17.10.2014 · IWW-Abrufnummer 143022
Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 03.04.2014 – 2 U 553/13
Die Abtretung des - die bestehenden Honorarforderungen eines Zahnarztes "zusammenfassenden" - Auszahlungsanspruchs gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung an einen Dritten zieht regelmäßig einen potentiellen Verstoß gegen § 203 StGB und damit die Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarung gemäß § 134 BGB nach sich, solange die Rechte des Zessionars aus § 402 BGB nicht vertraglich abbedungen sind.
Oberlandesgericht Koblenz
Beschl. v. 12.03.2014
Az.: 2 U 553/13
In dem Rechtsstreit
S.
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K.
g e g e n
1. Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Finanzamt ...
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G.
2. Kassenzahnärztliche Vereinigung ...
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L.
-
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eck, den Richter am Oberlandesgericht Häger und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Syrbe am 12.03.2014 beschlossen:
Tenor:
1.
Der Senat beabsichtigt ...
Gründe
Der Sohn des Klägers ist als selbstständiger Zahnarzt tätig. Über dessen Vermögen wurde am 12.9.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet; ab dem 1.4.2009 wurden die Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Zahnarzt freigegeben.
Durch Abtretungsvereinbarung vom 22.6.2011 trat der Sohn des Klägers an den Kläger seine jeweils pfändbaren Vergütungsansprüche gegenüber der Beklagten zu 2 ab. Am 5.7. sowie 25.7.2011 überwies die Beklagte zu 2 auf ein Konto des Klägers insgesamt 19.445,22 €. Am 27.7.2011 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 2 sein Einverständnis, dass die abgetretenen Honoraransprüche schuldbefreiend bis auf weiteres auf ein von seinem Sohn zu benennendes Konto gezahlt werden dürften, wobei der Sohn zeitgleich ein eigenes Konto gegenüber der Beklagten zu 2 benannte.
Am 16.1.2012 pfändete das beklagte Land bei der Beklagten zu 2 wegen rechtskräftig festgestellter Steuerrückstände des Sohnes des Klägers in Höhe von insgesamt 53.017,24 € dessen Honoraransprüche, wobei das beklagte Land im weiteren Verlauf einen Teilbetrag in Höhe von 41.541 € zur Auszahlung an den Sohn des Klägers freigab. Die Beklagte zu 2 überwies die gepfändeten Beträge an das beklagte Land, da sie die Abtretungsvereinbarung des Klägers mit seinem Sohn als unwirksam ansah, da gemäß § 8 S. 2 ihrer Abrechnungsordnung Honorarforderungen nur an ein Kreditinstitut wirksam abgetreten werden könnten.
Mit seiner Klage hat der Kläger erstinstanzlich - zuletzt - beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 53.017,24 € (nebst Zinsen) an ihn zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und sich zur Begründung darauf gestützt, dass die Beklagte zu 2 die Abtretbarkeit der gegen sie gerichteten Honorarforderungen wirksam dahingehend eingeschränkt habe, dass eine solche nur an ein Kreditinstitut erfolgen könne. Das Interesse des Sohnes des Klägers an einer freien Verfügungsmöglichkeit über seine Honorarforderungen überwiege das Interesse der Beklagten zu 2 an einer überschaubaren Anzahl potentieller Gläubiger nicht. Unabhängig davon könne das beklagte Land der Abtretung auch die Einrede der Anfechtbarkeit gemäß § 3 Abs. 1 AnfG entgegenhalten. Sowohl der Kläger wie auch sein Sohn hätten die Abtretung hier im Bewusstsein der damit einhergehenden Benachteiligung anderer Gläubiger vorgenommen. Die zeitnahe Freigabe der abgetretenen Forderungen durch den Kläger zu Gunsten seines Sohnes zeige deutlich den eigentlichen Sinn der Absprache, sicherzustellen, dass der Sohn des Klägers Zahlungen erhalte. Auf die Einzelheiten der Urteilsbegründung im Übrigen, insbesondere die weiteren rechtlichen Ausführungen sowie tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts einschließlich der konkreten Antragstellung der Parteien wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit welcher er seinen erstinstanzlich zuletzt gestellten Zahlungsantrag vollumfänglich weiterverfolgt. ...
OLG Koblenz, 03.04.2014 - 2 U 553/13
In dem Rechtsstreit
S.
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte K.
g e g e n
1. Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Finanzamt ...
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G.
2. Kassenzahnärztliche Vereinigung ...
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L.
-
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eck, den Richter am Oberlandesgericht Häger und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Syrbe am 03.04.2014 beschlossen:
Tenor:
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Koblenz vom 04.04.2013, Aktenzeichen 1 O 343/12, wird zurückgewiesen.
2.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Koblenz ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die wegen der Kosten gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 53.017,24 € festgesetzt.
