt. Der Beklagte habe keine Tatsachen vorgetragen, welche den Schluss darauf zuließen, dass der Kläger die Unrichtigkeit der Angaben des Beklagten zum Grund der streitigen Einzahlungen und die Überweisung vor dem Jahre 2014 gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt habe.
II.
6
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Insolvenzverwalter ist nicht berechtigt, etwaige Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Schadensersatz wegen masseschädigenden Verhaltens vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Verfahrensschuldner geltend zu machen.
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1. Hat jemand zielgerichtet darauf hingewirkt, wesentliches Vermögen des späteren Verfahrensschuldners dem Gläubigerzugriff zu entziehen, kann dies den Tatbestand einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB erfüllen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Oktober 1973 - VIII ZR 82/72, WM 1973, 1354, 1355 unter II.; vom 8. Mai 2003 - IX ZR 334/01, WM 2003, 1178, 1179 unter II.2; vom 16. November 2007 - IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 16; vom 8. Februar 2018 - IX ZR 103/17, BGHZ 217, 300 Rn. 55 ff, 58; zur Innenhaftung der Gesellschafter vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2007 - II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 Rn. 16 ff, 22 ff). Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden die aus einem solchen Verhalten etwa folgenden Schadensersatzansprüche der Insolvenzgläubiger vom Verwalter geltend gemacht. Dies folgt aus § 92 Satz 1 InsO. Nach dieser Bestimmung können Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben, während des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Ein derartiger Gesamtschaden kann sich auch aus der Verschiebung von Gegenständen des Schuldnervermögens ergeben (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 102/97, BGHZ 143, 246, 251).
8
2. Die aus § 92 Satz 1 InsO folgende Befugnis des Verwalters, Schadensersatzansprüche wegen Masseverkürzung geltend zu machen, erstreckt sich jedoch nicht auf Ansprüche gegen den Schuldner selbst, wenn das masseschädigende Verhalten, wie das Berufungsgericht hier angenommen hat, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat.
9
a) Die Vorschrift des § 92 Satz 1 InsO betrifft den Fall, dass die Insolvenzmasse durch eine Handlung verkürzt worden ist, die nach den Bestimmungen des Haftungsrechts Schadensersatzansprüche der Insolvenzgläubiger begründet. Diese Ansprüche dürfen während der Dauer des Insolvenzverfahrens nicht von den einzelnen Gläubigern, sondern nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Sie gehören zur Insolvenzmasse. Der Schädiger hat den Schadensersatz in die Masse zu leisten. So soll verhindert werden, dass sich einzelne Gläubiger durch gesonderten Zugriff Vorteile verschaffen und dadurch den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger verletzen (BT-Drucks. 12/2443, S. 139 zu § 103; Jaeger/Müller, InsO, § 92 Rn. 3; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. März 2013 - III ZR 260/11, BGHZ 197, 75 Rn. 45). Zudem erleichtert die Bündelung der Ansprüche in der Hand des Insolvenzverwalters deren Durchsetzung (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2004 - IX ZR 128/03, BGHZ 159, 25, 29 mwN; Jaeger/Müller, aaO). Der einzelne Gläubiger sieht häufig davon ab, seinen Ersatzanspruch geltend zu machen, weil für ihn der mit dessen Bezifferung verbundene Aufwand außer Verhältnis zum zu erwartenden Ertrag steht (MünchKomm-InsO/Gehrlein, 4. Aufl., § 92 Rn. 1; vgl. zur Schwierigkeit, einen Quotenschaden zu berechnen, auch BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 197 f). Die Vorschrift dient folglich dazu, den ungestörten Ablauf des Insolvenzverfahrens zu sichern und die Insolvenzmasse zugunsten aller Gläubiger zu vervollständigen (BGH, Urteil vom 21. März 2013, aaO).
