25.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141267
Landgericht Bonn: Urteil vom 05.12.2013 – 8 S 192/13
Die in einem "Mieterselbstauskunftsbogen" zu Gunsten des Maklers ausbedungene "Beratungsgebühr" ist wegen Verstoßes gegen das Wohnungsvermittlungsgesetz und gegen §§ 305c, 307 ff. BGB unwirksam.
Landgericht Bonn
8 S 192/13
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Euskirchen vom 19.07.2013 (4 C 83/13) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Darstellung des Tatbestandes entfällt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert von über 20.000,- EUR nicht erreicht ist, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache indes keinen Erfolg.
1.
Die Berufung ist statthaft. Das Amtsgericht hat die Berufung zugelassen, § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
2.
Die Berufung ist indes unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten „Bearbeitungsgebühr“ in Höhe von 75,00 € zzgl. Umsatzsteuer, mithin 89,25 €. Die von der Klägerin zur Anspruchsbegründung herangezogene Klausel ist aus mannigfachen Gründen unwirksam.
a)
Die streitgegenständliche Regelung in der Mieterselbstauskunft ist bereits wegen Verstoßes gegen das Wohnungsvermittlungsgesetz (WoVermittG) unwirksam.
aa)
Der Anwendungsbereich des WoVermittG ist eröffnet. Die Klägerin beschäftigt sich unstreitig gewerbsmäßig mit dem Abschluss von Mietverträgen auf Vermieterseite. Sie ist somit Wohnungsvermittlerin gemäß § 1 Abs.1 WoVermittG.
bb)
Die streitgegenständliche Formularklausel verstößt insoweit schon gegen § 3 Abs. 3 S. 3 WoVermittG, wonach bei Nichtzustandekommen eines Mietvertrages nur die in Erfüllung des Auftrages nachweisbar entstandenen Auslagen zu erstatten sind. Die in der Mieterselbstauskunft enthaltene Vereinbarung regelt indes lediglich pauschal eine „Bearbeitungsgebühr“ für die Anfertigung des Mietvertrages. Eine solche Möglichkeit zur Pauschalierung der Auslagen besteht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 3 S. 3 WoVermittG aber gerade nicht (vgl. dazu OLG Köln, Urt. v. 11.02.1994 – 6 U 133/93, juris, Rz 20; Moersch, in: Hannemann/Wiegner, Münchener Anwaltshandbuch Mietrecht, 2010, § 35 Rn 22).
b)
Die streitgegenständliche Regelung in der Mieterselbstauskunft verstößt zudem gegen das in § 305c Abs. 1 BGB geregelte Verbot überraschender Klauseln.
aa)
Bei der in dem Mieterselbstauskunftsbogen enthaltenen Bestimmung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB. Die Klägerin verwendet die Klausel regelmäßig bei den von ihr vorzunehmenden Wohnungsvermittlungen, so dass die Klägerin diese für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und der Beklagten gestellt hat. Die Vereinbarung ist dabei auch durch einen Formularvertrag geschlossen und nicht individuell ausgehandelt worden.
bb)
Die streitgegenständliche Klausel ist wegen Verstoßes gegen § 305c Abs. 1 BGB schon nicht Vertragsinhalt geworden. Nach § 305c Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsinhalt. Dies ist hier der Fall, weil es nach den Gesamtumständen objektiv ungewöhnlich ist, in eine Mieterselbstauskunft, mit dem der Mieter Auskunft über seine Person – insbesondere seine Vermögensverhältnisses gibt – eine Klausel aufzunehmen, die eine Bearbeitungsgebühr im Falle des Nichtzustandekommens des Vertrags vorsieht. Nach dem Verständnis eines Durchschnittskunden beinhaltet diese Klausel einen Überrumpelungseffekt, soweit sie eine Selbstauskunft mit einer Zahlungspflicht verknüpft.
