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  • 05.08.2021 · IWW-Abrufnummer 223907

    Landgericht Leipzig: Urteil vom 08.07.2021 – 5 O 640/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Leipzig

    Urteil vom 08.07.2021

    05 O 640/20

    In dem Rechtsstreit
    Verbraucherzentrale Sachsen e.V.,
    - Kläger -
    Prozessbevollmächtigte:
    gegen
    Sparkasse Vogtland,
    - Beklagte -
    Prozessbevollmächtigte:

    wegen Unterlassung

    - hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig durch
    Richterin am Landgericht als Einzelrichterin
    auf die mündliche Verhandlung vom 15.04.2021
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    1.
    Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Vorständen der Beklagten, zukünftig zu unterlassen,

    im Rahmen geschäfticher Handlungen gegenüber Verbrauchern, mit denen ein Zahlungsdiensterahmenvertrag abgeschlossen wird, für das Kontomodell "VogtlangGiro Young" mit der Angabe "kostenfreie Kontoführung für Schüler, Azubis und Studenten" zu werben, wenn gleichzeitig ein Verwahrentgelt verlangt wird, wie geschehen auf der Website der Beklagten am 13.02.2021 (Screenshot Anlage K3).

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    2.
    Der Kläger trägt 75%, die Beklagte trägt 25% der Kosten des Rechtsstreits.

    3.
    Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 Euro, für die Beklagte wegen der Kosten in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

    Beschluss:

    Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR (Klagantrag Ziffer 1.a: 10.000,00 Euro, Klagantrag Ziffer 1.b: 5000,00 Euro, Klagantrag Ziffer 1.c: 5.000,00 Euro) festgesetzt.

    Tatbestand

    Der Kläger, eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG (Anlage K1), macht AGB-rechtliche und wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen der Verwendung einer Entgeltklausel gegenüber Verbrauchern, mit denen ein Zahlungsdiensterahmenvertrag abgeschlossen ist / wird, geltend. Streitgegenständlich ist eine Bestimmung in den Vertragsbedingungen der Beklagten, die ein Verwahrentgelt für Guthaben ab 5.000,01 Euro in Höhe von 0,7 % p.a. für ab dem 01.02.2020 neu eröffnete Privatkonten sowie bei einem Kontomodellwechsel ab diesem Zeitpunkt festlegt (Kagantrag Ziffer 1.a und unvollständiger Ausdruck der Website als Anlage K2). Mit dem Antrag in Ziffer 1.b) wird Unterlassung der Forderung und Einziehung von Entgelten auf Grundlage der angegriffenen Vertragsbestimmung gefordert, mit dem Klagantrag Ziffer 1.c) die Unterlassung der Werbung mit "kostenfreier Kontoführung für Schüler, Azubis und Studenten", wenn gleichzeitig ein Verwahrentgelt verlangt wird (unvollständiger Ausdruck der Website, Anlage K 3). Der Hilfsantrag zum Klagantrag 1.a) sieht eine Unterlassungsverpflichtung jedenfalls bei gleichzeitiger Erhebung von Kontoführungsgebühren.

    Die Beklagte bietet für Privatkunden, die Verbraucher sind, die Kontomodelle "VogtlandGiro Komfort", "VogtlandGiro basis" und "VogtlandGiro direkt" sowie das kontoführungsgebührenfreie VogtlandGiro Young"an. Zu allen vier Kontomodellen informierte die Beklagte ihre Kunden auf ihrer Internetseite unter www.sparkasse-vogtland.de über das Anfallen des streitgegenständlichen Verwahrentgelts ab 01.02.2020 (Auszug Anlage K 2 - Screenshot Webseitenausdruck - Rubrik "Preise"). Das Kontomodell VogtlandGiro Young wurde weiterhin mit Kostenfreiheit beworben (Screenshot Auszug Anlage K 3). Die Beklagte legt als Anlage B 1 eine so bezeichnete "Anlage Verwahrentgelt zu Girokonto" vor, die nach ihrer klägerseits bestrittenen Angabe Neukunden und/oder kontowechselnden Bestandskunden bei Vertragsabschluss jeweils zur Unterschrift vorgelegt wurde. Parallel wurde die streitgegenständiche Verwahrentgeltklausel in das Preis-Leistungsverzeichnis und den Preisaushang (Anlage B 2) aufgenommen. Die Klausel wurde von der Beklagten im Zeitraum 01. - 13. Februar 2020 verwendet.

    Mit Schreiben vom 20.02.2020 hat die Klägerin die Beklagte wegen der Verwendung der Entgeltklausel gemäß Klagantrag Ziffer 1.a) abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung aufgefordert. Die Beklagte ist dem Unterlassungsbegehren mit Schreiben vom27.02.2020 (Anlage K 5) entgegengetreten.

    Der Kläger trägt vor,

    a) der mit dem Klagantrag zu Ziffer 1.a) geltend gemachte Unterlassungsanspruch folge aus § 1 UKlaG i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 BGB. Die streitgegenständlich gerügte Verletzungshandlung sei die im Internet verwendete Formulierung (Anlage K2), die in der Anlage B1 und dem preisaushang (Anlage B2) verwendeten Klauseln zum Verwahrentgelt seien kerngleiche bzw. inhaltsgleiche und von den Klaganträgen mitumfasste Verletzungen. Das Erheben eines Verwahrentgelts/Negativzinses von Bestands- und Neukunden verstoße gegen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen der §§ 675f Abs. 5, 675g BGB (Zahlungsdiensterahmenvertrag) und benachteilige Verbraucher unangemessen. Bei der Klausel auf der Website wie auch im Preisaushang (Anlage B 2) handele es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Auch das Dokument "Anlage Verwahrentgelt zu Girokonto" (Anlage B1) sei keine Individualabrede. "Verwenden" von AGB im Sinne des § 1 UKlaG sei schon dann gegeben, wenn der Verwender eine Klausel stellt. Ob es zu einem Vertragsschluss komme oder die Klausel wirksam in einen bestehenden oder neu abzuschließenden Vertrag tatsächlich einbezogen werde, sei für einen Anspruch aus § 1 UKlaG unerheblich.

    Zudem sei das Erreichen des Vertragszwecks eines Girovertrages - Mehrung oder nomineller Erhalt der Einlagen - gefährdet, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 4 ÖRKredInstG.

    Die Beklagte habe, insoweit unstreitig, inhaltlich identische Klauseln zum Verwahrentgelt sowohl gegenüber Neukunden als auch gegenüber Bestandskunden, mit denen bereits ein Girovertrag besteht und die von einem zum anderen Kontomodell wechseln wollen, verwendet (siehe Anlage B 2 "Preisaushang"). Die Einführung eines Verwahrentgelts erfolge bei einem Kontowechsel nicht über den Abschluss eines neuen Girovertrages (Kündigung oder einvernehmliche Aufhebung des alten Vertrages), sondern durch Änderung der einseitig gestellten Vertragsbedingungen für ein bereits bestehendes Konto. Ein Kontomodellwechsel könne nur bestehende Kundenbeziehungen und bestehende Zahlungsdiensterahmenverträge betreffen; der "Altkunde" werde daher bereits durch die bei einem späteren Wechsel zu einem anderen Kontomodell dann auch für ihn geltende Klausel eingeschränkt. Dass kontowechselnden Bestandskunden die Anlage B 1 zur Unterschrift vorgelegt worden wäre, wird bestritten, ebenso, dass Kunden der Beklagten bei einem Kontomodellwechsel "ausführliche Informationen" über den Hintergrund und Gegenstand des Verwahrentgelts einerseits und die Kontoführungsgebühr andererseits erhalten hätten. Eine Verwertung des als Anlage B9 vorgelegten Dokuments ("Girovertrag Privatgirokonto Änderung") sei beweisrechtlich unzulässig. Auch dass die streitgegenständliche Klausel Anfang Februar 2020 nur in 125 Fällen vereinbart und zu keinem Zeitpunkt tatsächlich ein Verwahrentgelt eingezogen worden wäre, wird bestritten. Eine stattgehabte Klauselverwendung an sich stehe aufgrund der zugestandenen 125 Fälle unstreitig fest. Rechtlich sei das streitige Verwahrentgelt als Negativzins oder Strafzins zu qualifizieren. Es handele sich nicht um eine Vergütung für eine von der Beklagten erbrachte zusätzliche Leistung. Für einen an die Verbraucher/Kunden durchgereichten Strafzins sprächen die in der Anlage B 1 näher dargestellten Berechnungsmodalitäten in Gestalt der Kopplung an den variablen Referenzzinssatz der EZB. Eine konkrete Verwahrleistung seitens der Beklagten liege nicht vor.

