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  • 20.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141796

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 31.01.2014 – 9 U 187/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Hamm

    9 U 187/13

    Die Berufung des Beklagten gegen das am 08.08.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 25.603,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2012 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der zur Insolvenztabelle im Verfahren 85 IN 53/12 Amtsgericht Münster angemeldeten Forderungen der Klägerin gegen die Firma J2 GmbH

    1.

    aus der Rechnung der Klägerin vom 21.02.2012 – Rechnungsnummer ######## – an die J2 GmbH betreffend das Bauvorhaben Neubau G, P-Weg über 10.350,- €,

    2.

    aus der Rechnung der Klägerin vom 18.04.2012 – Rechnungsnummer ######## – an die J2 GmbH betreffend das Bauvorhaben S, E-Straße in G2 über 14.171,25 €,

    3.

    aus der Rechnung der Klägerin vom 06.06.2012 – Rechnungsnummer ######## – an die J2 GmbH betreffend das Bauvorhaben S, E-Straße in G2 über 1.082,31 €.

    Es wird festgestellt, dass die zuerkannte Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Beklagten beruht.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    1

    Gründe
    2

    3

    I.

    4

    Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen der zweckwidrigen Verwendung von Baugeld durch den Beklagten, dem damaligen Geschäftsführer der inzwischen insolventen Firma J2 GmbH (nachfolgend: J2).
    5

    Die J2 betreute u. a. Bauvorhaben der Bauherren S2 und S in G2 und beauftragte ihrerseits die Klägerin als Subunternehmerin mit der Ausführung von Dachdeckerarbeiten an den genannten Bauvorhaben. Nach Abnahme berechnete die Klägerin für ihre Arbeiten einen Gesamtbetrag von 27.150,60 € mit insgesamt vier Rechnungen.
    6

    Die J2 leistete an die Klägerin auf die Rechnungen keinerlei Zahlungen, obwohl die Bauherren die Teilbeträge für die Dachdeckerarbeiten an ihrem Bauvorhaben beglichen hatten. Der Bauherr S2 hatte den für die Dachdeckerarbeiten mit der GmbH vereinbarten Betrag auf das Konto der J2 gezahlt, welches sich jedoch zu dem Zeitpunkt im Soll befand, der Bauherr S hatte auf Anweisung der J2 an die Firma C GmbH & Co. KG gezahlt, der die J2 ihre Forderung gegen den Bauherrn zur Begleichung von Schulden abgetreten hatte.
    7

    Über das Vermögen der J2 wurde am 13.07.2012 das Insolvenzverfahren (85 IN 53/12 AG Münster) eröffnet.
    8

    Die Klägerin forderte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 03.07.2012 den Beklagten persönlich zur Zahlung eines ihrer Werklohnforderungen entsprechenden Betrages unter Fristsetzung bis zum 11.07.2012 auf. Die Frist verstrich fruchtlos.
    9

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und der beim Landgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 82 ff. d. A.) Bezug genommen.
    10

    Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 1 Bauforderungssicherungsgesetz (nachfolgend: BauFordSiG) bejaht.
    11

