16.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242692
Amtsgericht Köln: Urteil vom 10.04.2024 – 149 C 606/23
Im Falle von Flugverbindungen ist bei der Prüfung des Zeitkorridors des Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-Verordnung auf die planmäßige Abflugszeit am Ausgangs-Flughafen, nicht auf diejenige am Umstiege-Flughafen abzustellen.
Amtsgericht Köln
149 C 606/23
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
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Tatbestand:
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Die Parteien streiten über Ausgleichsansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (i.F.: Fluggastrechte-VO) aus abgetretenem Recht.
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Herr W. G., Herr A. G., Herr Z. G., Herr N. O., Herr D. H., Herr L. T., Herr V. U. und Herr C. Y. (i.F.: die Fluggäste) waren für den 00.00.0000 auf die von der Beklagten auszuführende Flugverbindung N01 (Q. (i.F.: M.) ‒ P. (i.F.: R.), planmäßig 16:00 Uhr ‒ 16:15 Uhr, jeweils Lokalzeit) und N02 (R. ‒ J. (i.F.: X.), planmäßig 18:15 Uhr ‒ 19:50 Uhr, jeweils Lokalzeit) gebucht. N01 wurde pünktlich durchgeführt. N02 wurde von der Beklagten annulliert. Den Fluggästen wurde von der Beklagten eine Ersatzbeförderung angeboten, mit der sie wie folgt (ab R.) am 00.00.0000 reisten: N03 (R. ‒ K. (i.F.: I.), 16:40 Uhr ‒ 18:00 Uhr, jeweils Lokalzeit) und N04 (I. ‒ X., 20:20 Uhr ‒ 21:30 Uhr, jeweils Lokalzeit). Die Entfernung zwischen M. und X. beträgt, berechnet nach der Großkreismethode, 1.374 Kilometer.
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Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 30.05.2023 unter Fristsetzung bis zum 13.06.2023 erfolglos zur Zahlung der streitgegenständlichen Ausgleichsleistungen auf.
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Die Klägerin behauptet, die Fluggäste hätten die streitgegenständlichen Ausgleichsansprüche an sie abgetreten. Sie ist ferner der Ansicht, aufgrund des Abflugs in R. um 16:40 Uhr ‒ statt um 18:15 Uhr ‒ könne sich die Beklagte nicht auf den Anspruchs-Ausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO berufen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie € 2.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5,00%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 14.06.2023 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, N02 habe aufgrund Blitzschlags annulliert werden müssen und frühere Beförderungs-Möglichkeiten als die vorgenommene Ersatzbeförderung habe es nicht gegeben. Sie ist ferner der Ansicht, aufgrund der Ankunft in X. um 21:30 Uhr könne sie sich auf den Anspruchs-Ausschluss nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO berufen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I. 1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch in Höhe von 2.000,00 EUR aus Art. 7 Abs. 1 lit. a), Art. 5 Abs. 1 c) Fluggastrechte-VO i.V.m. § 398 BGB aufgrund der Annullierung des Anschlussflugs N02 betreffend die Fluggäste. Denn die Beklagte hat die Fluggäste rechtzeitig i.S.v. Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO ersatzbefördert.
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a) Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO wird den betroffenen Fluggästen bei Annullierung eines Fluges vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 der Fluggastrechte-VO eingeräumt, es sei denn, sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen. Mit Art. 5 Abs. 1 lit. c) ii) und iii) der Fluggastrechte-VO hat der Unionsgesetzgeber die dem Fluggast zumutbare Verlängerung der Flugzeit bei einer „anderweitigen Beförderung“ (Ersatzbeförderung) auf sechs bzw. drei Stunden begrenzt, jeweils aufgeteilt auf einen bestimmten Zeitraum vor der ursprünglichen Abflugzeit und einen bestimmten Zeitraum nach der ursprünglichen Ankunftszeit (BeckOK Fluggastrechte-VO/Schmid, 30. Edition, Stand: 01.04.2024, Art. 5 Fluggastrechte-VO Rn. 40).