    b) Bei der bezüglich der Kontomodelle VogtlandGiro Komfort, VogtlandGiro basis und VogtlandGiro direkt vorliegenden Verknüpfung von Negativzinsen mit Kontoführungsgebühren handle es sich um eine unzulässige doppelte Bepreisung einer einheitlichen Leistung, die bereits durch die Kontoführungsgebühren abgegolten sei. Die Verwahrung von Einlagen gehöre zum gesetzlichen Pflichtenkreis des Zahlungsdienstleisters, für den dieser neben der Kontoführungsgebühr kein gesondertes Entgelt verlangen dürfe, § 675f Abs. 5 BGB. Mit dem Landgericht Tübingen (Urteil vom 25.05.2018, 4 O 225/17) handle es sich bei der Erhebung eines Verwahrentgelts bzw. von Negativzinsen nicht um eine der AGB-Kontrolle entzogenen Preisabrede, sondern um eine kontrollfähige Preisnebenabrede, da die Regelung kein Entgelt für eine (Sonder-)Leistung der Bank zum Gegenstand habe, sondern die Beklagte allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten in ihrem eigenen Interesse auf den Kunden abwälze. Solche Klauseln seien der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterworfen. Ein über die Entgegennahme und Verwahrung der auf dem Zahlungskonto vorhandenen Gelder hinausgehender zusätzlicher Leistungszweck sei nicht ersichtlich; der Zweck des Verwahrentgelts bestehe allein im Durchreichen des Negativzinses zur Abwehr von Kundengeldern. Die Verwahrung schulde die Bank bereits allein auf Grund des Girokontovertrages; einer Zusatzabrede bedürfe es zur Begründung dieser Verpflichtung nicht. Das Verwahrelement des Girovertrages sei weder Haupt- noch Nebenleistung, sondern nur eine eigene Obliegenheit des Kreditinstituts, die in der Sicherstellung der eigenen Leistungsfähigkeit zur Rückzahlung der Kundengelder bei Fälligkeit bestehe.

    c) Die AGB-Kontrolle der streitgegenständlichen Klausel wie der inhaltsgleichen gem. Anlage B1 führe zu ihrer Unwirksamkeit. Mit der Änderung des Preisaushangs mit Wirkung ab 01.02.2020 (Anlage B 2) werde einseitig auch in Altverträge eingegriffen, denn bei einem (späteren) Kontomodellwechsel gelte die Klausel dann auch für den Bestandskunden. Die Einführung des Verwahrentgelts erfolge bei einem Kontowechsel durch Änderung der einseitig gestellten Vertragsbedingungen für ein bereits bestehendes Konto (nicht durch Abschluss eines neuen Girovertrages); es liege daher selbst dann ein Eingriff in ein bestehendes Vertragsverhältnis mit Altkunden vor, wenn mit diesen eine ausdrückliche, das Vertragsverhältnis ändernde Vereinbarung getroffen worden wäre. Die gegenteilige Behauptung des Abschlusses von Neuverträgen bei einem Kontomodellwechsel sei auch aufgrund der Zustimmungsklausel in den AGB beispielsweise der Ostsächsischen Sparkasse unglaubhaft (Abdruck S. 2 des Schriftsatzes vom 19.6.2020). In der hier gegebenen Klauselkonstellation liege daher sowohl bei Alt- als auch bei Neukunden eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Für Leistungen, zu denen die Bank kraft Gesetzes oder aufgrund vertraglicher Nebenpflicht verpflichtet ist oder die sie im eigenen Interesse wahrnimmt, dürfe kein Entgelt berechnet werden. Die Regelungen der §§ 675c ff. BGB sähen ein Verwahrentgelt gerade nicht vor.

    Die Unangemessenheit der Klausel der Beklagten folge schließlich aus den Konditionen (Zuschlag von 0,2 %, Strafzins bereits ab einem Guthaben von 5.000,01 Euro). Das sei eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

    d) Die Klausel sei auch "überraschend" im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB. Der Kunde würde unzulässig überrumpelt, weil ein Strafzins als Verwahrentgelt getarnt werde, dem keine zusätzliche Leistung der Beklagten gegenüberstehe. Umfang und Grund des Verwahrentgelts werde in der Anlage B 1 nicht klar und präzise dargelegt, und es sei nicht ersichtlich, welchen Teil der Hauptleistung das Verwahrentgelt und welchen Teil die Kontoführungsgebühr abdecke. Insbesondere bei den streitgegenständlichen Angaben auf der Website der Beklagten seien Kunden über Umfang und Grund des Verwahrentgelts nicht informiert worden. Damit fehle es der Bestimmung an der notwendigen Transparenz, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

    Das Vorgehen der Beklagten bedeute eine doppelte Bepreisung einer Leistung, nämlich der Verwahrung des Guthabens auf dem Girokonto, in dem neben der Kontoführungsgebühr zusätzlich ein Negativzins erhoben werde. Dies begründe den Hilfsantrag zu Ziffer 1.a).

    Die bereits stattgehabte Entgelterhebung von einzelnen Kunden der Beklagten begründe einen Unterlassungsanspruch gem. Klagantrag Ziffer 1.b) nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 e) und h) UKlaG i.V.m. §§ 488, 675f Abs. 5 BGB.

    d) Der Klagantrag zu Ziffer 1.c) sei auf Grund wettbewerbsrechtlicher Irreführung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG begründet. Die Werbung mit einer kostenfreien Kontoführung führe zu der Annahme, dass dieses Kontomodell komplett kostenlos sei, während die Beklagte auch hier ab Einlagen von 5.000,01 Euro ein Verwahrentgelt erheben wollte, ohne das hierfür eine Gegenleistung angeboten worden wäre (siehe oben). Eine Unterscheidbarkeit zwischen Kontoführungsgebühren und Verwahrentgelten gäbe es aus Sicht des Kunden und Durchschnittsverbraucher nicht. Die Bewerbung des Kontomodells "VogtlandGiro Young" auf der Website habe unstreitig keinen Hinweis auf die Anlage B 1 enthalten. Bei der Erhebung eines Verwahrentgelts oberhalb eines bestimmten Einlagebetrages sei die Pauschalaussage "komplett gebührenfrei" unzutreffend.

    Es bestehe hinsichtlich sämtlicher Klaganträge Wiederholungsgefahr. Diese folge für die Klaganträge Ziffer 1.a) und c) aus dem Verwenden der Klausel und sei gegeben, solange die Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigere. Geleiches gelte für den Klagantrag ziffer 1.b), da die Beklagte mit einigen Kunden das Verwahrentgelt vertraglich vereinbart hatte.

    Der Kostenerstattungsanspruch des Klägers bezogen auf das Abmahnschreiben (Anlage K 4) folge aus § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 2, § 12 UWG.

