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  • 22.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234344

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 24.01.2023 – 12 W 636/22

    Die Gebühr nach Ziffer 2340 GKG fällt auch an, wenn ein schriftliches Nachtragsverfahren nach § 177 Abs. 1 Satz 2 InsO darauf beruht, dass der Insolvenzverwalter eine rechtzeitige Anmeldung eines Gläubigers nicht innerhalb der Frist in die Insolvenztabelle eingetragen hat. Gebührenschuldner ist der anmeldende Gläubiger.


    Oberlandesgericht Dresden

    Beschluss vom 24.01.2023

    12 W 636/22

    Tenor:

    Auf die weitere Beschwerde der Staatskasse werden der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 30.09.2022, Az.: 8 T 333/22, sowie der Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 27.06.2022, Az.: 405 IK 462/20, aufgehoben und die Erinnerung der Gläubigerin gegen den Kostenansatz vom 15.03.2022 über 22,00 € zurückgewiesen.

    Das Verfahren ist in allen Instanzen gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    Die Staatskasse wendet sich mit der zugelassenen weiteren Beschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts Leipzig, mit dem dieses ihre Beschwerde gegen einen einer Erinnerung der Tabellengläubigerin stattgebenden Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen hat. Das Amtsgericht hatte auf die Erinnerung den Kostenansatz hinsichtlich einer Gebühr nach Ziffer 2340 KV GKG in Höhe von 22,00 € aufgehoben.

    Die Tabellengläubigerin (im Folgenden: Gläubigerin) hatte innerhalb der vom Insolvenzgericht durch Beschluss vom 19.03.2020 auf den 24.04.2020 festgesetzten Anmeldefrist am 23.04.2020 eine Forderung in Höhe von 432,51 € zur Insolvenztabelle über das Vermögen der Schuldnerin bei der Insolvenzverwalterin angemeldet. Diese Anmeldung wurde jedoch aufgrund eines Kanzleiversehens der Insolvenzverwalterin nicht innerhalb der Frist in die Insolvenztabelle eingetragen. Die Insolvenzverwalterin unterrichtete das Insolvenzgericht mit Schlussbericht vom 15.11.2021 über ihr Versehen und bat, der Gläubigerin keine Kosten für die nachträgliche Prüfung aufzuerlegen. Das Insolvenzgericht behandelte die Forderungsanmeldung als eine nachträgliche und ordnete mit Beschluss vom 09.02.2022 für deren Prüfung gemäß § 177 Abs. 1 Satz 2 InsO das schriftliche Verfahren an. Mit Kostenansatz vom 15.03.2022 wurde der Gläubigerin für dieses schriftlich durchgeführte Verfahren der nachträglichen Forderungsprüfung eine Gerichtsgebühr in Höhe von 22,00 € nach Ziffer 2340 KV GKG in Rechnung gestellt.

    Mit am 01.06.2022 eingegangenem Schriftsatz hat sich die Gläubigerin gegen den Kostenansatz gewandt. Der Vertreter der Staatskasse ist der Erinnerung entgegengetreten. Das Insolvenzgericht hat der Erinnerung mit Beschluss vom 27.06.2022 stattgegeben und wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG die Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass der Gesetzeswortlaut des § 177 InsO ein Versäumnis voraussetze, was hier hinsichtlich der Gläubigerin nicht der Fall sei.

    Die Staatskasse hat gegen diesen Beschluss mit Schriftsatz vom 01.07.2022 Beschwerde eingelegt. Die Gebühr sei wegen der Durchführung des schriftlichen Prüfungsverfahrens angefallen; auf ein Verschulden der Gläubigerin komme es nicht an. Diese Beschwerde hat das Landgericht - nach Übertragung der Sache auf die vollständig besetzte Kammer gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG - mit Beschluss vom 30.09.2022 als unbegründet zurückgewiesen. Die Gläubigerin sei nicht nach § 33 GKG zur Zahlung verpflichtet. Die Überschrift der Ziffer 2340 KV GKG beziehe sich ausdrücklich auf § 177 InsO, dessen Voraussetzungen aber nicht vorlägen, da die Gläubigerin nicht säumig gewesen sei. Soweit in Rechtsprechung und Literatur anderes vertreten werde, lasse dies den ausdrücklichen Wortlaut des § 177 Abs. 1 InsO außer Acht. Auch verstoße es gegen Art. 3 GG, wenn Gläubiger, die fristgerecht ihre Forderung anmeldeten, aufgrund von Umständen, die außerhalb ihrer Einflussmöglichkeiten liegen, schlechter behandelt würden als andere. Das Landgericht hat gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG die weitere Beschwerde zugelassen.

