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  • 03.01.2012 · IWW-Abrufnummer 114204

    Landgericht Lübeck: Beschluss vom 14.03.2011 – 7 T 595/10

    Wird dem Schuldner gemäß § 298 InsO die Restschuldbefreiung versagt, ist ein erneuter Insolvenzantrag des Schuldners, um doch noch Restschuldbefreiung zu erlangen, erst nach Ablauf von drei Jahren seit Rechtskraft der Entscheidung nach § 298 InsO zulässig (entgegen LG Kiel v. 18.06.2010 - 13 T 109/10).


    7 T 595/10

    In dem Insolvenzantragsverfahren
    ...
    hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck
    auf die sofortige Beschwerde des Schuldners
    gegen
    den Beschluss des Amtsgerichts Lübeck vom 14.12.2010
    durch
    den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Martens als Einzelrichter
    am 14. März 2010
    beschlossen:

    Tenor:
    Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner nach einem Wert von bis zu 300,- EUR.

    Gründe
    I.

    Der Schuldner, der einem Kind unterpflichtig ist, begehrt die Durchführung eines erneuten Insolvenzverfahrens, um doch noch Restschuldbefreiung erlangen zu können.

    Dem Schuldner war im Verfahren 53 a IK 509/07 des Amtsgerichts Lübeck die Restschuldbefreiung angekündigt worden. Diese wurde ihm jedoch wegen Nichtzahlung der Mindestvergütung mit Beschluss vom 28. Juli 2010 gemäß § 298 InsO versagt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg (Beschluss der Kammer vom 27.08. 2010, 7 T 410/10).

    Über die Schuldnerberatung der Hansestadt Lübeck stellte der Schuldner daraufhin am 08. November 2010 einen erneuten Insolvenzantrag, der mit Anträgen auf Restschuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten verbunden war. Danach stehen gut 57.000,- EUR Schulden keiner verwertbaren Masse gegenüber, dementsprechend war als außergerichtlicher Einigungsversuch ein sog. flexibler Nullplan vorgelegt worden.

    Mit Verfügung vom 12. November 2010 wies der Insolvenzrichter darauf hin, dass für den neuerlichen Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte, weil dieser innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger Versagung der Restschuldbefreiung gestellt worden sei. Die Grundsätze aus der Entscheidung des BGH vom 18.02.2010 - IX ZA 39/09 dürften auch auf § 298 InsO übertragbar sein.

    Die Schuldnerberatung wies daraufhin auf einen Beschluss des Landgerichts Kiel (13 T 109/10 vom 18.06.2010) hin, wonach eine solche entsprechende Anwendung gerade nicht in Betracht komme. Es fehle an einer zu schließenden Regelungslücke. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorgenannten Beschluss Bezug genommen.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. Dezember 2010 hat das Insolvenzgericht den Antrag des Schuldners als unzulässig abgewiesen. Der BGH habe in mehreren Entscheidungen eine dreijährige Sperrfrist angenommen, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt worden war. Entgegen LG Kiel sei diese Rechtsprechung auf § 298 InsO übertragbar. Der Schuldner solle das kostspielige und aufwändige Verfahren auch dann nicht sofort wieder in Anspruch nehmen können, wenn es aufgrund eigenen Fehlverhaltens im vorangehenden Verfahren zur Versagung der Restschuldbefreiung gekommen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen, der dem Schuldner am 17. Dezember 2010 zugestellt worden ist.

    Der Schuldner selbst hat am 27. Dezember 2010 (sofortige) Beschwerde eingelegt, diese aber entgegen seiner Ankündigung bis heute nicht begründet, weil seine Suche nach einem Anwalt seiner Darstellung nach bislang erfolglos verlaufen sei.

    Das Insolvenzgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

    II.

    Die nach § 34 Abs. 1 InsO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

    Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für die hier maßgebliche Problematik fehlt.

