09.10.2017 · IWW-Abrufnummer 196972
Bundesgerichtshof: Urteil vom 18.07.2017 – KZR 39/16
BGB § 312a Abs. 4 Nr. 1
a) Die Vorschrift des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB ist als Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit im Sinne von § 308 BGB ungeachtet der Verbraucherrechte-Richtlinie anwendbar.b) Ein Zahlungssystem, das einem erheblichen Teil der Kunden ein vertragswidriges Verhalten abverlangt, ist als einzige unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit im Sinne von § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB nicht zumutbar.
c) Der Kunde hat im Regelfall weder Veranlassung noch ist er verpflichtet, selbst zu überprüfen, ob die von seiner Bank als Sicherheitsbestimmungen für das Online-Banking gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen Kartellrechtswidrigkeit nichtig sind.
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2017 durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck sowie die Richter Dr. Kirchhoff, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. August 2016 aufgehoben, soweit nicht die Nebenintervention zurückgewiesen worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger ist der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Die Beklagte bietet Verbrauchern unter der Internetadresse www. .de u.a. Flugreisen an. Die Bezahlung gebuchter Flüge kann mit Kreditkarte gegen ein zusätzliches Entgelt in Höhe von 12,90 € oder mittels "Sofortüberweisung" entgeltfrei erfolgen. Bei Nutzung der Option "Sofortüberweisung" erfolgt die Zahlung an die Beklagte unter Zwischenschaltung der S. GmbH. Hierzu gibt der Verbraucher seine Kontozugangsdaten einschließlich des personalisierten Sicherheitsmerkmals (PIN) und des Authentifizierungsinstruments (TAN) in die Eingabemaske der S. GmbH ein. Diese fragt bei der kontoführenden Bank insbesondere die Validität der eingegebenen Daten, den aktuellen Kontostand sowie den Kreditrahmen für den Dispokredit ab.
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Aufgrund gemeinsamer Absprachen der deutschen Kreditwirtschaft und der Bankenverbände ist nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der meisten kontoführenden Banken in Deutschland die Eingabe von PIN und TAN außerhalb der mit der Bank gesondert vereinbarten Internetseiten untersagt; verstößt der Bankkunde für ihn erkennbar gegen diese Verpflichtung, soll er für daraus entstandenen Schaden in vollem Umfang haften.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte verstoße gegen § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB in der seit 13. Juni 2014 geltenden Fassung, weil sie als unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit ausschließlich die Sofortüberweisung über die S. GmbH anbiete. Diese Zahlungsmöglichkeit sei schon nicht gängig, jedenfalls aber unzumutbar, weil die Verbraucher durch Übermittlung von PIN und TAN in der Regel gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihrer Bank verstießen.
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Das Landgericht (LG Frankfurt,K&R 2015, 600) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,
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Außerdem hat es die Beklagte zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 214 € zuzüglich Zinsen verurteilt.
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Während des Berufungsverfahrens hat das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 29. Juni 2016 (B4-71/10, auszugsweise abgedruckt in WuW 2016, 548) unter anderem festgestellt, dass die Beschlüsse der deutschen Kreditwirtschaft und der Bankenverbände über die Sonderbedingungen für das OnlineBanking hinsichtlich des Verbots der Eingabe von PIN und TAN außerhalb der mit der Bank gesondert vereinbarten Internetseiten rechtswidrig sind. Gegen diesen Beschluss ist von den Beteiligten Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt worden.
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Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen (OLG Frankfurt, K&R 2017, 135). Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt.
Entscheidungsgründe
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A. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
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Dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 2 Abs. 1 UKlaG wegen Verstoßes der Beklagten gegen § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB zu. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Streitfall sei zwar jedenfalls deshalb mit dem Unionsrecht vereinbar, weil die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (Verbraucherrechte-Richtlinie) das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht berühre. Die Beklagte biete mit der Sofortüberweisung aber eine kostenlose, gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeit im Sinne des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB an.