    Gegen diesen Beschluss hat die Staatskasse mit Schriftsatz vom 13.10.2022 die weitere Beschwerde eingelegt. Ihrer Ansicht nach falle gemäß Ziffer 2340 KV GKG stets die Festgebühr in Höhe von 22,00 € an, wenn wegen einer oder mehrerer Insolvenzforderungen ein besonderer Prüfungstermin oder ein schriftliches Prüfungsverfahren durchgeführt werde, wobei die Gebühr für jeden Gläubiger, dessen Forderung zu prüfen sei, gesondert anfalle. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Soweit in der Überschrift zu Ziffer 2340 KV GKG die Vorschrift des § 177 InsO genannt werde, stelle dies keinen inhaltlichen Verweis auf diese Vorschrift dar, sondern lediglich eine Klarstellung, dass sich der Gebührentatbestand auf eine nachträgliche Prüfung von Forderungen im Sinne der Regel des § 177 InsO beziehe, ohne dass es darauf ankomme, ob sämtliche Voraussetzungen zur Anwendung dieser Vorschrift vorlägen. Die Gläubigerin hafte nach § 33 GKG i.V.m. § 177 InsO für diese Gebühr. Die Möglichkeit, dass eine nachträgliche Prüfung nicht aufgrund einer Säumnis des Gläubigers, sondern wegen einer verspäteten Aufnahme der Forderung zur Tabelle durch den Insolvenzordner erforderlich werde, sei von dem Gesetzgeber nicht bedacht worden. Der Entscheidung des Insolvenzgerichts, § 177 Abs. 1 InsO auf diesen Sachverhalt entsprechend anzuwenden, habe zugrunde gelegen, dass ansonsten nur die Alternativen bestünden, entweder die Forderung ohne förmliche Prüfung zu berücksichtigen, was der Schuldnerin und Dritten die Widerspruchsmöglichkeit genommen hätte, oder aber die nachträgliche Anmeldung zur Tabelle zum Nachteil der Gläubigerin abzulehnen und diese allein auf Schadensersatzansprüche gegen den dafür Verantwortlichen zu verweisen. Das Vorgehen des Insolvenzgerichts, § 177 Abs. 1 InsO entsprechend anzuwenden, sei vor diesem Hintergrund ein sachgerechter Weg, diese Regelungslücke auszufüllen. Dann aber sei es konsequent, von einer Haftung der Gläubigerin für die durch die nachträgliche Forderungsprüfung anfallende Gebühr auszugehen. Die Schuldnerin für die Gebühr haften zu lassen, sei jedenfalls nicht sachgerecht. Soweit in der Rechtsprechung vertreten werde, die Gebühr in einer derartigen Situation dem Insolvenzverwalter aufzuerlegen, berücksichtige dies nicht, dass es nicht dem Kostenbeamten obliegen könne, die "Schuldfrage" für die verspätete Eintragung in die Tabelle zu klären.

    Das Landgericht hat den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und der weiteren Beschwerde anschließend nicht abgeholfen. Entgegen der Ansicht der Staatskasse sei nicht davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber nach Interessenabwägung dafür entschieden hätte, einem Gläubiger, der keine Veranlassung für die nachträgliche Forderungsprüfung gegeben habe, die Gebühr aufzuerlegen.

    Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten des Insolvenzgerichts, des Landgerichts und des Senats Bezug genommen.

    II.

    Die weitere Beschwerde hat Erfolg.

    1.

    Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft, weil das Landgericht sie zugelassen hat; daran ist der Senat gebunden (§ 66 Abs. 4 Satz 1 und Satz 4, Abs. 3 Satz 4 GKG). Sie wurde - den Vorgaben von § 66 Abs. 4 Satz 2 GKG i.V.m. § 546 ZPO entsprechend - von der Staatskasse damit begründet, dass das Landgericht Rechtsnormen - hier § 33 GKG i.V.m. Ziffer 3240 KV GKG und § 177 InsO - nicht richtig angewandt habe. Der Senat entscheidet in der Besetzung nach § 122 Abs. 1 GVG, da § 66 Abs. 6 GKG keine Sondervorschriften für die Besetzung des Senats im Verfahren der weiteren Beschwerde enthält.