Gründe
Die Parteien streiten über von der Beklagten zu 2 an das beklagte Land im Zuge einer Pfändung abgeführte Honorarforderungen von 53.017,24 €, hinsichtlich derer der Kläger die Auffassung vertritt, dass diese vorrangig an ihn abgetreten gewesen seien. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil und im Hinweisbeschluss des Senats vom 12.3.2014 verwiesen.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 04.04.2013, Aktenzeichen 1 O 343/12, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 12.3.2014 Bezug genommen. Die Ausführungen in den Gegenerklärungen vom 24.3.2014 sowie 1.4.2014 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Soweit der Kläger argumentiert, die Beklagte zu 2 als öffentlich-rechtliche Körperschaft, deren Rechtsbeziehungen sich nach den gesonderten Regelungen des SGB V bestimmten, sei mit jenen gewerblichen Verrechnungsstellen, die Gegenstand der Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Abtretungen nach §§ 203 StGB, 134 BGB seien, nicht vergleichbar, berücksichtigt er nicht hinreichend, dass es hier in entscheidender Weise nicht auf den Rechtscharakter der Beklagten zu 2 als Abrechnungsstelle ankommt, sondern auf ihn selbst als Zessionar. In dieser Eigenschaft entfalten die Sonderregelungen des SGB V für ihn indes keine Wirkung, so dass er hinsichtlich der Wirksamkeit der zugrundeliegenden Abtretung einer gewerblichen Verrechnungsstelle gleichgestellt bleibt und sich schon im Ansatz nicht auf eventuell entgegenstehende Wertungen des SGB V berufen kann. Dementsprechend liegt der Verstoß gegen § 203 StGB hier auch nicht in der Abtretung einer Forderung gegenüber der Beklagten zu 2 selbst, sondern in den mit dieser Abtretung verbundenen Informationspflichten gegenüber dem Kläger als Zessionar (vgl. auch BGH, FamRZ 2013, 1392).
Dabei ist anerkannt, dass es für den Verstoß gegen § 203 StGB weder darauf ankommt, ob im Zusammenhang mit der Abtretung tatsächlich Tatsachen offenbart werden, die der Schweigepflicht unterliegen, noch maßgeblich ist, ob die Pflicht zur Information zwischen Zedent und Zessionar ausdrücklich vereinbart ist oder sich als gesetzliche Folge der Forderungsabtretung aus § 402 BGB ergibt (vgl. BGH, NJW 1996, 775 [BGH 05.12.1995 - X ZR 121/93] m.w.N.). Der Umfang der gesetzlichen Informationspflicht wird auch nicht durch § 203 StGB inzident auf solche Tatsachen begrenzt, deren Offenbarung nicht tatbestandsmäßig und daher straffrei ist. Sie umfasst - ungeachtet ihrer strafrechtlichen Relevanz - vielmehr alle diejenigen Informationen, die der Zessionar benötigt, um die abgetretene Forderung mit Erfolg gegen den Schuldner durchsetzen zu können. Anderenfalls wäre der eigentliche Zweck der Forderungsabtretung nicht zu erreichen. Da Abtretung und Informationspflicht untrennbar zusammengehören, verstößt umgekehrt der gesamte Vorgang der Abtretung gegen § 203 StGB und unterliegt damit der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB, wenn die Pflicht zur Information des Zessionars nicht ohne Verletzung der Schweigepflicht zu erfüllen ist (BGH, NJW-RR 1993, 1474 [BGH 08.07.1993 - IX ZR 220/92]; NJW 1996, 775 [BGH 05.12.1995 - X ZR 121/93]; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. August 2007 - I-16 U 209/05 -, [...]).
Der Senat verkennt nicht, dass hier - anders als in den zumeist der ergangenen Rechtsprechung zugrundeliegenden Fallkonstellationen - an den Kläger nicht eine Honorarforderung des Sohnes des Klägers als Zahnarzt gegenüber seinen Patienten als solche abgetreten wurde, sondern nur der - solche Honorarforderungen "zusammenfassende" - Auszahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 2 als Abrechnungsstelle. Dieser Auszahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 2 steht indes in einem untrennbaren Zusammenhang mit den Behandlungsleistungen des Sohnes an seinen Patienten, so dass er rechtlich nicht hiervon isoliert betrachtet werden kann. Der abgetretene Auszahlungsanspruch bestimmt sich nämlich nach den zugrundeliegenden Honorarforderungen des Sohnes, so dass dem Kläger im Falle einer - unterstellten - Zahlung durch die Beklagte zu 2 eine Beurteilung, ob diese den ihm zustehenden Anspruch tatsächlich umfassend erfüllt hat, nur möglich wäre, wenn er Kenntnis von den Behandlungsdaten hätte, die sein Sohn gegenüber der Beklagten zu 2 zu Abrechnungszwecken mitgeteilt hat.
