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  • 18.10.2022 · IWW-Abrufnummer 231845

    Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 02.08.2022 – 4 U 143/22

    1. Die Zustimmung zu einer Erhöhung des Entgelts aus einem Wohn- und Betreuungsvertrag wird mit Rechtskraft eines zusprechenden Urteils mit Rückwirkung auf den Erhöhungszeitpunkt fingiert.

    2. Die Teilzustimmung zu einer Entgelterhöhung steht regelmäßig ebenso wenig eine Annahme des auf Entgelterhöhung gerichteten Vertragsänderungsangebotes dar wie das Verstreichenlassen der Kündigungsfrist.

    3. Den formellen Anforderungen an ein Erhöhungsverlangen ist bereits dann genügt, wenn bezogen auf den Änderungszeitpunkt eine vergleichende Gegenüberstellung der bisherigen und der erhöhten Kosten und des Umlegungsmaßstabes erfolgt; dass der Verbraucher aufgrund dieser Angaben eine Plausibilitätskontrolle oder eine inhaltliche Überprüfung der materiellen Berechtigung des Erhöhungsverlangens vornehmen kann, ist nicht erforderlich.

    4. Dies gilt auch dann, wen in das Erhöhungsverlangen für die Zukunft Beiträge miteinbezogen werden sollen, denen für den vorausgegangenen Zeitraum kein formell wirksames Erhöhungsverlangen zugrunde lag.


    Oberlandesgericht Dresden

    Urteil vom 02.08.2022

    4 U 143/22

    In dem Rechtsstreit
    ... gemeinnützige GmbH, ...
    - Klägerin und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    B... G... Rechtsanwälte PartGmbB, ...
    gegen
    S... H...,
    - Beklagte und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte D...... & K......, ...

    wegen Abgabe einer Willenserklärung und Zahlung

    hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
    Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S......,
    Richterin am Oberlandesgericht Z...... und
    Richterin am Oberlandesgericht P......

    aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2022 für Recht erkannt:

    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 21.12.2022, Az. 1 O 120/21, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    I. Die Beklagte wird verurteilt,

    1. Der Erhöhung des monatlichen Entgelts für die Unterkunft von 14,89 € um 0,57 € auf 15,46 € pro Tag, für die Verpflegung von 4,84 € um 0,17 € auf 5,01 € und für den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil in Höhe von 4,76 € auf 18,97 € ab dem 01.01.2020 zuzustimmen.
    2. Der Erhöhung des monatlichen Entgelts für die Umlage für die Ausbildung der Pflegeberufe um 25,25 € ab dem 01.04. bis zum 31.8.2020 zuzustimmen.
    3. Der Erhöhung des monatlichen Entgelts für die Ausbildungsplatzabgabe von 1.823,08 € um 3,67 € auf 1.826,73 € ab dem 01.09.2020 zuzustimmen.
    4. An die Klägerin einen Betrag in Höhe von insgesamt 5.241,58 € zu zahlen.
    II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 20 % und die Beklagte 80 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

    III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Beschluss:

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 6.500,00 EUR festgesetzt.

    Gründe

    (abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)

    I.

    Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet.

    1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zustimmung zum Erhöhungsverlangen, durch das mit Wirkung zum 01.01.2020 das monatliche Entgelt für die Unterkunft von 14,89 € um 0,57 € auf 15,46 € pro Tag, für die Verpflegung von 4,84 € um 0,17 € auf 5,01 € und für den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil in Höhe von 4,76 € auf 18,97 € angehoben wurde gem. § 12 des zwischen den Parteien bestehenden Wohn- und Betreuungsvertrages vom 15.04.2015.

