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  • 08.12.2016 · IWW-Abrufnummer 190445

    Amtsgericht Dortmund: Beschluss vom 18.04.2016 – 255 IN 24/15

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Amtsgericht Dortmund

    255 IN 24/15

    Tenor:

    Der Antrag des Schuldners vom 24.9.2015 auf Erteilung der Restschuldbefreiung wird auf seine Kosten als unzulässig zurückgewiesen.

    1

    Gründe:

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    I.

    3

    Über das Vermögen des Schuldners, der eine Speisegaststätte betreibt, ist ein Insolvenzverfahren eröffnet (255 IN 1/14). In diesem Verfahren hat der Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt, diesen Antrag jedoch am 23.9.2015 wieder zurückgenommen.

    4

    Die Verwalterin hatte den Geschäftsbetrieb des Schuldners, den dieser bis zum jetzigen Zeitpunkt weiterführt, gem. § 35 Abs.2 InsO aus der Insolvenzmasse freigegeben.

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    In der Folgezeit haben sich neue Verbindlichkeiten ergeben. Eine Gläubigerin hat deshalb einen Folgeantrag (255IN 24/15) gestellt, der sich auf das nach Freigabe des Geschäftsbetriebs entstandene Sondervermögen beschränkt.

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    Der Schuldner beantragt im vorliegenden Verfahren nunmehr erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und die Erteilung der Restschuldbefreiung. Die Insolvenzverwalterin hat dem Gericht berichtet , daß der Schuldner seiner selbständigen Tätigkeit weiterhin nachgeht, der Betrieb aber defizitär geführt wird und sie den Schuldner hierauf mehrfach hingewiesen habe.

    7

    II.

    8

    Der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zulässig.

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    Auch unter Berücksichtigung der seit dem 1.7.2014 geltenden Rechtslage ist es einem Schuldner verwehrt, unter Rücknahme des RSB-Antrags im Erstverfahren sogleich einen Folgeantrag zu stellen, etwa vor dem Hintergrund eines im Erstverfahren gläubigerseits gestellten aussichtsreichen Versagungsantrags.

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    Das erkennende Gericht ist der Auffassung, daß die jetzt gesetzlich geregelten Fälle, in denen eine Sperrfrist für einen erneuten RSB-Antrag normiert ist, nicht abschließend sind, sondern jedenfalls für den vorliegenden Sachverhalt eine planwidrige Gesetzeslücke besteht, die durch entsprechende Anwendung der Sperrfristregelung des § 290 Abs.1 Ziff. 3 InsO zu schließen ist.

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    Die genannte Vorschrift regelt ihrem Inhalt nach ausschließlich den Fall, daß eine Entscheidung über den schuldnerseitigen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung ergangen ist. Sei es, daß die Restschuldbefreiung erteilt wurde oder sei es, daß eine Versagungsentscheidung erging – für beide Fälle ordnet das Gesetz eine Sperrfrist an, behandelt indessen den Sachverhalt, daß zum Zeitpunkt des zweiten Befreiungsantrags noch keine Entscheidung über den ersten Antrag vorliegt – bzw. infolge Antragsrücknahme nicht mehr ergehen kann -, nicht. Unabhängig vom Inhalt der Entscheidung über den ersten Befreiungsantrag (Erteilung oder Versagung) wäre der Schuldner gem. § 290 Abs.1 Ziff.3 InsO an einem erneuten Antrag gehindert.

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    Diese rechtliche Situation zeigt, daß der Gesetzgeber – letztlich auch im öffentlichen Interesse, da laufende Folgeanträge mit Kostenstundung die öffentlichen Haushalte belasten – ein Verhalten von Schuldnern nicht toleriert, die – obwohl ihnen im Rahmen des ersten Verfahrens die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs eröffnet wird – entweder neue Schulden entstehen lassen oder gegen Verfahrenspflichten verstoßen und so die Gefahr einer Versagungsentscheidung auf sich ziehen. Diese Interessenlage besteht in gleicher Weise bei Rücknahme des Befreiungsantrags im Erstverfahren und Neuanbringung des Antrags im Folgeverfahren (ähnlich Hamburger Kommentar § 287 a Rz.10, AG Fürth Beschluß vom 13.1.2016 .

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    Konsequenz, ließe man den Folgeantrag zu, wäre im übrigen, daß der Schuldner unter regelmäßiger Begründung neuer Verbindlichkeiten eine ständige Serie gleicher Folgeanträge stellen könnte und infolge der jeweils zuzulassenden neuen Restschuldbefreiungsanträge für diese Verbindlichkeiten niemals einzustehen hätte.

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    Aus dem Gesagten ergibt sich aber auch, daß es einer wertenden Betrachtung bedarf, um im Einzelfall das Eingreifen einer Antragssperre zu begründen (so Laroche, Anmerkung zu AG Fürth a.a.O.). Da dem unredlichen Schuldner eine Umgehung des Eingreifens einer Sperrfrist durch Ausnutzen der gesetzlichen Lücke versagt sein soll, muß es im Einzelfall zulässig sein, von der gegebenen verfahrensrechtlichen Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn dies aufgrund in der Zwischenzeit eingetretener tatsächlicher Veränderungen erforderlich ist, um dem Schuldner sein Verfahrensziel, den wirtschaftlichen Neuanfang, nicht zu versperren.

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    Vorliegend bedeutet dies, daß ein neuer Restschuldbefreiungsantrag etwa dann zulässig wäre, wenn der Schuldner zunächst geglaubt hatte, künftig seinen Geschäftsbetrieb auskömmlich führen zu können, dann jedoch erkennen mußte, daß diese Erwartung sich nicht erfüllte, und er sich entschlossen hätte, nunmehr – unter Einbeziehung der neuen durch die Betriebsfortführung entstandenen Verbindlichkeiten – einen Schlußstrich zu ziehen und sich insgesamt von den im Rahmen seiner Selbständigkeit begründeten Schulden zu befreien. Diese Motivation ist indessen bei dem Schuldner nicht gegeben. Vielmehr hat er seinen Geschäftsbetrieb auch aktuell nicht eingestellt, sondern führt ihn – trotz der Hinweise der Insolvenzverwalterin, daß der Betrieb defizitär läuft – gleichwohl fort und nimmt damit das fortlaufende Entstehen neuer Schulden in Kauf. Einen Schlußstrich mit der künftigen Möglichkeit eines Neuanfangs zieht er damit gerade nicht, so daß eine gesetzlich gebilligte Motivation für den erneuten Restschuldbefreiungsantrag nicht gegeben, der Antrag damit gegenwärtig unzulässig ist.

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    Rechtsmittelbelehrung:

    17

    Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 4 InsO, § 793 ZPO gegeben. Sie steht jedem zu, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind.

    18

    Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Dortmund, H-Straße, 44135 Dortmund, oder dem Beschwerdegericht, Landgericht Dortmund, L-Straße, 44135 Dortmund, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes erklärt werden.

    19

    Die sofortige Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Dortmund oder dem Landgericht Dortmund eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

    20

    Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie soll begründet werden.

    RechtsgebietRestschuldbefreiungVorschriften§ 287 InsO