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  • 18.08.2011 · IWW-Abrufnummer 112793

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 14.12.2010 – 4 U 18/09

    1. Vereinbaren die Partner eines Bauvertrages eine Sicherheitsleistung durch "Bankbürgschaft", so entspricht die Bürgschaft eines Versicherungsunternehmens in der Regel nicht der vertraglichen Vereinbarung.



    2. Soll bei einem Bauvertrag eine Sicherheit "während der Gewährleistungszeit" gestellt werden, so wird diese Sicherheit - wenn nichts abweichendes vereinbart wird - erst mit der Abnahme fällig. Eine frühere Fälligkeit der Gewährleistungsbürgschaft ergibt sich in diesem Fall auch nicht aus § 17 Abs. 7 Satz 1 VOB/B.


    4 U 18/09

    Tenor:
    I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 23.12.2008 - 10 O 58/08 - in der Hauptsache wie folgt abgeändert:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende Bürgschaften herauszugeben:

    - Bürgschein Nummer B ...-....../29-04/1 der V.. D.. K.-versicherung AG vom 01.12.2004 über 9.530,34 Euro

    - Bürgschein Nummer B ...-....../30-04/1 der V.. D.. K.-versicherung AG vom 02.12.2004 über 15.721,31 Euro

    - Bürgschaftsurkunde Bürgschein Nummer B ...-....../1-05/1 der V.. D.. K.-versicherung AG vom 28.02.2005 über 10.442,04 Euro

    - Kreditversicherungsvertrag Nummer B ...-....../8-05/1 der V.. D.. K.-versicherung AG vom 08.06.2005 über 10.500,- Euro

    - Bürgschaftsurkunde Bürgschein Nummer B ...-....../11-06/1 der V.. A.. Versicherung AG vom 03.05.2006 über 50.000,- Euro.

    2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

    II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

    III. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    IV. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110.000,- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    V. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe
    I. Die Klägerin ist ein Bauunternehmen. Die Beklagte betätigt sich als Generalbauunternehmer. Mit zwei Verträgen, die jeweils mit 29.09.2003/05.10.2003 datiert waren, beauftragte die Beklagte die Klägerin mit der Durchführung von Rohbauarbeiten für ein Objekt in ... B. (Anlagen OLG K7). Mit einem weiteren Vertrag vom 15.04.2004/17.01.2005 (Anlagen OLG K7) vergab die Beklagte weitere Rohbauarbeiten für dasselbe Objekt an die S.-B.-L. GmbH, eine Tochtergesellschaft der Klägerin.

    Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft führten die Rohbauarbeiten für das betreffende Objekt nach ihrer Auffassung vollständig aus. In drei verschiedenen Verfahren vor dem Landgericht Freiburg (10 O 8/07, 10 O 10/07 und 10 O 45/07) streiten die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft auf der einen Seite und die Beklagte auf der anderen Seite um die restliche Vergütung aus den Bauverträgen in Höhe von insgesamt ca. 360.000,- Euro. Es geht zum Einen um Abrechnungsfragen. Zum Anderen macht die Beklagte im erheblichen Umfang Mängel geltend, und hat mit entsprechenden Gegenansprüchen gegenüber den Vergütungsforderungen aufgerechnet. Die Parallelprozesse vor dem Landgericht Freiburg sind noch nicht abgeschlossen.

    Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft stellten der Beklagten für das Bauvorhaben in ... B. insgesamt fünf verschiedene Gewährleistungsbürgschaften (Anlagen OLG K8). Bürge waren die V.. D.. K.-versicherung AG und die V.. A.. Versicherung AG.

    Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren von der Beklagten verlangt, die Originalurkunden der Gewährleistungsbürgschaften herauszugeben. Die Klägerin sei nicht - bzw. nicht mehr - verpflichtet, der Beklagten für das Vorhaben entsprechende Sicherheiten zu stellen. Außerdem hat die Klägerin in diesem Zusammenhang vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.780,20 Euro nebst Zinsen geltend gemacht.

    Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunden und zur Zahlung der Anwaltsgebühren verurteilt. Auf die Vertragsverhältnisse zwischen den Beteiligten seien die Vorschriften der VOB/B anwendbar. Die Verpflichtung zur Rückgabe der Bürgschaftsurkunden ergebe sich aus § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B. Die Beklagte habe es trotz Aufforderung und Fristsetzung der Klägerin versäumt, von der Vergütung einbehaltene Beträge auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Damit sei die Verpflichtung der Klägerin, für die Gewährleistung einer Sicherheit zu stellen, gänzlich entfallen. Dies betreffe auch die bereits zur Verfügung gestellten Bürgschaftsurkunden.

    Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin, soweit es um eine Bürgschaft geht, welche nicht die Klägerin selbst, sondern ihre Tochtergesellschaft, die S.-B.-L. GmbH, zur Verfügung gestellt habe. Die Voraussetzungen für einen Rückgabeanspruch der Klägerin gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B seien zudem entgegen der Auffassung des Landgerichts aus rechtlichen Gründen nicht gegeben. In einem anderen Zivilprozess, in dem es um die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung einer Bauhandwerkersicherungshypothek gegangen sei, habe sich die Beklagte außerdem vergleichsweise verpflichtet, zur Sicherung der Werklohnansprüche der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft eine Bankbürgschaft über 145.000,- Euro zur Verfügung zu stellen. Dadurch seien die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft ausreichend gesichert. Eine Rückgabe der Gewährleistungsbürgschaften würde zu einer Übersicherung der Klägerin führen. Die Beklagte könne zwar die Bürgschaften eventuell deshalb zurückverlangen, weil sie nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprachen (Versicherungsbürgschaften statt Bankbürgschaften); einen solchen Anspruch könne die Klägerin jedoch nur durchsetzen, wenn sie gleichzeitig der Beklagten im Gegenzug ordnungsgemäße Bankbürgschaften zur Verfügung stelle.

    Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 23.12.2008 (Geschäfts-Nummer 10 O 58/08) aufzuheben, und

    1. die Klage abzuweisen,

    2. hilfsweise - bezüglich der Bürgscheine Haus A, Haus C, Haus D und Tiefgarage - der Klage stattzugeben gegen Übergabe einer Bankgewährleistungsbürgschaft über 59.162,94 Euro, nicht auf bestimmte Zeit begrenzt und unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage,

    3. hilfsweise - bezüglich des Bürgscheins Nummer B ...-....../11-06/1 der V.. A.. Versicherung AG - der Klage stattzugeben Zug um Zug gegen Übergabe einer Bankgewährleistungsbürgschaft über 36.295,83 Euro, nicht auf bestimmte Zeit begrenzt und unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Soweit es um eine Gewährleistungsbürgschaft für Leistungen ihrer Tochtergesellschaft geht, legt die Klägerin im Berufungsverfahren ergänzend eine Abtretungsvereinbarung vom 01.06.2008 (Anlagen OLG K9) vor.

    Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

    II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist überwiegend nicht begründet. Die Berufung hat lediglich insoweit Erfolg, als das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren verurteilt hat. Diese stehen der Klägerin nicht zu.

    1. Der Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der im Tenor genannten Bürgschaftsurkunden ergibt sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagte ist zur Rückgabe der Versicherungsbürgschaften verpflichtet, da die Bürgschaften ohne Rechtsgrund gestellt wurden.

    a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Soweit die Bürgschaften Bauleistungen der Klägerin betreffen, hat sie selbst die Bürgschaften gestellt und ist damit Gläubigerin des Bereicherungsanspruchs. Soweit es um den Bauvertrag zwischen ihrer Tochtergesellschaft, der S.-B.-L. GmbH geht, hat diese bei der Stellung der betreffenden Bürgschaft die Leistung im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB erbracht. Auch insoweit ist jedoch die Klägerin zur Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs berechtigt. Denn die Tochtergesellschaft hat den Rückgewähranspruch am 01.06.2008 an die Klägerin abgetreten (Anlagen OLG K9).

    Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr aus eigenem Recht, sondern teilweise aus abgetretenem Recht, gegen die Beklagte vorgeht, liegt eine Klageänderung vor. Diese ist gemäß § 533 ZPO zulässig. Denn sie ist sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO). Die Abtretungsvereinbarung ist im Berufungsverfahren zu berücksichtigen, da sie unstreitig ist (§ 533 Nr. 2 ZPO).