    2.

    Die weitere Beschwerde ist begründet. Die Kostenbeamtin hat zu Recht eine Gebühr in Höhe von 22,00 € gemäß Ziffer 2340 KV GKG gegen die Gläubigerin in Ansatz gebracht, so dass auf die Rechtsmittel der Staatskasse die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts abzuändern sind und die Erinnerung der Gläubigerin zurückzuweisen ist.

    Die Rechtslage ist umstritten, da neben der Auffassung, dass auch in der hier vorliegenden Konstellation die anmeldende Gläubigerin Kostenschuldnerin einer Gebühr nach Ziffer 2340 KV GKG sei (so beispielsweise LG Krefeld, Beschluss vom 09.02.2017, 7 T 156/16, NZI 2017, 367; Kayser/Thole/Depré, InsO, 10. Aufl., § 177 Rn. 15), auch vertreten wird, dass die Gebühr nicht entstehe (so beispielsweise BeckOK Insolvenzrecht/Zenker, 29. Edition vom 15.10.2022, § 177 Rn. 17) oder dass der Insolvenzverwalter der Kostenschuldner dieser Gebühr sei (so bspw. AG Leipzig, Beschluss vom 26.05.2008, 406 IK 1219/07; Siebert, VIA 2017, 52, zitiert nach beck-online; Harbeck, jurisPR-InsR 7/2017 Anm. 5). Nach Auffassung des Senats ist eine Gebühr nach Ziffer 2340 KV GKG entstanden (vgl. hierzu nachfolgend Ziffer 2.1), für die die anmeldende Tabellengläubigerin Kostenschuldnerin ist (vgl. hierzu nachfolgend Ziffer 2.3).

    Nach ganz überwiegender Meinung trägt im Regelfall der unmittelbaren Anwendung des § 177 Abs. 1 InsO - also der verspäteten Anmeldung durch einen Gläubiger - der den besonderen Prüfungstermin veranlassende Nachzügler die hierdurch entstehenden Kosten unabhängig davon, ob seine Säumnis auf seinem Verschulden beruht oder nicht (Jäger/Gerhardt, InsO, 5. Aufl., § 177 Rn. 15; BeckOK Insolvenzrecht/Zenker, a.a.O., § 177 Rn. 17; Braun/Specovius, InsO, 9. Aufl., § 177 Rn. 11; Karsten Schmidt/Jungmann, InsO, 20. Aufl., Rn. 20; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., Rn. 30; Oestreich/Hellstab/Schneider, GKG/FamGKG, 120. Ergänzungslieferung vom Mai 2018, Rn. 54 f. zu Nummern 2310-2386 KV GKG). Dieselbe Rechtsfolge trifft ihn aber auch in der vorliegenden Konstellation.

    2.1

    Eine Gebühr nach Ziffer 2340 KV GKG in Höhe von 22 € ist auch in der hier vorliegenden Konstellation entstanden.

    2.1.1

    Zwar soll nach einem größeren Teil der insolvenzrechtlichen Literatur (vgl. Zenker, NZI 2017, 368 [LG Krefeld 09.02.2017 - 7 T 156/16]; BeckOK Insolvenzrecht/Zenker, a.a.O., Rn. 17.1; Kübler/Prütting/Bork, InsO, 64. Ergänzungslieferung vom Juli 2015, § 177 Rn. 21; MüKoInsO/Riedel, 4. Aufl., § 177 Rn. 18; Braun/Specovius, a.a.O., Rn. 11; Karsten Schmidt/Jungmann, a.a.O., Rn. 20) die Gebühr nicht entstehen, wenn aus Sicht des anmeldenden Gläubigers kein Fall der Verspätung vorliegt, er - wie hier - also seine Forderung gemäß § 174 InsO rechtzeitig beim Insolvenzverwalter anmeldet und erst dieser es versäumt, die Anmeldung rechtzeitig gemäß § 175 InsO in die Tabelle einzutragen. Insoweit wird vertreten, dass dann kein Fall der nachträglichen Anmeldung im Sinne des § 177 InsO vorliege, was zur Folge habe, dass die Gebühr nach Ziffer 2340 KV GKG nicht entstehe. Werde die nachträgliche Prüfung erforderlich, weil der Insolvenzverwalter eine rechtzeitige Anmeldung übersehen hat, seien die Voraussetzungen des Kostentatbestands nicht erfüllt.