    Die Wirksamkeit von Erhöhungen des vertraglich vereinbarten Entgelts für die Unterbringungsleistungen der Klägerin richtet sich nach § 12 des Wohn- und Betreuungsvertrages (im folgenden WBV). Die Vertragsbestimmung wiederholt im wesentlichen den Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 9 WBVG. Danach bedarf eine Entgelterhöhung des Unternehmers (Heimträger) bei Änderung der Berechnungsgrundlage nach § 9 WBVG zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Verbrauchers (Heimbewohner) (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - III ZR 279/15 -, BGHZ 210, 233-249), LS 1 und Rn. 18, 21; OLG Hamm, Urt. v. 22.8.2014 - 12 U 127/13, juris Rn. 123 ff., Grüneberg/Weidenkaff BGB, 81.Aufll. § 9 WBVG Rn. 3). Erforderlich ist damit eine Änderungsvereinbarung im Sinne von § 311 Abs. 1 BGB (BGH, a.a.O, Rn. 24). Stimmt der Heimbewohner dem Erhöhungsverlangen zu, kommt eine vertragliche Vereinbarung über die Erhöhung zustande (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 234/18 -, Rn. 15, juris). Wird die Zustimmung nicht erklärt, muss der Heimträger auf Zustimmung klagen. Erst mit rechtskräftigem Urteil wird die fehlende Zustimmungserklärung fingiert gem. § 894 S. 1 ZPO (vgl. Grüneberg/Weidenkaff, aaO., § 9 WBVG, Rn. 3 aE). Die somit zwingend erforderliche Zustimmung kann auch konkludent zum Beispiel durch Zahlung des erhöhten Entgelts oder Verstreichenlassen der Kündigungsfrist nach § 11 Abs. 1 Satz 2 WBVG erteilt werden (BGH, a.a.O. m.w.N., Rn. 31; hierzu ausführlich Düncher/Schweigler: Entgelterhöhung im Wohn- und Betreuungsvertrag, GuP 2017, 5ff, 7 m.w.N.).

    a) Nach den vorstehenden Grundsätzen stellt das mit Schreiben vom 27.11.2019 übersandte Erhöhungsbegehren ein Angebot der Klägerin auf eine auf das Gesamtentgelt bezogene Vertragsänderung iSd § 311 Abs. 1 BGB dar, das die Beklagte nicht - auch nicht konkludent - angenommen hat.

    aa) Das Schreiben der Beklagten vom 07.04.2020 enthält nur die Zustimmung zu Mehrkosten, die sich aus der Erhöhung des einrichtungsrelevanten Eigenanteils um 4,76 € ergeben. Die Klägerin hat dieses Schreiben auch nicht als Zustimmung zu ihrem Erhöhungsbegehren ausgelegt, sondern vielmehr mit weiterem Schreiben vom 09.04.2020 (K4) selbst darauf hingewiesen, dass keine Zahlung des erhöhten Entgelts zu verzeichnen sei, ferner erneut um Unterzeichnung des übersandten Zustimmungsformulars gebeten und im Falle der ausbleibenden Zustimmung auch zu den bislang ergangenen Erhöhungsverlangen eine gerichtliche Klärung in Aussicht gestellt. Die bloße Zahlung eines Betrages iHv 167,31 € durch die Beklagte ist aus Sicht der Klägerin als Erklärungsempfängerin auch deshalb nicht als Zustimmung zum neu berechneten Gesamtentgelterhöhungsverlangen zu werten, da die Klägerin explizit um eine ausdrückliche, insbesondere schriftliche Zustimmung gebeten und die Zahlung eines Teilbetrages ausdrücklich als nicht ausreichend angesehen hat. Die konkludente Zustimmung durch Zahlung eines Pflegeheimbeitrages kommt aber nicht in Betracht, wenn der Einrichtungsträger - wie hier - zu erkennen gibt, dass er diese nicht als Zustimmung versteht (vgl. Düncher/Schweigler, a.a.O., S. 5 m.w.N.). Der Auslegung des Schreibens der Beklagten als umfassende Zustimmung zu den geänderten Leistungsentgelten steht zudem entgegen, dass die Beklagte wiederholt und ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sie nur ein um jeweils nicht anerkannte Erhöhungsbeträge reduziertes Entgelt zahlen werde, die Zahlung also aus Sicht der Klägerin nicht als Zustimmung zu der mit Schreiben vom 27.11.2018 begehrten Entgelterhöhung ausgelegt werden konnte. Zudem ist nichts dafür ersichtlich, dass nach der Vorstellung (zumindest) der Beklagten eine im April 2020 konkludent durch Teilzahlung erklärte Zustimmung zu einem Erhöhungsverlangen von Januar eine auf diesen Zeitpunkt bezogene rückwirkende Vertragsänderung hinsichtlich des Gesamtentgelts im Sinne des § 311 Abs. 1 BGB bewirken sollte, das sie weiterhin zu keinem Zeitpunkt vollumfänglich gezahlt hat.

