06.12.2013 · IWW-Abrufnummer 133843
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 16.04.2013 – 27 U 139/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. August 2012 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Beklagte ist zur Einzahlung der Stammeinlage in Höhe des Nennbetrages ihres Geschäftsanteils von 10.000,- Euro gem. §§ 5, 14 S. 1 GmbHG verpflichtet.
Soweit sie behauptet, sie habe diese Stammeinlage bereits geleistet, ist sie beweispflichtig (Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 19 Rn. 15).
Diesen Beweis hat die Beklagte nicht geführt.
Der erstinstanzlich vernommene Zeuge L hatte keine Erinnerung mehr daran, ob er einen treuhänderisch gehaltenen Betrag in Höhe von 10.000,00 Euro an die Insolvenzschuldnerin gezahlt hat.
Die Beklagte geht selbst davon aus, dass sie den Vollbeweis der Zahlung mit dieser Zeugenaussage nicht geführt hat. Sie meint allerdings, ausreichende Indizien bewiesen zu haben, die für eine Überzeugungsbildung von der Einzahlung ausreichen. Das ist aber nicht der Fall. Zwar kann der Tatrichter nach der BGH-Rechtsprechung den Beweis auch durch den Beweis von Indiztatsachen als geführt ansehen (BGH NJW 07, 3067).
Im Rahmen der freien Würdigung von Indizienbeweisen hat der Tatrichter die den Indizien zukommenden Wahrscheinlichkeitsgrade und somit die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen festzustellen. Er unterliegt dabei - abgesehen von den allgemeinen Beweisverwertungsverboten - keinen rechtlichen Einschränkungen für die Berücksichtigung von Tatsachen, die eine häufigere Wahrscheinlichkeit für die eigentlich zu beweisende Haupttatsache aufweisen und damit eine Indizwirkung entfalten können (BGH NJW 04, 3423).
Ein Maß an Wahrscheinlichkeit, dass zu der Überzeugung führen könnte, dass der Zeuge L die Stammeinlage an die Schuldnerin für die Beklagte bezahlt hat, liegt aber nicht vor.
Der Aussage des Zeugen L kann nur entnommen werden, dass es nach seiner Erinnerung einen Treuhandvertrag gegeben hat und dass die U GmbH einen Betrag in Höhe von 10.000,- Euro an den Zeugen gezahlt hat. Ob dieser die Zahlung weitergeleitet hat, lässt sich anhand der Aussage aber – wie das Landgericht zutreffend gewürdigt hat – nicht feststellen. Der Zeuge hat ausdrücklich bekundet, dass er sich daran nicht erinnern könne und lediglich davon ausgehe, dass dies geschehen sei. Das reicht aber nicht aus, denn das Maß der Wahrscheinlichkeit einer Weiterleitung überwiegt nicht in einem solchem Maße das Maß der Wahrscheinlichkeit des Gegenteils, dass sich hierauf eine Überzeugung gründen ließe.
Die diesbezügliche Beweiswürdigung des Landgerichts greift die Beklagte mit der Berufung auch nicht an.
Sie meint vielmehr, dass zu ihren Gunsten eine Beweislastumkehr greife, weil es ihr mit eigenen Mitteln nicht möglich sei, den geschuldeten Beweis zu führen. Dem folgt der Senat nicht.
Eine gesetzliche Beweislastumkehr greift nicht.
Für eine Umkehr der Beweislast durch richterliche Rechtsfortbildung fehlt es vorliegend an den Voraussetzungen. Insbesondere ist es nicht ausreichend, wenn die Beklagte meint, die Anwendung der gesetzlichen Beweislastverteilung führe zu einem unbilligen Ergebnis. Eine Beweislastumkehr aus Billigkeitsgründen ist unzulässig (BGH NJW-RR 97, 892). Eine echte Beweislastumkehr kommt deshalb nur da in Betracht, wo eine Partei typischer Weise benachteiligt ist (z.B. Arzthaftungsprozess), nicht aber da, wo die eigene Beweisnot – wie hier – einzelfallbezogen und selbstverschuldet ist.