    Jedenfalls im Ergebnis ähnlich argumentiert das Landgericht, wenn es aus der Benennung des § 177 InsO in der Überschrift der Ziffer 2340 KV GKG ableitet, dass die Gebühr nur entsteht, wenn alle Voraussetzungen zur unmittelbaren Anwendung dieser Vorschrift und damit auch eine Säumnis des Gläubigers mit der Anmeldung seiner Forderung gegeben sind.

    2.1.2

    Nach Auffassung des Senats knüpft der Anfall der Gebühr jedoch nicht an ein vom Kostenbeamten zu prüfendes Verschulden an, sondern entsteht sie allein dadurch, dass das Insolvenzgericht die gebührenauslösende Tätigkeit - die Prüfung der Forderung im schriftlichen (Nachtrags-)Verfahren - vornimmt (vgl. Kayser/Thole/Depré, a.a.O., § 177 Rn. 15; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Wagner, InsR, 4. Aufl., § 177, Rn. 10; LG Krefeld, Beschluss vom 09.02.2017, 7 T 156/16, NZI 2017, 367; AG Norderstedt, Beschluss vom 05.04.2016, 66 EN 288/14; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., § 33 GKG Rn. 4; offengelassen von Andres/Leithaus, InsO, 4. Aufl., § 177 Rn. 5). Dies ist auch im Licht des Umstandes, dass die Überschrift zu Ziffer KV 3240 GKG auf § 177 InsO Bezug nimmt, nicht anders zu beurteilen. Die Überschrift gibt lediglich einen Hinweis auf den regelmäßigen Anwendungsfall; ihr Wortlaut und derjenige dieser Norm setzen nicht wie bei einer Rechtsgrundverweisung voraus, dass alle Tatbestandsmerkmale, die in § 177 Abs. 1 InsO genannt sind, tatsächlich vorliegen.

    2.1.2.1

    Der Fall, dass eine Forderung vom Gläubiger zwar fristgerecht beim Insolvenzverwalter nach § 175 InsO angemeldet worden ist, dieser es aber versäumt, vor dem Prüftermin die ihm obliegende Eintragung in die Tabelle nach § 176 InsO zu veranlassen, ist von dem Gesetzgeber ersichtlich nicht bedacht worden. In dieser Situation ist es geboten, § 177 InsO analog anzuwenden, um ein die Interessen aller Beteiligten wahrendes Verfahren zur Prüfung der Forderung durchzuführen. Damit wird eine zusätzliche Tätigkeit des Gerichts erforderlich, für die Ziffer 2340 KV GKG eine Gebühr gesetzlich anordnet. Der Gebührentatbestand knüpft also an die Durchführung des gesonderten Prüfverfahrens an; ob das Prüfverfahren aufgrund unmittelbarer oder in analoger Anwendung von § 177 InsO geschieht, macht an dieser Stelle keinen Unterschied. Dem wird die Ansicht, im Fall einer nicht vom Gläubiger zu vertretenden Verspätung der Forderungsanmeldung sei eine analoge Anwendung des § 177 InsO nur für das Prüfverfahren eröffnet, nicht aber für die damit verbundene Kostenreglung in Ziffer 2340 KV GKG, nicht gerecht, denn der Wortlaut des § 177 ZPO stellt zwar auf eine verspätete Anmeldung bzw. Säumnis ab, das gilt aber nicht für Ziffer 2340 KV GKG.

    2.1.2.2

    Es gibt keinen Anlass, Konstellationen, in denen ein Nachtragsverfahren ohne Verschulden des Gläubigers wegen eines Fehlers des Insolvenzverwalters nötig wird, besonders zu behandeln, da der Anfall der Gebühr auch sonst im Anwendungsbereich des § 177 InsO kein Verschulden des Gläubigers voraussetzt.

