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  • 20.09.2023 · IWW-Abrufnummer 237434

    Bayerisches Oberstes Landgericht: Beschluss vom 20.07.2023 – 101 AR 150/23e

    1. Eine Gerichtsstandswahl nach § 35 ZPO ist insgesamt nicht bindend, wenn sie fehlerbehaftet ist. Wählt der Kläger ein von vornherein sachlich unzuständiges Gericht, tritt auch bezüglich der Wahl der örtlichen Zuständigkeit keine Bindungswirkung ein. Wählt der Kläger dagegen ein zunächst sachlich und örtlich zuständiges Gericht und ändert sich nachträglich durch eine Klageerweiterung die sachliche Zuständigkeit, wird die Bindungswirkung der Wahl bezüglich der örtlichen Zuständigkeit hierdurch nicht berührt.

    2. Das Wahlrecht nach § 35 ZPO kann grundsätzlich nicht mehr ausgeübt werden, wenn der Rechtsstreit bei einem zuständigen Gericht rechtshängig geworden ist.


    Bayerisches Oberstes Landesgericht

    Beschluss vom 20.07.2023

    101 AR 150/23 e

    In Sachen

    Xxx

    wegen Zuständigkeitsbestimmung

    erlässt das Bayerische Oberste Landesgericht - 1. Zivilsenat - durch die Präsidentin des Bayerischen Obersten Landesgerichts Dr. xxx, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht xxx, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. xxx, die Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht Dr. xxx und den Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht xxx am 20. Juli 2023 folgenden

    Beschluss

    Tenor:

    (Örtlich) zuständig ist das Landgericht München I.

    Gründe

    I.
    1. Am 6. Oktober 2021 beantragte die Klägerin, die S. GmbH, beim Amtsgericht Mayen den Erlass eines Mahnbescheids gegen die Beklagte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Ismaning. Der Mahnbescheid wurde am 7. Oktober 2021 erlassen und am 12. Oktober 2021 zugestellt. Die Hauptforderung aus "Werkvertrag/Werklieferungsvertrag gem. Rechnung 0001-ARF5-2020-120 vom 1.12.20"war mit 1.005,50 € beziffert, die Nebenforderungen (bestehend aus Mahn-, Auskunfts- und Inkassokosten) mit insgesamt 195,50 €. Als Prozessgericht, an das im Fall des Widerspruchs das Verfahren abgegeben werden sollte, war das Amtsgericht München benannt.

    Am 19. Oktober 2021 ging ein Widerspruch durch die Beklagte ein. Mit Verfügung vom 4. August 2022 gab das Amtsgericht Mayen das Verfahren an das Amtsgericht München ab, welches die Klägerin am 12. August 2022 zur Anspruchsbegründung aufforderte. Mit der Anspruchsbegründung vom 25. Januar 2023 begehrte die Klägerin weiterhin Zahlung von 1.005,50 € nebst Zinsen (Klageantrag 1) sowie Mahnkosten in Höhe von 20,00 €, Auskunftskosten in Höhe von 26,00 € und Inkassokosten in Höhe von 149,50 € (insgesamt 195,50 €; Klageantrag 2). Zudem begehrte sie von der Beklagten nunmehr in Erweiterung der Klage zusätzlich Zahlung von 15.423,50 € (Klageantrag 3), 5.412,54 € (Klageantrag 4), 15.086,20 € (Klageantrag 5) und 1.021,84 € (Klageantrag 6) jeweils nebst Zinsen. Die Klägerin sei ein Stromversorgungsunternehmen in Bad Dürkheim, Rheinland-Pfalz. Die Beklagte sei deren Kundin gewesen. Am 21. Mai 2020 habe die Beklagte die Klägerin mit der Herstellung der Hausanschlüsse an einer Verbrauchsstelle in Bad Dürkheim an das Versorgungsnetz Wasser sowie Gas beauftragt. Außerdem sei die Klägerin am 23. April 2020 beauftragt worden, den Anschluss an die Stromversorgung vorzunehmen. In der Zeit von Mai bis Dezember 2020 seien die beauftragten Hausanschlüsse durch die Klägerin hergestellt worden. Mit Datum vom 31. Dezember 2020 habe die Klägerin der Beklagten den Gashausanschluss sowie die Zuschläge für die Mehrlänge in Höhe von 1.005,50 € in Rechnung gestellt (Klageantrag 1), außerdem den Stromanschluss und die hiermit verbundenen Arbeiten in Höhe von 15.423,50 € und den Wasseranschluss sowie die Zuschläge für die Mehrlänge in Höhe von 5.412,54 € (Klageanträge 3 und 4). Am 18. Dezember 2020 sei ein Grundversorgungsvertrag über die Belieferung mit Energie- und Wasser geschlossen worden und die Klägerin habe im Folgenden die Beklagte an der Verbrauchsstelle in Bad Dürkheim mit Strom, Wasser und Gas beliefert. Die Klägerin habe gegenüber der Beklagten die erbrachten Leistungen für Gas, Wasser und Strom für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2021 abgerechnet und zwar für den Gasverbrauch 14.834,59 €, für den Wasserverbrauch 251,61 € (insgesamt also 15.086,20 €) und für den Stromverbrauch 1.021,84 € (Klageanträge 5 und 6). Für Mahnungen seien der Klägerin Kosten in Höhe von 20,00 € entstanden, aufgrund Abgabe der Ansprüche aus dem Klageantrag 1 an eine Inkassostelle zusätzlich 149,50 € und für eine Bonitätsauskunft 26,00 € (Klageantrag 2).