c)
Die Regelung verstößt zudem gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglichst klar, einfach und präzise darzustellen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 307 Rn 21). Diesem Gebot entspricht die Klausel nicht. Aus der streitigen Regelung geht nicht hervor, an wen im Falle der Nichtunterzeichnung des Mietvertrages die dort genannte Bearbeitungsgebühr zu zahlen ist. Es heißt dort lediglich: „Sofern ich mich für die Wohnung entscheide und den Vermieter/Wohnungsvermittler mit der Erstellung des Mietvertrags beauftrage, diesen jedoch im Nachhinein nicht unterzeichne, zahle ich eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 75,00 € zuzüglich Umsatzsteuer.“ Wer in diesem Fall Forderungsinhaber sein soll – der Vermieter oder der Vermittler – geht daraus nicht hervor. Zudem weist die Mieterselbstauskunft keinen Adressaten aus und sieht – neben der Unterschriftsleiste des Mietinteressenten – auch keine weitere Unterschriftsleiste vor, aus der sich der Vertragspartner zweifelsfrei ergeben würde. Denkbar ist nach alledem, dass die genannte Bearbeitungsgebühr entweder an die Klägerin als Wohnungsvermittlerin oder aber an die Vermieterin zu zahlen ist. Angesichts dessen ist die Klausel unwirksam. Denn bereits die bloße Unklarheit einer Klausel kann zu deren Unwirksamkeit führen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 307 Rn 24).
d)
Überdies verstößt die Klausel gegen das in § 308 Nr. 7 BGB geregelte Klauselverbot. Klauseln, die – wie hier – einen pauschalen Ersatz von Aufwendungen vorsehen, sind in analoger Anwendung des § 309 Nr. 5 BGB nur dann wirksam, wenn dem anderen Vertragsteil ausdrücklich der Nachweis gestattet ist, dass der im konkreten Fall angemessene Betrag wesentlich niedriger ist als der pauschalierte Betrag. Die Klausel ist unwirksam, wenn sie den Gegenbeweis nicht ausdrücklich zulässt (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 308 Rn 42). So liegen die Dinge hier. Für die sich im Nachhinein als nutzlos herausstellende Anfertigung des Mietvertragsentwurfs ist eine pauschale Bearbeitungsgebühr von 75,00 € zzgl. MwSt. vorgesehen, ohne dass dem Vertragspartner der Nachweis gestattet ist, dass die Aufwendungen tatsächlich niedriger waren. Letzteres steht hier auch durchaus zu vermuten. Der Mietvertrag wird regelmäßig bereits als Formularmietvertrag vorliegen und muss daher lediglich um die Kontaktdaten, den Mietpreis und den Mietbeginn ergänzt werden. Ein erheblicher zeitlicher Aufwand, der eine Gebühr von 75,00 € zzgl. MwSt. rechtfertigen würde, ist damit nicht verbunden.
e)
Ungeachtet dessen ist die Klausel aus den zutreffenden Gründen des amtsgerichtlichen Urteils wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Klausel fällt die „Bearbeitungsgebühr“ nur für den Fall der Nichtunterzeichnung des Vertrages an und dient als Ausgleich für etwaige bei der insoweit „nutzlosen“ Erstellung des Mietvertrages angefallenen Auslagen bzw. Mühen. Eine derartige Regelung stellt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Denn die „Bearbeitungsgebühr“ fällt generell in jedem Falle der Nichtunterzeichnung des Wohnungsmietvertrags an. Es wird nicht danach differenziert, ob den Vertragspartner ein Verschulden an der Nichtunterzeichnung des Vertrags trifft. Eine solche verschuldensunabhängige, lediglich an objektive Tatbestandsvoraussetzungen geknüpfte Bearbeitungsgebühr, die unabhängig von den tatsächlichen Gründen der Nichtunterzeichnung zu zahlen ist, weicht aber erheblich von dem gesetzlichen Leitbild ab. Im vertraglichen Schadenersatzrecht (§ 280 BGB) – auch im vorvertraglichen Bereich (§§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB) – entstehen Schadenersatz- bzw. Aufwendungsersatzansprüche regelmäßig nur, sofern zusätzlich ein Vertretenmüssen des Schuldners im Sinne des § 276 BGB vorliegt.
