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  • 27.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121928

    Oberlandesgericht Hamburg: Urteil vom 03.02.2012 – 8 U 39/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    8 U 39/11

    In dem Rechtsstreit
    xxx
    - Klägerin und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    xxx
    gegen
    xxx
    - Beklagter und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigte:
    erlässt das Hanseatische Oberlandesgericht - 8. Zivilsenat - durch
    den Richter am Oberlandesgericht Reichel als Einzelrichter
    auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2011 folgendes Urteil:

    Tenor:
    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12.02.2010, Az. 302 O 289/08, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24.03.2010 abgeändert:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 35.686,66 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 94.890,86 EUR festgesetzt.

    Gründe
    l.

    Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der xxx Ansprüche wegen der Vermietung von Gewerbeflächen und Auskehrung des Erlöses aus einer Verwertung von im Eigentum der Klägerin stehenden Gegenständen hat oder ob die Klagforderung durch Aufrechnung des Beklagten mit Ansprüchen aus nach seiner Sicht in anfechtbarer Weise erlangten Mietzinszahlungen erloschen ist und er widerklagend einen die Aufrechnung übersteigenden Restbetrag von der Klägerin beanspruchen kann.

    Am 03.08.2001 mietete die xxx von der Klägerin Büroräume, Lager- und Kellerflächen sowie PKW-Stellplätze auf dem Grundstück xxx in xxx im Jahre 2007 betrug die monatlich im Voraus zum dritten Werktag eines Monats zu entrichtetende Miete monatlich 14.519,11 €.

    Über das Vermögen der xxx, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts xxx vom 13.09.2007 auf Grund Antrags vom 10.08.2077 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch das Warenlager der Insolvenzschuldnerin sowie ein ihr gehörender LKW und ihre Betriebs- und Geschäftsausstattung auf den gemieteten Flächen.

    Der Beklagte verwertete diese Gegenstände durch Veräußerung zu einem Gesamtpreis von brutto 81.296,72 € bzw. netto 68.316,57 €. Ferner kündigte er mit Wirkung zum 31.12.2007 den zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Klägerin geschlossenen Mietvertrag.

    Die für die Zeit zwischen Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 13.09.2077 bis zum 31.12.2077 entstandenen Mietzinsansprüche in Höhe von insgesamt 52.268,80 € (davon September 2007 anteilig 8.711,47 €) bezahlte der Beklagte nicht. Gegenüber dem Insolvenzgericht zeigte er drohende Masseunzulänglichkeit an.

    Die von der Klägerin am 05.11.2077 zur Insolvenztabelle unter der laufenden Nummer 74 angemeldeten Forderungen im Betrag von insgesamt 64.515,76 € wurden vom Beklagten im Prüfungstermin bestritten. Hierbei handelte es sich um rückständige Ansprüche aus dem Mietvertrag aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

    Mit ihre Klage hat die Klägerin im Hinblick auf rückständige Mieten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Höhe von 52.268,80 € nebst Zinsen die Feststellung der Zahlungsverpflichtung des Beklagten begehrt. Darüber hinaus hat sie im Hinblick auf die Verwertung der vom Beklagten verwerteten und ihrem Vermieterpfandrecht unterliegenden Gegenstände die Zahlung von 60.999,77 € nebst Zinsen und schließlich die Feststellung von ihr zur Tabelle angemeldeter Forderungen in Höhe von 64.515,76 € begehrt. Hiergegen hat sich der Beklagte im Wesentlichen damit verteidigt, die Klägerin habe die von der Schuldnerin seit Juli 2006 geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 146.559,60 € in anfechtbarer Weise gemäß §§ 130, 133 Abs. 1 InsO erlangt. Gegen den Anspruch auf Zahlung von Miete nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Höhe von 52.268,80 € und gegen den aus seiner Sicht lediglich in Höhe von 58.604,08 € bestehenden Anspruch der Klägerin aus rückständigen Mieten vor Eröffnung hat er die Aufrechnung mit diesen Forderungen erklärt und widerklagend einen Restbetrag von 35.686,72 € nebst Zinsen seit dem 13.09.2007 geltend gemacht.

    Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24.03.2010 Bezug genommen.

    Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Voraussetzungen von §§ 130, 133 InsO hat es nicht für gegeben erachtet. Wegen der näheren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

    Hiergegen wendet sich die Berufung des Beklagten.

    Er macht wie bereits im ersten Rechtszug geltend, die Klägerin habe die in Rede stehenden Zahlungen der Insolvenzschuldnerin in anfechtbarer Weise erlangt. Aus den von ihm konkret vorgebrachten Umständen des Einzelfalles folge die Kenntnis der Klägerin von der Zahlungseinstellung bzw. Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin, zumindest aber die Kenntnis der ihr drohenden Zahlungsunfähigkeit. Unter Berücksichtigung der zur Vermutungsregelung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO und zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung müsse davon ausgegangen werden, dass die Insolvenzschuldnerin mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt und die Klägerin dies gewusst habe, was der Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens differenziert für die Zeit bis Juni 2006 und ab Februar 2007 darstellt.

    Der Beklagte beantragt:

    Unter Abänderung des am 12.02.2000 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg zur Geschäftsnummer 302 O 289/08 wird die Klage abgewiesen; auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten € 35.686,72 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 13.09.2007 zu zahlen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

    Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem ersten Rechtszug und betont, es sei über Jahre vergessen worden, die rückständige Garagenmiete von monatlich 500 € bei der späteren Insolvenzschuldnerin einzuziehen.

    Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2011 Bezug genommen.

    II.

    Die zulässige Berufung des Beklagten hat mit Ausnahme eines Betrages von 0,06 EUR Erfolg.

    Kern des zwischen den Parteien bestehenden Streits ist die Frage, ob dem Beklagten gegen die Klägerin wegen nach der Insolvenzordnung in anfechtbarer Weise geleisteter Zahlungen der Schuldnerin an die Klägerin Ansprüche in Höhe von insgesamt 146.559,60 € zugestanden haben, wegen derer der Beklagte a) die Klagforderung(en) gemäß §§ 387, 389 BGB wirksam durch Aufrechnung hat zum Erlöschen bringen können und b) gegen die Klägerin den von ihm im Wege der Widerklage geltend gemachten Zahlungsanspruch hat. Beides ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts der Fall.

    1. Die Klage erweist sich im Ergebnis als unbegründet, weil die Klägerin gegen den Beklagten nach erfolgreich erklärter Aufrechnung keine Ansprüche mehr hat.

    1.1 Feststellungsantrag zu 1.

    Der mit der Klage verfolgte Feststellungsantrag zu 1. ist zwar zulässig. In der Sache hat er aber keinen Erfolg. Die Klägerin kann nicht die Feststellung verlangen, dass der Beklagte ihr gegenüber zur Zahlung von 52.268800 EUR nebst Zinsen verpflichtet ist. Ein solcher Anspruch besteht nicht (mehr).

    Unstreitig sind zwar zwischen Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 13.09.2007 und dem 31.12.2007 Mieten in Höhe von 52.268,60 EUR nicht beglichen worden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts standen dem Beklagten gegen die Klägerin aber aufrechenbare Gegenansprüche in einer diesen Betrag übersteigenden Höhe zu. Mit diesen Ansprüchen hat der Beklagte wirksam gegen den Anspruch der Klägerin aufgerechnet, § 389 BGB.

    Der Beklagte hat insoweit folgende Zahlungen der Schuldnerin an die Klägerin nach § 133 Abs. 1 InsO erfolgreich angefochten und zur Aufrechnung gestellt.

    Datum Betrag in EUR
    01.02.2007 13.428,79
    06.02.2007 1.090,32
    05.03.2007 14.519,11
    04.05.2007 14.519,11
    18.06.2007 5.000,00
    10.07.2007 14.519,11
    Summe 63.076,44

    Streitentscheidend ist insoweit die Frage, ob die Schuldnerin bei Vornahme dieser Zahlungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz im Sinne von § 133 Abs. 1 InsO gehandelt hat und die Klägerin diesen Vorsatz gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO kannte. Eine solche Kenntnis wird gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil - hier die Klägerin - wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

    1.1.1

    Nach § 133 Abs. 1 InsO setzt eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger nach § 133 Abs. 1 InsO voraus, dass der Schuldner in einem Zeitraum von zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz Rechtshandlungen vorgenommen hat und der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, kannte.