    b) Die Beklagte hat die Bürgschaftsurkunden zurückzugewähren, da die Bürgschaften ohne Rechtsgrund geleistet wurden. Nach den Bauverträgen (Anlagen OLG K7) waren - unter bestimmten Voraussetzungen - von der Klägerin und von ihrer Tochtergesellschaft Bankbürgschaften als Sicherheit für die Gewährleistung zu stellen. Die vorliegenden Versicherungsbürgschaften sind jedoch keine "Bankbürgschaften". Über die Auslegung der Bauverträge besteht zwischen den Parteien insoweit kein Streit. Da es sich bei den Versicherungsbürgschaften um vertraglich nicht geschuldete Leistungen handelt, besteht ein Herausgabeanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.

    c) Für die Begründung des Herausgabeanspruchs reicht es aus, dass Versicherungsbürgschaften von der Klägerin (bzw. von ihrer Tochtergesellschaft) nicht geschuldet waren. Weitere rechtliche Fragen, die eine Rolle spielen könnten, wenn die Klägerin Bankbürgschaften zur Verfügung gestellt hätte, können daher dahinstehen. Es kommt für den Herausgabeanspruch nicht darauf an, ob die Voraussetzungen für die Stellung einer Gewährleistungssicherheit vorlagen. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Regelung in § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B eventuell eine Rückforderung durch die Klägerin rechtfertigen könnte.

    2. Der Vergleich zwischen den Parteien vom 21.08.2007 im Verfahren des Landgerichts Freiburg - 10 O 50/07 - steht dem Herausgabeanspruch nicht entgegen.

    a) In dem Vergleich vom 21.08.2007 hat sich die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Sicherheiten für Werklohnansprüche (der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft) zu leisten. Im vorliegenden Verfahren geht es hingegen um Sicherheiten, welche die Klägerin (möglicherweise) der Beklagten für Gewährleistungsansprüche zur Verfügung stellen muss. Es geht um gegenläufige Ansprüche und damit um gegenläufige Sicherheiten. Die Frage, ob und inwieweit die Beklagte Sicherheit für Werklohnansprüche der Klägerin leisten muss, hat keine rechtlichen Auswirkungen auf die davon zu unterscheidende Frage, ob und inwieweit andererseits der Beklagten Sicherheiten zustehen für eventuelle Gewährleistungsansprüche gegen die Klägerin.

    b) Der Vergleich vom 21.08.2007 (vgl. das Protokoll in der Beiakte Landgericht Freiburg - 10 O 50/07 -) enthält keine Vereinbarung zur Frage von Gewährleistungssicherheiten. Die Parteien wussten bei Abschluss des Vergleiches vom 21.08.2007, dass die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft zu früheren Zeitpunkten Versicherungsbürgschaften gestellt hatten. Die Parteien haben in Kenntnis dieser Tatsache einen Vergleich abgeschlossen, in welchem die Frage der Gewährleistungssicherheiten nicht angesprochen wurde. Der Vergleich enthält auch keine allgemeine Abgeltungsklausel. Ein Wille der Parteien, mit dem Vergleich vom 21.08.2007 gleichzeitig eine irgendwie geartete Regelung für die Gewährleistungssicherheiten zu treffen, lässt sich der Vereinbarung nicht entnehmen.

    3. Der Beklagten stünde allerdings ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Anspruch der Klägerin zu, wenn die Klägerin (und die S.-B.-L. GmbH) verpflichtet wären, Gewährleistungsbürgschaften für das Vorhaben in ... B. in der Form von Bankbürgschaften zu stellen. Wenn die Beklagte aus den Bauverträgen einen fälligen Anspruch auf entsprechende Bankbürgschaften hätte, wäre sie zur Rückgabe der - fehlerhaften - Bürgschaftsurkunden nur Zug-um-Zug gegen Leistung ordnungsgemäßer Bankbürgschaften verpflichtet. Ein solcher Anspruch steht der Beklagten jedoch - zumindest derzeit - nicht zu. Die Hilfsanträge, mit denen die Beklagte im Berufungsverfahren ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, haben daher keinen Erfolg.

    a) Die Klägerin und ihre Tochtergesellschaft auf der einen Seite und die Beklagte auf der anderen Seite haben in sämtlichen vorliegenden Bauverträgen (Anlage OLG K7) eine Sicherheitsleistung in Höhe von fünf Prozent der Abrechnungssumme durch eine Bankbürgschaft vereinbart (vgl. jeweils Ziffer 3.3 der vorliegenden Verträge). Soweit die Verträge keine vorrangigen Absprachen enthalten, haben die Beteiligten die Geltung der VOB/B vereinbart (vgl. die rückseitig auf den Verträgen abgedruckten "zusätzlichen Angebots- und Vertragsbedingungen").

