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  • 15.05.2018 · IWW-Abrufnummer 201191

    Amtsgericht Kiel: Beschluss vom 06.10.2017 – 43 Gs 4159/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    43 Gs 4158/17

    Beschluss

    In pp.

    ist dem mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 8. September 2016  - 68b IK ….. - bestellten Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des P… umfassende Akteneinsicht in die Akten betreffend das Strafverfahren - 552 Js …… – Staatsanwaltschaft Kiel – zu gewähren.

    Gründe

    I.

    Gegen den Verurteilten wurde in dem Strafverfahren durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Segeberg vom 22. Juli 2011 wegen Betruges eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu jeweils 10 € verhängt. Dem lag zugrunde, dass der Verurteilte bei der Firma L… in S…  5 Halogenstablampen, eine energiesparende Stehleuchte und einen Deckenfluter nebst Fernbedienung zum Gesamtpreis von 307,50 € bestellt hat, wobei er von Anfang an beabsichtigte, die Rechnung nicht zu bezahlen.

    In dem Insolvenzverfahren gegen den Verurteilten wurde der antragstellende Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter ernannt und zugleich am 8. September 2016 das Insolvenzverfahren eröffnet.

    Unter Vorlage des Beschlusses meldete sich der Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 30. Januar 2017, wies darauf hin, den Unterlagen des Schuldners entnommen zu haben, dass diverse Zahlungen von dessen Konto seit dem Jahr 2012 zugunsten der Staatsanwaltschaft erfolgen und bat um Information darüber, um was für Zahlungen es sich handelt. Darüber hinaus bat er um Gewährung von Akteneinsicht. Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel übersandte dem Antragsteller daraufhin am 10.2.2017 Abschriften des Strafbefehls vom 22.7.2011, des Gesamtstrafenbeschlusses vom 6.3.2012 sowie eine aktuelle Vollstreckungsübersicht. Unter dem 19.9.2017 versagte die Staatsanwaltschaft die weiterhin begehrte Akteneinsicht endgültig mit Hinweis auf datenschutzrechtliche Gründe und darauf, dass der Insolvenzverwalter im Interesse einer Privatperson und nicht als Insolvenzgutachter tätig sei, weshalb ein berechtigtes Interesse auf Akteneinsicht nicht bestehe.

    Der Verurteilte hat in einer Stellungnahme am 08.06.2017 gegenüber der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, er sei mit der Gewährung der Akteneinsicht nicht einverstanden, weil das Insolvensverfahren mit der Strafsache rein gar nichts zu tun habe.

    II.

    Das am 27. September 2017 eingelegte Rechtsmittel ist als Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

    Der Insolvenzverwalter kann nach § 475 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO vollständige Einsicht in die Strafakten verlangen.

    Das gemäß § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO hierfür erforderliche berechtigte Interesse hat der Insolvenzverwalter mit der Übersendung und dem Hinweis auf den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 8. September 2016, durch den er als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verurteilten bestellt wurde, hinreichend dargelegt. Als Insolvenzverwalter obliegt es dem Antragsteller nach § 80 Abs. 1 InsO zu prüfen, ob mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Insolvenzschuldner zu rechnen und mit welcher Wahrscheinlichkeit von einer Durchsetzung behaupteter Ansprüche Dritter auszugehen ist. Dafür finden sich in der Strafermittlungsakte neben den Umständen, die letztlich Eingang in den Strafbefehl gefunden haben, weitere Hinweise. So etwa auch durch die verantwortliche Vernehmung des Verurteilten vom 7. April 2011, in denen weitere Taten zu Lasten anderer Geschädigter thematisiert werden. Auch hieraus können gegebenenfalls Schadensersatzansprüche erwachsen, die die Insolvenzmasse berühren können. Daraus folgt bereits, dass auch die Voraussetzungen des § 475 Abs. 2 StPO vorliegen. Denn die Erteilung einzelner Auskünfte, wie durch die Staatsanwaltschaft erfolgt, würde zur Wahrnehmung des Interesses des Insolvenzverwalters gerade nicht ausreichen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft der Insolvenzverwalter, ebenso wie der Insolvenzgutachter, nicht nur im Interesse einer Privatperson, sondern gerade auch für die Rechtspflege tätig wird und seinem Interesse daher ein vergleichbares Gewicht beizumessen ist, wie dem Interesse einer Justizbehörde, die nach § 474 Abs. 1 StPO Akteneinsicht verlangen kann (OLG Dresden ZIP 2014,436). Das öffentliche Interesse besteht dabei darin, dass das Insolvenzverfahren regelgerecht – entsprechend den verfahrensrechtlichen, prozessualen und inhaltlichen Anforderungen – durchgeführt wird (vgl. VG Schleswig, ZVI 2017,243).

    Letztlich steht dem berechtigten Interesse des Insolvenzverwalters auf umfassende Akteneinsicht auch kein schutzwürdiges Interesse des Verurteilten an der Versagung gegenüber. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt der Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen, § 80 Abs. 1 InsO, und hat gegenüber dem Insolvenzschuldner einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse, § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO, mithin auch über alle Umstände, die für die Beurteilung von Gläubigerforderungen bedeutsam sein können. Muss der Schuldner also dem Insolvenzverwalter die möglichen Auskünfte über die ggf. zu erwartende Schadensersatzansprüche wegen begangener Straftaten erteilen, sind diese Informationen dem Insolvenzverwalter gegenüber von vornherein nicht schutzwürdig. Dies wird bestärkt dadurch, dass ein Insolvenzschuldner über seine eigenen Verhältnisse nach § 97 Abs. 1 Satz 2 InsO sogar Tatsachen offenbaren muss, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit erst herbeizuführen. Diese weitgehende Regelung zeigt, dass dem Insolvenzschuldner selbst in Bezug auf höchstpersönliche Rechtspositionen mehr abverlangt wird, als dies außerhalb eines Insolvenzverfahrens der Fall ist. Das Interesse an einer ordnungsgemäßen Insolvenzabwicklung geht den Geheimhaltungsinteressen des Insolvenzschuldners danach grundsätzlich vor.

    Der Verurteilte hat in seiner Stellungnahme darüber hinaus keine besonderen Umstände geltend gemacht, die über ein allgemeines Geheimhaltungsinteresse hinausgehen.

    RechtsgebietInsolvenzVorschriften§ 97 InsO