    Der Beklagte habe als Geschäftsführer der Firma J2 Baugelder i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 BauFordSiG empfangen. Diesbezüglich komme es nicht darauf an, dass die Bauherren S nicht an die Firma J2, sondern an die Firma C gezahlt hätten. Das Verwendungsverbot gemäß § 1 Abs. 1 BauFordSiG trete bereits dann ein, wenn der Empfänger von Baugeld die faktische Möglichkeit und rechtliche Befugnis habe, das Baugeld zu verwenden. Der Beklagte habe die o.g. Baugelder nicht bestimmungsgemäß i.S.v. § 1 Abs. 1 BauFordSiG verwendet. Das Geld sei nicht mehr vorhanden, um Forderungen der Klägerin oder anderer an diesem Bauvorhaben Beteiligter zu erfüllen. Der diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe bereits nicht dargelegt, was mit dem Geld geschehen sei, das die Bauherren S2 an die Firma J2 gezahlt hätten. Ebenso habe er nicht dargelegt, dass die Firma C i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 BauFordSiG an dem Bauvorhaben S beteiligt gewesen und aufgrund dessen die erhaltenen Zahlungen i.H.v. insgesamt 15.253,65 € habe verlangen können. Die Klägerin sei von § 1 BauFordSiG geschützt gewesen. Der Beklagte habe vorsätzlich und rechtswidrig gehandelt. Insbesondere habe er keine nachvollziehbaren Tatsachen dazu vorgetragen, dass der Geschäftsführer der Klägerin damit einverstanden gewesen sei, dass die Baugelder nicht für die Zwecke des § 1 BauFordSiG eingesetzt würden. Aus seinen Angaben gehe schon nicht hervor, wann und bei welcher Gelegenheit das mit dem Geschäftsführer der Klägerin besprochen worden sein soll. Insbesondere habe er auch nichts dazu vorgetragen, ob das Telefongespräch zwischen seinem Vater einerseits und Herrn u von der Firma C andererseits überhaupt Forderungen betroffen habe, die Gegenstand des hier vorliegenden Rechtsstreits seien, oder die sich aus den hier betroffenen Bauvorhaben ergeben hätten. Der Klägerin sei durch diesen Verstoß ein Schaden entstanden. Sie habe aufgrund des Werkvertrages mit der Firma J2 ein von dieser abgenommenes Werk erstellt und die hieraus resultierenden fälligen Ansprüche seien nicht erfüllt worden.
    12

    Der Beklagte verfolgt mit der Berufung seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.
    13

    Er ist der Ansicht, dass ein rechtswidriger und schuldhafter Verstoß gegen das BauFordSiG nicht vorliege, weil der Geschäftsführer der Klägerin in diesen Verstoß eingewilligt habe bzw. er jedenfalls das Risiko, vor das ihn das BauFordSiG schützen wolle, bewusst eingegangen sei.
    14

    Dieser habe spätestens ab dem 02.02.2012 gewusst, dass die J2 überschuldet gewesen sei. Diesbezüglich verweist der Beklagte nochmals auf die Verhandlungen mit der Bank in Gegenwart des Geschäftsführers der Klägerin sowie die Berichte des Zeugen H hinsichtlich der Liquidität, von denen der Geschäftsführer der Klägerin ebenfalls Kenntnis gehabt habe. Er habe deshalb damit rechnen müssen, dass Baugelder auf die im Soll stehenden Konten der Firma überwiesen würden. Dies habe er – so seine eigenen Angaben im Rahmen der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung – im Fall S2 aufgrund der Vorlage der entsprechenden Kontoauszüge durch den Vater des Beklagten auch selbst gesehen. Zu Unrecht nicht berücksichtigt habe das Landgericht den Vortrag hinsichtlich der Planungen zur gemeinsamen Firmengründung bzw. Fusion zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten bzw. seinem Vater. Gleiches gelte bezüglich der Hilfestellung durch die Zahlung einer Rechnung für die Firma J2. Darüber hinaus verweist der Beklagte auf ein Telefongespräch, das sein Vater im Beisein des Geschäftsführers der Klägerin mit einem Mitarbeiter der Firma C GmbH & Co. KG. bezüglich des Bauvorhabens S geführt habe. In diesem Gespräch sei vereinbart worden, dass die Firma J2 ihre Forderung aus dem nächsten Bauabschnitt des Bauvorhabens an die Firma C GmbH & Co. KG abtreten solle. Der Geschäftsführer der Klägerin habe dem nicht widersprochen, sondern sich vielmehr damit zufrieden gezeigt, dass das Bauvorhaben weitergeführt werden konnte. Dass der Geschäftsführer der Klägerin Kenntnis von der schlechten finanziellen Situation der J2 gehabt habe, folge auch daraus, dass er keine Mahnungen hinsichtlich der Werklohnforderungen geschrieben habe.
    15