    Mit Verfügung vom 26. Januar 2023 ordnete das Amtsgericht München u. a. die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens an, wies darauf hin, dass das Amtsgericht München "sachlich unzuständig" sei und fragte an, ob Verweisungsantrag gestellt werde. Die Verfügung nebst Anspruchsbegründung wurde der Beklagten am 21. Februar 2023 zugestellt. Ebenfalls am 21. Februar 2023 nahm die Klägerin "Bezug auf die Verfügung des Gerichts vom 26.01.2023"und beantragte "die Verweisung an das zuständige Gericht". Mit Beschluss vom 22. Februar 2023 erklärte sich das Amtsgericht München für "sachlich unzuständig" und verwies den Rechtsstreit "auf Antrag der Klägerin an das Landgericht München I". Die Entscheidung beruhe auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht sei sachlich unzuständig. Auf Antrag der Klägerin habe sich das angegangene Gericht für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Gericht zu verweisen.

    2. Mit Verfügung vom 31. März 2023 übernahm das Landgericht München I das Verfahren und ordnete am selben Tag die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens an. Am 5. April 2023 nahm die Klägerin Bezug auf den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München vom 22. Februar 2023 und wies darauf hin, dass mit klägerischem Schriftsatz vom 21. Februar 2023 "die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt" worden sei. Nach Auffassung der Klägerin sei "in dieser Sache das Landgericht Frankenthal zuständig". Mit der Klage würden auch Ansprüche aus einem Grundversorgungsvertrag über die Strom- sowie Gasbelieferung geltend gemacht. Gemäß § 22 StromGVV bzw. § 22 GasGVV sei Gerichtsstand für die Verpflichtungen aus dem Grundversorgungsvertrag der Ort der Elektrizitäts- bzw. Gasabnahme durch den Kunden. Die Verbrauchsstelle befinde sich vorliegend in Bad Dürkheim. Auch bezüglich der streitgegenständlichen Hausanschlüsse befinde sich der Erfüllungsort dort. Daher werde beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht Frankenthal zu verweisen.

    Nachdem die Beklagte Gelegenheit zur Stellungnahme zum Verweisungsantrag erhalten hatte, erklärte sich das Landgericht München I mit Beschluss vom 3. Mai 2023 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit "auf Antrag der Klägerin an das Landgericht Frankenthal (Pfalz)". Die Entscheidung beruhe auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht sei örtlich unzuständig. Auf Antrag der Klägerin habe sich das angegangene Gericht für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen. Zur weiteren Begründung heißt es: "Zuständig ist nach § 22 StromGVV bzw. § 22 GasGVV der Ort der Elektrizitäts- bzw. Gasabnahme, dies ist vorliegend Bad Dürkheim".

    3. Mit Verfügung vom 10. Mai 2023 wies das Landgericht Frankenthal (Pfalz) die Parteien darauf hin, dass der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I "willkürlich sein dürfte". Die Gerichtsstände in § 22 StromGVV und § 22 GasGVV seien nicht ausschließlich. Es bestehe daher ein Wahlrecht hinsichtlich des Gerichtsstands, welches die Klägerin mit Angabe des Amtsgerichts München im Mahnverfahren bereits ausgeübt habe. Es sei "beabsichtigt, das Verfahren nach § 36 ZPO zu beschreiten".