    bb) Die erforderliche Zustimmung folgt auch nicht aus dem Verstreichenlassen der Kündigungsfrist. Die Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 2 WBVG sieht für den Fall der Entgelterhöhung zwar ein Sonderkündigungsrecht des Heimbewohners vor. Eine Zustimmungs- oder Wirksamkeitsfiktion für die Entgelterhöhung ist in diesem Zusammenhang aber gerade nicht geregelt. Auch im Wohnraummietrecht, dem das WBVG in großen Teilen konzeptionell nachgebildet ist, findet sich eine derartige Konstruktion nicht. Dort räumt § 561 Abs. 1 BGB dem Mieter die Möglichkeit ein, bis zum Ablauf des zweiten Monats nach dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters das Mietverhältnis außerordentlich zu kündigen. Wird von dem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht, so tritt die Mieterhöhung nicht ein (§ 561 Abs. 1 Satz 2 BGB). Hieraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass nach Verstreichen dieser Frist eine Erhöhung wirksam wird, wäre eine Abkehr von dem Grundsatz, dass Schweigen im Rechtsverkehr nur in Ausnahmen ein Erklärungswert zukommt. Dementsprechend findet sich in der Rechtsprechung zum Wohnraummietrecht auch keine dahingehende Entscheidung (so Düncher/Schweigler, a.a.O.).

    cc) Die nur teilweise erfolgte Zustimmung der Beklagten ist auch nicht aus anderen Gründen als Annahme des Vertragsänderungsangebotes der Klägerin vom 27.11.2019 zu werten. Zwar kann anders als bei der in § 8 Abs. 1 Satz 2 WBVG geregelten Leistungsanpassung (zb bei Änderung der Pflegestufe) der Verbraucher bei einer Entgelterhöhung gem. § 9 WBVG das Angebot des Unternehmers nicht abweichend von § 150 Abs. 2 BGB nur teilweise annehmen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 23 - 24; Bachem/Hacke WBVG, § 9 WBVG Rn. 87; Palandt/Weidenkaff aaO, § 8 WBVG Rn. 3). Diese Auslegung wird durch einen - auch vom BGH angestellten - Vergleich mit der Regelung der Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen gestützt. Denn während es in § 558 b Abs. 1 BGB ausdrücklich heißt: "Soweit der Mieter der Mieterhöhung zustimmt...", wodurch die Möglichkeit einer auch nur teilweisen Annahme des Mieterhöhungsverlangens eröffnet wird, fehlt eine dem entsprechende einschränkende Formulierung in § 9 WBVG. Hieraus folgt aber nicht zugleich, dass bei einer mit einer teilweisen Ablehnung des Erhöhungsverlangens verbundenen Zustimmungserklärung ohne weiteres von einer Zustimmung zur Zahlung des gesamten Entgelts ausgegangen werden kann. Vielmehr gelten bei einer teilweisen Ablehnung des Erhöhungsverlangens die allgemeinen vertraglichen Regelungen. Nach § 150 Abs. 2 BGB stellt die teilweise Ablehnung eines Vertragsänderungsangebotes ein neues Angebot dar, dass die andere Partei dann gegebenenfalls annehmen kann. Bleibt die Zustimmung zu einem konkreten Erhöhungsverlangen durch den Verbraucher ganz oder auch teilweise aus, muss der Unternehmer somit ein erneutes formell und materiell wirksames Entgelterhöhungsverlangen stellen und hierzu gegebenenfalls erneut Klage auf Zustimmung erheben. Diesen Weg hat auch die Klägerin gewählt, als sie nach Ausbleiben der Zustimmung der Beklagten zu den vorangegangenen Erhöhungsverlangen, hier konkret den zum 01.01.2018 und 01.01.2019 ein weiteres Erhöhungsverlangen zum 01.01.2020 gestellt hat.

