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  • 16.04.2018 · IWW-Abrufnummer 200678

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 20.10.2017 – 5 AR 13/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

    1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 80 des Landgerichts Berlin vom 26. Juli 2017 - 80 AR 55/17 - geändert und der gegen die Beklagte gerichtete Kostenansatz des Landgerichts Berlin vom 28. Juni 2017 insgesamt aufgehoben.

    2. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
    Gründe

    I.

    Die Beschwerde ist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Sie führt zur Änderung des angefochtenen Beschlusses und zur Aufhebung des angegriffenen Kostenansatzes.

    Die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Beklagten auf der Grundlage des § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG liegen nicht vor. Danach schuldet in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Kosten nur, wer das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat.

    Dies ist hier der Kläger, der das Mahnverfahren eingeleitet hat.

    Der Anspruchsgegner, der einem Mahnbescheid widerspricht und seinerseits die Abgabe an das Streitgericht fordert, haftet hingegen nicht als Antragsteller für Gerichtskosten. Das Mahnverfahren ist eine Vorstufe des Streitverfahrens und bildet mit ihm eine einheitliche Instanz. (so auch: OLG Koblenz MDR 2015, 1096 [OLG Koblenz 16.03.2015 - 14 W 162/15]; Schneider NJW-Spezial 2017, 27)

    Eine andere Sichtweise lässt sich nicht überzeugend mit dem Argument begründen, mit einem seinerseitigen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens nach rechtzeitigem Widerspruch (§ 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO) übernehme der Beklagte die Angreiferrolle (so aber: z.B. OLG Oldenburg AGS 2016, 576; Dörndorfer in: Binz/Dörndorfer, GKG, 3. Aufl., § 22, Rn 4; Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl., § 22, Rn 4 - Beklagter).

    Nicht stichhaltig ist auch der Verweis auf § 22 Abs. 1 Satz 2 GKG, der ausdrücklich bestimmt, dass im Verfahren, das gemäß § 700 Abs. 3 ZPO dem Mahnverfahren folgt, derjenige die Kosten schuldet, der den Vollstreckungsbescheid beantragt hat, und eine Überflüssigkeit dieser Vorschrift, wenn § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG bereits dahin zu verstehen wäre, dass der Antragsteller des Mahnverfahrens in jedem Falle die Gebühren für das Verfahren des Rechtszuges zu tragen hätte (so OLG Oldenburg AGS 2016, 576).

    Wie die Begründung des Entwurfs zum Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 (BT-Drucksache 12/6962, Seite 65 f) zeigt, sollte mit der Vorgängerregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 GKG nach dem Willen des Gesetzgebers die bis dahin umstrittene Frage geregelt werden, wer kostenrechtlich als Antragsteller des streitigen Verfahrens anzusehen ist, wenn das streitige Verfahren nach Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid durchgeführt wird (vgl. dazu KG RPfleger 1977, 336).

    Zu § 49 GKG a.F. (BT-Drucksache 12/6962, Seite 65 f) heißt es dort:

    "Der neue Satz 2 klärt die umstrittene Frage, wer als Antragsteller der Instanz anzusehen ist, wenn dem Mahnverfahren nach Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eine kostenrechtlich neue Instanz in Form des Streitverfahrens folgt. Die vorgeschlagene Änderung stellt den Antragsteller im kostenrechtlichen Sinne demjenigen im verfahrensrechtlichen Sinne

    (§ 700 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 697 Abs. 1 ZPO) gleich.

    Im Gegensatz zum Widerspruch gegen einen Mahnbescheid, bei dem das Streitverfahren nur nach einem darauf gerichteten Antrag einer Partei durchgeführt wird (§ 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO), geht das Mahnverfahren nach Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid von Amts wegen in das Streitverfahren über (§ 700 Abs. 3 ZPO). Bei dieser Konstellation ist die Antragstellerhaftung nach § 49 GKG nicht unmittelbar dessen Wortlaut zu entnehmen.

    Die Rechtsprechung sieht weitgehend das Streitverfahren in diesen Fällen als durch den Einspruch verursacht und daher den Einsprechenden wie einen Antragsteller an. ...

    Die Rechtsprechung führt bei der in Frage stehenden Konstellation zu einem verglichen mit dem Fall der Klageerhebung erheblich abweichenden Haftungsergebnis. Wählt der Kläger sofort das Streitverfahren, haftet er aus § 49 GKG regelmäßig für sämtliche Gerichtskosten, unabhängig vom Ausgang des Prozesses. Obsiegt der Beklagte, muß er grundsätzlich nichts zahlen.