    Im Senatstermin vom 31.01.2014 hat er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich seines Anspruchs auf Abtretung der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen der Klägerin berufen.
    16

    Die Klägerin hat im Senatstermin vom 31.01.2014 die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 1.547,04 €, der aus der Rechnung der Klägerin vom 23.02.2012 –Rechnungs-Nr. ####### – resultiert, nebst anteiliger Zinsen zurückgenommen.
    17

    Der Beklagte beantragt,
    18

    unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Münster vom 08.08.2013 die Klage abzuweisen
    19

    hilfsweise,
    20

    unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Münster vom 08.08.2013 die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer zurückzuverweisen.
    21

    Die Klägerin beantragt,
    22

    die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt wird, an sie 25.603,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2012 zu zahlen
    23

    Zug um Zug gegen Abtretung folgender im Insolvenzverfahren 85 IN 53/12 AG Münster angemeldeten Forderungen der Klägerin:
    24

    1.
    25

    aus der Rechnung der Klägerin vom 21.02.2012 – Rechnungs-Nr. ######## - an die J2 betreffend das Bauvorhaben Neubau G, P-Weg, über 10.350,00 Euro.
    26

    2.
    27

    aus der Rechnung der Klägerin vom 18.04.2012 – Rechnungs-Nr. ######## – an die J2 betreffend das Bauvorhaben S, E-Straße in G2, über 14.171,25 Euro.
    28

    3.
    29

    aus der Rechnung der Klägerin vom 06.06.2012 – Rechnungs-Nr. ######### – an die J2 betreffend das Bauvorhaben S, E-Straße in G2 über 1.082,31 Euro.
    30

    Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie geht insbesondere darauf vertiefend ein, dass keine rechtfertigende Einwilligung des Geschäftsführers der Klägerin vorliege. Allein die nach Abrechnung der streitgegenständlichen Aufträge erlangte Kenntnis von den finanziellen Schwierigkeiten der J2 stelle noch keine rechtfertigende Einwilligung dar. Der Beklagte sei vielmehr zu einer getrennten Verwahrung des Baugelds auf einem gesonderten Konto verpflichtet gewesen. Mahnungen seien erfolgt, eine Vorlage im hiesigen Rechtsstreit sei aber entbehrlich, da der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht zugestanden habe, dass der Geschäftsführer der Klägerin ihn mehrfach gefragt habe, wo sein Geld bleibe.
    31

    Angesichts des noch laufenden Insolvenzverfahrens sei unklar, mit welcher Quote zu rechnen sei, nach telefonischer Auskunft des Insolvenzverwalters sei dies jedoch allenfalls eine geringe Quote.
    32

    II.
    33

    Die zulässige Berufung hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Verurteilung zur Zahlung der noch geltend gemachten Klageforderung war nach Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nur Zug um Zug gegen Abtretung der Insolvenzforderungen auszusprechen.
    34

    Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die gemäß §§ 529, 531 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere – für den Beklagten günstigere – Entscheidung (§ 513 ZPO).
    35

    Die Klage ist zulässig und in dem noch weiter verfolgten Umfang begründet.
    36

    Bedenken hinsichtlich der Prozessführungsbefugnis der Klägerin liegen nicht vor. Die von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung ist hier gegeben, da es sich bei dem geltend gemachten Anspruch nicht um einen Gesamtschaden im Sinne von § 92 InsO handelt.
    37

    1.
    38

    Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 25.603,56 € gem. §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 BauFordSiG gegen den Beklagten als den ehemaligen Geschäftsführer der J2 zu.
    39