    Mit Beschluss vom 26. Mai 2023 erklärte sich das Landgericht Frankenthal (Pfalz) für "örtlich unzuständig". Es liege ein negativer Kompetenzkonflikt vor, der nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO vom Bayerischen Obersten Landesgericht zu entscheiden sei. Ursprünglich seien sowohl das Landgericht München I als auch das Landgericht Frankenthal (Pfalz) örtlich zuständig gewesen, ersteres nach §§ 12, 17 ZPO, letzteres nach § 29 ZPO bzw. nach § 22 StromGVV, § 22 GasGVV. Da keiner dieser Gerichtsstände ausschließlich sei, habe ein Wahlrecht der Klägerin nach § 35 ZPO bestanden, welches sie mit der Angabe des Streitgerichts im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids zugunsten des Landgerichts München I ausgeübt habe. Zwar habe sie damals entsprechend dem Streitwert das Amtsgericht München als zuständiges Gericht angegeben, sie habe damit aber eindeutig den Gerichtsstand des Sitzes der Beklagten, ihren allgemeinen Gerichtsstand, als Gerichtsstand gewählt. Im Mahnverfahren werde ein bestehendes Wahlrecht zwischen mehreren zuständigen Streitgerichten grundsätzlich bereits im Mahnbescheidsantrag durch die Bezeichnung eines dieser Gerichte als für ein streitiges Verfahren zuständig ausgeübt und die so getroffene Wahl werde mit Zustellung des Mahnbescheids bindend und unwiderruflich. Nichts anders gelte für die Streitgegenstände der Klageerweiterung. Diese habe die Klägerin zunächst am Amtsgericht München geltend gemacht, ohne den Gerichtsstand zu thematisieren. Damit habe sie ihr Wahlrecht zugunsten des allgemeinen Gerichtsstands der Beklagten ausgeübt. Durch die Ausübung des Wahlrechts sei das Landgericht Frankenthal (Pfalz) unzuständig geworden. Die Zuständigkeit des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) sei auch nicht durch eine etwaige Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses vom 3. Mai 2023 gemäß § 281 ZPO eingetreten, denn dieser Beschluss sei willkürlich. Er setze sich in seiner Begründung nicht mit dem Wahlrecht der Klägerin auseinander. In dem Beschluss sei lediglich ausgeführt, dass eine Zuständigkeit des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) nach § 22 GasGVV, § 22 StromGVV gegeben sei. Daraus folge aber gerade keine Unzuständigkeit des Landgerichts München I. Eine Verweisung könne nur im Fall der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts erfolgen. Ein Ausnahmefall, in dem die Bindungswirkung entfalle, sei insbesondere dann gegeben, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein als Gericht des allgemeinen Gerichtsstands unzweifelhaft örtlich zuständiges Gericht sich darüber hinwegsetze, dass die Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 281 Abs. 1 ZPO die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetze und/oder eine nach § 35 ZPO bindende Gerichtsstandswahl des Klägers nicht berücksichtigt habe. Das Landgericht München I habe sich mit der Frage seiner eigenen Zuständigkeit nach §§ 12, 17 ZPO überhaupt nicht auseinandergesetzt. Damit habe es sich darüber hinweggesetzt, dass die Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 281 Abs. 1 ZPO die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetze. Daher entbehre der Verweisungsbeschluss jeder gesetzlichen Grundlage und sei demzufolge nicht bindend.

    4. Die Parteien hatten im Bestimmungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.

    II.

    Auf die zulässige Vorlage des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) ist auszusprechen, dass das Landgericht München I örtlich zuständig ist. Dessen Verweisungsbeschluss vom 3. Mai 2023 entfaltet keine Bindungswirkung.

    1. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.

    Das Landgericht München I hat sich durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 3. Mai 2023 für unzuständig erklärt, das Landgericht Frankenthal (Pfalz) durch den zuständigkeitsverneinenden Beschluss vom 26. Mai 2023. Die jeweils beiden Parteien mitgeteilte und ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12; BayObLG, Beschl. v. 12. September 2022, 101 AR 82/22, juris Rn. 25; Beschl. v. 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 13).

    Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil die Bezirke der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte zu den Zuständigkeitsbereichen unterschiedlicher Oberlandesgerichte (hier: Oberlandesgericht München und Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken) gehören und das für sie gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht, weil das mit der Rechtssache zuerst befasste Gericht in Bayern (hier: in München) liegt. Das nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Mahnantragstellers zuständige Mahngericht (hier: Amtsgericht Mayen) bleibt als Anknüpfungspunkt für die Feststellung des nach § 36 Abs. 2 ZPO zuständigen Gerichts außer Betracht (BayObLG, Beschl. v. 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 15; Beschl. v. 17. September 1998, 1Z AR 67/98, juris Rn. 3; Beschl. v. 21. August 1998, 1Z AR 58/98, BayObLGZ 1998, 119 [juris Rn. 6]).

    2. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 3. Mai 2023 entfaltet ausnahmsweise keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO.

    a) Im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit handelt es sich beim Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I um den insoweit zu prüfenden Verweisungsbeschluss. Das Landgericht München I war selbst nicht durch den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts München vom 22. Februar 2023 bindend örtlich zuständig geworden. Denn dieser bezog sich ausweislich des Tenors in Verbindung mit den Gründen der Entscheidung ausschließlich auf die Frage der sachlichen, nicht aber der örtlichen Zuständigkeit. Die Reichweite der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses erschöpft sich grundsätzlich in der Zuständigkeitsfrage, derentwegen verwiesen wurde, wobei eine Erstreckung auf weitere Zuständigkeitsfragen dann vorliegen kann, wenn und soweit das verweisende Gericht diese geprüft und bejaht hat (vgl. BayObLG, Beschl. v. 1. April 2004, 1Z AR 33/04, juris Rn. 9 m. w. N.). Vorliegend wollte das Amtsgericht München ersichtlich lediglich seine sachliche Zuständigkeit verneinen und hat weder ausdrücklich noch konkludent in bindender Weise über die örtliche Zuständigkeit befunden.

    b) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 3. Mai 2023 ist nicht bindend.

    aa) Zwar hat der Gesetzgeber in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss - hier bezüglich der örtlichen Zuständigkeit: das Landgericht Frankenthal (Pfalz) aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts München I vom 3. Mai 2023 - verwiesen worden ist. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (BayObLG, Beschl. v. 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 17).

    Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem Verweisungsbeschluss allerdings dann keine Bindungswirkung zu, wenn dieser schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr.; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1213 [BGH 15.08.2017 - X ARZ 204/17] Rn. 15; BayObLG, Beschl. v. 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18). Objektiv willkürlich ist ein Verweisungsbeschluss, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH, Beschl. v. 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; BayObLG, Beschl. v. 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18). Als willkürlich zu werten ist insbesondere, wenn sich ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, etwa weil es eine klare Zuständigkeitsnorm nicht beachtet oder nicht zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschl. v. 17. Mai 2011, NJW-RR 2011, 1364 [BGH 17.05.2011 - X ARZ 109/11] Rn. 11; BayObLG, Beschl. v. 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18; Beschl. v. 8. April 2020, 1 AR 23/20, juris Rn. 24). Eine Verweisung ist aber nicht stets als willkürlich anzusehen, wenn das verweisende Gericht sich mit einer seine Zuständigkeit begründenden Norm nicht befasst hat, etwa weil es die Vorschrift übersehen oder deren Anwendungsbereich unzutreffend beurteilt hat. Denn für die Bewertung als willkürlich genügt es nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 11 m. w. N.; BayObLG, Beschl. v. 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18). Solche liegen etwa vor, wenn sich eine Befassung mit dem Gerichtsstand nach den Umständen, insbesondere dem Parteivortrag dazu, derart aufdrängt, dass die getroffene Verweisungsentscheidung als nicht auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 11 u. 15; BayObLG, Beschl. v. 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18). Ein Verweisungsbeschluss kann u. a. als willkürlich anzusehen sein, wenn weder aus seiner Begründung noch sonst aus dem Akteninhalt nachvollziehbar ist, auf welcher Grundlage die Verweisung erfolgt ist (vgl. BayObLG, Beschl. v. 8. September 1998, 1Z AR 68/98, juris Rn. 12 f.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28. November 2018, 11 SV 109/18, juris Rn. 18 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8. Januar 2009, 8 AR 32/08, NJW-RR 2009, 482 [juris Rn. 10]; OLG Schleswig, Beschl. v. 2. Juni 2006, 2 W 80/06, NJW 2006, 3360 [juris Rn. 11]; OLG Braunschweig, Beschl. v. 20. Februar 2006, 1 W 98/05, juris Rn. 14; Anders in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl. 2023, § 281 Rn. 33; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 281 Rn. 10 und 17; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 281 Rn. 56). Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfällt allerdings nicht schlechthin, wenn der Beschluss nicht mit einer Begründung versehen ist (BGH NJW-RR 2017, 1213 [BGH 15.08.2017 - X ARZ 204/17] Rn. 19, 28). Maßgeblich ist, ob sich aus dem Vortrag der Parteien oder dem sonstigen Akteninhalt hinreichende Anhaltspunkte für die Gründe, auf denen die Entscheidung beruht, ergeben (vgl. BGH, Beschl. v. 26. August 2014, X ARZ 275/14, juris Rn. 9; OLG Hamm, Beschl. v. 6. September 2016, 32 SA 49/16, juris Rn. 31 ff.). Gleichfalls als objektiv willkürlich ist es anzusehen, wenn der Verweisungsbeschluss auf einer evident einseitigen oder sonst offensichtlich falschen Erfassung des Sachverhalts beruht (BGH, Beschl. v. 24. Juli 1996, X ARZ 683/96, NJW 1996, 3013 [juris Rn. 7]; BayObLG, Beschl. v. 24. Juni 2021, 101 AR 64/21, juris Rn. 42; Beschl. v. 28. Oktober 2020, 101 AR 114/20, juris Rn. 22; KG, Beschl. v. 20. Mai 1998, 28 AR 34/98, MDR 1999, 56 [juris Rn. 18]).

    bb) Nach diesem Maßstab ist der Beschluss des Landgerichts München I vom 3. Mai 2023 objektiv willkürlich und damit nicht bindend. Er beruht offensichtlich auf einer völlig unzureichenden Erfassung des Sachverhalts und lässt keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Gründe erkennen, auf denen die Entscheidung beruht.

    Inhaltlich erschöpft sich der Beschluss in der Feststellung, "zuständig ist nach § 22 StromGVV bzw. § 22 GasGVV der Ort der Elektrizitäts- bzw. Gasabnahme, dies ist vorliegend Bad Dürkheim". Weder enthält der Beschluss weitere Ausführungen, noch gab es einen vorhergehenden Hinweis des Landgerichts, welchem etwaige weitere Erwägungen zu entnehmen wären. Auch aus den klägerischen Verweisungsanträgen vom 21. Februar und 5. April 2023 ergeben sich keine hinreichenden derartigen Erwägungen, die sich das Landgericht stillschweigend zu eigen gemacht haben könnte. Der Verweis auf § 22 StromGVV bzw. § 22 GasGVV ist angesichts der Sachlage für eine Gesamtverweisung des Rechtsstreits jedoch vollkommen unzureichend.

    (1) Gemäß § 22 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV) ist Gerichtsstand für die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Grundversorgungsvertrag der Ort der Elektrizitätsabnahme durch den Kunden. Gemäß § 22 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung - GasGVV) ist Gerichtsstand für die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Grundversorgungsvertrag der Ort der Gasabnahme durch den Kunden.