    Nach dem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid beschränkt sich die Antragstellerhaftung des Klägers als Ergebnis der Rechtsprechung indes auf die erste Hälfte der Prozessgebühr (KV Nummer 1000), so dass er darüber hinaus nur als Entscheidungsschuldner (§ 54 Nr. 1 GKG) in Anspruch genommen werden kann. Bei Einführung der vorgeschlagenen pauschalen Verfahrensgebühr (vgl. Abschnitt A.II des Allgemeinen Teils der Begründung) würde sich die Antragstellerhaftung des Klägers auf die Gebühr für das Mahnverfahren (KV Nummer 1100 E) beschränken, die auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sein soll. Der Beklagte haftet demnach als "Antragsteller" für alle Gerichtskosten, die in dem dem Mahnverfahren nachfolgenden Verfahren anfallen. Es ist daher möglich, daß er, auch wenn er voll obsiegt, insoweit als Zweitschuldner zahlen muß, obgleich er mit einem gerichtlichen Verfahren überzogen wurde. Neben diesem problematischen Ergebnis erhöht die Rechtsprechung zur Antragstellerhaftung beim Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid das Kostenausfallrisiko der Staatskasse, weil der Kläger als regelmäßig solventere Partei nur noch wegen eines geringen Teils der Gerichtskosten als Zweitschuldner haftet.

    Beim Einspruch des Beklagten gegen ein Versäumnisurteil hat der Gesetzgeber die sich nach der Rechtsprechung beim Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ergebende Umkehrung der Antragstellerhaftung nicht vorgesehen. Es liegt jedoch eine vergleichbare Verfahrenssituation vor. Der Vollstreckungsbescheid steht nach § 700 Abs. 1 ZPO einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. In beiden Fällen wird, nachdem ein Titel mit provisorischem Charakter ergangen ist, nunmehr im Erkenntnisverfahren über den Anspruch verhandelt. Da im Mahnverfahren eine Schlüssigkeitsprüfung des geltend gemachten Anspruchs weder vor Erlaß des Mahn- noch des Vollstreckungsbescheides stattfindet, erscheint es auch nicht gerechtfertigt, den Gläubiger wie bei einem Rechtsmittel des Gegners von seiner Antragstellerhaftung zu entlasten. Es erscheint vielmehr angemessen, die Beteiligten in demselben Umfang mit einer Haftung aus § 49 GKG zu belasten, als wäre von vornherein der Klageweg gewählt worden.".

    Vor diesem Hintergrund war und ist § 22 Abs. 1 Satz 2 GKG unabhängig vom Inhalt des Satzes 1 nicht überflüssig. Ihm kommt zumindest eine Klarstellungsfunktion zu.

    Gleichzeitig macht die Gesetzesbegründung deutlich, dass die Haftung des Beklagten nicht mit der freiwilligen Übernahme einer Angreiferrolle begründet werden kann.

    Im Verhältnis zum Kläger behält der Beklagte die Rolle eines reinen Verteidigers gegen die erhobene Forderung bei. Da im Mahnverfahren keine Schlüssigkeitsprüfung erfolgt ist, greift der Beklagte insbesondere keine durch eine (instanzabschließende) Gerichtsentscheidung bestätigte Position des Klägers an.

    Es ist angesichts der Gesetzesbegründung auch kein Grund ersichtlich, warum Nachlässigkeit privilegiert werden sollte, indem dem Beklagten, der einen rechtzeitigen Widerspruch versäumt und Vollstreckungsbescheid gegen sich ergehen lässt, die Kostenhaftung erspart bleibt. Es ist auch nicht einzusehen, warum derjenige, der zwar eine alsbaldige gerichtliche Entscheidung über den erhobenen Anspruch herbeiführen, aber von der Kostenhaftung verschont bleiben möchte, einen Vollstreckungsbescheid gegen sich ergehen lassen und die damit einhergehenden Risiken, einschließlich der Gefahr, der Zwangsvollstreckung ausgesetzt zu sein, eingehen müsste, um dann über § 700 Abs. 3 ZPO und § 22 Abs. 1 Satz 2 GKG zu seinem Ziel zu kommen.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.

    RechtsgebietKostenVorschriften§ 696 ZPO