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Die "Sofortüberweisung" sei gängig. Sie sei nicht auf einzelne Hersteller oder Produkte beschränkt. Außerdem werde sie von 54% der 1000 umsatzstärksten Onlineshops eingesetzt und biete eine Bankenabdeckung von 99,9%, wobei 73% aller deutschen Internetnutzer ab 18 Jahren im Jahr 2015 OnlineBanking nutzten.
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Gängige Zahlungsmittel seien in der Regel auch zumutbar. Gründe, die ausnahmsweise der Zumutbarkeit entgegenstünden, lägen nicht vor. Die Nutzung des Zahlungsmittels sei nicht von besonderen zusätzlichen Leistungen des Kunden abhängig, wie etwa bei einer wenig verbreiteten Kreditkarte. Konkrete Missbrauchsgefahren im Zusammenhang mit dem Zahlungssystem der S. GmbH habe der Kläger nicht dargelegt, zumal sich der Kunde im OnlineHandel ohnehin abstrakten Gefahren wie dem Ausspähen von Daten aussetze, die er durch Nutzung des stationären Handels vermeiden könne.
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Das Zahlungssystem sei auch nicht deshalb unzumutbar, weil dem Kunden damit ein Verhalten abverlangt werde, das unvereinbar mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken sei. Die in den Geschäftsbedingungen enthaltene Verpflichtung, PIN und TAN nur über von der Bank gesondert mitgeteilte Online-Banking-Zugangskanäle zu verwenden, verstoße gegen Art. 101 AEUV sowie §§ 1 , 19 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 , 2 Nr. 1 GWB und sei daher nichtig. Die Regelung sei geeignet, die Nutzung von Zahlungsauslösediensten durch Online-Händler und Bankkunden zu erschweren oder sogar ganz zu verhindern. Bankenunabhängige Zahlungsauslösedienste würden hierdurch vom Markt für Bezahlverfahren im Internet ausgeschlossen. Diese Regelung sei nicht als notwendiges Element eines konsistenten Sicherheitskonzeptes der Banken gerechtfertigt. Eine Unzumutbarkeit folge auch nicht aus einer möglicherweise bei einzelnen Verbrauchern bestehenden Unsicherheit hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit ihres Verhaltens, da andernfalls die kartellrechtswidrigen Bedingungen faktisch weiterhin Bestand hätten. Dies würde zudem dem Grundsatz widersprechen, dass die Mitgliedstaaten ab Inkrafttreten einer Richtlinie die Verpflichtung treffe, es so weit wie möglich zu unterlassen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde. Nach der neuen Zahlungsdienste-Richtlinie 2015/2366 EU dürfe die Bank dem Zahlungsauslösedienstleister den Zugang zum Zahlungskonto nur dann verweigern, wenn objektive und gebührend nachgewiesene Gründe im Zusammenhang mit einem nicht autorisierten oder betrügerischen Zugang dies rechtfertigten.
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Datenschutzrechtliche Gründe könnten eine Unzumutbarkeit nicht begründen, da der Verbraucher vor Eingabe der ersten Login-Daten darauf hingewiesen werde, welche Daten abgerufen würden.
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B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers ist begründet und führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte hat es gemäß § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB zu unterlassen, auf der Internetseite www. .de bei der Buchung von Flugbeförderungen Verbrauchern als einzige unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit die "Sofortüberweisung" der S. GmbH anzubieten.
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I. Die Buchung von Flugreisen durch Verbraucher über das Portal der Beklagten stellt einen Verbrauchervertrag im Sinne von § 312 BGB dar, auf den § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB anwendbar ist.
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1. Nach § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB ist eine Vereinbarung unwirksam, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er zur Bezahlung ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, wenn für ihn keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht.
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2. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, die Anwendung von § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB sei im Streitfall mit der Verbraucherrechte-Richtlinie vereinbar.
