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  • 20.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141795

    Kammergericht Berlin: Urteil vom 17.05.2013 – 9 U 110/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    KG Berlin

    17.05.2013

    9 U 110/12

    In dem Rechtsstreit

    der E## H### K######### -#,

    vertreten d. d. Vorstandsvorsitzenden R## M###,

    F###### ##, ### ####,

    Klägerin und Berufungsklägerin,

    - Prozessbevollmächtigte:

    Rechtsanwälte S## und P###,

    K## #, ### H###,-

    g e g e n

    den Rechtsanwalt J### V## -S##,

    handelnd in seiner Eigenschaft als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen d. "F#### S##### ## Z## & # . G######### # ",

    R##### #, ### B###,

    Beklagten und Berufungsbeklagten,

    - Prozessbevollmächtigte:

    Rechtsanwälte V## -S##,

    Z### #, ### F####,-

    hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Matthiessen, die Vorsitzende Richterin am Landgericht Fleischer und den Richter am Kammergericht Radu

    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. März 2012 - 18 O 501/11 - wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

    Das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Senats sind vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten, ob die Klägerin als Bürgin gegen die in Insolvenz gefallene Schuldnerin einen Aufwendungsersatzanspruch wegen der Prozesskosten aus einem Rechtsstreit gegen die Gläubigerin hat; der Beklagte hat der Anmeldung dieses Anspruchs zur Insolvenztabelle widersprochen. In dem genannten Rechtsstreit hat die Klägerin keine Einwendungen gegen die gesicherte Forderung erhoben, sondern sich lediglich gegen ihre Inanspruchnahme als Bürgin gewandt, die sie als rechtsmissbräuchlich ansieht.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter, während der Beklagte das landgerichtliche Urteil verteidigt.

    Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

    II.

    Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

    Das Landgericht hat zu Recht feststellt, dass der Klägerin gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter der Schuldnerin kein Anspruch auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten zur Rückforderung einer als Bürgin der Schuldnerin an die Gläubigerin geleisteten Zahlung zusteht und dementsprechend die mit der Klage geltend gemachte Forderung auf Feststellung eines solchen Anspruchs zur Insolvenztabelle des Beklagten gemäß § 179 Abs. 1 InsO nicht besteht.

    1. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus Regelungen in den Allgemeinen Bedingungen für die Kautionsversicherung (im Folgenden: ABK), die der von der Klägerin übernommenen Bürgschaft für Steuerverbindlichkeiten des Schuldnerin zugrunde lagen (§ 241 Abs. 1 BGB).

    a) Der Anspruch lässt sich nicht aus § 5 Nr. 1 Satz 1 ABK herleiten. Danach hat der Versicherungsnehmer dem Versicherer die von ihm zu zahlenden Beträge unbeschadet weitergehender Ersatzansprüche nebst Kosten und einer von ihm nach billigem Ermessen festzulegenden Bearbeitungsgebühr (§ 315 BGB) zur Verfügung zu stellen. Soweit es die "weitergehenden Ersatzansprüche" betrifft, setzt die Regelung eine Anspruchsgrundlage hierfür voraus, schafft aber keine. Ob und inwieweit unter die in der Regelung weiter genannten "Kosten" auch Prozesskosten fallen, ist ebenso unklar wie der Bezug der Wendung "nebst Kosten": Die Wendung könnte sich auf die "zu zahlenden Beträge", aber auch auf die "weitergehenden Ersatzansprüche" beziehen - dann fehlte es an einer eigenständigen Anspruchsgrundlage -; letztere Auslegung liegt näher, weil der Zusatz "nebst Kosten" bei einem Bezug auf die "zu zahlenden Beträge" dieser Position unmittelbar hätte angefügt werden können: "zu zahlende Beträge nebst Kosten". Jedenfalls gehen die Zweifel an der Auslegung der von der Klägerin in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, den AKB, verwendeten Regelung, wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu ihren Lasten mit der Folge, dass weder die Kosten eines Rechtsstreits gegen den Gläubiger hierunter fallen noch davon ausgegangen werden kann, dass für die Erstattung der Kosten eine Anspruchsgrundlage geschaffen werden sollte.

