21.01.2019 · IWW-Abrufnummer 206672
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 12.12.2018 – AnwZ (Brfg) 60/17
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann und den Richter Bellay sowie die Rechtsanwälte Dr. Kau und Dr. Lauer
am 12. Dezember 2018
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das dem Prozessvertreter der Klägerin an Verkündungs Statt am 20. September 2017 zugestellte Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Rheinland-Pfalz wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Klägerin ist seit 2011 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 23. Februar 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls ( § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Die Klägerin beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
2
Der Antrag der Klägerin ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe ( § 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1-3 und 5 VwGO ) liegen nicht vor.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ( § 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ( BGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16 , juris Rn. 3; vom 17. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.
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a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn die Rechtsanwältin in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die sie in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen die Rechtsanwältin richten ( BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2010 - AnwZ (B) 119/09 , juris Rn. 12; vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10 , BGHZ 190, 187 Rn. 4 und vom 20. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 40/13 , juris Rn. 4). Ist die Rechtsanwältin in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis gemäß § 882b ZPO eingetragen, wird der Vermögensverfall vermutet. Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt des Widerrufsbescheids, vorliegend also der 23. Februar 2017; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10 , BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff. ).
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b) Die Klägerin hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 23. Februar 2017 in Vermögensverfall befunden. Zu diesem Zeitpunkt bestanden nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis ( § 882b ZPO ) zwei die Klägerin betreffende Eintragungen (jeweils Nichtabgabe der Vermögensauskunft in den Zwangsvollstreckungsverfahren DR und DR ) mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet wird ( § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Dies ergibt sich - entgegen dem Vortrag der Klägerin - aus den erholten Auszügen des Schuldnerverzeichnisses des Vollstreckungsgerichts vom 1. Dezember 2016, 23. Februar 2017, 10. März 2017 und 24. Juli 2017.
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aa) Die Vermutung gilt zwar dann nicht, wenn die Rechtsanwältin nachweist, dass die der Eintragung zugrunde liegende Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt war (vgl. Senatsbeschluss vom 25. August 2016 - AnwZ (Brfg) 30/16 , juris Rn. 6 mwN).
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bb) Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht gegeben. Die Klägerin behauptet lediglich, dass die Eintragung des Verfahrens DR im Schuldnerverzeichnis "nie erfolgt" sei. Dies trifft jedoch nicht zu. Die der Zwangsvollstreckungssache DR zugrunde liegende Forderung der V. GmbH in Höhe von ursprünglich 303,51 € wurde erst am Tag der Zustellung des Widerrufsbescheids am 28. Februar 2017 einschließlich der weiteren angefallenen Kosten beglichen. Soweit die Klägerin behauptet, dass die der Zwangsvollstreckungssache DR zugrunde liegende Forderung bereits zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung getilgt gewesen sei, fehlt es schon an einem hinreichenden Sachvortrag und darüber hinaus an einem entsprechenden Nachweis.
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c) Ist die Rechtsanwältin im Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO eingetragen, wird ihr Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO vermutet. Die Vermutung ist widerlegbar. Zur Widerlegung der Vermutung muss die Rechtsanwältin jedoch ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis ihrer Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und dartun, dass ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse - wiederum bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides - nachhaltig geordnet waren (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2017 - AnwZ (Brfg) 60/16 , juris Rn. 6). Die Rechtsanwältin muss darlegen, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides gegen sie bestanden und wie sie sie zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (BGH, aaO Rn. 7). Das hat die Klägerin nicht getan, obwohl die Beklagte sie zur umfassenden Darlegung ihrer Vermögensverhältnisse - insbesondere auch zu sämtlichen aktuellen Verbindlichkeiten - und zur Vorlage einer Vermögensaufstellung bereits mit Schreiben vom 15. März 2016 aufgefordert hatte. Die von ihr dazu eingereichten Aufstellungen zu ihren ausstehenden Forderungen für die Jahre 2015 und 2016 sind - wie der Anwaltsgerichtshof bereits festgestellt hat - kaum aussagekräftig. Eine Aufstellung ihrer laufenden Verbindlichkeiten und der gegen sie gerichtlich geltend gemachten oder titulierten Forderungen hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 3. Mai 2016 nicht vorgenommen. Auch die Begründung des Zulassungsantrags reicht insoweit nicht aus, um darzustellen, dass die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Klägerin zum Zeitpunkt des Widerrufs nachhaltig geordnet waren.
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d) Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht ausschließen. Mit dem Vermögensverfall einer Rechtsanwältin ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Die Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang der Rechtsanwältin mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16 , NJW 2017, 1181 [BGH 13.09.2016 - VII ZR 17/14] Rn. 15 f. mwN). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht bestand, liegen nicht vor. Auch soweit die Klägerin angibt, dass sie angesichts ihres Tätigkeitsbereichs und ihrer getroffenen Vorkehrungen keine Fremdgelder ihrer Mandanten vereinnahmt, vermag dies eine Gefährdung der Rechtsuchenden nicht effektiv zu verhindern. Um eine solche Gefährdung auszuschließen, darf die Rechtsanwältin ihre anwaltliche Tätigkeit nur noch im Rahmen einer anwaltlichen Sozietät ausüben und muss mit dieser entsprechende Sicherungsmaßnahmen verabreden. Selbst auferlegte Beschränkungen der in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwältin sind hingegen nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (BGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 aaO; vom 31. März 2017 - AnwZ (Brfg) 58/16 , juris Rn. 6).
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2. Der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten ( § 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt. Dies ist hier nicht der Fall.
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Die Bewertung der Realisierbarkeit der von der Klägerin angeführten offenen Forderungen gegenüber Behörden und der Staatskasse bei der Beurteilung ihrer Vermögenslage begründet keine über dem Durchschnitt liegende Komplexität des vorliegenden Verfahrens. Der Anwaltsgerichtshof hat insoweit bereits zutreffend darauf abgestellt, dass die von der Klägerin mitgeteilten Forderungsaufstellungen "wenig aussagekräftig" sind. Fraglich ist vor allem, ob ihre Forderungen in der geltend gemachten Höhe bestehen.
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3. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung ( § 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) stellen sich ebenfalls nicht. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
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Eine solche Rechtsfrage wirft die Klägerin nicht auf. Dass auch andere Rechtsanwälte im Bundesgebiet, die den gleichen Tätigkeitsbereich wie die Klägerin ausüben, wegen ausstehender Zahlungen von gegenüber behördlichen Trägern geltend gemachten Forderungen in Zahlungsschwierigkeiten geraten, vermag die grundsätzliche Bedeutung eines solchen Umstands nicht zu begründen.
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4. Die Klägerin hat auch keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann ( § 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ).
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Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ( Art. 103 Abs. 1 GG ) durch den Anwaltsgerichtshof liegt nicht vor. Soweit die Klägerin meint, die Beklagte habe sich vor der Widerrufsentscheidung keine Kenntnisse von ihrer Vermögenslage zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung verschafft, insbesondere sie nicht unmittelbar zuvor angehört, ist darin kein Gehörsverstoß zu sehen. Die Klägerin hatte insoweit Gelegenheit, ihre Vermögenslage zum Widerrufszeitpunkt im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof vorzutragen und gegebenenfalls dem Vermögensverfall entgegenstehende Umstände darzulegen.
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Auch die Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes ( § 112e Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 86 Abs. 1 VwGO ) greift nicht durch. Die von der Klägerin behaupteten Sachverhaltsfehler sind nicht gegeben. Darüber hinaus oblag es der Klägerin, bei vermutetem Vermögensverfall diesen durch entsprechenden Sachvortrag zu widerlegen.
III.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .
Kayser
Lohmann
Bellay
Kau
Lauer