    Zwar berührt die Erhebung von Gerichtskosten den Schutzbereich des Grundrechts des Kostenschuldners aus Art. 2 Abs. 1 GG, weshalb es grundsätzlich erforderlich ist, dass ein einschlägiger Kostentatbestand und seine Rechtsfolge vom Gesetzgeber in einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Weise durch entsprechende Normen geregelt sind, sodass Gerichtskosten nur im Rahmen der im Kostenverzeichnis des Gerichtskostengesetzes geregelten Tatbestände erhoben werden. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören jedoch ebenso die mit allgemein anerkannten Methoden durchgeführte Auslegung der Gesetze durch die Gerichte und deren auf diesem Weg gewonnene Rechtsfortbildung. Das Schließen planwidriger Gesetzeslücken durch die Rechtsprechung ist auch im Kostenrecht verfassungsrechtlich keineswegs ausgeschlossen. Die Grenzen von Auslegung und Richterrecht werden lediglich durch Art. 20 Abs. 2 und 3 GG gesetzt. Das Ergebnis muss demnach den allgemein anerkannten Methoden der richterlichen Rechtsanwendung entsprechend gewonnen werden und die auch für den Kostengesetzgeber geltenden verfassungsrechtlichen Grenzen beachten (BVerfG, Beschl. v. 20.04.2010, 1 BvR 1670/09, Rn. 10; s. hierzu auch Toussaint, GKG, Einführung zum GKG Rn. 31, beck-online). Diese Bedingungen sind hier eingehalten.

    2.2

    In der Literatur wird vereinzelt die Ansicht vertreten, § 177 Abs. 1 Satz 2 InsO schaffe keine unmittelbare Kostenhaftung, sondern diese entstehe erst durch eine entsprechende Entscheidung des Insolvenzgerichts (Gottwald/Haas/Eickmann/Wimmer, Insolvenzrechts-Handbuch, § 61 Forderungsanmeldung Rn. 57, beck-online). Dabei wird jedoch übersehen, dass bereits die Vorschrift des § 177 InsO im Zusammenspiel mit der des § 33 GKG unmittelbar eine Kostenhaftung zugunsten der Staatskasse begründet und es daher keiner gerichtlichen Kostengrundentscheidung nach § 29 Nr. 1 GKG bedarf. Die Haftung des Schuldners nach § 23 Abs. 7 GKG besteht hiervon unabhängig.

    § 177 InsO ordnet unmittelbar die Kostenhaftung "des Säumigen" an, benennt also - insoweit in Ergänzung der Vorschriften der §§ 23 ff. GKG - den Kostenschuldner bereits an dieser Stelle, und § 33 GKG bestimmt die Staatskasse als Gläubigerin der Gebühr. Infolgedessen erwirbt die Staatskasse unmittelbar einen weiteren Kostenschuldner, der neben den sonstigen im Gerichtskostengesetz genannten im Wege des Kostenansatzes gemäß § 19 Abs. 1 GKG vom zuständigen Gericht herangezogen werden kann (BeckOK KostR/Semmelbeck, 39. Edition vom 01.07.2022, GKG § 33; s.a. NK-GK/Joachim Volpert, GKG, 3. Aufl., § 33 Rn. 1).

    2.3

    Teilweise wird ferner vertreten, dass in der hier vorliegenden Konstellation zwar die Gebühr nach Ziffer 2340 KV GKG entstehe, aber nicht der Gläubiger, sondern der Insolvenzverwalter Kostenschuldner in analoger Anwendung des § 177 InsO sei, weil das Nachtragsverfahren durch seine Säumnis verursacht wird (AG Leipzig, Beschluss vom 26.05.2008, 406 IK 1219/07; Siebert, VIA 2017, 52, zitiert nach beck-online; Harbeck, jurisPR-InsR 7/2017 Anm. 5). Demnach sei in diesen Fällen also der Insolvenzverwalter "der Säumige" im Sinne dieser Vorschrift und nicht der Gläubiger, der seine Forderung rechtzeitig zur Tabelle angemeldet hat.

    Diese Ansicht knüpft zwar an die Wortwahl des Gesetzgebers in § 177 InsO an, ein solches Verständnis des Gesetzestextes entspricht jedoch nicht dem Konzept des Gerichtskostengesetzes, das dem Kostenbeamten auch sonst keine Ermittlungspflichten zur "Vorgeschichte" der Gebührenentstehung auferlegt. Oft wird für den Kostenbeamten in der Praxis nicht ersichtlich sein, ob dem durchgeführten Nachtragsverfahren eine verspätete Anmeldung des Gläubigers oder eine verspätete Eintragung durch den Insolvenzverwalter zugrunde liegt. Sachgerecht ist es daher, stets den Gläubiger als Kostenschuldner zu behandeln.

