05.07.2018 · IWW-Abrufnummer 202142
Amtsgericht Mönchengladbach: Beschluss vom 29.01.2018 – 45 IN 66/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Amtsgericht Mönchengladbach
45 IN 66/17
Tenor:
Wird der Insolvenzantrag vom 28.07.2017 zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Gläubigerin.
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Gründe:
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I.
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Der Insolvenzschuldner ist selbstständig tätig und betreibt in Mönchengladbach eine Baguetterie. Dort beschäftigt er Aushilfskräfte, die bei der Deutschen Rentenversicherung Minijob-Zentrale (im Folgenden: Minijob-Zentrale) sozialversichert sind. In der Vergangenheit hatte der Schuldner auch nicht geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer angestellt.
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Am 28.07.2017 stellte die Gläubigerin Insolvenzantrag gegen den Schuldner. Sie machte geltend, dass der Schuldner Beiträge zur Sozialversicherung für die Zeit vom 01.10. bis zum 30.11.2016 nicht gezahlt hatte; mit Säumniszuschlägen ergab sich eine Forderung von 806,06 €. Daneben legte die Gläubigerin das Protokoll über einen fruchtlosen Pfändungsversuch vom 11.01.2017 vor, wonach der Vollziehungsbeamte bei der Durchsuchung des Geschäftslokals keine pfändbaren Sachen vorgefunden hatte. Die Gläubigerin wies in ihrem Antragsschreiben daraufhin, dass keine Arbeitnehmer des Schuldners bei ihr angemeldet waren.
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Am 17.10.2017 stellte die Minijob-Zentrale einen Insolvenzantrag gegen den Schuldner. Dieser war gestützt auf Beitragsrückstände zur Sozialversicherung für die Zeit vom 01.08.2013 bis zum 30.09.2017 in Höhe von 2.200,57 €. Beigefügt war eine Aufstellung der drei bei der Minijobzentrale angemeldeten Arbeitnehmerinnen des Schuldners.
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Das Gericht hat mit Beschluss vom 16.11.2017 einen Sachverständigen beauftragt, ein Gutachten über die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu erstatten, insbesondere dazu, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und eine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist.
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Am 22.11.2017 erklärte die Minijob-Zentrale ihren Antrag für erledigt, nachdem der Schuldner die rückständigen Beitragsforderungen vollständig beglichen hatte.
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Nachfolgend tilgte der Schuldner auch die bei der Gläubigerin bestehenden Beitragsrückstände, was diese gegenüber dem gerichtlich bestellten Sachverständigen am 04.01.2017 bestätigte. Eine Erledigungserklärung hat die Gläubigerin nicht abgegeben.
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Die Gläubigerin ist der Ansicht, dass ihr Eröffnungsantrag weiterhin zulässig sei. Sie trägt dazu vor, dass der Schuldner nach den Feststellungen des Sachverständigen und eigener Erklärung zahlungsunfähig sei; alleine gegenüber der Finanzverwaltung bestünden Verbindlichkeiten von ca. 4.600 €. Aufgrund des weiterhin betriebenen Gewerbes seien Rückstände gegenüber der Minijob-Zentrale vorprogrammiert und weitere Insolvenzanträge zu erwarten.
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II.
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Der Insolvenzantrag ist unzulässig (geworden) und unterliegt daher der Zurückweisung.
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Der Antrag war ursprünglich zulässig (§ 14 Abs. 1 S. 1 InsO), da die Gläubigerin eine Insolvenzforderung (die Beitragsrückstände aus der Zeit vom 01.10. bis 30.11.2016) und einen Eröffnungsgrund (die Zahlungsunfähigkeit) glaubhaft gemacht hatte.
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Er ist jedoch dadurch unzulässig geworden, dass der Schuldner die Insolvenzforderung der Gläubigerin nach Antragstellung erfüllt hat. Denn hierdurch ist das rechtliche Interesse der Gläubigerin an der Eröffnung des Verfahrens weggefallen. Zwar bestimmt § 14 Abs. 1 S. 2 InsO in der seit dem 05.04.2017 geltenden Fassung, dass der Insolvenzantrag eines Gläubigers nicht allein dadurch unzulässig wird, dass seine Forderung erfüllt wird. Die Reichweite der Vorschrift erschöpft sich aber auch genau darin; insbesondere müssen die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich auch das rechtliche Interesse an der Verfahrenseröffnung weiterhin vorliegen (allg. M.: BGH, Beschluss vom 12.07.2012 - IX ZB 18/12, Rz. 7, 8 des nach juris zitierten Beschlusses zur alten Gesetzesfassung.; AG Köln Beschluss vom 20.10.2017 - 75 IN 309/17, Rz. 15 des nach juris zitierten Beschlusses zur neuen Gesetzesfassung).