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b) Hieran gemessen hat die Beklagte die Fluggäste rechtzeitig ersatzbefördert. Was die Ankunftszeit am Endziel angeht, ist dies unzweifelhaft der Fall. Denn die Fluggäste sollten X. planmäßig um 19:50 Uhr erreichen und kamen dort um 21:30 Uhr ‒ mithin mit einer Verspätung von weniger als zwei Stunden ‒ an. Aber auch hinsichtlich der Abflugzeit sind die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 lit. c) iii) der Fluggastrechte-VO eingehalten. Denn es kommt im Falle des annullierten Anschlussflugs nicht auf eine „Verfrühung“ am Umsteige-Flughafen, sondern auf eine „Verfrühung“ am Ausgangs-Flughafen an. Für eine solche Betrachtung spricht bereits, dass auch bei der Frage der Anwendbarkeit der Fluggastrechte-VO bei einheitlicher Buchung auf die gesamte Flug-Verbindung abgestellt wird und gerade keine Aufspaltung nach einzelnen Teilflügen stattfindet (EuGH, Urt. v. 24.02.2022 ‒ C-451/20 ‒ NJW-RR 2022, 563). Auch die Systematik der Vorschrift spricht gegen ein Abstellen auf die „Verfrühung“ am Umsteige-Flughafen. Denn in der Konsequenz müsste dem Fluggast dann auch im umgekehrten Fall der volle Ausgleichs-Anspruch zustehen, wenn also das ausführende Luftfahrtunternehmen den Zubringer-Flug annulliert, der Fluggast aber den deutlich später stattfindenden Anschlussflug noch erreicht, weil der „Ersatz-Zubringerflug“ früher ‒ indes über zwei Stunden nach der planmäßigen Landung des ursprünglichen Zubringerflugs ‒ den Umsteige-Flughafen erreicht als der planmäßig durchgeführte Anschlussflug dort startet. Dies ist allerdings durch das Wort „Endziel“ in der vorgenannten Vorschrift gerade ausgeschlossen. Insbesondere aber sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift gegen eine Auslegung, wie sie die Klägerseite vertritt. Denn wie sich auch aus der von der Klägerseite selbst im Schriftsatz vom 05.03.2024 (Bl. 110 d.A.) angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt, geht es bei der streitgegenständlichen Vorschrift gerade darum, dass eine erhebliche Vorverlegung eines Fluges in gleicher Weise wie dessen Verspätung für die Fluggäste zu schwerwiegenden Unannehmlichkeiten führen kann, da eine solche Vorverlegung ihnen die Möglichkeit nimmt, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihre Reise oder ihren Aufenthalt nach Maßgabe ihrer Erwartungen zu gestalten. Dies ist hiernach insbesondere dann der Fall, wenn ein Fluggast, der alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, aufgrund der Vorverlegung des von ihm gebuchten Fluges das Flugzeug nicht nehmen kann. Es ist auch dann der Fall, wenn die neue Abflugzeit den Fluggast zwingt, erhebliche Anstrengungen zu unternehmen, um seinen Flug zu erreichen (EuGH, Urt. v. 21.12.2021 ‒ C-146/20 u.a. ‒ NJW-RR 2022, 193 Rn. 76 ff.). Eine solche Unannehmlichkeit besteht aber gerade nicht, wenn es lediglich am Umsteige-Flughafen zu einer Vorverlegung in Form einer Umbuchung kommt. Denn in diesem Fall konnte der Fluggast durch die Vorverlegung keinerlei Schwierigkeiten haben, seinen Flug zu erreichen, denn der Zubringer-Flug ist ja ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ gerade pünktlich ‒ und nicht etwa verfrüht ‒ durchgeführt worden. Im Gegenteil verringern sich die Unannehmlichkeiten für den Fluggast durch die „Verfrühung“ des Anschlussflugs sogar, indem er weniger Zeit am Umsteige-Flughafen verbringen muss.
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2. Der Zinsanspruch teilt das Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.
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II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO
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Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
RechtsgebietFluggastrechteVorschriftenArt. 5 Abs. 1 Buchst. c) iii) Fluggastrechte-VO