f)
Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn man den neuerlichen Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung berücksichtigt, wonach die Bearbeitungsgebühr nicht lediglich für das Nichtzustandekommen des Vertrags anfalle, sondern generell für die bloße Erstellung der Mietvertragsurkunde – wobei diese Gebühr im Falle der späteren Unterzeichnung des Vertrags von den Mietern sodann schlicht nicht erhoben werde.
aa)
Eine solche Auslegung lässt sich in keiner Weise mit dem Wortlaut der Klausel in Einklang bringen und kann deshalb schon nicht als zutreffend zu Grunde gelegt werden. Die streitgegenständliche Formularklausel regelt nicht, dass generell für die Anfertigung des Mietvertrages eine Bearbeitungsgebühr entsteht, die sodann bei Zustandekommen des Vertrags entfällt. Die Klausel sieht vielmehr vor, dass nur im Fall der Beauftragung des Vermieters/Wohnungsvermittlers mit der Erstellung des Mietvertrages und der darauffolgenden Nichtunterzeichnung des Mietvertragsentwurfs die Bearbeitungsgebühr anfällt.
bb)
Zudem lässt sich die von der Klägerin angeführte Auslegung der Klausel nicht mit ihrem erstinstanzlichen Vorbringen sowie auch ihrem weiteren Vorbringen in zweiter Instanz in Übereinstimmung bringen. So rechtfertigt sie die Erhebung der Bearbeitungsgebühr stets damit, dass sie in der Vergangenheit habe feststellen müssen, dass es sich zu einem gängigen Modell entwickelt habe, Mietverträge mündlich zu vereinbaren und dann den Vertrag doch nicht zu unterzeichnen, und sie sich durch die vorgesehene Gebühr schlicht und einfach vor diesem inakzeptablen Verhalten schützen wolle. Dieser Vortrag zeigt, dass es der Klägerin gerade nicht um die eigentlichen Kosten der Mietvertragserstellung geht, sondern sie das Verhalten der potentiellen Mieter – namentlich das Nichtunterzeichnen trotz vorheriger mündlicher Zusage – nicht dulden möchte und daher nur für diesen Fall Kostenersatz verlangt.
cc)
Selbst wenn man die Klausel im Sinne des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin auslegen und von einer generell anfallenden Bearbeitungsgebühr für die Erstellung des Mietvertrages ausgehen würde, wäre die Klausel unwirksam.
Auch dann scheiterte das Begehren – wie oben bereits dargelegt – an § 3 Abs. 3 S. 3 BGB. Denn es könnten nur die nachweisbar entstandenen Auslagen verlangt werden und nicht – wie hier – ein pauschalierter Aufwendungsersatz.
Im Übrigen wäre die Klausel auch in diesem Falle wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 05.03.2009 – 307 S 144/08, juris). Sie wäre mit wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes nicht vereinbar und benachteiligte die Vertragspartner in unangemessener Weise. Die Bearbeitungsgebühr stünde in keinem Zusammenhang mit den Haupt- oder Nebenpflichten, welche die Mieter einer Wohnung nach der gesetzlichen Regelung treffen. Grundsätzlich können nur die Kosten dem Mieter auferlegt werden, welche ihm unmittelbar zugutekommen, wie es sich beispielsweise auch an der Bewertung der Frage zeigt, welche Kosten vom Mieter als Betriebskosten mitzutragen sind. Aufwendungen für die Ausfertigung des Vertrages treffen nach diesem Grundsatz den Vermieter, da diese übliche Kosten der Verwaltung der Wohnungen darstellen, welche bei der Miethöhe berücksichtigt sind. In der Belastung mit diesen allgemeinen Kosten der Verwaltung liegt daher eine unangemessene Benachteiligung des Mieters, welche er als wirtschaftlich schwächere Partei nur deshalb gezwungenerma ßen in Kauf nimmt, um die Wohnung zur Miete überhaupt erhalten zu können.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
4.
Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO bestand keine Veranlassung. Bei der Sache handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich macht.
Streitwert: 89,25 €