10
b) Für Schadensersatzansprüche der Insolvenzgläubiger gegen den Schuldner persönlich treffen die vorstehenden Überlegungen nicht zu. Vermögensverschiebungen des Schuldners vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2014 - IX ZR 156/12, WM 2014, 2175 Rn. 6) oder nach § 826 BGB begründen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können die Insolvenzgläubiger derartige Ansprüche jedoch nicht mehr außerhalb des Insolvenzverfahrens verfolgen. Es handelt sich dann nämlich um Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO, die gemäß § 87 InsO nur nach den Vorschriften des Insolvenzverfahrens, nämlich durch Anmeldung zur Tabelle (§§ 174 ff InsO), verfolgt werden können. Sondervorteile einzelner Gläubiger, welche dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zuwiderliefen, sind hierdurch ausgeschlossen, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 92 Satz 1 InsO bedarf.
11
Aus diesem Grund hat der Senat bezüglich des Rechtszustands vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung obiter angenommen, der Konkursverwalter sei berechtigt, Ansprüche (nur) gegen Dritte zu verfolgen, welche die Masse geschädigt hätten (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 102/97, BGHZ 143, 246, 251). Eine § 92 InsO entsprechende Vorschrift gab es in der Konkursordnung nicht; jedoch war in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, dass die Befugnis, auf Ersatz eines Gesamtschadens gerichtete Ansprüche gegen Dritte geltend zu machen, beim Verwalter lag (BGH, Urteil vom 8. Mai 2003 - IX ZR 334/01, WM 2003, 1178, 1180 unter III.1). Die Vorschrift des § 92 InsO erfasst Ansprüche der Insolvenzgläubiger gegen Gesellschafter oder Organe der insolventen Schuldnerin oder gegen Dritte (BGH, Urteil vom 8. Mai 2003 - IX ZR 334/01, aaO unter III.2), nicht jedoch Ansprüche gegen den Schuldner selbst. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das masseschädigende Verhalten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat.
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c) Ein Zahlungsanspruch, den der Verwalter gegen den Schuldner mit dem Ziel der Wiederherstellung der Insolvenzmasse durchsetzt, fügt sich zudem nicht in die von der Insolvenzordnung vorgegebene Struktur eines Insolvenzverfahrens ein.
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aa) Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen verfügt der Insolvenzschuldner regelmäßig nicht mehr über Mittel, aus denen er einen vom Verwalter für die Insolvenzgläubiger geltend gemachten Zahlungsanspruch befriedigen könnte.
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(1) Zur Insolvenzmasse gehört gemäß § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erwirbt. Der Zwangsvollstreckung unterliegendes insolvenzfreies Vermögen gibt es regelmäßig nicht. Aus einem Zahlungstitel gegen den Schuldner könnte der Verwalter regelmäßig nur in solches Vermögen vollstrecken, welches schon gemäß § 80 Abs. 1 InsO seiner Verwaltung und Verfügung unterliegt.
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(2) Soweit der Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund besonderer Umstände Vermögen erwirbt, welches nicht dem Insolvenzbeschlag unterfällt, dient dieses Vermögen nicht der Befriedigung von Insolvenzforderungen.
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(aa) Gibt der Verwalter die selbständige Tätigkeit des Schuldners gemäß § 35 Abs. 2, 3 InsO frei, entsteht ein insolvenzfreies Sondervermögen, welches nicht der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters unterliegt. Der Anspruch aus § 35 Abs. 2, § 295 Abs. 2 InsO aF analog auf Abführung des pfändbaren Betrages aus einem fiktiven angemessenen Dienstverhältnis war nach der bisherigen Senatsrechtsprechung im Wege der Klage vor dem Prozessgericht geltend zu machen (BGH, Urteil vom 13. März 2014 - IX ZR 43/12, WM 2014, 751 Rn. 12 ff). Ob dies nach der Einführung des Beschlussverfahrens gemäß § 295a Abs. 2 InsO durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3328) weiterhin gilt, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. BeckOK-InsO/Riedel, 2021, § 295a Rn. 6 f). Jedenfalls stehen die vom Schuldner ab Wirksamwerden der Freigabeerklärung aus der selbständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte nur dem Zugriff der Neugläubiger offen (BGH, Urteil vom 13. März 2014, aaO Rn. 13 mwN). Sie dienen nicht der Befriedigung von Insolvenzforderungen.