    § 1 BauFordSiG ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Absatz 2 BGB, in dessen persönlichen Schutzbereich die am Bau tätigen Handwerker fallen (BGH, NJW 2010, 3365 ff.).
    40

    a.
    41

    Die Klägerin gehört auch zu den vom BauFordSiG geschützten Personenkreis. Denn sie war aufgrund von Werkverträgen an den beiden Bauvorhaben beteiligt. Ihre Werklohnforderungen sind unstreitig bisher nicht beglichen worden.
    42

    b.
    43

    Die J2 war Empfängerin von Baugeld i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 BauFordSiG. Denn sie war als Generalunternehmerin mit der Herstellung bzw. dem Umbau von Bauten beauftragt, für die sie ihrerseits Unternehmer – u.a. die Klägerin – beauftragte und von den Bauherren S2 und S Zahlungen entgegennahm, die bei wirtschaftlicher Betrachtung diesen Firmen zustanden, so dass ihre Stellung der eines Treuhänders angenähert war (vgl. insoweit auch BGH, NJW 2010, 3365ff).
    44

    c.
    45

    Bei den Zahlungen der Bauherren S und S2 handelt es sich zudem um Baugeld i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 BauFordSiG. Die Firma J2 hat diese für eine im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben stehende Leistung erhalten, an der auch andere Unternehmer – u.a. die Klägerin – auf Grund von Werkverträgen beteiligt waren.
    46

    Der Baugeldverwendungspflicht gemäß § 1 BauFordSiG steht auch nicht entgegen, dass die Bauherren S die Zahlung nach Abtretung des Vergütungsanspruchs durch die J2 direkt an die Firma C GmbH & Co. KG – eine Gläubigerin der Firma J2 – geleistet haben. Der Erhalt des Geldes i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 BauFordSiG kann auch durch die Zahlung des Bauherren an einen Gläubiger des Empfängers nach Abtretung des dem Empfänger gegen den Bauherren zustehenden Vergütungsanspruchs erfolgen. Voraussetzung ist wegen des Sinn und Zwecks des Verwendungsgebotes gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BauFordSiG lediglich, dass der Empfänger von Baugeld die faktische Möglichkeit und die rechtliche Befugnis besitzt, das Baugeld zu verwenden (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2012, Az.: VII ZR 187/11; BGH, Urteil vom 17.10.1989, Az.: VI ZR 27/89). Diese Möglichkeit besteht bereits in Form der Abtretung eines abtretbaren Anspruchs. Anderenfalls könnte das Verwendungsgebot gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BauFordSiG durch eine Abtretung der Vergütungsansprüche ohne weiteres ausgehebelt werden.
    47

    d.
    48

    Die von den Bauherren S2 und S gezahlten Geldbeträge sind auch zweckwidrig verwendet worden.
    49

    Hinsichtlich der von den Bauherren S2 geleisteten Zahlungen auf das im Soll geführte Konto der Firma J2 ist zudem die zweckwidrige Verwendung zur Deckung der Forderung der Bank der J2 unstreitig.
    50

    Dass die Zahlungen der Bauherren S an die Firma C GmbH & Co. KG auf eine berechtigte Forderung dieser Firma aus dem Bauvorhaben der Bauherren S geleistet wurden, hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete (vgl. insoweit auch BGH, NJW 2010, 3365f) Beklagte nicht dargelegt. Ebenso wenig hat er vorgetragen, dass eine anderweitige Verwendung des Baugeldes gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 BauFordSiG zulässig war.
    51

    e.
    52

    Der Beklagte ist als damaliger Geschäftsführer der J2 auch passiv legitimiert. In den Fällen, in denen der Empfänger von Baugeld im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BauFordSiG eine juristische Person ist, haftet der gesetzliche Vertreter persönlich, wenn während seiner Tätigkeit in seinem Verantwortungsbereich vorsätzlich Baugelder zweckwidrig verwendet worden sind (BGH, Urteil vom 20.12.2012, Az.: VII ZR 187/11; BGH, NJW 2010, 3365ff). Denn ohne diesen Zugriff auf die verfügungsbefugte natürliche Person wäre die Schutzfunktion der Vorschrift im typischen Fall der Insolvenz des Baugeldempfängers meist in Frage gestellt (BGH, Urteil vom 20.12.2012, Az.: VII ZR 187/11).
    53