    In seiner Grundsatzentscheidung vom 16.07.2009 - IX ZB 219/08 hat der BGH (NJW 2009, 3650 ff. [BGH 16.07.2009 - IX ZB 219/08]) in Analogie zu § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO angenommen, dass einem Folgeantrag auf Restschuldbefreiung innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren nach Rechtskraft der die Restschuldbefreiung versagenden Entscheidung das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Das Gesetz enthalte nämlich eine Regelungslücke für den Fall, dass es in dem früheren Verfahren zu einer Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gekommen ist. Diese Rechtsprechung bezog sich zwar im Ausgangspunkt auf Fälle des § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO, sie sollte zudem im Vorgriff auf eine erwartete gesetzliche Regelung erfolgen. Den Kontrast dazu bildet jedoch die Entscheidung des BGH vom 21.01.2010 - IX ZB 174/09 (NJW-RR 2010, 776), wonach bereits die unterbliebene Stellung eines Antrages auf Restschuldbefreiung im vorangehenden Insolvenzverfahren eine Sperrfrist von (mindestens) drei Jahren ab Eröffnung für einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung auslöst, wobei als weitere Voraussetzung die Aufhebung des früheren Verfahrens genannt wird. In diesem Falle ist mithin kein unredliches Verhalten des Schuldners Anknüpfungspunkt für eine Sperrfrist, es reicht vielmehr allein eine Nachlässigkeit in eigenen Angelegenheiten. Als Grund für die Notwendigkeit verfahrensrechtlicher Konsequenzen wurde insbesondere genannt, dass der Schuldner die Gerichte sofort wieder mit einem erneuten Verfahren belasten könnte, obwohl er im vorangehenden Verfahren die Möglichkeit hatte, das angestrebte Ziel zu erreichen, vgl. BGH NJW-RR 2010, 776 [BGH 21.01.2010 - IX ZB 174/09]. Diese Rechtsprechung hat der BGH in seiner Entscheidung vom 04.02.2010 - IX ZA 40/09 (ZInsO 2010, 491) ausdrücklich bestätigt. Auch in den Entscheidungen vom 11.02.2010 - IX ZB 45/09 (ZInsO 2010, 490 f.) und vom 18.02.2010 - IX ZB 39/09 (ZinsO 2010, 587 f.) hat der BGH die vorstehend skizzierte Linie beibehalten.

    Der Fall, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 298 InsO versagt worden ist und er praktisch sofort wieder ein erneutes Insolvenzverfahren einleiten will, war zwar noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des BGH. Gleichwohl lassen sich aus der vorstehend aufgezeigten Rechtsprechung allgemeine Prinzipien ableiten, die auch hier mangels Rechtsschutzbedürfnis zur Annahme einer Sperrfrist führen.

    Tragendes Prinzip der Rechtsprechung des BGH ist die Überlegung, dass es vorangehende Entscheidungen unterlaufen würde, wenn der Schuldner die Möglichkeit hätte, sofort wieder ein neues Verfahren einzuleiten, um doch noch die Restschuldbefreiung zu erlangen, die ihm im Vorverfahren versagt geblieben ist. Insoweit ist der Gedanke der Mutwilligkeit heranzuziehen, denn regelmäßig fallen Verfahrenskosten an, die völlig unnötig wären, wenn sich der Schuldner von vornherein so verhalten hätte, dass ihm die Restschuldbefreiung im ersten Anlauf gewährt werden kann. Dies gilt um so mehr, als zumeist die Stundung dieser Verfahrenskosten erforderlich ist, um das Verfahren überhaupt durchführen zu können.