    Benachteiligungsvorsatz hat, wer bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Gewährt der Schuldner dem Anfechtungsgegner eine kongruente Deckung, also nur das, worauf dieser Anspruch hatte, sind an den Nachweis des Benachteiligungsvorsatzes zwar erhöhte Anforderungen zu stellen. In einem solchen Fall will der Schuldner in der Regel nur seine Verbindlichkeiten begleiche. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schuldner die angefochtene Rechtshandlung jedoch dann mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen, wenn er zur Zeit ihrer Wirksamkeit (§ 140 InsO) zahlungsunfähig war (BGH, Urteil vom 24.05.2007, IX ZR 97/06, Rn. 19 mwN - zitiert nach [...]).

    Zahlungsunfähig ist ein Schuldner, der nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 InsO). Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass der Schuldner seine Zahlungen insgesamt wieder aufnimmt (BGH, Urteil vom 24.05.2007, IX ZR 97/06, Rn. 23 mwN - zitiert nach [...])

    Weitere Voraussetzung des Anfechtungstatbestandes des § 133 Abs. 1 InsO ist, dass der Anfechtungsgegner den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte. Seine Kenntnis wird vemutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und jenem den Umständen nach bekannt ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt (BGH, Urteil vom 24.05.2007, IX ZR 97/06, Rn. 24 mwN - zitiert nach [...]).

    Kennt ein Gläubiger tatsächliche Umstände, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er auch die (drohende) Zahlungsunfähigkeit kennt (BGH, Urteil vom 24.05.2007, IX ZR 97/06, Rn. 25 mwN - zitiert nach [...]).

    Entsprechende Kenntnis wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die jeweilige Handlung die Gläubiger benachteiligte. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kenne, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen darstellen, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (BGH, Urteil vom 01.07.2011, IX ZR 70/08, Rn. 9 mwN - zitiert nach [...]).

    1.1.2

    Nach diesen Maßstäben gelangt das Berufungsgericht vorliegend angesichts der Umstände des Einzelfalles zu der Überzeugung, dass die Schuldnerin bereits im Juni 2006 ihre Zahlungen eingestellt hatte und die Klägerin bei der Entgegennahme sämtlicher später von der Schuldnerin vorgenommenen Zahlungen nach Juni 2006 die hieraus folgende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin kannte und wusste, dass diese Zahlungen an sie, die Klägerin, die Gläubiger benachteiligte.

    Ausgangspunkt ist der tatsächliche Umstand, dass der von der Schuldnerin erteilte Dauerauftrag für die Mietzahlung betreffend den Monat Juni 2006 über 13.913,86 EUR zum 01.06.2006 nicht hatte ausgeführt werden können (s. Anlage B 18). Zudem hatte - was der Klägerin ebenfalls bekannt war - die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt die Miete für die Geschäftsräume für die Monate April 2006 und Mai 2006 nicht beglichen. Die rückständigen Mieten für die Monate April, Mai und Juni 2006 umfassten per 07.06.2006 (Mitteilung des nicht ausgeführten Dauerauftrags gemäß Anlage B 18) insgesamt mindestens einen Betrag von 38.005,05 EUR (13.913,86 EUR aus Dauerauftrag Miete Juni 2006 zzgl. offene Mieten April und Mai 2006 gem. Aufstellung Klägerin vom 23.05.2007, Anlage B 9 S. 2, 12.312,49 EUR + 11.778,70 EUR).