    Dass nach der Zuständigkeitsverteilung innerhalb der GmbH sein Vater ebenfalls Geschäftsführer und in dieser Funktion allein für die zweckwidrige Verwendung der Baugelder verantwortlich war, hat der Beklagte nicht dargelegt (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 20.12.2012, Az.: VII ZR 187/11), so dass von seiner vollen Verantwortlichkeit als Geschäftsführer auszugehen ist.
    54

    f.
    55

    Der Beklagte hat sich nicht gegen die Feststellung des Landgerichts gewendet, dass er vorsätzlich gehandelt habe.
    56

    g.
    57

    Die Klägerin hat auch nicht freiwillig auf den ihr durch das BauFordSiG zukommenden Schutz verzichtet.
    58

    Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher Verzicht als ein den Tatbestand des Schutzgesetzes ausschließendes Einverständnis oder eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Einwilligung anzusehen wäre.
    59

    Denn der Beklagte hat keine hinreichenden Umstände vorgetragen, die den Schluss zulassen, dass der Geschäftsführer der Klägerin mit einer zweckwidrigen Verwendung der Baugelder zum Nachteil der Klägerin einverstanden war.
    60

    Allein aus der etwaigen Kenntnis einer schwierigen finanziellen Situation der J2 folgt kein Einverständnis mit der zweckwidrigen Verwendung von Baugeldern. Entsprechendes gilt für die von dem Beklagten behaupteten und von der Klägerin nur in den Details bestrittenen Planungen für eine gemeinsame Firmengründung bzw. Fusion. Auch inwieweit aus der Bezahlung einer Rechnung für die Firma J2 durch den Geschäftsführer der Klägerin ein Einverständnis mit der zweckwidrigen Verwendung von Baugelder folgen soll, ist nicht ersichtlich.
    61

    Aus dem Umstand, dass der Geschäftsführer der Klägerin Kenntnis davon erhielt, dass von Seiten des Bauherrn S2 gezahltes Baugeld auf das Firmenkonto der J2 ging und dort lediglich das bestehende Soll verringerte, ergibt sich nichts anderes. Allein die nachträgliche Kenntnis des Geschäftsführers, dass die J2 gegen ihre Pflicht zur Separierung von Baugeldern auf Treuhandkonten verstoßen hat, bedeutet kein Einverständnis mit diesem Vorgehen in dem Sinne, dass dies auch in Zukunft so gehandhabt werden darf.
    62

    Auch der Vortrag des Beklagten zu dem Telefongespräch mit einem Mitarbeiter der Firma C GmbH & Co. KG, in dem sein Vater der Firma C zur Abwendung eines Baustopps infolge nicht bezahlter Rechnungen in Anwesenheit des Geschäftsführers der Klägerin angeboten habe, dieser Firma Forderungen gegen die Bauherren S aus dem nächsten Bauabschnitt abzutreten, rechtfertigt nicht die Annahme einer Billigung der zweckwidrigen Verwendung der Baugelder i.S.v. § 1 BauFordSiG. Zu dem Telefonat trägt der Beklagte zum einen – worauf das Landgericht zu Recht abgestellt hat – bereits keine Einzelheiten vor. Zwar hat der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht selbst erklärt, bei einem entsprechenden Telefonat zugegen gewesen zu sein. Allerdings ist unklar, welche konkreten Äußerungen des Vaters des Beklagten der Geschäftsführer der Klägerin wahrgenommen hat. Zum anderen ist – selbst wenn er nach dem Inhalt dieser Äußerungen darauf hätte schließen können, dass Forderungen gegen die Eheleute S aus dem Bauvorhaben zur Erfüllung anderweitiger Ansprüche der Firma C GmbH & Co. KG gegen die Firma J2 abgetreten werden sollten – allein in seinem Schweigen keine Zustimmung zu sehen. Dem Schweigen auf ein zwischen anderen Personen erfolgtes Telefonat kommt – ohne das Hinzutreten besonderer Umstände, die von dem Beklagten nicht vorgetragen werden – keine zustimmende Bedeutung zu. Allein der pauschale Vortrag des Beklagten, dass der Geschäftsführer der Klägerin zufrieden gewesen sei, dass das Bauvorhaben S weitergeführt würde, rechtfertigt nicht die Annahme eines Einverständnisses.
    63

    h.
    64

    Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 254 BGB gemindert bzw. ausgeschlossen wegen eines mitwirkenden Verschuldens des Geschäftsführers der Klägerin.
    65