Mit der Abtretung der Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2 verbunden war damit gleichwohl nach § 402 BGB die umfassende Pflicht des Sohnes, dem Kläger die zur Geltendmachung der abgetretenen Forderung erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihm die zum Beweis der Forderung dienenden Urkunden, soweit sie sich in seinem Besitz befanden, herauszugeben. Insoweit hätte der Kläger von seinem Sohn als Zedenten umfassend Auskunft verlangen können, die neben den von der Beklagten zu 2 erteilten Abrechnungsunterlagen auch die Patientenakten umfasst hätte. Dieser potentielle Verstoß gegen § 203 StGB zieht die Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarung, auf welche sich der Kläger beruft, nach sich.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hat dies auch nicht zwingend die Illegalität sämtlicher - in der Praxis g ängigen - (Sicherungs-)Abtretungen von Forderungen gegenüber Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Verrechnungsstellen an finanzierende Banken und/oder eines Factorings derartiger Forderungen zur Folge. Den Parteien einer solchen Abtretungsvereinbarung ist es nämlich freigestellt, diese so auszugestalten, dass durch Ausschluss der Rechte aus § 402 BGB das finanzierende Institut - gewissermaßen "blind" - die jeweilige Abrechnung der Kassenärztlichen bzw. Kassenzahnärztlichen Verrechnungsstelle als zutreffend zu akzeptieren hat, ohne Namen der Patienten oder sonstige Behandlungsdaten erfahren zu dürfen. Eine derartige ausdrückliche Abbedingung der Rechte aus § 402 BGB kann hier indes weder der Abtretungsvereinbarung des Klägers mit seinem Sohn vom 22.6.2011 noch der nunmehr vom Sohn des Klägers zur Akte gereichten früheren Abtretungsvereinbarung mit der - zwischenzeitlich - geschiedenen Ehefrau des Sohnes entnommen werden.
Einer Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung vom 22.6.2011 steht zudem entgegen, dass die Beklagte zu 2 in § 8 S. 2 ihrer Abrechnungsordnung eine solche Abtretung ausdrücklich nur an Kreditinstitute ermöglicht. Das damit im Verhältnis zum Kläger greifende Abtretungsverbot beeinträchtigt dessen Sohn auch nicht in unzulässiger Weise in seiner Berufsausübungsfreiheit. Dass der Sohn als Zahnarzt auch dann, wenn er auf die Zurverfügungstellung fremder finanzieller Mittel angewiesen ist, um seinen Praxisbetrieb zu eröffnen oder fortzubetreiben, ein Finanzierungsinstitut einschalten und an dieses - unter Beachtung von § 203 StGB - die Honoraransprüche gegenüber der Beklagten zu 2 als zentrale Einkunftsquelle abtreten kann, wird durch die Regelung in der Abrechnungsordnung gerade sichergestellt. Ein weitergehendes Bedürfnis von Zahnärzten, auch oder bevorzugt bei Privatpersonen finanzielle Mittel aufzunehmen, mag zwar im Einzelfall gegeben sein. Die Berufsausübungsfreiheit wird indes nicht beeinträchtigt, wenn in einem solchen Fall der private Darlehensgeber nicht durch eine Abtretung der Honoraransprüche gesichert werden kann.
Soweit der Kläger den Rechtsfolgen des § 3 AnfG nunmehr dadurch zu entgehen versucht, dass er sich - anstelle der Abtretungsvereinbarung vom 22.6.2011 - auf eine mit der früheren Ehefrau seines Sohnes, an welche bereits im Jahr 1992 die Honorarforderungen gegenüber der Beklagten zu 2 abgetreten worden sein sollen, geschlossene Abtretungsvereinbarung vom 22.9.2008 zu stützen versucht, kann dieser Vortrag in der Berufungsinstanz nach §§ 531 Abs. 2, 529 ZPO keine Berücksichtigung mehr finden. Bereits bei Klageerhebung muss dem Kläger bewusst gewesen sein, dass er - von den vorgenannten Unwirksamkeitsgründen abgesehen - bereits seit dem Jahr 2008 Forderungsinhaber war, so dass nicht ersichtlich wird, weshalb er diesen Vortrag nicht in das Verfahren eingebracht hat. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass ihm erst seit der Entscheidung des BGH vom 18.4.2013 (MDR 2013, 1314 [BGH 18.04.2013 - IX ZR 165/12]) bewusst gewesen sei, dass diese erste Abtretung wirksam sei. So hatte der BGH bereits durch Urteil vom 18.2.2010 (NZI 2010, 343 [BGH 18.02.2010 - IX ZR 61/09]) verdeutlicht, dass Vorausverfügungen des Schuldners über Ansprüche, die sich gegen eine ärztliche Abrechnungsstelle richten, für die Zeit nach Verfahrenseröffnung auch nach Einführung des § 35 Abs. 2 InsO nur dann unwirksam sind, sofern der Verwalter die Arztpraxis fortführt. Der hier gegebene Fall einer Fortführung durch den Sohn selbst als Zahnarzt zog danach gerade nicht die Unwirksamkeit der Vorausabtretung nach sich, was in der Instanzrechtsprechung auch entsprechend verstanden wurde (vgl. LG Hamburg, WM 2011, 1524).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.