    Der Kläger beantragt:

    1.
    Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro - und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft - oder eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Vorständen der Beklagten, zukünftig zu unterlassen,

    a)
    im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, mit denen ein Zahlungsdiensterahmenvertrag abgeschlossen ist (Bestandskunden) und/oder abgeschlossen wird (Neukunden), folgende und/oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Vertragsbedingungen zu verwenden und/oder sich darauf zu berufen:

    "Verwahrentgelt für Guthaben ab 5.000,01 € (Freibetrag 5.000,00 €)* - 0,70 % p.a.

    *Das Verwahrentgelt auf allen Privatgirokonten, die ab dem 01.02.2020 neu eröffnet werden, beträgt ab einer Einlagenhöhe von 5.000,01 € 0,70 % p.a. (Freibetrag 5.000,00 EURO). Die gleiche Regelung gilt für Kontomodellwechsel ab 01.02.2020."

    wie dies in dem als Anlagenkonvolut K 2 vorgelegten Internetausdruck vom 13. Februar 2020 geschehen ist,

    hilfsweise,

    im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, mit denen ein Zahlungsdiensterahmenvertrag abgeschlossen ist (Bestandskunden) und/oder abgeschlossen wird (Neukunden), die unter Buchst. A) genannte und/oder inhaltsgleiche Bestimmungen zu verwenden und/oder sich darauf zu berufen, wenn zugleich auch Kontoführungsentgelte erhoben werden, wie dies in dem als Anlagenkonvolut K 2 vorgelegten Internetausdruck vom 13. Februar 2020 geschehen ist,

    und/oder

    b)
    auf Grundlage der unter Buchst. A) genannten und/oder inhaltsgleicher Bestimmungen von Verbrauchern Entgelte zu fordern und/oder einzuziehen.

    und/oder

    c)
    im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, mit denen ein Zahlungsdiensterahmenvertrag abgeschlossen ist (Bestandskunden) und/oder abgeschlossen wird (Neukunden), für das Kontomodell "VogtlandGiro Young" mit der Angabe "kostenfreie Kontoführung für Schüler, Azubis und Studenten" zu werben, wenn gleichzeitig ein Verwahrentgelt verlangt wird,

    wie dies in dem als Anlage K 3 vorgelegten Internetausdruck geschehen ist.

    2.
    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 200,00 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt

    Klagabweisung.

    Der mit dem Klagantrag zu Ziffer 1.a) geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe dem Grunde nach nicht. Die mit der Klage angegriffene Vereinbarung über ein Verwahrentgelt verstoße nicht gegen AGB-rechtliche Vorschriften. Der Klagantrag zu Ziffer 1.b) scheitere bereits daran, dass zu keinem Zeitpunkt aus der angegriffenen Klausel Entgelte erhoben worden seien. Die Beklagte habe die streitgegenständliche Verwahrentgeltvereinbarung zwar genutzt, das Verwahrentgelt aber nicht erhoben und gegenüber ihren theoretisch betroffenen Kunden auf die Erhebung verzichtet (siehe Musteranschreiben Anlage B4). Die Vereinbarung eines Verwahrentgelts sei vor dem Hintergrund des anhaltenden Niedrig- und Negativzinsumfeldes erfolgt. Die Sparkasse sei gem. § 2 Abs. 1 ÖRKredInstG nicht nur der Förderung des Sparens und der allgemeinen Vermögensbildung verpflichtet, sondern ebenso der wirtschaftlichen Geschäftsführung und der Stärkung des Wettbewerbs im Kreditgewerbe. Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (seine Anwendbarkeit unterstellt) liege, schon weil es sich um ein Verwahrentgelt und nicht um einen Negitivzins handele, nicht vor.

    a) Die streitgegenständliche Klausel sei als echte Preisabrede einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB entzogen; es handle sich nicht um eine kontrollfähige Preisnebenabrede. Der Girokontovertrag beinhalte stets auch einen verwahrungsrechtlichen Bestandteil, der aufgrund seiner Selbständigkeit nach den Vorschriften über die unregelmäßige Verwahrung (§ 700 Abs. 1 BGB) zu bewerten sei. Da die sichere Verwahrung der Einlage sowohl für den Kunden als auch für die Bank ein wesentliches Element darstelle, sei diese im Rahmen eines Girokontovertrages als Teil der Hauptleistungspflichten einzustufen. Jede Vereinbarung über die hierfür synallagmatisch erhobene Gegenleistung, beispielsweise in Form des streitgegenständlichen Verwahrentgeltes, stelle deshalb eine echte Preisabrede dar, die aufgrund der Vertragsfreiheit der Parteien und der vom Gesetzgeber nicht gewollten Überprüfbarkeit von Preisen einer gerichtlichen Kontrolle über die AGB-rechtlichen Vorschriften entzogen sei. An der Einordnung der Verwahrung als eigenständiger Hauptleistungspflicht des Vertrages habe die in § 675 f BGB nominierte Vertragsart des Zahlungsdienstrahmenvertrages nichts geändert. Die Verwahrleistung sei nicht bereits Teil der nach § 675 f BGB geschuldeten Leistung. Bei der Verwahrungsleistung der Bank als Grundlage der auszuführenden Zahlungsleistungen handle es sich um eine unabhängige vertragliche Hauptleistung und bei dem Verwahrentgelt um die diese Leistung individuell bepreisende Gegenleistung. Eine gerichtliche Kontrolle einzelner Preise und Leistungsangebote verbiete sich. Das Entgelt diene entgegen der Ansicht des Klägers nicht dazu, allgemeine Betriebskosten der Bank auf den Verbraucher abzuwälzen, eine Preisnebenabrede liege daher nicht vor. Auch das LG Tübingen (4 O 187/17) habe die Rechtsauffassung vertreten, dass die Vereinbarung einer negativen Verzinsung für Neuverträge als Preisabrede der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundsätzlich entzogen sei (bei juris Rn. 60).

    Sowohl im Rahmen der Neueröffnung von Girokonten als auch im Rahmen etwaiger Wechsel in andere Kontovarianten (Kontomodellwechsel) sei jeweils seitens der Beklagten eine ausführliche und umfassende Information des Kunden über sämtliche Vertragskonditionen, auch über das Verwahrentgelt, durch geschulte Bankmitarbeiter erfolgt. Beginnend mit dem 1. Februar 2020 - Einführung des streitgegenständlichen Verwahrentgelts - und im Zeitraum bis zum 13. Februar 2020 habe die Beklagte ihren Kunden im Rahmen dieser Informationen ein separates Dokument mit der Überschrift "Verwahrentgelt zu Girokonto" (Anlage B1) vorgelegt, in dem alle Einzelheiten im Zusammenhang mit der Verwahrung und dem hierfür zukünftig zu erhebenden Entgelt erläutert würden. Lediglich parallel dazu sei die inhaltlich identische Klausel in die Preis- und Leistungsverzeichnisse bzw. Preisaushänge aufgenommen worden (Anlage B2). Die Vereinbarung eines Verwahrentgelts sei mittels der Vertragsdokumentation einschließlich der Anlage "Verwahrentgelt zu Girokonto" (Anlage B1) erfolgt. Sie habe ausschließlich für neue vertragliche Vereinbarungen mit Neukunden sowie mit Kunden, die im Zuge eines Kontomodellwechsels eine neue vertragliche Vereinbarung schließen mussten, gegolten. Mit diesen Kunden sei ein neuer Vertrag abgeschlossen worden (vorgelegt als Anlage B9). Kontomodellwechsel nehme die Beklagte nur auf Wunsch eines Kunden vor. Dieser werde im Anschluss an den Änderungswunsch ebenso wie bei dem erstmaligen Abschluss eines Kontovertrages ausführlich durch den jeweiligen Kundenberater informiert und über das neue Kontomodell aufgeklärt. Erst nach diesem Aufklärungsgespräch erfolge der Abschluss eines schriftlichen Änderungsvertrages zwischen Kunden und Beklagter. Hierbei werde seitens des Kunden ein neues Vertragsformular unterzeichnet (Anlage B9). Die Regelungen der Ostsächsischen Sparkasse, nach deren AGB jeweils die Zustimmung zu einem Änderungsangebot der Sparkasse als erteilt gilt, wenn nicht die Ablehnung binnen bestimmter Frist angezeigt wird (Abdruck AS 55) finde im Hause der Beklagten keine Anwendung. Kontomodellwechsel fänden ausschließlich nach dem oben dargelegten Verfahren als Individualvereinbarung im Sinne einer zweiseitigen Vereinbarung statt.