    dd) Da die Beklagte einer Vertragsänderung somit bereits nicht zugestimmt hat, kann offenbleiben, ob die mit Schriftsatz vom erklärte Anfechtung der Zustimmungserklärung wirksam ist.

    b) Die Beklagte war aber verpflichtet, dem Erhöhungsverlangen der Klägerin vom 27.11.2019 (Anlage K3) zum 01.01.2020 zuzustimmen. Das Erhöhungsverlangen erfüllt die formellen und materiellen Anforderungen des § 12 Abs. 1 und 2 WBV, § 9 Abs. 2 WBVG.

    Erforderlich ist, dass die Begründung für den Einzelfall die Kostensteigerung nachvollziehbar darstellen muss. Dies erfordert hinsichtlich jeder betroffenen Kostenposition, dass deren Veränderung dem Grunde und der Höhe nach aufgezeigt wird. Es muss eine vergleichende Gegenüberstellung der bisherigen und der verlangten Kosten erfolgen bezogen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung. Anzugeben ist ferner der Maßstab, nach dem die Kosten auf die Verbraucher umgelegt werden, damit ermittelt werden kann, ob die Einzelbelastung zutreffend ermittelt wurde (vgl. BeckOGK-Drasdo, a.a.O., Rn. 35 ff mwN). Dem trägt das Schreiben vom 27.11.2019 Rechnung.

    aa) Dem Schreiben ist eine Anlage beigefügt, in der das bisherige und zukünftig geforderte Gesamtentgelt bezogen auf die für die Beklagte geltende Pflegestufe und aufgeschlüsselt nach den einzelnen Entgeltbestandteilen (Pflegekosten, Unterkunft, Verpflegung, Ausbildungsplatzabgabe und Investitionskosten) sowie die Angabe des Anteils Pflegekasse, Besitzstand und Eigenanteil und der sich daraus ergebene Erhöhungsbetrag ausgewiesen werden (vgl. Tabelle S. 2). Unter Angabe des Umlagemaßstabs (vgl. S. 6 oben) und bezogen auf die in der Tabelle (vgl. S. 4) aufgeführten Kostenpositionen, die jeweils den Leistungsarten Unterkunft, Verpflegung und Betreuung zugeordnet werden, werden auch die Positionen benannt, in denen sich Kostensteigerungen ergeben haben. Dabei werden zu einer Reihe von Positionen sowohl die bisherigen Kosten als auch die zukünftigen und die daraus resultierende prozentuale Steigerung angegeben, sowie die Kostensteigerungen im Einzelnen begründet. Damit ist die Klägerin ihrer nach § 12 WBV bestehenden Begründungspflicht nachgekommen. Entgegen der Ansicht der Beklagten schuldete sie zur Begründung des Erhöhungsverlangens keine Aufschlüsselung der einzelnen Positionen oder die Angabe sämtlicher Kalkulationsgrundlagen bzw. eine Aufstellung sämtlicher in den einzelnen Positionen angefallenen Kosten. Vielmehr kann sie die Beklagte insofern auf eine Einsichtnahme in die Unterlagen verweisen. § 9 WBVG, dem § 12 WBV nachgebildet ist, verlangt nur eine Gegenüberstellung der Einzelpositionen, jedoch keine Darstellung, die dem Heimbewohner, der hierzu auch vielfach nicht in der Lage sein dürfte, eine Plausibilitätskontrolle oder gar eine inhaltliche Überprüfung ermöglichen würde. Ob die Beklagte die Tabelle auf S. 4 der Anlage zum Erhöhungsschreiben oder gar die Berechnung bzw. die Kalkulation der Klägerin in den angegebenen Positionen nachvollziehen kann, ist daher für die Frage der Ordnungsgemäßheit des Erhöhungsverlangens ohne Belang.