    b) Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 6 Nr. 1 c ABK. Danach ist der Versicherer berechtigt, dem Versicherungsnehmer zusätzliche, nachweislich entstandene Aufwendungen/Kosten in Rechnung zu stellen (z.B. Auslagen, Prämien und Gebühren Dritter, Telefon- und Telexspesen, Notarkosten, Porti). Auch diese Regelung lässt nicht erkennen, ob mit ihr Prozesskosten eines Rechtsstreits der Klägerin gegen den Gläubiger erfasst sein sollen mit der Folge, dass gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Klägerin als Verwenderin dieser Regelung nicht hiervon ausgegangen werden kann. Bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist entscheidend, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges die Regelung verstehen muss (BGH, Urteil vom 16. Juni 1999 - IV ZR 44/98 - [...] Tz. 19 m.w.N. = NJW-RR 1999, 1473 [BGH 16.06.1999 - IV ZR 44/98]). Danach ist vor allem im Hinblick auf die in dem Klammerzusatz genannten Beispiele für "Aufwendungen/Kosten" zweifelhaft, ob nur die dort genannten, ihrer Art nach allesamt überschaubaren Nebenkosten erfasst sind oder auch weitergehende Kosten aus einem - ohne Abstimmung mit dem Schuldner - geführten Aktivprozess.

    c) Dahin gestellt bleiben kann nach den vorstehenden Ausführungen, ob die genannten Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin in der von ihr für richtig gehaltenen Auslegung einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB standhalten würden. Die hierin liegende Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben zum Aufwendungsersatz in § 670 BGB (vgl. sogleich unter 2.) lässt das zweifelhaft erscheinen (vgl. für von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Aufwendungsersatzansprüche in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kreditinstituts BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 61/11 - [...] Tz. 34 = NJW 2012, 2337 [BGH 08.05.2012 - XI ZR 61/11]).

    2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch auch nicht als Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB aus dem als Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne von § 675 BGB einzuordnenden Bürgschaftsauftrag (vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, 2009, § 774 BGB Rz. 15) zu, der der von der Klägerin gegenüber der Gläubigerin übernommenen Bürgschaftserklärung zugrunde lag.

    a) Nach § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet, wenn der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen macht, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. Es ist anerkannt, dass Prozesskosten, die dem Auftraggeber im Zusammenhang mit der Ausführung des Auftrags entstehen, ersatzfähige Aufwendungen sein können (BGH, Urteil vom 6. Juli 1977 - IV ZR 17/76 - [...] Tz. 43 = NJW 1977, 1726 [BGH 06.07.1977 - IV ZR 17/76]; Seiler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, 2012, § 670 BGB Rz. 6). Zu ersetzen sind sie aber nur, wenn sie zum Zweck der Auftragsausführung erbracht worden sind. Sofern es sich, wie hier, nicht um Aufwendungen handelt, die der Beauftragte zur Erfüllung des Auftrags macht, sind alle Ausgaben vom Zweck der Auftragsausführung erfasst, die die Geschäftsbesorgung vorbereiten, sie fördern oder sich in deren Nachwirkung ergeben, die der Auftraggeber also erfahrungsgemäß auch dann hätte tragen müssen, wenn er anstelle des Beauftragten tätig geworden wäre (Seiler, aaO., § 670 BGB Rz. 8; Berger, in: Erman, BGB, 13. Auflage, 2011, § 670 BGB Rz. 8). Weiter muss der Beauftragte befugt gewesen sein, die Aufwendungen für erforderlich zu halten. Das ist nach einem subjektiv-objektiven Maßstab zu beurteilen und danach anzunehmen, wenn der Beauftragte (freiwillige) Vermögensopfer erbringt, die nach seinem verständigen Ermessen zur Verfolgung des Auftragszwecks geeignet sind, notwendig erscheinen und in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Geschäftsführung für den Geschäftsherrn stehen (BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 61/11 - [...] Tz. 20 = NJW 2012, 2337 [BGH 08.05.2012 - XI ZR 61/11]). Dabei können als Kriterien eine Rolle spielen etwa Umfang und Zweck des Auftrags, Verhältnis von Kosten und Nutzen, insbesondere auch von Kosten und Risiko/Sicherheit der Auftragsdurchführung, ferner Bedeutung des Auftrags für den Auftraggeber sowie dessen Vermögensverhältnisse und Verhalten (Seiler, aaO., § 670 BGB Rz. 9). Danach können auch erfolglose Aufwendungen ersatzfähig sein (BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 61/11 - [...] Tz. 28 = NJW 2012, 2337 [BGH 08.05.2012 - XI ZR 61/11]), während Aufwendungen für eigene Geschäfte des Geschäftsführers nicht ersatzfähig sind (BGH, ebd., [...] Tz. 40; Seiler, aaO., § 670 BGB Rz. 10).