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(bb) Gleiches gilt im Ergebnis für den Neuerwerb nach der Erteilung der Restschuldbefreiung im laufenden Insolvenzverfahren. Wird dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt, gehört das Vermögen, welches der Schuldner nach Ende der Abtretungsfrist oder nach Eintritt der Voraussetzungen des § 300 Abs. 2 Satz 1 InsO (§ 300 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F.) erwirbt, nicht mehr zur Insolvenzmasse (vgl. § 300a Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Neuerwerb gebührt dem Schuldner. Er dient nicht der Befriedigung der Insolvenzgläubiger (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258 Rn. 36).
18
bb) Die Insolvenzordnung hält zudem kein Verfahren für die Geltendmachung eines vor der Eröffnung entstandenen Zahlungsanspruchs gegen den Schuldner durch den Verwalter bereit. Insolvenzforderungen werden zur Tabelle angemeldet (§§ 174 ff InsO). Der Insolvenzverwalter selbst kann keine Forderungen zur Tabelle anmelden. Seine Aufgabe ist es, die angemeldeten Forderungen in die Tabelle einzutragen (§ 175 Abs. 1 Satz 1 InsO) und zu prüfen (§ 176 Satz 1 InsO). Er müsste den Anspruch folglich nach den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung geltend machen. Eine Zahlungsklage gegen den Schuldner kommt, vom bereits erörterten Ausnahmefall der Durchsetzung eines Anspruchs auf Zahlung des nach § 295 Abs. 2 InsO aF geschuldeten Betrages abgesehen, jedoch nicht in Betracht. Eine derartige Klage wäre wenig sinnvoll, weil es während des Insolvenzverfahrens keine Vermögensmasse gibt, in welche die Zwangsvollstreckung aus einem Zahlungstitel wegen einer Insolvenzforderung betrieben werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2011 - IX ZR 46/11, NZI 2011, 979 Rn. 6). Die Aussicht auf eine Aufhebung des Insolvenzverfahrens ändert hieran nichts. Die Befugnisse des Insolvenzverwalters enden mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO).
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cc) Für die Sicherung der Masse vor dem Zugriff des Schuldners sieht die Insolvenzordnung zudem ein anderes Verfahren vor. Gemäß § 148 Abs. 1 InsO hat der Verwalter das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz zu nehmen. Der Schuldner ist dementsprechend verpflichtet, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen an den Verwalter herauszugeben. Wenn der Schuldner seinen hierauf bezogenen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, kann der Verwalter gemäß § 148 Abs. 2 Satz 1 InsO aufgrund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses die Herausgabevollstreckung betreiben. Die vollstreckbare Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses ist ein Herausgabetitel im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegen den Schuldner (BGH, Urteil vom 3. November 2011, aaO mwN). Im Verhältnis zu Dritten findet § 148 InsO zwar keine Anwendung (MünchKomm-InsO/Jaffé, 4. Aufl., § 148 Rn. 60; HK-InsO/Depré, 10. Aufl., § 148 Rn. 14; K. Schmidt/Jungmann, InsO, 19. Aufl., § 148 Rn. 13). Schon ihrem Wortlaut nach gilt die Vorschrift nur für Gegenstände im Gewahrsam des Schuldners. Insoweit kann der Verwalter jedoch die Herausgabe- und die sonstigen Ansprüche des Schuldners gegen den Dritten geltend machen (§ 80 Abs. 1 InsO). Ansprüche des Schuldners gegen sich selbst, die der Insolvenzverwalter kraft seines Amtes (§ 80 Abs. 1 InsO) geltend machen könnte, kann es aus Rechtsgründen wegen der Identität von Anspruchsberechtigtem und Anspruchsverpflichtetem nicht geben.