    Das streitgegenständliche Verwahrentgelt sei zudem nicht als "Negativzins" im rechtlichen Sinne einzuordnen. Zweck sei nicht die Mehrung von Vermögen gewesen, sondern das Vergüten der Verwahrungsleistung der Bank, und es sei nach dem Parteiwillen kein Zins im darlehensrechtlichen Sinn, sondern ein klassisches Entgelt. Dass die Förderung des Sparens und der allgemeinen Vermögensbildung zu den Aufgaben der Sparkassen gehört, führe nicht zu einer anderen Beurteilung (zu § 2 Abs. 1 ÖRKredInstG s.o.). Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (seine Anwendbarkeit unterstellt) liege, schon weil es sich um ein Verwahrentgelt und nicht um einen Negitivzins handele, nicht vor.

    Girokonten als Sichteinlagen seien ferner in der rechtlichen Bewertung nicht mit Sparverträgen (dazu BGH IX ZR 197/09) gleichzusetzen. Bei Girokontoverträgen liege der Schwerpunkt im Verwahrungsaspekt und der kurzfristigen Verfügbarkeit des Kundenguthabens. Ein negativer Zinsmarkt könne daher den Interessen bei Sparverträgen zuwiderlaufen, nicht aber den Interessen bei Girokontoverträgen.

    Die von der Beklagten verwendete Vereinbarung stelle auch keine Doppelbepreisung dar, weshalb auch unter diesem Aspekt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 BGB ausscheide. Die Verwahrung als eigenständige Hauptleistung sei zu keinem Zeitpunkt anderweitig bepreist gewesen und insbesondere nicht bereits durch Kontoführungsgebühren abgegolten. Bei neuen Verträgen sei es von vornherein möglich, zwischen der Führung des Kontos im klassischen Sinne (Zahlungsverkehrsdienstleistung) und der mit dem Verwahrentgelt bedachten eigentlichen Verwahrung des Kundenguthabens zu unterscheiden. Das sei vorliegend durch die Aushändigung der Anlage "Verwahrentgelt zu Girokonto" bei Vertragsabschluss geschehen. Hier werde dem Kunden die mit dem Entgelt abgegoltene Leistung verdeutlicht und von der sonstigen Kontoführung abgegrenzt. Eine zusätzliche einseitige Festlegung eines Verwahrentgeltes, was eine doppelte Bepreisung einer bereits von den Kontoführungsgebühren abgegoltenen Leistung nach Auffassung des LG Tübingen (4 O 225/17) darstellt, liege hier nicht vor; im dortigen Rechtsstreit sei es anders als vorliegend um ein auch für Bestandsverträge geltendes und nur über Preisaushänge eingeführtes Verwahrentgelt gegangen.

    Die Beklagte habe die streitgegenständliche Klausel zu keinem Zeitpunkt auf bestehende Altverträge angewendet. Auch bei einem Kontomodellwechsel liege wie dargelegt eine einseitige Änderung bestehender Leistungsbeziehungen nicht vor. Es gehe nicht darum, ob mit den Kunden bereits vorher ein Vertragsverhältnis bestand, sondern um die Frage des Eingriffs in bestehende Leistungsverhältnisse auf Grundlage einer einseitigen Änderung, was hier nicht der Fall gewesen sei. Der aufgrund zweier übereinstimmender Willenserklärungen der Parteien geschlossene (neue) geänderte Vertrag habe von Beginn an einen Verwahrungsvertragsbestandteil.

    b) Bei der streitgegenständlichen Klausel handele es sich nicht um eine überraschende Klausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB. Sie sei in Anbetracht der seit Jahren bekannten Entwicklung im Zinsbereich weder objektiv ungewöhnlich im Sinne eines Abweichens von üblichen Vertragsgestaltungen in der zum Vertragsschlusszeitpunkt üblichen Bankpraxis noch subjektiv für die betroffenen Kunden überraschend, da eine Diskrepanz zwischen dem vom Kunden erwarteten Inhalt und dem tatsächlichen Inhalt des Vertrages angesichts der individuellen Beratung und der übergebenen und zu unterzeichnenden Anlage zum Vertragsschluss (Neuabschluss und Kontowechsel) nicht gegeben sei. Über das hier streitige Verwahrentgelt sei zusätzlich über einen Preisaushang (Anlage B 2) informiert worden; die Entgeltregelung sei jedoch nicht über diesen in den Vertragsinhalt übernommen worden (s.o.). Dies sei durch die zusätzlich zum jeweiligen Vertrag zu unterzeichnende Anlage B1 geschehen. Ein Überraschungseffekt beim Kunden sei daher nicht denkbar, die Kundenerwartung zudem durch ein erhöhtes Bewusstsein für die Thematik der Verwahrentgelte geprägt.

    c) Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB liege nicht vor. Die Beklagte habe wie dargelegt über die Umfang und Grund des eingeführten Verwahrentgelts im individuellen Vertragsgespräch und der Anlage B1 informiert. Der durchschnittliche Verbraucher habe anhand der gebotenen Informationen die rechtlichen Folgen der Verwahrentgeltklausel erfassen können.

    d) Da zu keinem Zeitpunkt ein Verwahrentgelt erhoben worden sei und die Beklagte den Verzicht auf etwaige Verwahrentgelte mitgeteilt habe (Musterschreiben Anlage B 4), sei der Klagantrag zu 1.b) unbegründet.

    e) Die Werbung mit kostenfreier Kontoführung bezüglich des Produktes "VogtlandGiro Young" sei keine wettbewerbsrechtliche Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG und auf Grund der Unterscheidbarkeit zwischen Kontoführung und Verwahrung nicht haltbar. Die ausführliche Information der potentiellen Kunden über das angeregte Verwahrentgelt und die zusätzliche Vereinbarung der Gebühr in einem gesonderten Formular seien ausreichend, einer Täuschung des Verbrauchers entgegenzuwirken. In der vom Kläger als Anlage K 3 unvollständig vorgelegten Internetwerbung der Beklagten sei zudem der Hinweis mit einem Sternchen enthalten, dass es sich um "Preise für Bargeldauszahlung und -einzahlung, Buchungsposten, Online-Banking und Kontoauszüge handelte; diese Kosten seien bis 21 Jahre komplett gebührenfrei (außer Karten).

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie auf die Protokollniederschriften über die mündlichen Verhandlungen vom 13.10.2020 und vom 15.04.2021 mit Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin A.F. verwiesen.

    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich des Klagantrags Ziffer 1.c) begründet (unten zu II.1.); im Übrigen war sie als unbegründet abzuweisen. Dem Kläger steht hinsichtlich der Verwendung der streitgegenständlichen Klausel über die Erhebung eines Verwahrentgelts für Guthaben von Bankkunden der Beklagten (Klagantrag Ziffer 1.a und b) kein Unterlassungsanspruch gem. § 1 UKlaG zu.

    I.

    Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Leipzig ist nach §§ 5, 6 UKlaG, 13 Abs. 2 UWG i.V.m. §§ 7, 13 SächsJOrgVO zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Die Klagebefugnis des Klägers folgt aus §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UKLaG, 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG.

    II.

    1.

    Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG wegen wettbewerbsrechtlicher Irreführung der Verbraucher, die sich für das Kontomodell "VogtlandGiro Young" interessieren und entscheiden (Klagantrag Ziffer 1.c). Auf ihrer Website (vorgelegt in Auszügen als Anlage K3) bewirbt die Beklagte das Kontomodell mit der Angabe einer kostenfreien Kontoführung, dies mit weiteren (vom Kläger mit der Anlage K3 nicht vorgelegten, auf Seite 34 der Klagerwiderung abgedruckten) Hinweisen auf die ab 21 Jahre geltenden Preise für Bargeldauszahlung und -einzahlung, Buchungsposten, Online-Banking und Kontoauszügen; "bis 21 Jahre komplett gebührenfrei (außer Karten)". Mit der Herausnahme der Karten ist zum einen bereits die Kostenfreiheit, wenngleich für jeden Verbraucher ersichtlich, eingeschränkt; darüber hinaus erfolgt aus der Sicht des Verbrauchers eine Unterscheidung zwischen Kontoführung und Verwahrung jedoch nicht. Ein Hinweis darauf, dass eine Verwahrung des Guthabens auf dem Konto ab einem bestimmten Einlagebetrag einer weiteren, gesonderten Entgelteregelung unterworfen wäre, enthält die Bewerbung auf der Website unstreitig nicht. Dem angesprochen Verkehrskreis - Jugendliche bis 21 Jahre - ist eine von der Beklagten (rechtlich) angeführte Unterscheidbarkeit zwischen Kontoführung und Verwahrung nicht bekannt. Für die (jungen) Verbraucher scheint die angepriesene kostenfreie Kontoführung abschließend. Die weiteren Angaben unter dem *, mit denen die Preise für einzelne Leistungen von Kontoinhabern ab 21 Jahren aufgeführt werden, ändern hieran nichts. Für die angesprochenen Kontointeressenten ist die Aussage "bis 21 Jahre komplett gebührenfrei" entscheidend. Diese Aussage ist jedoch in ihrer Pauschalität bei Anwendung der Verwahrentgeltklausel auf Vertragsneuabschlüsse nicht zutreffend.

    Die Beklagte hat daher vor dem Abschluss eines Girokontenvertrages über wesentliche Merkmale der angebotenen Dienstleistung getäuscht und dadurch gezielt die geschäftliche Entscheidung des potentiellen Vertragspartners beeinflusst. Darauf, ob bei einem Vertragsabschluss in einer Filiale ein Gespräch geführt oder die Anlage B1 zur Unterzeichnung vorgelegt würde, kommt es nicht (mehr) an. Die irreführende geschäftliche Handlung liegt in der unzutreffenden Werbeaussage einer kostenfreien Kontoführung auf ihrer Website, ohne auf die ab dem 1.2.2020 eingeführte Verwahrentgeltklausel hinzuweisen, die diese komplette Kostenfreiheit einschränkt.

    2.

    Streitgegenstand der Klaganträge Ziffer 1.a) und b) sowie des Hilfsantrags ist die in dem als Anlage K2 (unvollständig) vorgelegten Screenshot der Website www.sparkasse-vogtland.de (Rubrik "Preise") vom 13.02.2020 angegebene, im Klagantrag Ziffer 1.a) vollständig wiedergegebene Bestimmung zur Erhebung eines Verwahrentgelts für Guthaben ab 5000,01 Euro auf ab dem 01.02.2020 neu eröffneten Privatgirokonten; dieselbe Regelung greift bei einem Kontomodellwechsel ab diesem Zeitpunkt. Dass die Beklagte eine inhaltlich vergleichbare Klausel in ihren Preisaushang (Anlage B2) aufnahm, ist unstreitig. Die dahinter stehende Zinsanpassungsklausel ist nicht Verfahrensgegenstand.

    Die Verwahrentgeltklausel auf der Website, im Preisaushang und in der Anlage B1 ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie ist für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, soll den Vertragsinhalt gestalten und wird von der Beklagten (Verwenderin) gestellt. Das Vorliegen von AGB hat die Beklagte nicht streitig gestellt. Ob sie, so die bestrittene Behauptung, zu keinem Zeitpunkt ein Verwahrentgelt erhoben hat, ist dabei unerheblich. Verwender ist, wer gegenüber Dritten erklärt, dass für bestimmte Verträge bestimmte AGB gelten sollen. Eine Klauselverwendung i.S.d. § 1 UKlaG setzt nicht voraus, dass es bereits zu einem Vertragsschluss gekommen ist und dass die AGB wirksam einbezogen wurden (OLG Köln, Urt. vom 26.2.2016, I 6 U 90/15, bei iuris Rn. 91).

    3.

    Die streitgegenständliche Formulierung verstößt nicht gegen AGB-rechtliche Vorschriften der §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, 305 c Abs. 1, 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Vereinbarung eines Verwahrentgelts für Neuverträge stellt eine kontrollfreie wirksame Preishauptabrede dar; die streitgegenständliche Entgeltklausel wurde ausschließlich über eine individuelle Vereinbarung (Anlage B1) in die ab dem 01.02.2020 neu abgeschlossenen Verträge mit Neukunden und bei einem Kontomodellwechsel einbezogen. Im Einzelnen:

    a)

    Die Beklagte hat die Klausel betreffend das streitgegenständliche Verwahrentgelt mit Zinsanpassungsklausel nicht über den Preisaushang oder die AGB (Anlage K2) in Neu- oder Bestandsverträge einbezogen. Die Vereinbarung der streitgegenständlichen Klausel war ausschließlich für neue Verträge, worunter im Hause der Beklagten auch die Fälle eines Kontomodellwechsels fallen, vorgesehen und erlangte individuell nach Unterzeichnung der Anlage B1 zum neu abzuschließenden Vertrag durch den einzelnen Kunden mit der Beklagten Geltung im Rahmen des neu abgeschlossenen Vertrages. Über den Preisaushang erfolgte eine weitere Information der Kunden über die Entgelterhebung. Eine (automatische) Einbeziehung der Verwahrentgeltklausel über Allgemeine Geschäftsbedingungen in Neu- oder Bestandsverträge, mit der bei laufenden Verträgen eine Umkehrung der Zinslast zuungunsten des Bankkunden verbunden wäre, erfolgte nicht. Die für ab dem 01.02.2020 abgeschlossene Neuverträge geltende streitgegenständliche Klausel ermöglichte es der Beklagten nicht, auch bei vor der streitgegenständlichen Preisklausel auf der Website und dem Preisaushang (Anlage B2) zustande gekommenen Verträgen ein Verwahrentgelt zu verlangen.