    Denn die von dem Beklagten vorgetragenen Umstände rechtfertigen in ihrer Gesamtschau auch nicht den Schluss darauf, dass der Geschäftsführer der Klägerin jedenfalls das Risiko einer zweckwidrigen Verwendung und damit eines Forderungsausfalls der Klägerin mit vom BauFordSiG geschützten Werklohnforderungen erkannt und bewusst eingegangen ist.
    66

    Denn aus den Angaben des Beklagten im Rahmen seiner Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ergibt sich gerade nicht, dass die J2 sich bereits im Februar 2012 in finanziellen Schwierigkeiten befand.
    67

    Zudem wäre die Kenntnis des Geschäftsführers von finanziellen Schwierigkeiten der J2 als Baugeldempfängerin auch unerheblich. Die Baugeldgläubiger dürfen darauf vertrauen, dass der Baugeldempfänger pflichtgemäß das Baugeld auf separaten Konten verwahrt bzw. es jedenfalls nur berechtigten Baugeldgläubigern zukommen lässt. Soweit der Geschäftsführer der Klägerin unstrittig zur Kenntnis genommen hat, dass der Bauherr S2 einen fälligen Abschlag auf ein Konto der J2 überwiesen hat, das sich im Soll befand, so ergibt sich daraus nicht die Kenntnis von einer vorsätzlichen zweckwidrigen Verwendung durch den Geschäftsführer der Beklagten. Denn insoweit sollte das Geld eigentlich vom Bauherren S2 direkt an die Klägerin, die eine berechtigte Baugeldgläubigerin war, gezahlt werden. Der Geschäftsführerin der Klägerin konnte daher aus dem Umstand, dass der Bauherr dann doch auf ein allgemeines Konto der J2 gezahlt hatte, keine zwingenden Rückschlüsse auf eine generell nicht erfolgende Trennung der Baugelder von dem übrigen Vermögen der J2 ziehen, insbesondere da er keinen hinreichend sicheren Rückschluss darauf ziehen konnte, dass der Bauherr auf eine ihm in der Rechnung ausgewiesene Kontoverbindung der J2 geleistet hatte.
    68

    Hinsichtlich des Bauvorhabens S2 waren die Arbeiten von der Klägerin zudem bereits durchgeführt worden zum Zeitpunkt der Überweisung im März 2012.
    69

    Zwingende Rückschlüsse auf die zweckwidrige Verwendung bzw. Verwahrung von Baugeldern durch die J2 bezüglich des Bauvorhabens S konnte der Geschäftsführer der Klägerin daraus zudem ebenfalls nicht ziehen. Auch die bloße Kenntnis davon, dass Gelder an die Firma C abgetreten worden waren und direkt an diese fließen sollten, ist unschädlich, da sich aus dem Vortrag des Beklagten nichts dafür ergibt, dass dem Geschäftsführer der Klägerin klar war oder klar sein musste, dass es sich bei der Firma C nicht um einen berechtigten Baugeldgläubiger hinsichtlich des Bauvorhabens S handelte.
    70

    i.
    71

    Die Klägerin hat auch einen Schaden in Höhe von 25.603,56 € durch die Schutzgesetzverletzung erlitten. Denn insoweit ist sie mit ihren durchsetzbaren Forderungen gegen die J2 ausgefallen (vgl. insoweit auch BGH, NJW 2010, 3365). Dass die pflichtgemäße Zahlungen an die Klägerin gemäß §§ 129 ff. InsO anfechtungsrechtlich keinen Bestand gehabt hätten, was einem Schaden der Klägerin entgegenstehen könnte (BGH, NJW 2013, 2514), ist nicht dargetan.
    72