    b) Nach diesen Grundsätzen handelt es bei den von der Klägerin aufgewandten Prozesskosten nicht um ersatzfähige Aufwendungen.

    aa) Die Prozesskosten sind schon nicht zum Zweck der Auftragsdurchführung angefallen. Zwar sind auch Folgekosten aus einem Auftrag erfasst. Ob sie dem Auftragszweck zugeordnet werden können, entscheidet sich aber danach, ob sie erfahrungsgemäß für den Auftraggeber auch dann angefallen wären, wenn er anstelle des Beauftragten tätig geworden wäre. Davon kann hier nicht die Rede sein. Der von der Klägerin geführte Rechtsstreit diente alleine dazu, in ihrem Verhältnis mit der Gläubigerin den Sicherungsfall in Abrede zu stellen und auf dieser Grundlage, eine Rückzahlung des in Erfüllung der Bürgschaft geleisteten Betrages zu erreichen. Es ging der Klägerin dagegen nicht darum, die zu sichernde Verbindlichkeit, nämlich die Steuerschulden der Schuldnerin als solche in Zweifel zu ziehen. Dies hätte ohne weiteres auch im Interesse der Schuldnerin gelegen. Geht es darum, die Verbindlichkeit des Schuldners in Zweifel zu ziehen, sind Aufwendungsersatzansprüche des Bürgen für Kosten eines Rechtsstreits mit dem Gläubiger denkbar, weil die Abwehr der Hauptforderung nicht in den Verantwortungsbereich des Bürgen fällt (vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, 2009, § 774 BGB Rz. 19). In dem Rechtsstreit der Klägerin mit der Gläubigerin war dagegen der Bestand der Hauptforderung unstreitig. Die Kosten für das Bestreiten des Sicherungsfalles und die Rückabwicklung im Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin als Bürgin und der Gläubigerin wären der Schuldnerin nicht entstanden; sie hätte einen solchen Prozess nicht geführt.

    bb) Die Prozesskosten sind aber auch deswegen keine ersatzfähigen Aufwendungen, weil die Klägerin sie im Sinne von § 670 BGB nicht für erforderlich halten durfte. Die Rückabwicklung der Zahlung auf die Bürgschaft, weil der Sicherungsfall nicht eingetreten war, diente alleine dem Interesse der Klägerin als Bürgin. Ein Interesse der Schuldnerin an einem solchen Rechtsstreit ist dagegen nicht ersichtlich. Denn das Bestehen der Hauptschuld wird dadurch in keiner Weise in Frage gestellt; die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Schuldnerin konnte sich ersichtlich durch den von der Klägerin geführten Rechtsstreit mit der Gläubigerin und den dort vorgebrachten Einwendungen gegen ihre Inanspruchnahme nicht verbessern. Die Klägerin durfte die Aufwendungen deswegen im Verhältnis zu der Schuldnerin nicht für erforderlich halten.

    3. Soweit die Ansicht vertreten wird, die Aufwendungen des Bürgen für einen Rechtsstreit mit dem Gläubiger seien unter dem Gesichtspunkt des Verzugs des Schuldners hinsichtlich seiner aus § 775 BGB folgenden Freistellungsverpflichtung begründet (Habersack, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, 2009, § 774 BGB Rz. 19), kann dahinstehen, ob dem zu folgen ist. Jedenfalls sind als ersatzfähiger Schaden nur solche Aufwendungen anzusehen, die ein wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH, Urteil vom 11. September 2008 - I ZR 118/06 - [...] Tz. 31 m.w.N. = NJW-RR 2009, 43 [BGH 11.09.2008 - I ZR 118/06]), woran es vorliegend hinsichtlich der von der Klägerin im eigenen Interesse aufgewandten Prozesskosten fehlt.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil die hierfür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehenden Voraussetzungen nicht vorliegen. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO); vielmehr ergibt sich aus § 670 BGB in seiner höchstrichterlichen Auslegung ohne weiteres, dass die geltend gemachten, allein im Eigeninteresse der Klägerin aufgewandten Prozesskosten nicht zu ersetzen sind.

    RechtsgebietBürgschaftVorschriften§ 670 BGB; § 675 BGB; § 765 BGB; § 179 Abs. 1 InsO