    Soweit das Landgericht Kiel (s. o.) bezogen auf § 298 InsO die Voraussetzungen für eine Analogie verneint, ist dort nur die Vergleichbarkeit mit den Fällen des § 290 Abs. 1 Nr. 5 und 6 InsO verneint worden. Dies ist auch insofern richtig, als die Nichtzahlung der Mindestvergütung schwerlich mit unredlichem Verhalten eines Schuldners verglichen werden kann. Die Beschränkung auf ein unredliches Verhalten versperrt jedoch den Blick auf den Kern der Problematik. Der Gesetzgeber hat nur in § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO iVm. § 4 a Abs. 1 Satz 3 und 4 InsO indirekt eine Sperrfrist geschaffen, weil der Ausschluss der Kostenstundung in der Regel der Eröffnung des Verfahrens entgegen steht. Selbst in den Fällen, in denen § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO direkt anwendbar ist, gibt das Gesetz keine klare Auskunft zur Herangehensweise, wenn der Schuldner (mit Hilfe Dritter) einen ausreichenden Verfahrenskostenvorschuss leisten sollte. Es wäre aber widersinnig, das Verfahren zu eröffnen und bis zum Schlusstermin zu führen, um dann erst auf einen Antrag eines Insolvenzgläubigers hin die Restschuldbefreiung zu versagen. Ungeschriebenes Merkmal muss deshalb sein, dass der Antrag des Schuldners absehbar zum Erfolg führen kann. Dies ist der eigentliche Hintergrund der Forderung des BGH, es müsse ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag vorhanden sein. Wenn der Gesetzgeber dies auch nicht ausdrücklich anordnet, so wird inzidenter vorausgesetzt, dass dieses Rechtsschutzbedürfnis in bestimmten Fällen fehlt und ein Verfahren deshalb nicht eröffnet werden kann. Die Regelungen der InsO sind jedoch vornehmlich auf den Erstantrag zugeschnitten, die Problematik von Folgeanträgen hat der Gesetzgeber nur höchst unvollständig normiert. Bestünde jedoch die Möglichkeit, Folgeanträge in beliebigem zeitlichen Abstand zum Vorverfahren zu stellen, stellt sich die Frage, weshalb dort Entscheidungen getroffen werden, die in Rechtskraft erwachsen und dann sofort wieder durch ein neues Verfahren in Frage gestellt werden können. Dies ist die eigentliche Lücke, um die es geht, und die nur sinnvoll durch eine Sperrfrist geschlossen werden kann. Die Möglichkeit einer sofortigen erneuten Antragstellung würde nämlich die Arbeit der Insolvenzgerichte entwerten. Wer als Schuldner die Chance hatte, die Restschuldbefreiung zu erlangen, dem kann im Falle des Scheiterns nicht sofort ein nächster Versuch zugebilligt werden, um das Ziel doch noch zu erreichen. Wenn man dem Landgericht Kiel folgen wollte, müsste man sich nämlich die Frage stellen, weshalb dann der Aufwand mit den Versagungsgründen überhaupt betrieben wird. Ihren Sanktionscharakter behalten diese Gründe nur, wenn sich für den Schuldner spürbare Folgen daran knüpfen. Es sprengt deshalb die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rechtsfortbildung nicht, wenn mit dem BGH angenommen wird, dass ein Rechtsschutzbedürfnis innerhalb von drei Jahren ab Rechtskraft der die Restschuldbefreiung versagenden Entscheidung zu verneinen ist, um dem Sanktionscharakter, der im Gesetz an-gelegt ist, zur Geltung zu verhelfen. Jede andere Betrachtung hätte zur Folge, dass Schuldner die Bestimmungen der InsO nicht mehr ernst zu nehmen bräuchten. Ein Grund für eine Differenzierung nach Versagungsgründen ist nicht ersichtlich. Soweit § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO einen Zehnjahreszeitraum nennt, ist dieser in erster Linie auf eine bereits einmal erteilte Restschuldbefreiung zugeschnitten, die dem Schuldner nicht so schnell wieder zugute kommen soll. Allerdings ist nur schwer verständlich, weshalb der Gesetzgeber eine derart klare Aussage durch ein Antragserfordernis geradezu verwässert. Im Zusammenhang mit einer Versagung der Restschuldbefreiung nach §§ 296, 297 InsO liegt lediglich eine Verschärfung der Nachwirkungen vor, die dann zudem nur auf Antrag und mit hinreichender Glaubhaftmachung zur erneuten Versagung der Restschuldbefreiung führen kann.

    Der Schuldner kann mithin erst im Spätsommer 2013 einen neuen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Wertfestsetzung auf § 58 Abs. 1 GKG.

    Rechtsmittelbelehrung

    Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 7 InsO die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft.

    RechtsgebietRestschuldbefreiungVorschriften§ 298 InsO § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO