21.01.2019 · IWW-Abrufnummer 206698
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 20.12.2018 – III ZR 17/18
a) Wird der Anspruch (erstmals) klageerweiternd im Wege der Anschlussberufung geltend gemacht, so führt dies zur Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB .
b) Die Hemmung der Verjährung von erstmals im Wege der Anschlussberufung gerichtlich geltend gemachten Ansprüchen endet gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach dem - mit der rechtskräftigen Zurückweisung der Hauptberufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO verbundenen - Wegfall der Anschlussberufung gemäß § 524 Abs. 4 ZPO .
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink und Dr. Remmert sowie die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 20. Dezember 2017 - 1 U 53/16 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Streitwert: bis 3.600.000 €
Gründe
I.
1
Der Klägerinnen verlangen von der Beklagten aus einem Generalverwaltervertrag (im Folgenden nur: "GVV") die Zahlung von sogenannten Festgeldbeträgen ( §§ 3 , 4 GVV ) für die Jahre 2007 bis 2009 und die Einzahlung von Instandhaltungsrücklagen auf ein Instandhaltungskonto ( § 8 Nr. 5 GVV ) für die Jahre 2005 bis 2013.
2
Die Beklagte erbrachte die vereinbarten monatlichen Festgeldzahlungen bis September 2006 und stellte sie sodann ein, weil sie den Standpunkt vertrat, dass der GVV nichtig sei. Sie leistete im Folgenden Zahlungen auf der Grundlage eines von ihr konzipierten "komplexen Abrechnungsmodells". Zwischen den Parteien ist streitig, ob und inwieweit hierdurch die (streitgegenständlichen) Ansprüche der Klägerinnen auf die Festgeldbeträge für die Jahre 2007 bis 2009 erloschen sind. Außerdem eröffnete die Beklagte Instandhaltungskonten. Hierauf zahlte sie keine Instandhaltungsrücklagen ein, erbrachte aber tatsächliche Instandhaltungsleistungen.
3
In einem dem vorliegenden Prozess vorangegangenen Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht Rostock (3 O 203/07) nahmen die Klägerinnen die Beklagte auf Zahlung von Festgeldbeträgen für Oktober 2006 und von Instandhaltungsrücklagen für die Jahre 1998 bis 2004 in Anspruch. Mit Urteil vom 28. November 2008 verpflichtete das Landgericht Rostock die Beklagte zur Zahlung der verlangten Festgeldbeträge und wies die weitergehende Klage (Instandhaltungsrücklagen für 1998 bis 2004) ab. Dagegen wandte sich die Beklagte mit der Berufung. Wegen der abgewiesenen Instandhaltungsrücklagen für 1998 bis 2004 legten die Klägerinnen Anschlussberufung ein. Ferner erweiterten sie ihre Klage um die Festgeldbeträge für die Zeit von November 2006 bis Dezember 2009 (Klägerin zu 1) beziehungsweise Dezember 2007 bis Dezember 2009 (Klägerin zu 2). Das Oberlandesgericht Rostock (1 U 75/09) wies die (Haupt-) Berufung der Beklagten mit Beschluss vom 22. Mai 2015 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Im Folgenden, mit Schriftsatz vom 27. November 2015, haben die Klägerinnen Festgeldansprüche für 2007 bis 2009 im Wege der Klageerweiterung in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt.
4
Die Klägerin zu 1 fordert von der Beklagten die Zahlung der Festgeldbeträge für den Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 1.741.949,40 € und die Klägerin zu 2 für den Zeitraum von März 2008 bis Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 1.674.132,47 €. Weiterhin verlangen die Klägerinnen zu 1 und 2 die Einzahlung von - der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten - Instandhaltungsrücklagen auf die von der Beklagten eingerichteten Konten für die Jahre 2005 bis 2013. Widerklagend hat die Beklagte die Feststellung der Unwirksamkeit von § 8 Ziff. 5 GVV begehrt.
5
Die Beklagte hat sich hinsichtlich der Festgeldbeträge auf die (teilweise) Erfüllung dieser Forderungen durch die von ihr erbrachten Zahlungen sowie auf die Einrede der Verjährung berufen. Bezüglich der Instandhaltungsrücklagen hat sie gemeint, § 8 Ziff. 5 GVV sei nicht hinreichend bestimmt und deshalb unwirksam, sowie die Einrede der Verjährung erhoben. Jedenfalls seien tatsächlich von ihr getätigte Aufwendungen von den etwa zu leistenden Instandhaltungsrücklagen abzuziehen.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Unwirksamkeit von § 8 Ziff. 5 GVV festgestellt. Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung der verlangten Festgeldbeträge sowie zur Einzahlung einer Instandhaltungsrücklage von 157.548,55 € zugunsten der Klägerin zu 2 verurteilt; die weitergehende Klage (weitere Instandhaltungsrücklagen) und die Widerklage hat es abgewiesen.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde.
II.
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1. Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
9
a) Zu Unrecht beanstandet die Beklagte die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die Festgeldforderungen für die Jahre 2007 bis 2009 nicht verjährt seien. Mit der Klageerweiterung im Berufungsverfahren des vorangegangenen Prozesses (OLG Rostock - 1 U 75/09) wurde die zu diesem Zeitpunkt noch laufende Verjährungsfrist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB (in Verbindung mit § 261 Abs. 2 , § 167 ZPO ) gehemmt. Diese Hemmung endete gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Zurückweisung der dortigen (Haupt-)Berufung der Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO , hier mithin Ende Dezember 2015. Rechtzeitig vor Ablauf dieser Frist wurde durch die Einführung dieser Ansprüche in den vorliegenden Rechtsstreit - im Wege der Klageerweiterung - erneut die Hemmung der Verjährung bewirkt ( § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB , § 261 Abs. 2 , § 167 ZPO ).
10
b) Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB von erstmals im Wege der Anschlussberufung gerichtlich geltend gemachten Ansprüchen rückwirkend entfällt, wenn diese Anschließung nach § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verliert, und damit die Hemmung der Verjährung als nicht erfolgt anzusehen ist oder ob die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach Wegfall der Anschlussberufung endet, ist im zulassungsrechtlichen Sinne nicht klärungsbedürftig. Sie ist - entsprechend der einhelligen Ansicht im Schrifttum (BeckOK-BGB/Henrich, § 204 Rn. 56 [Stand: 1. August 2018]; BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, § 204 Rn. 412 [Stand: 1. September 2018]; MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl., § 204 Rn. 96; MüKo-ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 522 Rn. 36; Baumert, NJ 2014, 145, 148 f; s. auch Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 15. Aufl., § 204 Rn. 39) - eindeutig und zweifelsfrei im Sinne der zweiten Alternative zu beantworten. Gegenmeinungen in der Rechtsprechung oder im Schrifttum werden von der Beschwerde nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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aa) Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch eine wirksame Klageerhebung gehemmt. Zur Verjährungshemmung führt es auch, wenn der Anspruch - wie hier - (erstmals) klageerweiternd im Wege der Anschlussberufung geltend gemacht wird (RGZ 156, 291, 299; Erman/Schmidt-Räntsch aaO § 204 Rn. 6; MüKoBGB/Grothe aaO § 204 Rn. 5).
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bb) Die Hemmung endet zufolge § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Um eine anderweitige Beendigung in diesem Sinne handelt es sich auch, wenn die Anschließung nach § 524 Abs. 4 ZPO durch die Zurückweisung der Hauptberufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ihre Wirkung verliert. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB ("oder anderweitige Beendigung des eingeleiteten Verfahrens"), der eine Verfahrensbeendigung nach § 522 Abs. 2 , § 524 Abs. 4 ZPO einschließt, vor allem aber aus dem Zweck dieser Norm und der damit korrespondierenden Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, den Gläubiger davor zu schützen, dass sein Anspruch verjährt, nachdem er ein förmliches Verfahren eingeleitet hat oder nachdem er den Anspruch mit der Möglichkeit, dass über ihn rechtskräftig entschieden wird, in das Verfahren eines anderen eingeführt hat (Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 112). Die Hemmung sollte nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB auch über die Erledigung des Verfahrens hinaus noch weitere sechs Monate andauern, damit dem Gläubiger insbesondere bei Verfahren, die nicht mit einer Sachentscheidung enden, noch eine Frist bleibt, in der er - verschont von dem Lauf der Verjährung - weitere Rechtsverfolgungsmaßnahmen einleiten kann (BT-Drucks. 14/6040, S. 117). Der mit der Hemmung verbundene bloße Aufschub für die Dauer des Verfahrens und der sechsmonatigen Nachfrist sollte unabhängig von dessen Ausgang sein (BT-Drucks. 14/6040, S. 118; Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6857, S. 44; s. dazu auch BGH, Urteil vom 28. September 2004 - IX ZR 155/03 , BGHZ 160, 259, 262 ff ). Selbst bei einer Klagerücknahme sollte die Hemmung der Verjährung nicht mehr - wie nach früherem Recht ( § 212 Abs. 1 BGB a.F.) - rückwirkend entfallen, sondern bestehen bleiben und die sechsmonatige Nachfrist gelten (BT-Drucks. 14/6857 aaO). Wenn aber selbst bei einer Klagerücknahme, die vom Willen des Gläubigers abhängt, § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB Anwendung findet (s. dazu auch BGH, Urteile vom 28. September 2004 aaO S. 264 und vom 1. August 2013 - VII ZR 268/11 , NJW 2014, 155, 157 Rn. 32 mwN), kann für die Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung nach § 524 Abs. 4 ZPO , auf die der Gläubiger keinen Einfluss hat, nichts anderes gelten. Dem Schuldner ist mit der Geltendmachung des Anspruchs in einem gerichtlichen Verfahren deutlich gemacht worden, dass der Gläubiger diesen Anspruch ernstlich verfolgen will. Er bedarf daher keines Schutzes vor einer Verjährungshemmung, wenn das Verfahren ohne Zutun des Gläubigers endet, und kann in diesem Falle insbesondere nicht darauf vertrauen, dass der Gläubiger von der Durchsetzung der im Rahmen der Anschlussberufung anhängig gemachten Ansprüche vollends absehen wolle.
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2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Herrmann
Tombrink
Remmert
Arend
Böttcher