    Die materielle Rechtmäßigkeit der dargestellten erhöhten (Pflege-)Entgelte ergibt sich aus § 12 Abs. 3 WBV, da die Entgelte unstreitig mit den Pflegekassen und dem zuständigen Sozialhilfeträger in dem dafür vorgesehenen Verfahren vereinbart wurden und daher als angemessen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 iVm § 7 Abs. 2 WBVG gelten. Die Beklagte hat die Angemessenheit der Entgelte auch nicht substantiiert in Abrede gestellt. Der Hinweis der Beklagten auf die fehlende Nachvollziehbarkeit der angegebenen Gesamtkosten ist schon deshalb unbehelflich, da sich die angegebenen Kosten in unterschiedlichem Maße auf die verschiedenen Leistungsarten verteilen und somit bei der Bemessung der Pflegesatzhöhe und unter Berücksichtigung des einrichtungsrelevanten Eigenanteils unterschiedliche Gesamtkostenanteile ergeben (vgl. Kostenblatt S. 8). Soweit die Beklagte darüber hinaus erstmals mit Schriftsatz vom 26.07.2022 die materielle Berechtigung einzelner Erhöhungspositionen rügen will, wäre dieser Vortrag als verspätet zurückzuweisen, §§ 530, 520 Abs. 3 iVm § 296 ZPO, § 531 Abs. 2 ZPO.

    bb) Der Wirksamkeit des Erhöhungsverlangens steht entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entgegen, dass nur ein zu zahlender Mehrbetrag in Höhe von 167,31 € ausgewiesen wird, ohne gesonderte Aufstellung der früheren Erhöhungsbeträge, insbesondere der aus den Erhöhungsverlangen vom 01.01.2018 iHv 251,27 und zum 01.01.2019 iHv 140,85 € folgenden Mehrbeträge. Die Angabe früherer Erhöhungsbeträge ist nicht erforderlich, da sich aus der Aufstellung der Klägerin der (alte und neue) Gesamtkostenanteil ergibt, der sich aus Pflegekosten, Unterkunfts-, Verpflegungs- und Investitionskosten sowie der Ausbildungsplatzabgabe zusammensetzt; zudem werden der Anteil der Pflegekasse, der Besitzstand und der monatliche Eigenanteil ausgewiesen. In dem ausgewiesenen Gesamtkostenanteil sind - für die Beklagte ohne weiteres erkennbar - sämtliche frühere Erhöhungen dieser Positionen einbezogen, der angegebene Mehrbetrag bezieht sich somit auf die Gegenüberstellung der bisher und zukünftig geltenden Kosten; eine weitergehende Begründung oder Aufstellung früherer Erhöhungsbeträge war dagegen nach § 12 Abs. 2 WBV nicht geschuldet (siehe nachfolgend unter cc).

    cc) Die Annahme der Beklagten, sie könne ihre Zustimmung allein deshalb verweigern, weil die Klägerin im Schreiben vom 27.11.2019 eine § 12 Abs. 2 S. 3 WBV entsprechende Begründung für die Erhöhungsverlangen aus den Jahren 2018 und 2019 nicht nachgeholt habe, gleichwohl die Erhöhung ab dem 1.1.2020 hieran anknüpfe, ist unzutreffend.

    (1) Zwar steht aufgrund des Urteils des LG Görlitz vom 15.05.2020 fest, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, dem mit Schreiben vom 27.11.2017 erfolgten - formell unwirksamen - Entgelterhöhungsverlangen mit Wirkung zum 01.01.2018 in Höhe von 251,27 € zuzustimmen mit der Folge, dass eine dementsprechende Vertragsänderung nicht wirksam vereinbart wurde und daher bis zu einem wirksamen Erhöhungsverlangen dieser Betrag nicht gezahlt werden musste. Das Erhöhungsverlangen für 2019 legt die Erhöhung für 2018 zugrunde, weshalb die Beklagte ihre Zustimmung auch hierfür verweigert hat. Ob diese Verweigerung rechtmäßig war, kann dahinstehen, weil diese Ansprüche im vorliegenden Verfahren nicht rechtshängig sind.