    Von diesem Sachverhalt ist das Gericht nach erfolgter Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin A.F., deren Aufgabe bei der Beklagten nach eigener Angabe die Anleitung der Berater im Hinblick auf einzuhaltende Vorschriften und Formalitäten im Hinblick auf das Procedere der Vertragsschlüsse nebst Anlagen war, überzeugt. Danach ging im hier streitgegenständlichen Zeitraum 01. - 13. Februar 2020 dem Abschluss eines Girovertrages mit einem Neukunden ebenso wie einem Vertragsneuabschluss mit einem Kunden, der einen Kontomodellwechsel vornehmen wollte, jeweils ein Beratungsprozess mit Informationen über die Kontobedingungen und über das zu zahlende Verwahrentgelt voraus. Auch mit Kunden, die einen Kontomodellwechsel vornehmen wollten, wurde nach Angabe der Zeugin ein neuer Girovertrag abgeschlossen ("Girovertrag Privatkonto Änderung", Anlage B9) und nicht eine Änderungsvereinbarung zu einem bestehenden Vertrag, es wurde ein Beratungsgespräch geführt und es wurde auch diesen Verträgen, wie den Verträgen mit Neukunden, die "Anlage Verwahrentgelt zu Girokonto..."(B1) zur Unterzeichnung beigefügt. Eine Unzulässigkeit der Einführung des Vertragsformulars in den Prozess, wie der Klägervertreter rügt, kann nicht erkannt werden; das Dokument, wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung allen Prozessbeteiligten vorgelegt, der Klägervertreter konnte im nachgelassenen Schriftsatz Stellung nehmen. Dass ein Kontomodellwechsel anders als durch einen neu abzuschließenden Vertrag vorgenommen worden wäre, hat er nicht unter Beweis gestellt. Der Hinweis auf die AGB anderer sächsischer Sparkassen ist nicht zielführend.

    Das Preis-Leistungsverzeichnis war nach Aussage der Zeugin nicht Bestandteil der dem Kunden übergebenen Unterlagen, es lag lediglich zur Einsicht bereit. Die Anlage B1 ist nach ihren Angaben von Anbeginn der Einführung des Verwahrentgelts an (1.2.2020) zur Anwendung gekommen, die Berater seien im Rahmen der Vertriebssteuerung in einer Schulung unmittelbar vor Einführung des Verwahrentgelts darüber unterrichtet worden, dass in den Fällen der vertraglichen Vereinbarung des Verwahrentgelts wie geschildert vorzugehen sei. Das Gericht sieht aufgrund der glaubhaften Aussage der mit der Einführung befassten Zeugin den Vortrag der Beklagten, wonach das Verwahrentgelt ausschließlich im Rahmen beidseitig unterzeichneter vertraglicher Vereinbarungen sowohl bei einer Kontoneueröffnung wie auch bei einem Kontomodellwechsel mit Neuabschluss eines Vertrages (Anlage B9) eingeführt wurde, diesem Vertragsabschluss jeweils eine umfassende Beratung durch eigens im Hinblick auf das Verwahrentgelt geschultes Personal vorausging und zusätzlich die vom Kunden zu unterzeichnende Anlage B1 Vertragsbestandteil wurde, als bewiesen an. Der Kläger hat keinen Kunden benannt, dessen bestehender Girovertrag mit der Beklagten ohne Unterzeichnung der Anlage B1 und vorhergehende Beratung über die Erhebung des Verwahrentgelts geändert oder mit dem ohne Beratung und Unterzeichnung der Anlage B1 ein neuer Vertrag abgeschlossen worden wäre. Es besteht daher anhand der bekannten Umständen kein Grund, an der detaillierten Aussage der mit dem Procedere der Einführung des Verwahrentgelts betrauten Zeugin zu zweifeln.

    Entgegen der Ansicht des Klägervertreters ist die Aussage der Zeugin auch nicht deshalb weniger beweiskräftig, weil diese weder bei den Schulungen der Mitarbeiter / Berater noch bei den einzelnen Kundengesprächen zugegen war. Solange keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Berater gegen die bankintern abgesprochenen Abläufe verstoßen haben, besteht kein Anlass, an der Umsetzung des von der Zeugin bestätigten Konzepts einer umfassenden Information der Kunden vor Vertragsabschluss auch und gerade im Hinblick auf das vertraglich durch Unterzeichnung der Anlage B1 vereinbarte Verwahrentgelt zu zweifeln. Die Zeugin hat den Prozess der Vertragsabschlüsse bei Neukunden wie auch bei Kunden, die das Kontomodell wechseln wollten, nachvollziehbar und detailreich erläutert und zudem bestätigt, dass eine Anwendung der streitgegenständlichen Bestimmung zu einem Verwahrentgelt im Rahmen bestehender Verträge nicht stattgefunden hat. Das ergibt sich im Übrigen auch aus der Geltungsbestimmung in der Klausel selbst. Sie hat zudem die Unterzeichnung sowohl der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung als auch der Anlage B1 "Verwahrentgelt zu Girokonto" in dem ihr obliegenden Bereich "Marktfolge" im Nachhinein kontrolliert. Da, wie mit dem vorgelegten "Girovertrag Privatkonto Änderung" nachgewiesen, auch bei einem Kontomodellwechsel ein neuer Vertrag geschlossen wurde, ist die Behauptung des Klägers, die Einführung des Verwahrentgelts sei bei einem Kontowechsel durch Änderung der einseitig gestellten Vertragsbedingungen für ein bereits bestehendes Konto erfolgt, widerlegt.

    c)

    Der Girovertrag ist, soweit die Bank im Giroverhältnis verpflichtet ist, für den Kunden ein Zahlungskonto zu führen und Zahlungsaufträge auszuführen (§ 675c Abs. 3 BGB), Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f BGB, mit einer Reihe vereinbarter Zusatzleistungen, § 675f Abs. 2 BGB. Das Ein- und Auszahlungsgeschäft wie das Ausführen von Überweisungen sind für den Girovertrag prägend und gehören damit zu den aus ihm erwachsenden Hauptleistungspflichten (Ermann, BGB, 16. Aufl. 2020, § 675f Rn. 30; BGH XI ZR 768/17). Darüber hinaus erfasst das Giroverhältnis weitere Leistungen der Bank (§ 675 Abs. 2 S. 2 BGB), insbesondere eine Verwahrungsfunktion (BGH, a.a.0.; BGH WM 2015, 1704). Wegen des jederzeitigen Rückforderungsrechts des Kunden werden die den Sichteinlagen zugrunde liegenden Vertragsbeziehungen als unregelmäßige Verwahrung gem. § 700 BGB qualifiziert (BGH XI ZR 768/17; BGH WM 2015, 1704 [BGH 28.07.2015 - XI ZR 434/14]; Kümpel/Mülbert u.a., Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2019, Rn. 3.850). Dieses im Verhältnis zum Zahlungsdiensterahmenvertrag eigenständige Vertragsverhältnis besteht auch nach Inkrafttreten des Zahlungsdiensterechts fort (BGH, a.a.0.). Das streitgegenständliche Entgelt für die Verwahrleistung der Bank ist damit nicht schon Teil der im Rahmen des Girovertrages / Zahlungsdiensterahmenvertrages geschuldeten Leistungen; die Verwahrungsleistung der Bank ist eigenständige Hauptleistung eines daneben bestehenden atypischen Verwahrungsvertrages, das mit Unterzeichnung der Anlage B1 vereinbarte Verwahrentgelt die so bepreiste Gegenleistung des Kunden. Die vereinbarte Vergütung für eine Verwahrung stellt eine Preishauptabrede dar und unterliegt damit nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB.

    Unter Berücksichtigung des dispositiven Charakters der Vorschriften zur unregelmäßigen Verwahrung i.S.d. § 700 BGB ist es den Parteien im Rahmen der Privatautonomie unbenommen, eine vom gesetzlichen Leitbild des Darlehensrechts (über § 700 Abs. 1 S. 1 BGB) abweichende Vertragsgestaltung zu vereinbaren und eine Verwahr- oder Einlagegebühr zu erheben (Kümpel/Mülbert, a.a.0., Rn. 3.851). Bei Geldern auf einem Girokonto muss es sich nicht zwingend um Einlagen handeln, die ausschließlich zur Abwicklung bargeldlosen Zahlungsverkehrs (§§ 675 ff. BGB) eingesetzt werden; es kann sich auch um finanzielle Mittel handeln, die "aufbewahrt" werden sollen, um bei Bedarf abgehoben zu werden. Den Banken entstehen aufgrund der Leitzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) bei bestehenden Guthaben auf Girokonten Kosten, die das Bedürfnis nach geänderten Vertragsgestaltungen bei Guthaben hervorgerufen haben. Geht es dem Kunden bei Guthaben auf dem Girokonto primär um eine sichere Verwahrung des Geldes und steht die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit zwecks Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs im Vordergrund, ist eine Vertragsvereinbarung in Form des Abschlusses eines Kapitalverwahrungsvertrages sui generis zwischen Bank und Kunde rechtlich zulässig und möglich (Kümpel/Mülbert u.a., a.a.0., Rn. 3851 m.w.N.).