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Soweit die Gläubigerin gerade diese beiden Entscheidungen zitiert, um ihre Auffassung zu begründen, dass ihr rechtliches Interesse nicht weggefallen sei, geht sie fehl. Der Bundesgerichtshof hat a. a. O. ausgeführt:
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"Denn der Schuldner hatte unter anderem der bei [der Gläubigerin] versicherten Arbeitnehmerin gekündigt und die Betriebsstätte geschlossen. In einem solchen Fall besteht für einen Sozialversicherungsträger regelmäßig nicht die konkrete Gefahr, dass eine weitere wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners bei diesem neue Verbindlichkeiten begründen wird, mit deren Ausgleich der Schuldner wiederum in Rückstand geraten kann (vgl. Hackländer/Schur, ZInsO 2012, 901, 908 ff; HmbKomm-InsO/Wehr, aaO)." (Unterstreichung durch den Unterzeichner)
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Die Gläubigerin ist nicht, auch nicht aufgrund der Neufassung des § 14 Abs. 1 S. 2 InsO berufen, "im Interesse der Gesamtgläubiger" die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu betreiben. Ein rechtliches Interesse an der Eröffnung besteht nur, soweit eine eigene Betroffenheit vorliegt; eine solche Betroffenheit scheidet aber aus, wenn das Entstehen neuer Verbindlichkeiten gegenüber dem antragstellenden Sozialversicherungsträger ("bei diesem") ausgeschlossen ist (so auch AG Leipzig, Beschluss vom 05.09.2017 - 403 IN 1109/17, Rz. 37, 38 des nach juris zitierten Beschlusses). Dies ist hier der Fall: der Schuldner beschäftigt nur Arbeitnehmer, die geringfügig beschäftigt und daher obligatorisch bei der Minijob-Zentrale zur Sozialversicherung angemeldet sind. Entgegen der Ansicht der Gläubigerin ist nicht zusätzlich zu verlangen, dass der Schuldner seine Betriebsstätte schließt, da sie hierdurch keinen besseren Schutz davor erhält, zukünftig erneut dem Schuldner als Beitragspflichtigen gegenüber zu stehen: denn die Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit ist allein vom Willen des Schuldners abhängig, ebenso wie die unternehmerische Entscheidung, nur noch geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer einzusetzen, die zwingend bei der Minijob-Zentrale sozialversichert sind. In beiden Fällen besteht derzeit keine konkrete Gefahr, dass der Schuldner erneut Beitragsrückstände gegenüber der antragstellenden Gläubigerin entstehen lassen wird.
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Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Sache anders zu beurteilen wäre, wenn der Schuldner voll- oder teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat, die zwar nicht bei der Gläubigerin, wohl aber bei anderen Krankenkasse versichert sind (vgl. hierzu AG Leipzig, a. a. O., Rz. 41). Es spricht indes einiges dafür, dass in einem solchen Fall das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht durch Erfüllung der Beitragsrückstände wegfällt, da die Wahl der Krankenkasse allein dem Arbeitnehmer obliegt, der schuldnerische Arbeitgeber insofern also keinen Einfluss hat, an welche Kasse er die Sozialversicherungsbeiträge abführen muss.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO, § 91 Abs. 1 ZPO. Die Bestimmung des § 14 Abs. 3 InsO ist nicht anwendbar, da der Insolvenzantrag als unzulässig zurück- und nicht als unbegründet abgewiesen wird.
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Wert: 806,06 €
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Gegen diesen Beschluss steht der Antragstellerin/dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 InsO erfolgt, der Schuldnerin/dem Schuldner das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 34 Abs. 1 InsO zu. Sie steht jedem zu, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Mönchengladbach, Hohenzollernstr. 155, 41061 Mönchengladbach schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes erklärt werden.
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Die sofortige Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Mönchengladbach eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde.
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Die Frist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
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Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie soll begründet werden.
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Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. I, S.3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
RechtsgebieteRVG, KostenrechtVorschriftenNr. 1008 VV