    Weder im Beschluss vom 3. Mai 2023 noch an anderer Stelle geht das Landgericht München I darauf ein, dass die Klägerin zahlreiche Klageanträge gestellt hat, von denen nur ein Teil auf Verträge der Stromgrundversorgung bzw. der Gasgrundversorgung gestützt wird. Der Verweis auf § 22 StromGVV bzw. § 22 GasGVV ist angesichts der Sachlage für eine Gesamtverweisung nicht annähernd ausreichend. Bei objektiver Klagehäufung, § 260 ZPO, ist die örtliche Zuständigkeit vielmehr für jeden der Streitgegenstände zu prüfen (BayObLG, Beschl. v. 24. Juni 2021, 101 AR 64/21, juris Rn. 44). Die Klägerin stützt ihre Hauptforderungen (Klageanträge 1 und 3 bis 6; im Folgenden auch korrespondierend: "Forderungen"1 und 3 bis 6; der Betrag in Höhe von 195,50 € aus dem Klageantrag 2 wird als Nebenforderung geltend gemacht) auf unterschiedliche (Vertrags-)Grundlagen. Diese Forderungen sollen resultieren:

    Forderung 1: aus der Herstellung des Gashausanschlusses aufgrund Vertrags vom 21. Mai 2020,
    Forderung 3: aus der Herstellung des Stromanschlusses aufgrund Vertrags vom 23. April 2020,
    Forderung 4: aus der Herstellung des Wasseranschlusses aufgrund Vertrags vom 21. Mai 2020,
    Forderung 5: aus der Belieferung mit Gas und Wasser aufgrund Grundversorgungsvertrags vom 18. Dezember 2020
    und
    Forderung 6: aus der Belieferung mit Strom aufgrund Grundversorgungsvertrags vom 18. Dezember 2020.

    Unmittelbar einschlägig sind die vom Landgericht München I benannten Vorschriften daher lediglich für die Forderung 5 bezüglich der Gaslieferung (§ 22 GasGVV) und für die Forderung 6 (§ 22 StromGVV). Das Landgericht geht im Verweisungsbeschluss weder auf den Umstand ein, dass ein Teil der Anträge nicht auf Versorgungsverträge, sondern auf Anschlussverträge (Forderungen 1, 3 und 4) gestützt wird, noch auf den Umstand, dass ein Teil der Anträge nicht Strom und Gas, sondern Wasser (Forderungen 4 und zum Teil 5) betrifft. Das lässt vorliegend nur den Schluss zu, dass das Landgericht den Sachverhalt unzureichend erfasst hat.

    (2) Selbst wenn das Landgericht unausgesprochen der Auffassung gewesen sein sollte, dass § 22 GasGVV und § 22 StromGVV für alle Ansprüche einschlägig wäre, würde sich daraus zunächst allenfalls eine (Auch-)Zuständigkeit des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) ergeben. Die behauptete - und für einen Verweisungsbeschluss nach § 281 Abs. 1 ZPO notwendige - eigene Unzuständigkeit wird jedoch mit keinem Wort begründet. Dies wäre jedoch geboten gewesen. Ohne derartige Ausführungen ist nicht annährend zu erkennen, ob das Landgericht die eigene Unzuständigkeit daraus abgeleitet hat, dass § 22 GasGVV und § 22 StromGVV ausschließliche Zuständigkeiten begründen würden, oder daraus, dass die Klägerin ihr ansonsten bestehendes Wahlrecht nach § 35 ZPO bindend zugunsten des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) ausgeübt habe. Auf § 35 ZPO geht das Gericht weder ausdrücklich noch konkludent ein (vgl. zur diesbezüglichen grundsätzlichen Notwendigkeit z. B. auch BayObLG, Beschl. v. 18. Januar 2002, 1Z AR 3/02, NJOZ 2002, 2231 [2232]; OLG Frankfurt, Beschl. v. 22. Januar 2020, 13 SV 2/20, juris Rn. 14; OLG Hamm, Beschl. v. 10. Februar 2012, I-32 SA 3/12, juris Rn. 17). So ist auch nicht ersichtlich, ob das Landgericht sich bewusst war, dass ein Teil der Ansprüche schon im Mahnverfahren gerichtlich geltend gemacht wurde und ein Teil erst später durch Klageerweiterung, was eine Differenzierung bezüglich der Ausübung des Wahlrechts nach § 35 ZPO gebieten könnte. Selbst wenn das Landgericht München I der Auffassung gewesen sein sollte, dass das Wahlrecht für einen Teil der Ansprüche wirksam zugunsten des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) ausgeübt worden wäre, wäre unklar, auf welcher Grundlage es sich zu einer Gesamtverweisung befugt gesehen hat. Unter Zugrundelegung der gegebenen Begründung nebst sonstiger Aktenlage ist insgesamt nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Gesamtverweisung erfolgt ist. Der Beschluss entfaltet daher keine Bindungswirkung.