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a) § 312a BGB wurde mit Gesetz vom 20. September 2013 (BGBl. I S. 3642), mit dem die Verbraucherrechte-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wurde, neu gefasst. § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB setzt Art. 19 der Richtlinie um. Nach dieser Vorschrift dürfen Unternehmen von Verbrauchern für die Nutzung von Zahlungsmitteln keine Entgelte verlangen, die über die Kosten hinausgehen, die dem Unternehmer hieraus entstehen. Anders als § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB geht die Vorschrift des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB dagegen über den sachlichen Anwendungsbereich der Verbraucherrechte-Richtlinie hinaus. Im Hinblick auf den sachlichen Zusammenhang mit Artikel 19 der Richtlinie wollte der Gesetzgeber mit § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB entsprechend der zu § 307 BGB ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( BGH, Urteil vom 20. Mai 2010 - Xa ZR 68/09 , BGHZ 185, 359 ) bei Gelegenheit der Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie ausdrücklich im Bürgerlichen Gesetzbuch klarstellen, dass Unternehmen allgemein in Verträgen mit Verbrauchern zumindest eine gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeit vorsehen müssen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung, BT-Drucks. 17/12637, S. 51).
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b) Es kann dahinstehen, ob die mit Art. 4 Verbraucherrechte-Richtlinie bezweckte Vollharmonisierung einer unterschiedslosen Anwendung des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB auf alle Verbraucherverträge entgegensteht (so Schirmbacher,K&R 2015, 602 f.; Omlor, NJW 2014, 1703, 1706; aA MünchKomm.BGB/ Wendehorst, 7. Aufl., § 312a Rn. 68; Schirmbacher/Freytag, ITRB 2014, 144; im Ergebnis ebenso HK-BGB/Schulte-Nölke, 9. Aufl., § 312a Rn. 7). Jedenfalls ist § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB anzuwenden, soweit entsprechende Klauseln wie im Streitfall in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Als Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit im Sinne von § 308 BGB ist § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB ungeachtet der Verbraucherrechte-Richtlinie anwendbar (Jauernig/ Stadler, BGB, 16. Aufl., § 312a Rn. 16; Omlor, NJW 2014, 1703, 1706 f.; vgl. auch OLG Dresden,K&R 2015, 262, 263). Denn nach Erwägungsgrund 14 der Verbraucherrechte-Richtlinie bleibt das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Regelungsbereich der Richtlinie unberührt.
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II. Im Streitfall kann dahinstehen, ob es sich bei dem von der S. GmbH angebotenen Service um ein gängiges Zahlungsmittel handelt. Jedenfalls ist die Sofortüberweisung der S. GmbH den Verbrauchern gegenwärtig als einzige unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit nicht zumutbar.
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1. Der Begriff der Zumutbarkeit ist in § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB nicht erläutert. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung, wonach die angesprochenen Kunden in der Regel die Möglichkeit haben sollen, ihrer Zahlungsverpflichtung nachzukommen, ohne ein zusätzliches Entgelt bezahlen zu müssen, ergibt sich, dass ein gängiges Zahlungsmittel in aller Regel dem Kunden auch zumutbar ist. Die Unzumutbarkeit kann sich jedoch aus besonderen Umständen ergeben, wie einem den Verbrauchern entstehenden Mehraufwand, eintretenden Verzögerungen und ihrer Bedeutung im Lichte des Vertragszwecks, sowie Sicherheitsaspekten (MünchKomm.BGB/Wendehorst, 7. Aufl., § 312a Rn. 69; Schirmbacher,K&R 2015, 602, 603; vgl. auch jurisPK-BGB/Junker, 8. Aufl., § 312a Rn. 52 ff.).
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2. Derartige besondere, eine Unzumutbarkeit begründende Umstände liegen im Streitfall vor, weil die meisten Kunden den Zahlungsauslösedienst der S. GmbH nur unter Verstoß gegen die mit ihrer kontoführenden Bank vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nutzen können.