    Die Bundesregierung hat in einer kleinen Anfrage (BT Drs. 19/17710 vom 09.03.2020) in ähnlicher Weise ausgeführt, Kreditinstitute seien grundsätzlich frei darin, die von ihnen angebotenen Dienstleistungen und deren Bepreisung nach eigenem geschäftspolitischen Ermessen innerhalb der allgemeinen rechtlichen Schranken zu bestimmen. Soweit sie aus Kostengründen ... dazu übergehen, Verwahrgebühren für die Entgegennahme von Einlagen zu verlangen, stehen sie im Wettbewerb mit Banken, die von Privatkunden nach wie vor Einlagen ohne Verwahrentgelte entgegennehmen. Innerhalb bestehender Verträge bestehen für die Banken rechtliche Risiken, Aufwendungen für Negativzinsen einseitig über eine AGB-Änderung auf die Kunden abzuwälzen (BTDrs., Seite 2)

    Auch die Rechtsprechung des BGH, nach der bereits die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild (hier: des Darlehensrechts) als solche die Inhaltskontrolle eröffnet, führt nicht zur Anwendbarkeit des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf die hier streitgegenständliche Klausel für Neukunden und zu deren Unwirksamkeit. Es mag sein, dass die Möglichkeit, formularmäßig über AGB Negativzinsen im Neugeschäft einzuführen, problematisch sein könnte, denn nach der gesetzlichen Konzeption ist die Verwahrungstätigkeit durch die Nutzungsmöglichkeit des Kapitals durch die Bank abgegolten. Wenn wie hier die Vereinbarung eines Verwahrentgelts über eine individuell einbezogene Verwahrentgeltklausel (Anlage B1) erfolgt, wird sie vom Kunden / Verbraucher als Gegenleistung für die Verwahrung wahrgenommen und ein Verwahrungsvertrag abgeschlossen, sodass schon kein Kontrollbedürfnis besteht. Darüber hinaus kann nicht ausgeblendet werden, dass die nach der gesetzlichen Regelung (Zahlungsdiensterahmenvertrag, Verwahrungsvertrag mit Bezugnahme auf die Vorschriften des Darlehensvertrages) nicht vorgesehene Möglichkeit eines negativen Zinsniveaus dazu führt, dass die als Kompensation für die Verwahrung des Guthabens zugrundegelegte Kapitalnutzungsmöglichkeit der Bank (Verwahrer) mit dem bestehenden negativen Zinsniveau entwertet ist und bei der Verpflichtung zur Zahlung eines Einlagezinses bei der EZB zu einer finanziellen Belastung für die Bank als Verwahrer wird (vgl. dazu Staudinger, BGB, a.a.0., Rn. F94a).

    Ebensowenig bestehen Besonderheiten für die Sparkassen aufgrund ihrer gemeinwohlorientierten Aufgabe nach § 2 Abs. 1 S. 4 ÖRKredInstG. Die Sparkasse hat ebenso wie andere Banken, mit denen sie im Wettbewerb steht (und die ebenfalls "Negativzinsen" bzw. "Verwahrentgelte" erheben), aufgrund der jeweiligen Marktgegebenheiten und insbesondere Marktzinsentwicklungen wirtschaftlich zu agieren, um die Versorgung mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen sicherzustellen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2). Die Beklagte kann sich nicht von der Marktentwiclung abkoppeln, sie hat die verschiedenen, ihr in § 2 Abs. 1 ÖRKredInstG obliegenden Aufgaben und Verpflichtungen auf der Grundlage der Marktgegebenheiten und dem derzeitigen Zinsumfeld wahrzunehmen. Eine einseitige Gemeinwohlorientierung wäre, worauf die Beklagte zurecht hinweist, kein tragfähiges Geschäftsmodell und es wäre ein Eingriff in den Wettbewerb (und würde die Wettbewerbsfähigkeit der Sparkassen massiv beeinträchtigen), würde einer Sparkasse allein aufgrund ihrer Verpflichtung zur Förderung des Sparens und der Vermögensbildung die Vereinbarung eines Verwahrentgelts verwehrt.

    c) Die vorliegend zu beurteilende Sachlage trifft das Neugeschäft (auch bei Kundenwechselmodellen, s.o.) und ist mit derjenigen, die dem Urteil des Landgerichts Tübingen vom 26.01.2018 zugrunde lag (Az.: 04 0 187/17), nicht vergleichbar. Dort wurde entschieden, dass ein Preisaushang mit dem Inhalt, dass für bestimmte Angebote in Zukunft negative Zinsen berechnet würden, gegen § 307 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB verstoße, weil das Klauselwerk der Bank ermögliche, auch bei vor dem streitgegenständlichen Preisaushang zustande gekommenen Verträgen Negativzinsen zu verlangen und damit in einer Weise von den für diese Verträge geltenden gesetzlichen Regelungen abweiche, die mit deren wesentlichen Grundgedanken nicht vereinbar ist. Mittels AGB könne aus einer Geldanlage nicht einseitig ein kostenpflichtiger Verwahrungsvertrag gemacht werden (ferner: Niermann, jM 2018, 230 ff; Langner/Brocker, WM 2017, 1917 ff.). Ferner stelle der Preisaushang mit der Zinsanpassungsmöglichkeit eine überraschende Klausel dar, § 305 Abs. 1 BGB. Weil der Preisaushang Altverträge nicht von der Negativverzinsung ausnehme, erstrecke sich der Unterlassungsanspruch auf die gesamte Klausel.

    Es ist herrschende Meinung, dass ein Preisaushang, der negative Zinsen für das Passivgeschäft vorsieht, unwirksam ist, wenn dieser im Zusammenhang mit der verwendeten Zinsanpassungsklausel auch Altverträge erfasst (dazu Staudinger/Piekenbrock/Rodi, BGB (2019), Anh. zu §§ 305-310, Rn. F91; ferner LG Tübingen, 4 0 225/17, Rn. 22). Die negative Verzinsung bewirkt insoweit eine Änderung des Vertragscharakters, weshalb sich die Festlegung von Negativzinsen nicht mehr im Rahmen des billigen Ermessens i.S.d. § 315 BGB hält, der die Konkretisierung einer bestehenden Leistungspflicht erlaubt (Staudinger, BGB, a.a.0., Rn. F91).