    3. Örtlich zuständig ist das Landgericht München I.

    a) Dessen örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 12, 17 ZPO.

    b) Zwar bestand bezüglich sämtlicher Hauptforderungen ein besonderer, aber nicht ausschließlicher Gerichtsstand beim Landgericht Frankenthal (Pfalz), wovon im Ergebnis offenbar auch das Landgericht Frankenthal (Pfalz) selbst ausgeht.

    aa) Dieser besondere Gerichtsstand ergibt sich jedenfalls-

    - bezüglich der Forderung 1 (Herstellung des Gashausanschlusses) nebst Nebenforderungen aus § 28 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Gasversorgung in Niederdruck (Niederdruckanschlussverordnung - NDAV),
    - bezüglich der Forderung 3 (Herstellung des Stromanschlusses) aus § 28 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (Niederspannungsanschlussverordnung - NAV),
    - bezüglich der Forderungen 4 (Herstellung des Wasseranschlusses) und 5 im Hinblick auf die Belieferung mit Wasser im Verhältnis der beiden Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus § 34 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV); diese Verordnung betrifft vorliegend sowohl den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung als auch die Versorgung mit Wasser (vgl. § 1 AVBWasserV),
     - bezüglich der Forderung 5 im Hinblick auf die Belieferung mit Gas aus § 22 GasGVV und
    - bezüglich der Forderung 6 (Belieferung mit Strom) aus § 22 StromGVV.

    Angesichts dessen kann dahinstehen, ob und inwieweit sich auch aus § 29 ZPO ein Gerichtsstand beim Landgericht Frankenthal (Pfalz) ergab (vgl. zum Erfüllungsort bezüglich der sich aus einem Energie- oder Wasserlieferungsvertrag ergebenden Verpflichtungen beider Vertragspartner am Ort der Abnahme z. B. BGH, Urt. v. 17. September 2003, VIII ZR 321/02, NJW 2003, 3418; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, § 29 Rn. 89; zum Wasserversorgungsvertrag z. B. auch OLG Dresden, Urt. v. 11. November 1999, 4 U 2430/99, juris Rn. 4).

    bb) Allerdings begründen diese besonderen Gerichtsstände keine ausschließliche Zuständigkeit, sodass der Klägerin nach § 35 ZPO ein Wahlrecht zwischen diesen und dem allgemeinen Gerichtsstand in München aus §§ 12, 17 ZPO zustand.

    Ein ausschließlicher gesetzlicher Gerichtsstand liegt nur vor, wenn die Ausschließlichkeit ausdrücklich angeordnet ist oder sich zweifelsfrei aus dem sonstigen Wortlaut der Vorschrift ergibt (vgl. dazu schon RG, Urt. v. 10. Oktober 1929, VIII 244/29, RGZ 126, 8 [10 f.]); Toussaint in BeckOK ZPO, 48. Ed. 1. März 2023, § 12 Rn. 34; noch weitergehend: Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 12 Rn. 8: "nur die, die ausdrückl so bezeichnet sind").

    Aus § 22 StromGVV ergibt sich eine derartige Ausschließlichkeit nicht (vgl. zum Wortlaut und zur Gesetzessystematik von § 22 StromGVV überzeugend auch AG Bad Segeberg, Beschl. v. 22. Februar 2013, 17 C 15/13, juris Rn. 16). Aber auch aus dem Sinn und Zweck der Norm ist ein solcher Ausschließlichkeitsvorbehalt nicht abzuleiten (vgl. dazu ebenfalls AG Bad Segeberg, Beschl. v. 22. Februar 2013, 17 C 15/13, juris Rn. 17). Ausweislich der Begründung zur Stromgrundversorgungsverordnung (vgl. zu § 22 StromGVV: BR-Drs. 306/06 S. 42) dient die "Festlegung des Ortes der Elektrizitätsabnahme durch den Kunden als Gerichtsstand [...] dessen Interesse an einer möglichst ortsnahen Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Vertragsverhältnis". Dass der Normgeber - ohne es ausdrücklich anzuordnen - durch die Vorschrift Klagen am (Wohn-)Sitz des Beklagten nach §§ 12, 13, 17 ZPO ausschließen wollte, ist nicht ersichtlich, denn auch diese Vorschriften dienen dem Interesse des Beklagten, dem mit dem allgemeinen Gerichtsstand des Wohnortes (bzw. Sitzes) die Prozessführung erleichtert werden soll (vgl. zu § 13 ZPO z. B. Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, § 13 Rn. 1). Hätte der Normgeber gleichwohl eine ausschließliche Zuständigkeit anordnen wollen, hätte nahegelegen, dies deutlich zum Ausdruck zu bringen, wie es in vergleichbaren Normen geschehen ist (vgl. z. B. § 29a Abs. 1 ZPO einerseits und § 29 Abs. 1 ZPO, welcher nach allgemeiner Auffassung keinen ausschließlichen Gerichtsstand begründet, andererseits).

    Entsprechendes gilt im Hinblick auf § 22 GasGVV (BR-Drs. 306/06 S. 46). Auch in Bezug auf § 28 NDAV und § 28 NAV (vgl. jeweils auch BR-Drs. 367/06) ist nicht ersichtlich, dass vom Normgeber eine ausschließliche Zuständigkeit begründet werden sollte. Ebenso wenig für § 34 AVBWasserV (vgl. zur Annahme eines Wahlrechts insoweit auch OLG Dresden, Urt. v. 11. November 1999, 4 U 2430/99, juris Rn. 4).