    b) Nach dem - für eventuelle Gegenansprüche maßgeblichen - Sachvortrag der Beklagten ist eine Abnahme der Bauleistungen bisher überwiegend nicht erfolgt. Die Leistungen der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaft sind nach dem Vorbringen der Beklagten - jedenfalls überwiegend - wegen erheblicher Mängel auch nicht abnahmefähig. Soweit eine Abnahme bisher nicht erfolgt ist, steht der Beklagten ein Anspruch auf die Stellung von Bankbürgschaften als Sicherheit für Gewährleistungsansprüche nicht zu.

    aa) Maßgeblich für die Fälligkeit einer Gewährleistungssicherheit sind die Vereinbarungen zwischen den Beteiligten. Aus den vorliegenden Bauverträgen ergibt sich eine Fälligkeit erst mit der Abnahme der Bauleistungen.

    In den Bauverträgen ist eine Sicherheitsleistung "während der Gewährleistungszeit" (vgl. Ziffer 3.3 in den Bauverträgen, Anlagen OLG K7) geregelt. Mit "Gewährleistung" werden üblicherweise Ansprüche des Bestellers bezeichnet, die geltend gemacht werden können, wenn das Erfüllungsstadium eines Werkvertrages mit der Abnahme geendet hat (vgl. beispielsweise Palandt/Sprau, BGB, 69. Auflage 2010, § 640 BGB Rn. 11). Der Begriff "Gewährleistungszeit" beschreibt daher üblicherweise die Zeit von der Abnahme bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, deren Beginn an die Abnahme anknüpft (§ 634 a Abs. 2 BGB). Aus der Formulierung "während der Gewährleistungszeit" ergibt sich außerdem, dass die Sicherheit nur für einen festen Zeitraum (fünf Jahre) gestellt werden sollte. Ein solcher fester Zeitraum für die Dauer der Sicherheitsleistung lässt sich nur einhalten, wenn die Fälligkeit mit dem Zeitraum der Abnahme eintreten sollte.

    In den von den Parteien verwendeten Vertragsformularen ist im Übrigen auch die Stellung einer Erfüllungsbürgschaft als Möglichkeit vorgesehen. Üblicherweise dient eine Erfüllungsbürgschaft der Sicherung des Auftraggebers für den Zeitraum des Erfüllungsstadiums, also bis zur Abnahme (vgl. hierzu auch § 17 Abs. 8 Nr. 1 Satz 1 VOB/B). Auch dieser Hinweis auf eine - mögliche - Erfüllungsbürgschaft spricht dafür, dass nach dem Verständnis der Parteien die Fälligkeit der Gewährleistungsbürgschaft (erst) mit der Abnahme eintreten sollte.

    bb) Eine frühere Fälligkeit der vertraglich vereinbarten Gewährleistungsbürgschaften ergibt sich nicht aus § 17 Abs. 7 Satz 1 VOB/B. Es kann dahinstehen, ob diese Fälligkeitsregelung für Sicherheiten bei Bauverträgen ("binnen 18 Werktagen nach Vertragsabschluss") nur für Vertragserfüllungsbürgschaften, oder auch für Gewährleistungsbürgschaften gelten soll. (Die wohl eher vorzugswürdige herrschende Meinung wendet § 17 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B nur auf Vertragserfüllungsbürgschaften an, vgl. Thierau in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Auflage 2010, § 17 VOB/B Rn. 216; Jagenburg in Beck'scher VOB-Kommentar, 2. Auflage 2008, § 17 Nr. 7 VOB/B Rn. 4; anders Joussen in Ingenstau/Korbion, VOB, 17. Auflage 2010, § 17 Abs. 7 VOB/B Rn. 4.) Denn eine vertragliche Regelung geht § 17 Abs. 7 Satz 1 VOB/B in jedem Fall vor (so auch Joussen aaO.). Da die Beteiligten die Stellung von Gewährleistungsbürgschaften mit der Abnahme vertraglich vereinbart haben (siehe oben aa), kommt es auf die Tragweite von § 17 Abs. 7 Satz 1 VOB/B nicht an.

    c) Die Beklagte macht allerdings (Schriftsatz vom 18.10.2010, II 135) geltend, bezüglich bestimmter Bauleistungen sei am 05.11.2004 eine Teilabnahme erfolgt. Auch insoweit liegen jedoch die Voraussetzungen für die Stellung einer Bankbürgschaft, welche die Beklagte im Wege eines Zurückbehaltungsrechts verlangen könnte, nicht vor.