    Vorliegend besteht diese Erstreckung einer Verwahrentgeltvereinbarung auf Bestandsverträge nicht; der Preisaushang regelt nach eindeutiger Formulierung die Berechnung eines Verwahrentgelts für "alle ab 01.02.2020 neu eröffneten Privatgirokonten", "die gleiche Regelung gilt für Kontomodellwechsel ab 01.02.2020". Dass auch diese bei der Beklagten über einen Vertragsneuabschluss stattfinden (Anlage B9), wurde oben dargelegt. Zudem fand auch in Neuverträgen keine Einbeziehung einer Entgeltklausel über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten auf der Website (Anl. K2) oder über den Preisaushang (Anl. B2) statt, sondern nach der bewiesenen Behauptung der Beklagten allein über die beim Vertragsabschluss zusätzlich individuell vom Kunden nach Beratung zu unterzeichnende Anlage B1. Für das hier zu beurteilende Neugeschäft stufte auch das Landgericht Tübingen im Verfahren 04 0 187/17 die Vereinbarung negativer Zinsen (hier: Verwahrentgelt) als kontrollfreie und damit wirksame Preishauptabrede ein; als solche ist sie der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundsätzlich entzogen (LG Tübingen, a.a.0., bei iuris Rn. 60-62). Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung und Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte zusätzlich angebotene Leistung fallen, da die Vertragsparteien Leistung und Gegenleistung nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheitfreiregeln können, nicht unter § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Auch das Landgericht Tübingen sieht bei einem unregelmäßigen Verwahrvertrag im Falle der Vereinbarung eines Entgelts des Einlegers in Form einer negativen Verzinsung (der Begriff ist problematisch, weil das Darlehensrecht [§ 488 BGB] den Zins als Faktor der Mehrung des Kapitals versteht, ein Negativzins insoweit vom gesetzlichen Leitbild abweicht) eine echte Preishauptabrede, keine Preisnebenabrede (s.o.). Lediglich für den Fall, dass die beklagte Bank mit ihren Kunden bereits vertraglich eine Kontoführungsgebühr vereinbart hat, sei das zusätzliche Verlangen nach einem Entgelt für die Verwahrung durch einen Preisaushang als Preisnebenabrede zu qualifizieren. Dieser Fall ist vorliegend jedoch nicht zu beurteilen, da das Verwahrentgelt von der Beklagten ausschließlich über die Anlage B1 individuell bei Vertragsneuabschlüssen vereinbart und nicht über die Einbeziehung ihrer geänderten AGB (oder den geänderten Preisaushang) Vertragsbestandteil in Neu- oder Bestandsverträgen wurde.

    4.

    Die streitgegenständliche Klausel auf der Website der Beklagten (und im Preisaushang) ist nicht überraschend i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 2 BGB. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der klagende Verband überhaupt geltend machen kann, eine bestimmte AGB-Klausel sei wegen ihres überraschenden Charakters (§ 305 c Abs. 1 BGB) nicht Vertragsbestandteil geworden (mit weiteren Hinweisen auf die dies ablehnende Rechtsprechung des BGH: Staudinger / Piekenbrock, UKlaG, 2019, § 1 UKlaG, Rn. 28). Denn vorliegend wurde der jeweilige Kunde im stattgehabten Beratungsgespräch und jedenfalls über die zur Unterzeichnung vorgelegte Anlage B1, mit der eine individuelle Vereinbarung zur Einbeziehung und Geltung der Verwahrentgeltklausel für den Vertragsneuabschluss getroffen wurde, hinreichend aufgeklärt, zumal die Thematik aufgrund der von einer Vielzahl von Banken eingeführten "Negativzinsen" dem durchschnittlich informierten Verbraucher nicht mehr fremd ist. Der Kunde konnte dem gesonderten Dokument eindeutig entnehmen, dass zusätzlich zu den Kontoführungsgebühren ein Verwahrentgelt erhoben und vereinbart wird; zudem war die Anlage mit "Verwahrentgelt zu Girokonto" überschrieben und musste individuell bei Vertragsneuabschluss unterzeichnet werden. Damit war der Charakter des gesonderten Entgelts für die Verwahrleistung für den durchschnittlichen Kunden unschwer zu erfassen. Mit dem medial geprägten Bewusstsein der Bankkunden für die Thematik eines gesonderten Verwahrentgelts oder eines so bezeichneten "Negativzinses" darf davon ausgegangen werden, dass eine Überraschungs- oder Überrumpelungssituation bei zusätzlicher Erläuterung durch einen Berater und einer eigens zu unterschreibenden Anlage mit den entsprechenden Informationen zum Verwahrentgelt nicht vorlag. Dass ein Verbraucher mit einem Übergang von positiven / neutralen zu negativen Zinsen bei bereits abgeschlossenen Verträgen über Sichteinlagen nicht rechnen muss, mag einen Überraschungseffekt einer Klausel begründen; in der hier zu beurteilenden Konstellation war das Erheben eines Verwahrentgelts jedoch aufgrund der Beratung, Information und der zur Unterschrift vorgelegten Anlage "Verwahrentgelt zu Girokonto" Teil der vom Kunden erkannten Vertragserwartung.

    5.

    Die Klausel verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Hilfsantrag ist unbegründet. In der Anlage B1, die den Kunden ab dem 01.02.2020 zum Vertragsabschluss vorlag, wurde in eindeutiger Weise das Erheben eines Verwahrentgelts geregelt und durch deren Unterschrift jeweils ihr Einverständnis hiermit erklärt. Schon daraus wird die klare Trennung zu Kontoführungsgebühren ersichtlich. Anders als bei der der Entscheidung des LG Tübingen zu Az. 04 0 225717 zugrunde liegenden Konstellation war vorliegend mit den Kunden, die von der Verwahrentgeltklausel betroffen sein können, nicht bereits eine Kontoführungsgebühr vertraglich (in fortgeführten Altverträgen) vereinbart, weshalb das LG Tübingen das zusätzliche Verlangen nach einem Entgelt für die Verwahrung durch den Preisaushang als Preisnebenabrede qualifizierte; dort stand eine zusätzliche, rechtlich nicht geregelte Sonderleistung der Bank der neu eingeführten dort so bezeichneten "Negativverzinsung" nicht gegenüber. Hier liegt, da die Klausel (in Anlage B1 wie im Preisaushang und auf der Website) nur für neu abzuschließende Verträge zur Anwendung kam, kein zusätzliches, sondern ein erstmaliges Verlangen eines Entgelts für die nunmehr gesondert zu vergütende Verwahrleistung vor. Eine unzulässige doppelte Bepreisung einer einheitlichen Leistung, die bereits durch die Kontoführungsgebühren abgedeckt wäre, ist daher nicht gegeben.

    6.

    Da die streitgegenständliche Klausel nicht unzulässig und der Klagantrag Ziffer 1.a) unbegründet ist, war zugleich der Klagantrag Ziffer 1.b) als unbegründet abzuweisen. Darauf, ob ein Entgelt erhoben wurde, käme es allerdings nicht an; Gegenstand der Inhaltskontrolle einer AGB-Klausel ist der objektiv-generalisierende Inhalt unabhängig von ihrer Anwendung im Einzelfall (BGH NJW 1989, 582 [BGH 17.01.1989 - XI ZR 54/88]).

    7.

    Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ist unbegründet; eine Abmahnung wegen des Verstoßes der im Tenor unter Ziffer 1. wiedergegebenen Werbeaussage gegen die Vorschriften des UWG ist zwar erfolgt (Schreiben Anlage K4), eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wurde jedoch nicht gefordert. Zudem enthielt die Abmahnung zusätzliche, nicht begründete Forderungen.

    8.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 709 ZPO. Der Streitwert berücksichtigt, dass der wirtschaftlichen Bedeutung des Verbots einer Klausel bei dessen Bemessung im Rahmen des § 1 UKlaG keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen ist (Köhler/Bornkamm, UWG, 2020, § 1 UKlaG, Rn. 20), andererseits ein gesteigertes Allgemeininteresse an der Befreiung des Rechtsverkehrs von unwirksamen Klauseln im umstrittenen Bereich von "Negativzinsen" bzw. "Verwahrentgelten" der Banken anzuerkennen ist; dieses ist jedoch angesichts der individuellen Regelung im Hause der Beklagten und der schon aus diesem Grund nicht zu pauschalisierenden Entscheidung des Gerichts nicht allzu hoch und wie geschehen zu bewerten.

    RechtsgebietZinsenVorschriften§ 307 BGB