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a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Kunden gemäß Nr. 7.2 Abs. 1 der von einem Großteil der Banken üblicherweise verwendeten Online-Banking-Bedingungen (OBB) verpflichtet, ihre personalisierten Sicherheitsmerkmale geheim zu halten und nur über die von der Bank gesondert mitgeteilten Online- und Telefonbanking-Zugangskanäle an diese zu übermitteln. Gemäß Nr. 7.2 Abs. 2 darf das personalisierte Sicherheitsmerkmal (PIN) nicht außerhalb der gesondert vereinbarten Internetseiten eingegeben werden (z.B. nicht auf Online-Händlerseiten). Bei Verwendung der "Sofortüberweisung" muss der Kunde jedoch seine PIN und TAN in die von der S. GmbH zur Verfügung gestellte Eingabemaske eingeben und damit einen Zugangsweg nutzen, der nicht zu den bankseitig zur Verfügung gestellten Zugangswegen im Sinne von Nr. 7.2 OBB gehört.
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Daran knüpft die Haftungsregelung in Nr. 10.2.1 Abs. 5 OBB an. Danach kann eine den Kontoinhaber zum vollständigen Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verpflichtende grobe Fahrlässigkeit insbesondere dann vorliegen, wenn er die PIN erkennbar außerhalb der gesondert mit der Bank vereinbarten Internetseiten eingegeben hat. Welche konkreten Haftungsrisiken dadurch bei Nutzung der "Sofortüberweisung" bestehen, ist für den Kunden nicht überschaubar.
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Damit verstößt die Nutzung des Zahlungsauslösedienstes der S. GmbH gegen die Geschäftsbedingungen der Banken. Ein Zahlungssystem, das einem erheblichen Teil der Kunden ein vertragswidriges Verhalten abverlangt, ist als einzige unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit im Sinne von § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB nicht zumutbar.
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b) Für diese Beurteilung kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob die eine Nutzung des Dienstes "Sofortüberweisung" ausschließenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken auf einer gegen Kartellrecht verstoßenden Absprache der deutschen Kreditwirtschaft beruhen.
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aa) Das Berufungsgericht ist unter Bezug auf den - noch nicht bestandskräftigen - Beschluss des Bundeskartellamts vom 29. Juni 2016 (B4 - 71/10) davon ausgegangen, dass die Beschlüsse der deutschen Kreditwirtschaft und der Bankenverbände über die Sonderbedingungen für das Online-Banking hinsichtlich des Verbots der Eingabe von PIN und TAN außerhalb der mit der Bank gesondert vereinbarten Internetseiten kartellrechtswidrig sind.
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bb) Unabhängig davon, ob diese kartellrechtliche Beurteilung zutrifft, ist der Zahlungsauslösedienst der S. GmbH als einzige unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit für die Kunden unzumutbar.
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Solange die kontoführenden Banken die fraglichen Klauseln nicht aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen entfernt haben, müsste ein rechtstreuer Kunde, der den Zahlungsauslösedienst der S. GmbH nutzen will, selbst ihre Kartellrechtswidrigkeit prüfen und im Streitfall durchsetzen. Der Kunde hat jedoch im Regelfall weder Veranlassung noch ist er verpflichtet, selbst zu überprüfen, ob die von seiner Bank als Sicherheitsbestimmungen für das OnlineBanking gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen Kartellrechtswidrigkeit nichtig sind.
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Eine solche Pflicht ergibt sich nicht als Nebenpflicht ( § 241 Abs. 2 BGB ) des Kunden aus dem Vertrag mit dem Onlinehändler, der den Zahlungsauslösedienst der S. GmbH anbietet. Der Kunde hat nicht aufzuklären, ob es für ihn rechtlich zulässig ist, eine bestimmte, allein vom Händler ausgewählte Zahlungsart zu verwenden. Nach § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB muss der Händler den Kunden eine zumutbare kostenlose Zahlungsmöglichkeit anbieten, wobei insbesondere ein dem Kunden entstehender Mehraufwand zur Unzumutbarkeit führen kann (MünchKomm.BGB/Wendehorst, 7. Aufl., § 312a Rn. 69; jurisPK-BGB/Junker, 8. Aufl., § 312a Rn. 52). Die rechtliche Überprüfung der von der Bank gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Voraussetzung für die vertragsrechtlich zulässige Nutzung eines Zahlungsdienstes stellt einen solchen Mehraufwand dar.
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Für diese Beurteilung ist unerheblich, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts seit 2005 der Zahlungsauslösedienst der S. GmbH für mehr als 100 Millionen Transaktionen genutzt worden ist und inwieweit dieser Umstand darauf beruht, dass Kunden dem entgegenstehende Geschäftsbedingungen nicht zur Kenntnis nehmen mögen. Es steht den Kunden frei, den Zahlungsauslösedienst der S. GmbH auf eigenes Risiko zu verwenden oder auf die Lektüre der Geschäftsbedingungen ihrer Bank zu verzichten. Nach § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB ist es aber unzulässig, den Kunden als einzige kostenlose Zahlungsmöglichkeit einen Dienst anzubieten, der für sie mit nicht überschaubaren, potentiell erheblichen rechtlichen Risiken im Verhältnis zu ihrer Bank verbunden ist.
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cc) Da es für die Frage der Zumutbarkeit des Zahlungsauslösedienstes nicht auf die kartellrechtliche Wirksamkeit der Geschäftsbedingungen der Banken ankommt, sind auch die Berichterstattung über das Kartellverwaltungsverfahren und der noch nicht bestandskräftige Beschluss des Bundeskartellamts vom 29. Juni 2016 nicht geeignet, die Unzumutbarkeit des Zahlungsauslösedienstes "Sofortüberweisung" als einzige unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit zu beseitigen. Dieses Ergebnis vermag den möglicherweise kartellrechtswidrigen Klauseln zwar im Verhältnis zwischen Kunde und Onlinehändler jedenfalls bis zur abschließenden kartellrechtlichen Klärung faktisch Wirksamkeit zu verleihen. Das ist aber im Interesse des Verbraucherschutzes hinzunehmen, da es für die Auslegung des § 312a BGB allein auf die Perspektive des Verbrauchers ankommt. Unabhängig davon ist eine mehr als nur unerhebliche Beeinträchtigung des Kartellverwaltungsverfahrens nicht ersichtlich. Händler können den Zahlungsauslösedienst der S. GmbH weiterhin anbieten, sofern ihre Kunden mindestens eine andere Zahlungsmöglichkeit unentgeltlich nutzen können, die gängig und zumutbar ist. Ob die Kunden dann von der "Sofortüberweisung" Gebrauch machen, bleibt ihnen überlassen. Das vom Berufungsgericht festgestellte bisherige Transaktionsvolumen deutet jedenfalls darauf hin, dass sich eine erhebliche Zahl der Verbraucher weiterhin für die "Sofortüberweisung" entscheiden wird.
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4. Die nach ihrem Art. 115 Abs. 1 bis 13. Januar 2018 in nationales Recht umzusetzende Zahlungsdienste-Richtlinie führt zu keinem anderen Ergebnis.
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a) Nach Erwägungsgrund 30 und Art. 66 ff. der Zahlungsdienste-Richtlinie sollen Zahlungsauslösedienste das Authentifizierungsverfahren der Banken nutzen können, wobei nach Erwägungsgrund 69 die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken nicht so gestaltet sein sollen, dass die Kunden davon abgehalten werden, einen Zahlungsauslösedienst zu verwenden. Nach Art. 115 Abs. 6 der Zahlungsdienste-Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Banken während der 18-monatigen Übergangszeit gemäß Absatz 4 dieser Vorschrift die Nichteinhaltung der in der Richtlinie vorgesehenen technischen Regulierungsstandards nicht dazu missbrauchen, die Nutzung von Zahlungsauslösediensten zu blockieren oder zu behindern.