    aa) Bei einer Teilabnahme wäre die insoweit von der Klägerin zu stellende Bankbürgschaft von der Beklagten der Höhe nach zu konkretisieren. Eine solche Konkretisierung ergibt sich aus dem Sachvortrag der Beklagten nicht. Die sich daraus ergebenden Bedenken können jedoch letztlich dahinstehen; denn die Beklagte kann trotz der Teilabnahme - jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - eine Bankbürgschaft für Gewährleistungsansprüche nicht mehr verlangen.

    bb) Nach Ziffer 3.3 der vorgelegten Bauvorträge sollte eine Bankbürgschaft "während der Gewährleistungszeit" gestellt werden. Diese ist, soweit es um die Teilabnahme geht, nach fünf Jahren, also am 05.11.2009 abgelaufen. Wenn die Klägerin eine entsprechende Bankbürgschaft gestellt hätte, wäre diese gemäß § 17 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B in Verbindung mit Ziffer 3.3 der Bauverträge zurückzugeben gewesen. Nach Ablauf der Gewährleistungszeit steht der Beklagten - soweit es um die Teilabnahme geht - daher ein Anspruch auf die Stellung einer Bankbürgschaft nicht mehr zu.

    cc) Eine Rückgabeverpflichtung hinsichtlich einer Gewährleistungsbürgschaft würde allerdings gemäß § 17 Abs. 8 Nr. 2 Satz 2 VOB/B dann nicht bestehen, wenn bei Fristablauf bestimmte Gewährleistungsansprüche der Beklagten noch nicht erfüllt wären. Unter dieser Voraussetzung könnte die Beklagte trotz des Fristablaufs möglicherweise auch noch eine - bis dahin nicht gestellte - Bankbürgschaft von der Klägerin verlangen. Hierauf kann sich die Beklagte im vorliegenden Verfahren allerdings nicht berufen. Denn sie hat Gewährleistungsansprüche, die auch nach Fristablauf durch eine Bürgschaft noch abzusichern wären, nicht schlüssig dargetan.

    Gewährleistungsansprüche der Beklagten aus den Bauverträgen wären im Einzelnen von der Beklagten darzulegen. Hierzu gehört Sachvortrag zu den vertraglichen Vereinbarungen und zu den von der Klägerin erbrachten Leistungen. Außerdem ist eine Darlegung der geltend gemachten Mängel und der sich daraus ergebenden Konsequenzen (Gegenansprüche in bestimmter Höhe wegen bestimmter Gewährleistungsrechte) erforderlich. Eine solche Konkretisierung von Gewährleistungsansprüchen ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht erfolgt. (Vergleiche hierzu auch den Hinweis des Senats unter Ziffer 13 in der Verfügung vom 10.09.2010 und die Stellungnahme des Beklagtenvertreters im Schriftsatz vom 18.10.2010 Seite 6, 7, II 135, 137.) Da Sachvortrag der Beklagten zu einzelnen Gewährleistungsansprüchen (wegen bestimmter Mängel in bestimmter Höhe) fehlt, kommt es auch nicht darauf an, ob und inwieweit die Beklagte bereits dadurch ausreichend gesichert ist, dass sie wegen der Geltendmachung von Gegenansprüchen erhebliche Teile der von der Klägerin verlangten Vergütung bisher nicht bezahlt hat.

    dd) Die Beklagte kann sich wegen der Stellung einer Bankbürgschaft auch nicht darauf berufen, dass die Gewährleistungsfrist gemäß Ziffer 3.3 und 3.6 der Bauverträge nicht abgelaufen wäre. Denn eine Verlängerung der - für § 17 Abs. 8 Nr. 2 Satz 1 VOB/B maßgeblichen - Frist von fünf Jahren haben die Parteien unstreitig nicht vereinbart.