    (2) Sie steht aber einer rechnerischen Einbeziehung der sich für 2018 und 2019 ergebenden Kostensteigerungen in die Erhöhung ab dem 1.1.2020 nicht entgegen. Die entgegenstehende Auffassung der Beklagten hätte zur Konsequenz, dass formelle Fehler eines Erhöhungsverlangens niemals geheilt werden könnten und der Heimträger dauerhaft gezwungen wäre, seine Leistung nicht kostendeckend abrechnen zu können ohne hierauf seinerseits mit einer Kündigung des Pflegevertrages reagieren zu können. Dass dies mit dem den Pflegeheimvertrag in besonderer Weise prägenden Kooperationsprinzip und dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren wäre, liegt auf der Hand.

    dd) Darüber hinaus war die Klägerin aber auch nicht verpflichtet, in dem zugrunde liegenden Erhöhungsschreiben vom 27.11.2019 die Begründung der (unwirksamen) Erhöhung von 2018 bzw. anderer vorangegangener Erhöhungsverlangen im Einzelnen nachzuholen. Ein solches Ansinnen würde zum einen den Zweck des § 9 WBVG unterlaufen, dem Heimträger zu ermöglichen, die Kostensteigerungen für alle Bewohner einer Einrichtung einheitlich darzustellen und nicht auf jeden einzelnen Vertrag abzustellen. Die Vorschrift erleichtert dem Heimträger die Darstellung aber auch insofern, als nicht jede seit Abschluss des Heimvertrages eingetretene Änderung, sondern allein die durch die konkrete Kostensteigerung ausgelöste Veränderung der Berechnungsgrundlage in den jeweiligen Einzelpositionen dargestellt werden muss (vgl. BT-Drs 16/12409, S. 24). Infolge der Änderung der Berechnungsgrundlagen zum 01.01.2020 konnte sich die Beklagte daher darauf beschränken, ihr Erhöhungsverlangen auf der Grundlage der zum 31.12.2019 maßgeblichen Kostenkalkulation und den ab dem 1.1.2020 mit den zuständigen Kostenträgern ausgehandelten Entgelte zu begründen und auf dieser Grundlage die Zustimmung der Beklagten zu einer Vertragsänderung einzuholen, die sich auf das daraus ergebene Gesamtentgelt bezieht. Denn nach § 7 Abs. 2 Satz 1 WBVG ist der Verbraucher zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet, dessen Höhe nicht frei vereinbart werden kann, sondern das insgesamt und nach seinen einzelnen Bestandteilen im Verhältnis zu den vereinbarten Leistungen angemessen sein muss. Dabei wird für Verbraucher, die - wie die Beklagte - Leistungen der Pflegeversicherung gemäß SGB XI oder Sozialhilfe in Einrichtungen gemäß SGB XII erhalten, die auf Grund dieser Gesetze festgelegte Entgelthöhe (vgl. § 84 Abs. 3, 4, § 85 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2, § 87 SGB XI, § 75 Abs. 3 SGB XII) unwiderleglich als "vereinbart und angemessen" vermutet, § 7 Abs. 2 Satz 2 WBVG (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016, a.a.O., Rn. 23, - juris, vgl. auch Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/12409, S. 23-24). Die Angemessenheit des mit Erhöhungsschreiben vom 27.11.2019 dargestellten Gesamtentgelts wird von der Beklagten auch nicht begründet in Abrede gestellt. Da die Klägerin nach den obigen Ausführungen das Entgelterhöhungsverlangen entsprechend den Anforderungen von § 12 Abs. 2 WBV ordnungsgemäß begründet hat und die Angemessenheit des verlangten Entgelts unwiderleglich vermutet wird, steht fest, dass das Gesamtentgelt in dieser Höhe berechtigt und die Beklagte zur Zustimmung verpflichtet ist. Ob ein früheres Erhöhungsverlangen den formellen Anforderungen nach § 12 Abs. 2 WBV entsprach, ist für die Wirksamkeit des weiteren Erhöhungsverlangens ab dem 1.1.2020 ohne Bedeutung.