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b) Vor Ablauf der in Art. 115 Abs. 1 der Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist bis zum 13. Januar 2018 kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union indes weder eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie in Betracht, noch besteht für die nationalen Gerichte die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des bereits geltenden nationalen Rechts. Allerdings haben die Mitgliedstaaten während des Laufs der Umsetzungsfrist den Erlass von Vorschriften zu unterlassen, die geeignet sind, die Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Ziels ernstlich zu gefährden. Darüber hinaus müssen die nationalen Gerichte es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Richtlinie soweit wie möglich unterlassen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des Ziels der Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde (EuGH, Slg. 2006, I-6057 Rn. 123 - Adeneler; BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 96/11 , NJW 2012, 2422 Rn. 20 f. mwN).
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c) Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Ziele der ZahlungsdiensteRichtlinie besteht nicht. Nach Erwägungsgrund 29 dieser Richtlinie bieten Zahlungsauslösedienste sowohl Händlern als auch Verbrauchern eine kostengünstige Lösung und ermöglichten es Verbrauchern, auch dann online einzukaufen, wenn sie nicht über Zahlungskarten verfügten. Nach Erwägungsgrund 33 zielt die Richtlinie darauf ab, die Kontinuität im Markt sicherzustellen und gleichzeitig bestehenden und neuen Dienstleistern unabhängig von ihrem Geschäftsmodell die Möglichkeit zu geben, ihre Dienste in einem klaren und harmonisierten Rechtsrahmen anzubieten. Die Mitgliedstaaten sollen bis zur Umsetzung der Richtlinie den fairen Wettbewerb in diesem Markt sicherstellen und dabei eine ungerechtfertigte Diskriminierung der vorhandenen Marktteilnehmer vermeiden.
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Die Erreichung dieser Ziele wäre nur dann ernsthaft gefährdet, wenn die bestehenden Zahlungsauslösedienste vom Markt verdrängt, unfair behindert oder ungerechtfertigt diskriminiert würden. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Bestimmung des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB führt lediglich dazu, dass ein OnlineHändler das von ihm aufgrund seiner allgemeinen Geschäftsbedingungen für bestimmte Zahlungsmittel verlangte Entgelt nicht fordern darf, wenn er dem Kunden nicht wenigstens ein gängiges und zumutbares Zahlungsmittel unentgeltlich anbietet. Online-Händlern wie der Beklagten ist dadurch nicht verboten, den Zahlungsauslösedienst der S. GmbH als Zahlungsmittel anzubieten. Ihnen ist lediglich untersagt, die "Sofortüberweisung" als einziges unentgeltliches Zahlungsmittel vorzusehen. Tatsächlich wird der Zahlungsauslösedienst der S. GmbH trotz entgegenstehender Allgemeiner Geschäftsbedingungen der meisten kontoführenden Banken nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in erheblichem Umfang genutzt.
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d) Unabhängig von diesen Erwägungen dürfte die Beklagte ab dem 13. Januar 2018 schon aus anderen Gründen gehindert sein, den Zahlungsdienst "Sofortüberweisung" als einziges kostenloses Zahlungsmittel anzubieten (vgl. Art. 62 Abs. 4 der Zahlungsdienste-Richtlinie, der durch § 270a BGB umgesetzt werden soll).
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IV. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kartellverwaltungsverfahrens war nicht erforderlich. Wie ausgeführt, kommt es für die Entscheidung des Streitfalls nicht darauf an, ob die vom Bundeskartellamt beanstandete Absprache der deutschen Kreditwirtschaft und der Bankenverbände kartellrechtswidrig ist.
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V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO .
Limperg
Meier-Beck
Kirchhoff
Bacher
Deichfuß
Von Rechts wegen