    Auch § 29 ZPO begründet jedenfalls keinen ausschließlichen Gerichtsstand.

    c) Gemäß § 35 ZPO hat der Kläger unter mehreren zuständigen Gerichten die Wahl. Ausgeübt wird die Wahl durch Bezeichnung des gewählten Gerichts in der Klageschrift und Einreichung bei diesem (Toussaint in BeckOK ZPO, § 35 Rn. 5; Schultzky in Zöller, ZPO, § 35 Rn. 2) bzw. im Fall eines Mahnverfahrens durch die in den Mahnantrag aufzunehmende Bezeichnung des Gerichts, das für ein streitiges Verfahren zuständig ist (BayObLG, Beschl. v. 9. Januar 2023, 102 AR 150/22, juris Rn. 23).
     
    aa) Bezüglich der Klageanträge 1 und 2 hat die Klägerin im Mahnantrag das Amtsgericht München als das für ein streitiges Verfahren zuständige Gericht bezeichnet und damit eine Wahl zugunsten des Gerichtsstands München getroffen. Mit Zustellung des entsprechend ausgefertigten Mahnbescheids - hier am 12. Oktober 2021 - wurde diese Wahl verbindlich und unwiderruflich (BGH, Beschl. v. 19. Januar 1993, X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273 [juris Rn. 2]; BayObLG, Beschl. v. 9. Januar 2023, 102 AR 150/22, juris Rn. 23). Beantragt der Kläger die Durchführung des streitigen Verfahrens, gibt das Mahngericht das Verfahren nach Widerspruch von Amts wegen an das Gericht ab, das in dem Mahnbescheid gemäß § 692 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezeichnet worden ist; die Abgabe an ein anderes Gericht ist nur dann möglich, wenn die Parteien dies übereinstimmend verlangen, § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO, was hier nicht der Fall war. Ein tatsächlich bestehendes Wahlrecht ist zu diesem Zeitpunkt - vorbehaltlich eines, hier nicht vorliegenden, abweichenden Antrags der Parteien - bereits ausgeübt und erloschen und kann nicht mehr durch Abgabe- oder Verweisungsantrag ausgeübt werden (BayObLG, Beschl. v. 9. Januar 2023, 102 AR 150/22, juris Rn. 23).

    Dass eine fehlerbehaftete Wahl nach § 35 ZPO unwirksam sein kann (vgl. dazu z. B. Schultzky in Zöller, ZPO, § 35 Rn. 3), ändert daran vorliegend nichts, denn das Amtsgericht München war zum Zeitpunkt der Wahl örtlich und sachlich zuständig und die Wahl demnach nicht fehlerbehaftet. Eine Ausnahme von der Bindungswirkung kommt zwar auch dann in Betracht, wenn erst nach dem gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 5, § 692 Abs. 1 Nr. 1 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt ein Wahlrecht entstanden ist (BayObLG, Beschl. v. 9. Januar 2023, 102 AR 150/22, juris Rn. 23 m. w. N.) oder wenn zwar bereits ein Wahlrecht bestand, die Klagepartei von den das Wahlrecht begründenden Tatsachen zum maßgeblichen Zeitpunkt aber nicht vorwerfbar, d. h. nicht auf mangelhafter Prozessvorbereitung beruhend, keine Kenntnis hatte (BayObLG, Beschl. v. 9. Januar 2023, 102 AR 150/22, juris Rn. 23 m. w. N.). Das war hier jedoch nicht der Fall.
     
    Auch der Umstand, dass sich durch die nachträgliche Klageerweiterung die sachliche Zuständigkeit änderte, führt nicht dazu, dass die Bindungswirkung der einmal getroffenen wirksamen Wahl des Gerichtsstands München für die Klageanträge 1 und 2 entfällt. Denn durch die Angabe des für das Streitverfahren zuständigen Gerichts in dem Mahnbescheidsantrag macht der Kläger von seinem Wahlrecht gemäß § 35 ZPO sowohl hinsichtlich der örtlichen als auch hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit Gebrauch. Ändert sich erst später die sachliche Zuständigkeit durch eine Erweiterung der Klage, wird die einmal begründete örtliche Zuständigkeit hierdurch nicht berührt (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17. Januar 2012, 2 AR 27/11, juris Rn. 5 f.).

    Dass die Klägerin später (ohne Differenzierung nach den Streitgegenständen) das Landgericht Frankenthal (Pfalz) wählte (vgl. dazu noch unten), hat in Bezug auf die Klageanträge 1 und 2 schon deshalb keine Wirkung, weil insoweit die frühere Wahl Münchens bereits bindend geworden war.bb) Auch bezüglich der Klageanträge 3 bis 6, die nicht Gegenstand des Mahnverfahrens waren, hat die Klägerin ihr Wahlrecht nach § 35 ZPO nicht wirksam zugunsten des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) ausgeübt.

    (1) Das Wahlrecht war bezüglich dieser erst nachträglich gerichtlich geltend gemachten Ansprüche allerdings nicht bereits durch die Zustellung des Mahnbescheids verbraucht (vgl. dazu z. B. BayObLG, Beschl. v. 10. Februar 2021, 101 AR 154/20, BeckRS 2021, 1758 Rn. 34; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12. April 2006, 15 AR 6/06, juris Rn. 15).