    2. Die Klägerin hat im Anschluss hieran auch einen Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung des monatlichen Entgeltes für die Umlage für die Ausbildung der Pflegeberufe um 25,25 € ab dem 1.4.2020. Zwar fehlt es insoweit an der Angabe eines Umlagemaßstabes, die nach den zuvor dargestellten Grundsätzen erforderlich ist. Die Klägerin hat hierzu aber im Einzelnen und nachvollziehbar vorgetragen, dass eine über die Darstellungen in den Schreiben vom 23.01.2020 (Anlage K7) sowie 14.02.2020 (Anlage K9) hinausgehende Begründung nicht möglich sei, da es sich bei der Kostensteigerung um eine erstmalig durch Gesetz eingeführte neue Umlage für die Ausbildungskosten aller Pflegeeinrichtungen handeln würde. Dies findet in den Schreiben auch hinreichend Ausdruck. Weitergehende Angaben waren nicht geschuldet, zumal die Umlage auf einer Vereinbarung mit den Pflegekassen beruht und damit als angemessen im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 WBVG gilt. Den Finanzierungsbedarf, der letztlich die Höhe der Umlage bestimmte, wird auch nicht von der Klägerin, sondern vom Sächsischen Ausbildungsfonds Pflegeberufe ermittelt. Der hierauf beruhende Anspruch der Klägerin, den sie mit Wirkung ab dem 01.03.2020 und unbefristet ab diesem Zeitpunkt geltend macht, war jedoch auf den Zeitraum vom 01.04.2020 bis zum 31.08.2020 zu begrenzen, da die Klägerin zum einen in dem Schreiben vom 14.02.2020 die Zahlung des erhöhten Betrages erst zum 01.04.2020 begehrt und mit Schreiben vom 23.01.2020 mitgeteilt hat, dass es nur für eine Übergangszeit bis zum 31.08.2020 zu einer Mehrbelastung der Versicherten kommen würde.

    3. Die Beklagte ist ferner verpflichtet, dem Erhöhungsverlangen der Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2020 (Anlage K10) über die Anhebung des monatlichen Entgeltes für die Ausbildungsplatzabgabe von EUR 1.823,08 um EUR 3,67 auf EUR 1.826,73 ab dem 01.09.2020 zuzustimmen. Das Schreiben vom 27.7.2020 enthält alle notwendigen Angaben zur Begründung. Soweit die Beklagte die fehlende Angabe des Umlagemaßstabs rügt, kann auf die Ausführungen unter 2. verwiesen werden. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin werden nur Schülerzahlen gemeldet, die daraus folgenden Umlagebeiträge werden von dem Sächsischen Ausbildungsfonds Pflegeberufe ermittelt. Ein Umlagemaßstab ist nicht anzugeben, da die Klägerin selbst diesen nicht ermittelt. In dem Schreiben werden der Grund für die Erhöhung, die konkrete Erhöhung selbst und auch die Auswirkungen auf den geschuldeten Eigenanteil dargestellt. Dies ist zur Begründung als ausreichend anzusehen.

    4. Aufgrund der wirksamen Erhöhung war die Beklagte auch zur Zahlung weiterer Entgelte in Höhe von 5.241,58 € verpflichtet.

    Wie bereits ausgeführt, setzt der Anspruch auf Zahlung des erhöhten Entgelts gemäß § 9 WBVG i.V.m. § 12 WBV eine entsprechende Änderung des Wohn- und Betreuungsvertrages voraus. Stimmt der Verbraucher dieser Änderung aufgrund des Erhöhungsverlangens des Unternehmers nicht zu, muss dieser auf Zustimmung klagen; mit Rechtskraft des Urteils, durch das der Verbraucher zur Zustimmung verpflichtet wird, gilt dessen Zustimmungserklärung gemäß § 894 ZPO als abgegeben, das heißt, die erforderliche Vertragsänderung tritt ein (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2011 - VIII ZR 204/10 -, Rn. 8, juris mwN; BeckOGK-Drasdo, a.a.O., Rn 39 ff mwN, Zöller-Seibel, § 894 Rn. 6). Sie bewirkt, dass die Beklagte das erhöhte Entgelt nach § 9 Abs. 2 S. 4 WBVG entsprechend dem wirksam erklärten Erhöhungsverlangen und damit rückwirkend zum 01.01.2020 schuldet. Dies gilt auch für die weiteren aufgrund der Erhöhungsverlangen zum 01.04.2020 und 01.09.2020 geforderten Beträge, die in den dargestellten Zeiträumen aufgrund der eingetretenen Vertragsänderungen geschuldet sind.