Es liegt hier auch kein Fall der Beweisvereitelung durch den Kläger vor, der es rechtfertigen könnte, zugunsten der Beklagten das für sie bestmögliche Beweisergebnis in die Beweiswürdigung einzustellen.
Der Kläger hat schriftsätzlich vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekräftigt, nicht im Besitz von Kontoauszügen für die Jahre 2002 und 2003 zu sein, weil es bei der Schuldnerin für diesen Zeitraum keine ordnungsgemäße Buchführung gebe. Er konnte mithin der Beklagten keine Kontoauszüge zur Verfügung stellen, aus denen eine etwaige Einzahlung ersichtlich wäre, denn diese soll im Jahr 2002 erfolgt sein.
Soweit die Beklagte meint, der Kläger habe sie alternativ zur Überlassung von Kontoauszügen ermächtigen müssen, bei der kontoführenden Bank auf eigene Kosten Zweitschriften der Kontoauszüge anzufordern, kann dem nicht gefolgt werden.
Die Annahme einer solchen Mitwirkungspflicht des Klägers würde darauf hinauslaufen, dass eine hinsichtlich einer behaupteten Erfüllung in Beweisnot geratene Partei sich stets darauf berufen könnte, die andere Partei müsse die Unterlagen vorlegen, aus denen sich die (Nicht-) Erfüllung ergebe.
Dies würde faktisch dann zu einer der gesetzlichen Regelung entgegenstehenden Beweislastverteilung führen.
Eine Mitwirkungspflicht des Klägers bei der Beweisführung durch die Beklagte besteht mithin nicht. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der Vorlage entsprechender Unterlagen durch den Senat gem. § 142 ZPO liegen nicht vor.
Im Übrigen ist es dem Kläger auch nicht zuzumuten, der Beklagten zu gestatten, sämtliche Zahlungsvorgänge eines bestimmten Zeitraumes durch Einsichtnahme in die Kontoauszüge einzusehen. In Betracht käme daher allenfalls die Einholung einer Bankauskunft, ob in einem zu benennenden Zeitraum eine Einzahlung des Zeugen L über 10.000,- Euro erfolgt ist und ggfls. mit welcher Angabe zum Verwendungszweck. Selbst wenn in seinem Verlangen auf Ermächtigung zur Einsichtnahme in die Kontoauszüge als Minus das Verlangen auf Ermächtigung zur Einholung einer Bankauskunft zu sehen wäre, so wäre eine vorrangige Mitwirkungspflicht des Klägers schon deshalb zu verneinen, weil die Beklagte schon nicht bewiesen hat, dass der Zeuge L eine Einzahlung auf ein Konto der Schuldnerin vorgenommen hat, insbesondere keine Kontounterlagen dieses Zeugen vorgelegt hat.
Die Geltendmachung des Einlageanspruchs durch den Insolvenzverwalter ist auch nicht verwirkt. Unabhängig davon, ob hier das erforderliche Zeitmoment für die Annahme einer Verwirkung vorliegt, liegt jedenfalls das ebenfalls notwenige Umstandsmoment nicht vor. Die Beklagte durfte nicht aufgrund eines Verhaltens des Klägers davon ausgehen, dass dieser den Anspruch nicht mehr geltend machen werde. Hierfür reicht insbesondere nicht das Schweigen des Klägers auf das Schreiben des Steuerberaters der Beklagten vom 13.06.2008. Der Kläger hatte die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.06.2008 aufgefordert, Nachweise für die Einzahlung des Stammkapitals vorzulegen. Die daraufhin erfolgte Mitteilung mit dem Schreiben vom 13.06.2008, dass man dies nicht könne, f ührte nicht dazu, dass die Beklagte darauf vertrauen durfte, dass es damit sein Bewenden haben werde.