    Aus dem Ausbleiben der Mietzahlungen für die Monate April und Mai 2006 und der Nichtausführung des entsprechenden Dauerauftrages für die Junimiete 2006 schließt das Berufungsgericht auf die Zahlungeinstellung der Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt und hieraus auf ihre Zahlungsunfähigkeit. Die insoweit ausstehenden Mietzahlungen bezogen sich auf die Geschäftsräume der Schuldnerin. Bei den ausstehenden Mieten handelte es sich mithin um existenzbedingende Betriebskosten. Der erhebliche Zahlungsrückstand barg zwangsläufig das Risiko einer Kündigung durch die Vermieterin und damit im Ergebnis des Verlustes ihrer Geschäftsräume. Die besondre Bedeutung der Geschäftsräume und damit auch der auf sie bezogenen Mietzahlungen zum Zwecke der Fortführung des Geschäftsbetriebes der Schuldnerin hat auch die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 14.04.2009 betont - wenngleich unter dem Blickwinkel, dass der Schuldner durch spätere Mietezahlungen nicht eine Benachteiligung von Gläubigem anstrebe, sondern dass die Fortführung des Geschäftsbetriebes regelmäßig Voraussetzung für die Befriedigung der Forderungen aller Gläubiger sei.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt zudem die Rückgabe von Lastschriften ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar (BGH, Urteil vom 01.07.2010, IX ZR 70/08, Rn. 10 mwN - zitiert nach [...]). Gleiches gilt aus Sicht des Senats für die Nichtausführung eines Dauerauftrags - hier die Nichtausführung des Dauerauftrages für die auf die Geschäftsräume der Schuldnerin bezogene Miete für den Monat Juni 2006. Denn aus der Nichtausführung eines Dauerauftrages wird bei der gegebenen Sachlage ebenso wie aus der Rückgabe einer Lastschrift deutlich, dass ausreichende Liquidität nicht vorhanden ist.

    Dass vorliegend - jedenfalls im Bezug auf die Mieten für die Monate April und Mai 2006 - nicht lediglich eine Zahlungsstockung vorgelegen hat, ergibt sich daraus, dass diese bereits wegen ihrer existentiellen Bedeutung für die Schuldnerin im Hinblick auf die Fortführung ihres Geschäftsbetriebes nicht geringfügigen Beträge länger als 3 Wochen nicht gezahlt worden sind (s. zu diesem Zeitraum BGH, Urteil vom 01.07.2006, IX ZR 70/08, Rn. 10 - zitiert nach [...]). Die Mieten für die Monate April und Mai 2006 wurden erst nach einer Inanspruchnahme der xxx aus einer Mietbürgschaft aufgrund einer Zahlung vom 30.08.2007 mit der restlichen Miete für April 2006 und einem Teil der Miete für Mai 2006 verrechnet (Schriftsatz vom 30.09.2008, S. 5).

    Diese Umstände waren der Klägerin im Zeitpunkt sämtlicher anfechtbarer Zahlungen nach Juni 2006 durchgehend bekannt und bewusst. Ebenfalls wurde ihr fortlaufend bekannt, dass diese Außenstände nicht ausgeglichen wurden.

    Ergänzend tritt hinzu, dass der Klägerin ausweislich ihres Schreibens vom 07.02.2077 (Anlage B 9) spätestens Anfang Februar 2007 bewusst gewesen ist, dass die Schuldnerin ihr für die Anmietung von Garagen für die Zeit von September 2002 Ende 2006 einen Gesamtbetrag von 29.512,35 EUR schuldete. Insoweit bestätigte sie am 07.02.2007 zum Thema "beidseitig vorübergehend vergessene Mietzahlungen für Ihre Garagencontainer" eine Reduzierung der Forderung auf 25.000,00 EUR und erklärte ihr Einverständnis mit einer ratenweisen Rückführung, die indes in der Folge ausblieb.

    Offen bleiben kann der zwischen den Parteien streitige Umstand, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt die Schuldnerin gegenüber der Klägerin zudem ausdrücklich erklärt hat, zur Zahlung der Miete für die Geschäftsräume und/oder die Garagencontainer außer Stande zu sein. Eine solche ausdrückliche Erklärung war bereits angesichts der aufgelaufenen Mietrückstände für die Geschäftsraummiete (ohne Garagen) nicht erforderlich. Auch dass die Bitte der Schuldnerin um ratenweise Zahlung "zur Schonung ihrer Liquidität" (S. 3 des Schriftsatzes vom 14.04.20099 ein gewichtiges Indiz für drohende Zahlungsunfähigkeit gewesen ist, ist nicht entscheidend. Ungeachtet dessen spricht aber auch der von der Klägerin behauptete bloße Wunsch nach einer Reduzierung der Miete für die Geschäftsräume des Betriebs der Schuldnerin um 20% mit der Begründung, allgemeine Kostensteigerungen belasteten ihr Ergebnis, jedenfalls im Zusammenspiel mit der seit 2006 rückständigen Geschäftsraummiete ebenfalls für eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin.

    Es lag auch keine bloße Zahlungsstockung vor. Die auf die Geschäftsräume (ohne Garagen) bezogenen und bereits wegen der besonderen Bedeutung der weiteren Nutzung der Geschäftsräume zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erheblichen Mietrückstände für die Monate April und Mai 2006 im Gesamtbetrag von ca. 24.000 EUR waren bis zum Schreiben der Klägerin vom 23.05.2007 (Anlage B 9, S.2) mehr als ein Jahr überfällig. Sie wurden bis zur Inanspruchnahme der Bürgin im Jahre 2007 nicht zurückgeführt.

    Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob ergänzend die bis Juni 2006 ausstehenden Garagenmieten der Schuldnerin im Umfang von ca. 26.000 EUR (2002: 2.277,48 EUR; 2003 bis 2005 jährlich je 6.832,44 EUR; 2006 bis Jun:: 3.416,22 EUR) für die Zeit von September 2002 bis Ende Juni 2006 für die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin streiten, insbesondere ob die Zahlung dieser Mieten wie von der Klägerin behauptet von Schuldnerin und Klägerin "vergessen" worden war, mithin sich das Wissen der Klägerin auf einen weiteren für die Zahlungsunfähigkeit der Klägerin streitenden Umstand bezogen hat.

    Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin entfällt vorliegend auch nicht aus dem Grunde, dass es sich um Mietzahlungen zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes im Sinne einer kongruenten Deckung handelte. Der Klägerin war durch die ausgebliebenen Mietzahlungen für die Monate April und Mai 2006 und den nicht ausgeführten Dauerauftrag die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bekannt. Ihr war fortlaufend bekannt, dass diese Forderungen bis zur Inanspruchnahme der Bürgin im Jahre 2007 durchgehend nicht ausgeglichen wurden. Dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gab, drängte sich auf. Dass die ausbleibenden Zahlungen der späteren Schuldnerin auf die Geschäftsraummieten existenzbedingend waren, war der Klägerin ebenfalls bewusst.

    Tatsachen dafür, dass die Schuldnerin ihre Zahlungsunfähigkeit nach Juni 2006 wieder erlangt hat, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Sie ergeben sich angesichts der über einen langen Zeitraum nicht zurückgeführten Mieten für die Monate April und Mai 2006 insbesondere nicht aus den späteren Mietezahlungen der Schuldnerin an die Klägerin.

    Ohne dass es darauf streitentscheidend ankommt, wurde die prekäre Situation der Schuldnerin zudem am 11.04.2007 durch den Versuch der Einräumung einerweiteren Sicherheit im Rahmen einer Sicherungsübereignung von Betriebsgegenständen bestätigt.

    1.1.3. Hat die Klägerin hiernach Zahlungen der Schuldnerin im Umfang von 63.076,44 EUR in anfechtbarer Weise erlangt, ist durch die vom Beklagten insoweit erklärte Aufrechnung mit den entsprechenden Rückzahlungsansprüchen der von der Klägerin zur Feststellung beantragen Zahlungsanspruch in vollständiger Höhe (52.268,80 EUR) erloschen und die Klage insoweit unbegründet.

    1.2 Klagantrag zu 3.

    Auch die von dem Beklagten mit der Berufung angegriffene Feststellung eines Anspruchs zur Insolvenztabelle in Höhe von 58.604,14 EUR wegen nicht beglichener Mietzins- und Betriebskostenzahlungen von 2005 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erweist sich als unbegründet. Der Klägerin steht ein solcher Anspruch nicht - mehr - zu, weil auch dieser durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen ist, §§ 387, 389 BGB.

    Insoweit hat der Beklagte einerseits die Aufrechnung mit dem nach vorstehenden Ausführungen nicht bereits durch Aufrechnung gegen Forderungen aus Anfechtung betreffend Zahlungen der Schuldnerin aus 2007 überschießenden Restbetrag in Höhe von 10.807,64 EUR erklärt ( = 63.076,44 EUR - 52.268,80 EUR, s.o.). Im Übrigen hat die Klägerin die von der Schuldnerin von Juli bis einschließlich Dezember 2006 geleisteten Mietzahlungen in Höhe von monatlich 13.913,86 EUR in anfechtbarer Weise gemäß § 133 InsO erlangt, was der Beklagte durch eine auch insoweit erklärte Aufrechnung wirksam geltend gemacht hat.

    Nach obigen Ausführungen sind sämtliche Zahlungen der Schuldnerin an die Klägerin nach Juni 2006 - mithin auch zwischen Juli 2006 und Dezember 2006 - von ihr in anfechtbarer Weise geleistet worden (s.o. 1.1). Der Klägerin war dies bekannt. Sie kannte die den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin begründenden (von April bis Juni 2006 eingetretenen) Umstände (s.o.).

    1.3. Zahlungsantrag

    Dies gilt entsprechend für die von dem Beklagten mit der Berufung angegriffene Verurteilung zur Zahlung von 58.604,14 EUR aus § 170 Abs. 1 InsO wegen rückständiger Mieten aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

    Die Klägerin kann von dem Beklagten nach § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO keine Zahlung verlangen.

    Zwar hätte die Klägerin für offene Ansprüche aus dem Mietverhältnis gemäß § 562 Abs. 1 BGB ein Pfandrecht an den vom Beklagten gemäß § 166 Abs. 1 InsO freihändig verwerteten Gegenständen gehabt. Ihre Ansprüche aus dem Mietverhältnis sind aber durch die vom Beklagten im Hinblick auf die in anfechtbarer Weise erlangten Mietzahlungen erklärte Aufrechnung erloschen (s.o.), so dass die Klägerin eine Auskehr des Erlöses an sich nicht beanspruchen kann, weil ihr ein Vermieterpfandrecht insoweit nicht zustand.

    2. Widerklage

    Die mit der Berufung des Beklagten von ihm weiter verfolgte Widerklage hat mit Ausnahme eines auf einem Rechenfehler beruhenden Betrages in Höhe von 0,06 EUR Erfolg. Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung des nicht durch Aufrechnung erloschenen Tells seines Anspruchs aus § 143 Absatz 1 InsO i.V.m. § 133 InsO.

    Sämtliche Zahlungen der Schuldnerin an die Klägerin ab Juli 2006 waren in anfechtbarer Weise geleistet worden (s.o).

    Dies betrifft insgesamt folgende Zahlungen der Schuldnerin

    Datum Betrag in EUR
    03.07.2006 13.913,86
    01.08.2006 13.913,86
    01.09.2006 13.913,86
    05.10.2006 13.913,86
    01.11.2006 13.913 86
    01.12.2066 13.913,86
    01.02.2007 13.428 79
    06.02.2007 1.090,32
    05.03.2007 14.519,11
    04.05.2007 14.519,11
    18.06.2007 5.000,00
    10.07.2007 14.519,11
    Summe 146.559,60

    Abzüglich der durch Aufrechnung erloschenen Beträge ergibt sich folgender restlicher Zahlungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin aus § 143 Abs. 1 InsO in Höhe von

    146.559,60 EUR
    -52.268,80 EUR (s.o. 1.1)
    -58.604,14 EUR (s.o. 1.3)
    35.686,66 EUR

    Soweit der Beklagte aufgrund eines geringfügigen Rechenfehlers einen Mehrbetrag von 0,06 EUR geltend gemacht hat, war die Widerklage abzuweisen.

    Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

    3. Die den Parteien in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Erklärung zu einem Vergleichsschluss nachgelassenen Schriftsätze vom 12.01. und 18.01.2012 haben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der ordnungsgemäß geschlossenene mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO gegeben.

    4. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.

    5. Der Streitwert war für das Berufungsverfahren auf 94.890,86 EUR festzusetzen. Davon entfallen auf die Verfolgung der Abweisung der Klaganträge zu 1. und 3. jeweils 300 EUR und auf den Klagantrag zu 2.58.604,14 EUR. Der Wert der von der Beklagten erfolgreich weiterverfolgten Widerklage beträgt 35.686,72 EUR.

    Reichel Richter am Oberlandesgericht

    Verkündet am 03.02.2012

    RechtsgebietInsolvenzanfechtungVorschriften§ 133 Abs. 1 InsO