    Im Einzelnen:

    Aus den Rechnungen der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 05.02.2021 (vgl. Anlage K16) und den der Höhe nach unstreitig erfolgten Zahlungen der Beklagten auf die Rechnungen ergeben sich folgende noch offene Beträge:


    Rechnung vom   Eigenanteil Entgelt   Zahlung   Rest
    7.2.2020  1748,32  1356,22  (251,27+140,83) 392,10
    6.3.2020 1460,71   1068,61  392,10
    6.4.2020 1713,44   1296,11  (251,27+140,83+25,25) 417,3
    6.5.2020  1772,36  1355,03  417,33
    9.6.2020  1815,86  1398,53  417,33
    3.7.2020  1772,36  1355,01  417,33
    5.8.2020  1838,76  1421,43  417,33
    7.9.2020  1821,84  1404,51  417,33
    7.10.2020  1822,99  1402,01  (251,27+140,83+25,25+3,65) 420,98
    5.11.2020  1827,64  1406,66  420,98
    7.12.2020  1806,99  1386,01  420,98
    7.1.2021  1775,99  1355,01  420,98
    5.2.2021  1976,77  1555,79  420,98
    Gesamt:  5.393,08 €

    Abzüglich des mit dem ursprünglichen Klageantrag zu 4. geltend gemachten Betrages iHv 296,- €, der auf den Erhöhungsverlangen zum 01.03.2020 iHv 25,25 € für den Zeitraum vom 01.03. bis zum 05.02.2020 (insgesamt 277,75 €) und zum 01.04.2020 iHv 3,65 € im Zeitraum vom 01.04. bis zum 05.02.2020 (insgesamt 18,25 €) ergibt dies die Summe von 5.097,08 €, zu deren Nachzahlung die Beklagte verpflichtet ist. Die Abweichung zu dem von der Klägerin eingeklagten Betrag von 5.097,89 € ist gering und beruht auf einem offensichtlichen Rechenfehler.

    Hinzu kommen folgende Beträge:

    - aus dem Erhöhungsverlangen zum 01.03.2020: begründet ist eine Nachforderung für den Zeitraum vom 01.04. bis zum 30.8.2020, demnach 5 x 25,25 € = 126,25 €,
    - aus dem Erhöhungsverlangen zum 01.09.2020: begründet ist eine Nachforderung für den Zeitraum vom 01.09. bis zum 05.02.2021, demnach 5 x 3,65 € = 18,25 €,

    insgesamt: 5.097,08 € + 126,25 € + 18,25 € = 5.241,58 €.

    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe eines Betrages von 1.555,79 € zurückgenommen hat, waren ihr insoweit die Kosten erster Instanz teilweise aufzuerlegen. Hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens stellte sich die Zuvielforderung der Klägerin im Verhältnis zur Gesamtforderung als geringfügig dar, so dass der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens insgesamt aufzuerlegen waren. Die Klägerin hat ihren Klageantrag nach Hinweis des Senats zwar erneut umgestellt; diesen Klageantrag aber bereits erstinstanzlich gestellt und erst nach einem entsprechenden Hinweis des erstinstanzlichen Gerichts umgestellt.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Festsetzung des Streitwertes folgt den gestellten Anträgen und ergibt sich im Übrigen aus §§ 3 ZPO, 47 GKG.

    RechtsgebietHeimkostenVorschriften§ 9 WBVG