    Dies ist auch bei analoger Anwendung der Norm von ihrem Wortlaut gedeckt, der ersichtlich lediglich auf den Normalfall des säumigen Gläubigers abstellt. Die Bezeichnung "der Säumige" wurde bei Einführung der InsO aus § 142 KO übernommen (vgl. BT-Drs. 12/7302, Seite 184) und stammt noch aus einer Zeit, in der die Gläubiger ihre Forderungen gemäß § 139 Satz 2 KO beim Insolvenzgericht anzumelden hatten und noch kein Insolvenzverwalter nach § 174 InsO zwischengeschaltet war. Bei Anwendung des § 142 KO bestand daher kein Unterschied zwischen "Anmeldendem" und "Säumigen", diese Formulierungen wurden synonym verwendet. Erst im Gesetzgebungsverfahren zur Insolvenzordnung (BT-Drs. 12/7302, Seite 75) wurde der Insolvenzverwalter als Anmeldungsempfänger vorgesehen. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages verfolgte mit seinem Vorschlag das Ziel einer Entlastung der Insolvenzgerichte; Vorbild hierfür war § 5 Nr. 3 GesO (vgl. BT-Drs. 12/7302, Seite 159), wobei § 14 GesO allerdings kein gebührenpflichtiges nachträgliches schriftliches Prüfungsverfahren im Falle verschuldet verspätet angemeldeter Forderungen vorsah. Vielmehr wurde nur im Fall unverschuldeter Verspätungen die Möglichkeit eröffnet, dass der Verwalter die Forderung mit Zustimmung des Gesamtvollstreckungsgerichts in die Tabelle aufnimmt (vgl. hierzu ausführlich Frege, WiB 1997, 234 ff.). Die Ausschlussfrist des § 14 GesO führte zu zahlreichen und oftmals langwierigen Streitigkeiten über die Frage des Verschuldens bei der Fristversäumnis (vgl. BGH, Beschl. v. 07.05.2015, IX ZB 75/14, WM 2015, 1291, 1294). Dieser Gesetzgebungsgeschichte kann am besten dadurch Rechnung getragen werden, dass auch bei Durchführung eines schriftlichen Nachverfahrens unter lediglich analoger Anwendung des § 177 InsO der Gläubiger, dessen Forderung durch einen Fehler des Insolvenzverwalters zu spät in die Insolvenztabelle eingetragen wird, als "Säumiger" im Sinne dieser Vorschrift behandelt wird. Der Gläubiger bleibt als Anmeldender Schuldner der Gebühr (wie hier auch LG Krefeld, Beschluss vom 09.02.2017, 7 T 156/16, NZI 2017, 367; AG Norderstedt, Beschluss vom 05.04.2016, 66 EN 288/14, juris; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Wagner, a.a.O., § 177 Rn. 10; Kayser/Thole/Depré, a.a.O., § 177 Rn. 15; Schneider/Volpert/Fölsch, a.a.O., § 33 GKG Rn. 4; offengelassen von Andres/Leithaus, InsO, 4. Aufl., § 177 Rn. 5).

    2.4

    Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig. Es trägt dem Bedürfnis einer einfachen Ausgestaltung des Kostenrechts als bloßem Annex zum eigentlichen Insolvenzverfahren Rechnung, ohne den Gläubiger unverhältnismäßig und nachhaltig zu benachteiligen. Denn trifft den Insolvenzverwalter an der Verspätung der Eintragung ein Organisationsverschulden, wird er regelmäßig nach § 60 Abs. 1 InsO dem mit der Gerichtsgebühr belasteten Gläubiger zum Ersatz verpflichtet sein (vgl. Kayser/Thole/Depré, a.a.O., § 177 Rn. 15; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht/Weitzmann, 9. Aufl., § 60 Rn. 17).

    Da das Erfordernis des Nachtragsverfahrens in dieser Konstellation nicht auf einem Fehler des Insolvenzgerichts beruht, besteht zudem weder Anlass, diese Situation vom Anwendungsbereich der Ziffer 3240 KV GKG auszunehmen, noch die Gebühr nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG fallen zu lassen. Auch eine Verletzung der gerichtlichen Aufsichtspflicht über den Insolvenzverwalter nach § 58 InsO ist nicht ersichtlich.

    3.

    Der weiteren Beschwerde der Staatskasse war darum stattzugeben und die Erinnerung der Gläubigerin gegen den Kostenansatz vom 15.03.2022 über 22,00 € unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung zurückzuweisen.

    III.

    Die Entscheidung über die Kosten beruht für alle Instanzen auf § 66 Abs. 8 GKG.

    RechtsgebietInsolvenzrechtVorschriften§ 177 InsO