20
d) Für den hier in Rede stehenden Fall einer Masseverkürzung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hält die Rechtsordnung schließlich andere Mittel bereit. Der Kläger wirft dem Beklagten die Verschiebung von Geldmitteln vor, die Weitergabe eigenen Geldes an Dritte. Soweit dem Beklagten aus den diesen Verschiebungen zugrundeliegenden Rechtsgeschäften Ansprüche zustehen, könnte der Kläger sie kraft seiner umfassenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO) geltend machen. Kraft seines Amtes als Insolvenzverwalter könnte der Kläger zudem mit den Mitteln des Insolvenzanfechtungsrechts (§§ 129 ff InsO) gegen die Empfänger des Geldes vorgehen. Haben diese (oder sonstige Dritte) planmäßig mit dem Schuldner zusammengewirkt, um dessen wesentliches Vermögen dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, kommt daneben auch ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Betracht, welchen der Verwalter gemäß § 92 Satz 1 InsO geltend machen kann (BGH, Urteil vom 8. Februar 2018 - IX ZR 103/17, BGHZ 217, 300 Rn. 55 ff, 58 mwN; MünchKomm-InsO/Gehrlein, 4. Aufl., § 92 Rn. 9 mwN). Der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Schuldner bedarf es nicht, auch nicht dann, wenn die einzelnen Gläubiger nicht bereit sind, die ihnen jeweils zustehenden Ansprüche auf Ersatz des Quotenschadens zu verfolgen.
III.
21
Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die Revisionserwiderung meint, der Kläger habe die Klage gegen den Beklagten auch auf dessen Verhalten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestützt. Ob dies zutrifft, ist durchaus zweifelhaft. Der Kläger hätte nicht nur das Verhalten des Beklagten nach der Eröffnung darstellen, sondern auch zum Ausdruck bringen müssen, dass er (auch) hieraus Schadensersatzansprüche der Gläubiger aus § 826 BGB (oder aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) herleiten wollte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 6 f; vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 21). Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder diese Frage noch die tatsächlichen Voraussetzungen eines aus dem Verhalten des Beklagten nach der Eröffnung folgenden Schadensersatzanspruchs geprüft.
22
Zweifelhaft ist weiter, ob der Kläger berechtigt wäre, einen entsprechenden Anspruch geltend zu machen. In der Kommentarliteratur wird zwar vertreten, auch die Haftung des Schuldners wegen Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach §§ 97, 101 InsO unterliege der Einziehungsbefugnis des Verwalters (Jaeger/Müller, InsO, § 92 Rn. 9). Da es sich um ein Verhalten des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens handelt, die Voraussetzungen des § 38 InsO also nicht erfüllt sind, liegt jedoch die Annahme einer Neuverbindlichkeit näher, die außerhalb des Insolvenzverfahrens durchzusetzen wäre. Schadensersatzansprüche gegen den Schuldner, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch dessen eigenes, vom Verwalter weder geduldetes noch sonst veranlasstes Verhalten entstehen (vgl. HK-InsO/Lohmann, 10. Aufl., § 55 Rn. 9), richten sich ausschließlich gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners, welches nicht der Verwaltung und Verfügung des Verwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO unterliegt (vgl. K. Schmidt/Büteröwe, InsO, 19. Aufl., § 38 Rn. 14).
23
Auf alle diese Fragen kommt es hier jedoch nicht an. Der Schaden, welchen der Kläger ersetzt verlangt, ist durch Handlungen entstanden, welche der Beklagte vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat. Seine unrichtigen Erklärungen nach der Eröffnung haben keinen gesonderten Schaden herbeigeführt. Sie hatten lediglich zur Folge, dass die bereits eingetretene Schmälerung der Masse nicht ausgeglichen wurde. Der Anspruch auf Ersatz dieses Schadens stellt eine Insolvenzforderung dar, unabhängig davon, ob man auf die Vermögensverschiebungen vor der Eröffnung oder auf deren Verschleierung nach der Eröffnung abstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - IX ZB 57/12, WM 2014, 470 Rn. 12 mwN).
IV.
24
Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das landgerichtliche Urteil wird wiederhergestellt, soweit es die Klage gegen den Beklagten insgesamt abgewiesen hat.
Grupp
Lohmann
Möhring
Schultz
Selbmann
Von Rechts wegen