    (2) Die Klageanträge 3 bis 6 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 25. Januar 2023 beim Amtsgericht München eingereicht, ohne die Frage der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit zu thematisieren und insbesondere, ohne einen Verweisungsantrag zu stellen. Damit hat sie ihr Wahlrecht zwar ausgeübt. Diese Wahl war allerdings insgesamt nicht bindend. Denn das angegangene Amtsgericht München war zwar örtlich, für die gemeinsamen Klageanträge 3 bis 6 aber von vornherein nicht sachlich zuständig. Unwiderruflich und bindend ist jedoch nur eine fehlerfrei getroffene Wahl; eine fehlerbehaftete Wahl ist hingegen insgesamt unwirksam und zwar auch dann, wenn bei objektiver Klagehäufung das angerufene Gericht für einzelne Ansprüche zuständig ist (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, § 35 Rn. 3). Wählt der Kläger ein von vornherein sachlich unzuständiges Gericht, ist auch die Wahl der örtlichen Zuständigkeit nicht bindend (vgl. zu so einem Fall: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12. April 2006, 15 AR 6/06, juris Rn. 16; zustimmend: Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2020, § 35 Rn. 24). Das war hinsichtlich der Klageanträge 3 bis 6 der Fall.

    (3) Auch der klägerische Verweisungsantrag vom 21. Februar 2023 enthielt keine bindende Wahl des Landgerichts Frankenthal (Pfalz), denn in dem Antrag wurde lediglich "Verweisung an das zuständige Gericht" beantragt und zwar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Verfügung des Amtsgerichts München vom 26. Januar 2023. In dieser hatte das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass es "sachlich unzuständig" sei und angefragt, ob Verweisungsantrag gestellt werde. Daher konnte der Verweisungsantrag nur so interpretiert werden, dass aufgrund sachlicher Unzuständigkeit verwiesen werden solle. Die Wahl eines bestimmten Gerichtsstands war damit weder ausdrücklich noch konkludent verbunden.

    (4) Mit Schriftsatz vom 5. April 2023 hat die Klägerin dann zwar bezüglich der Klageanträge 3 bis 6 das Landgericht Frankenthal (Pfalz) gewählt. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie allerdings ihr Wahlrecht nicht mehr wirksam ausüben, weil der Rechtsstreit insoweit beim sachlich und örtlich zuständigen Landgericht München I rechtshängig war.

    Die Klageerweiterung wurde der Beklagten am 21. Februar 2023 zugestellt. Damit wurde die Klage insoweit rechtshängig. Aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts München wechselte die Rechtshängigkeit mit Eingang der Akten (vgl. dazu Foerste in Musielak/Voit, ZPO, § 281 Rn. 12; Anders in Anders/Gehle, ZPO, § 281 Rn. 39; Baudewin in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 281 Rn. 11) am 24. Februar 2023 zum Landgericht München I. Dieses Gericht war zu diesem Zeitpunkt sowohl sachlich als auch örtlich (§§ 12, 17 ZPO) zuständig.

    Die Klägerin konnte daher am 5. April 2023 nicht mehr wirksam ein anderes (grundsätzlich ebenfalls zuständiges) Gericht wählen. Denn das Wahlrecht des Klägers bei Konkurrenz mehrerer nicht ausschließlicher Gerichtsstände nach § 35 ZPO kann zwar u. a. durch die Beantragung einer Verweisung nach § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO ausgeübt werden. Aber der in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO verankerte Grundsatz der Fortdauer der Zuständigkeit (perpetuatio fori) erfordert, dass die äußerste zeitliche Grenze für die Ausübung des Wahlrechts der Eintritt der Rechtshängigkeit bei einem von mehreren zuständigen Gerichten ist; auch setzt die Verweisungsmöglichkeit des § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO tatbestandlich die Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts voraus (OLG Hamm, Beschl. v. 21. Oktober 2011, 32 SA 72/11, MDR 2012, 307; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, § 281 Rn. 6). Ausgehend von diesen Grundsätzen kann einem Gericht nach Eintritt der Rechtshängigkeit seine ursprüngliche Zuständigkeit nicht mehr durch Ausübung eines Wahlrechts nach § 35 ZPO genommen werden (OLG Hamm, a. a. O.). Hat der Kläger - wie hier - zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit bei einem zuständigen Gericht keine wirksame Wahl zugunsten eines anderen (grundsätzlich ebenfalls zuständigen) Gerichts getroffen, kann er wegen § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO diese Wahl nicht mehr nachholen (vgl. dazu auch OLG München, Beschl. v. 9. Juli 2007, 31 AR 146/07, juris Rn. 4). Auch in Ansehung von § 35 ZPO soll im Sinne der perpetuatio fori ein Wechsel bereits bei einem zuständigen Gericht rechtshängiger Verfahren zu anderen Gerichten, die ebenfalls zuständig sind, vermieden werden (vgl. dazu OLG Celle, Beschl. v. 11. Februar 2005, 4 AR 19/05, juris Rn. 4). Es liegt auch kein Fall vor, in welchem sich erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit beim Landgericht München I ein Wahlrecht ergeben oder die Klägerin von den das Wahlrecht begründenden Tatsachen erstmals Kenntnis erlangt hätte. Damit bleibt es auch bezüglich der Klageanträge 3 bis 6 bei der Zuständigkeit des Landgerichts München I.

    RechtsgebietProzessrecht