    Ob und inwieweit die Verjährung wegen bestimmter Gewährleistungsansprüche der Beklagten gehemmt ist, spielt keine Rolle. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte wegen bestimmter Gewährleistungsansprüche noch gemäß § 215 BGB aufrechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht ausüben kann. Denn insoweit geht es rechtlich immer nur um die Frage, ob die Beklagte - trotz Zeitablauf - noch einen bestimmten Gewährleistungsanspruch geltend machen kann, und nicht um die Frage der Sicherheit. Bei der Sicherheitsleistung kann die Verjährungsfrage nur dann Bedeutung gewinnen, wenn die Beklagte im Rahmen von § 17 Abs. 8 Nr. 2 Satz 2 VOB/B geltend macht, dass ein bestimmter Gewährleistungsanspruch noch nicht verjährt ist. Auf die Geltendmachung konkreter Gewährleistungsansprüche hat die Beklagte in diesem Verfahren jedoch gerade verzichtet (siehe oben cc). Anders ausgedrückt: Wenn bestimmte Gewährleistungsansprüche der Beklagten nicht verjährt sein sollten, könnte die Beklagte eine Sicherheit nur insoweit beanspruchen, als die Sicherheit für diese Ansprüche noch benötigt wird (vgl. hierzu Thierau in Kapellmann/Messerschmidt aaO., § 17 VOB/B Rn. 231; Joussen in Ingenstau/Korbion aaO., § 17 Abs. 8 VOB/B Rn. 18; unklar allerdings Joussen aaO., § 17 Abs. 8 VOB/B Rn. 16). Soweit die Beklagte trotz bestehender Gewährleistungsansprüche eine Sicherheit hingegen nicht benötigt (weil die Gewährleistungsansprüche nur geringere Beträge betreffen, oder weil die Beklagte durch die nicht gezahlte Vergütung ausreichend gesichert ist), kann nach Ablauf der Gewährleistungsfrist ein Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht mehr bestehen. Da die Beklagte konkrete Gewährleistungsansprüche nicht zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits gemacht hat (siehe oben), lässt sich auch bei einer möglicherweise teilweise gehemmten Verjährung nicht feststellen, ob eine Sicherheit gemäß § 17 Abs. 8 Nr. 2 Satz 2 VOB/B ganz oder teilweise noch benötigt wird.

    4. Die Beklagte kann eventuelle Gewährleistungsansprüche - im Wege eines Zurückbehaltungsrechts - dem Herausgabeanspruch der Klägerin auch nicht unmittelbar entgegensetzen. Insoweit fehlt es bereits an einem entsprechenden (vollstreckungsfähigen) Zug-um-Zug-Antrag der Beklagten, der Gewährleistungsansprüche konkretisieren würde (vgl. hierzu auch Ziffer 13 der Verfügung des Senats vom 10.09.2010).

    5. Die Berufung der Beklagten hat allerdings wegen der Rechtsanwaltskosten der Klägerin teilweise Erfolg. Die geltend gemachten Anwaltsgebühren in Höhe von 1.780,20 Euro nebst Zinsen stehen der Klägerin nicht zu. Die Forderung ist nicht schlüssig. Die Schlüssigkeit ist von Amts wegen - unabhängig von Einwendungen der Beklagten - zu prüfen.

    Als Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung der Anwaltskosten kommt nur § 280 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 286 BGB (Verzugsschadensersatz) in Betracht. Die Voraussetzungen für einen Verzugsschaden der Klägerin liegen jedoch nicht vor. Die geltend gemachten Anwaltskosten sind der Klägerin dadurch entstanden, dass sie durch ihren Rechtsanwalt die Beklagte mit Schreiben vom 26.05.2008 auffordern ließ, die Bürgschaftsurkunden herauszugeben. Es handelte sich um die erste Aufforderung zur Herausgabe der Urkunden, so dass sich die Beklagte zu diesem Zeitpunkt nicht in Verzug befand. Da die Beklagte mit der Herausgabe nicht in Verzug war, können die durch das Anwaltsschreiben vom 26.05.2008 entstandenen Unkosten von der Klägerin auch nicht als Verzugsschaden geltend gemacht werden.

    6. Der Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 29.11.2010 erfordert keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO). Der Schriftsatz enthält keinen neuen Sachvortrag. Die vom Beklagtenvertreter angesprochenen rechtlichen Fragen sind in der Entscheidung berücksichtigt.

    7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils wegen einer Nebenforderung führt im Hinblick auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zu einer Änderung der Kostenentscheidung des Landgerichts.

    8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

    9. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die für die Entscheidung maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte sind in der Rechtsprechung geklärt.

    RechtsgebieteBGB, VOB/BVorschriften§ 640 BGB § 812 Abs. 1 S. Alt. 1 BGB § 17 Abs. 7 S. 1 VOB/B § 17 Abs. 8 VOB/B