    Der Schaden im Sinne des §§ 823 Abs. BGB i.V.m. § 1 BauFordSiG ist auch bereits im Zeitpunkt der zweckwidrigen Verwendung des Baugeldes eingetreten, nicht erforderlich ist insoweit ein endgültiger Ausfall mit den Forderungen.
    73

    Zwar ist dies vom BGH für Fälle der zweckwidrigen Verwendung von Baugeldern bisher noch nicht entschieden worden. Der BGH hat jedoch hinsichtlich des Schadensersatzanspruches der durch die Insolvenzverschleppung geschädigten Neugläubiger (§§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG) eine endgültige Uneinbringlichkeit der Forderung gerade nicht vorausgesetzt und dementsprechend den Schaden des Neugläubigers nicht unter Abzug der auf diesen entfallenden und erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens errechenbaren Insolvenzquote berechnet (BGH, Urteil vom 05.02.2007 – II ZR 234/05).
    74

    Die Interessenlage der Baugeldgläubiger ist mit der Lage der durch Insolvenzverschleppung geschädigten Neugläubiger vergleichbar. Denn sowohl Baugeldgläubiger als auch die durch die Insolvenzverschleppung geschädigten Neugläubiger haben im Vertrauen auf die Solvenz des Schuldners Aufwendungen zu einem Zeitpunkt getätigt, in dem sich der Vertragspartner in oder zumindest unmittelbar vor einer Krisensituation befunden hat.
    75

    Diese Schadensdefinition entspricht auch dem Gesetzeszweck, wonach die Forderung des Baugeldgläubigers zur Vermeidung von Liquiditätsschwierigkeiten gesichert sein soll, er folglich seinen gesicherten Anspruch zeitnah und unproblematisch realisieren können soll (so auch Illies, BauR 2013, 1342, 1347; Hagenloch, Handbuch zum Gesetz über die Sicherung von Bauforderungen, 1991, Rn. 323).
    76

    Schon der Wortlaut der Strafvorschrift des § 2 BauFordSiG spricht zudem von einer durch Zahlungseinstellung oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedingten Benachteiligung des Baugeldgläubigers und stellt damit auf einen Zeitpunkt ab, zu dem die endgültige Uneinbringlichkeit der Forderung noch nicht feststeht. Daher wäre es widersinnig, für den entsprechenden Schadensersatzanspruch genau Gegenteiliges vorauszusetzen.
    77

    Es wäre zudem auch nicht sachgerecht, wenn der Baugläubiger zunächst das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Baugeldempfängers abwarten muss, um anschließend seinen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Andernfalls würde es trotz erfolgloser Zahlungsaufforderungen oder gar Vollstreckungsversuche nicht möglich sein, darzulegen und zu beweisen, dass die Forderung uneinbringlich ist (so auch Stammkötter, Bauforderungssicherungsgesetz, 3. A 2009, § 1 Rn. 97),
    78

    j.
    79

    Dem in voller Höhe ersatzpflichtigen Geschäftsführer ist aber um dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot Rechnung zu tragen auf sein einredeweise geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) entsprechend § 255 BGB Zug um Zug gegen Zahlung seiner Ersatzleistung ein Anspruch auf Abtretung der Insolvenzforderungen gegen die J2 zuzubilligen.
    80

    2.
    81

    Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB. Der Beklagte ist mit Ablauf der in dem anwaltlichen Schreiben vom 03.07.12 zum 11.07.12 in Verzug geraten.
    82

    3.
    83

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. In analoger Anwendung des § 92 Abs. 2 ZPO waren die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten in vollem Umfang aufzuerlegen trotz der teilweisen Klagerücknahme und der Umstellung des ursprünglichen Zahlungsantrags in der Berufungsinstanz auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung. Die Mehrforderung der Klägerin war verhältnismäßig gering und es ist auch kein Gebührensprung eingetreten.
    84

    4.
    85

    Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäߠ§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

    RechtsgebietBaugeldVorschriften§ 823 BGB