· Fachbeitrag · Schuldnerversäumnisse
Gläubiger „vergessen“? Grobe Fahrlässigkeit!
| Es ist für den Gläubiger misslich, wenn er erst verspätet von der Insolvenz des Schuldners Kenntnis erlangt, weil der Schuldner ihn im Gläubigerverzeichnis nicht aufgeführt hat. Das LG Hamburg hat das Risiko für den Schuldner, aufgrund dieses Umstands die Restschuldbefreiung versagt zu bekommen, erheblich erhöht. Es ist danach grob fahrlässig, wenn der Schuldner die Anmeldeunterlagen nur mangelhaft prüft. |
Sachverhalt
Über das Vermögen des Schuldners wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Bei der Antragstellung hat der anwaltlich vertretene Schuldner einen Gläubiger nicht aufgeführt. Die Antragsunterlagen und das Gläubigerverzeichnis hat der Schuldner persönlich unterschrieben. Das AG hat dem Antrag des „vergessenen“ Gläubigers stattgegeben, die Restschuldbefreiung zu versagen. Dagegen wendet sich der Schuldner und macht ein Versehen geltend.
Entscheidungsgründe
Das LG Hamburg hat die Entscheidung des AG bestätigt, ohne die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die damit rechtskräftige Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
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Es ist grob fahrlässig, wenn der Schuldner die Unterlagen zur Insolvenzanmeldung von einem Bevollmächtigten oder sonstigen Dritten erstellen lässt, ohne sie zu überprüfen. Das gilt auch, wenn er anwaltlich vertreten ist (Abruf-Nr. 196973). |
Relevanz für die Praxis
Die Restschuldbefreiung ist nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn der Schuldner in der nach § 287 Abs. 1 S. 3 InsO vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat.
Hierbei kommt es nach dem LG Hamburg ‒ anders, als es das AG gesehen hat ‒ auf das eigene Verschulden des Schuldners an (keine Zurechnung des Fehlverhaltens des Bevollmächtigten nach § 4 InsO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Eine ähnliche Fragestellung hatte der BGH (NJW 11, 1229) schon dahin entschieden, dass dem Schuldner das Fehlverhalten seines Verfahrensbevollmächtigten, der das vollständig ausgefüllte und unterzeichnete Vermögensverzeichnis eigenmächtig ändert, nicht als eigenes (qualifiziertes) Verschulden zugerechnet werden kann. Hier habe, so das LG, der BGH auch entschieden, dass die Frage des Verschuldens nur nach dem Verhalten des Schuld-ners selbst beurteilt werde, denn es komme allein auf seine persönliche Redlichkeit an und ob in seiner Person Versagungsgründe gegeben sind. Es sei nämlich zu verhindern, dass der Schuldner sich durch die Einschaltung einer Hilfsperson jeder Verantwortung entziehen könne. Lässt er das Vermögensverzeichnis oder die sonstigen Unterlagen nach § 305 InsO, darunter das Gläubigerverzeichnis, von einem Dritten erstellen oder vervollständigen, muss er daher vor der Unterzeichnung die Richtigkeit aller Angaben überprüfen. Falsche Angaben sind ihm dann als eigenes Fehlverhalten zuzurechnen. Es ist grob fahrlässig, wenn er es unterlässt, die Angaben zu prüfen.
Im konkreten Fall ging das LG davon aus, dass der Schuldner die Unterlagen nicht hinreichend geprüft hat. Dabei griff es auf verschiedene Indizien zurück:
- Der Schuldner „vermutete“ nur, dass er auch die Unterlagen betreffend den vergessenen Gläubiger an den Bevollmächtigten übergeben hat.
- Er führte aus, er sei nur davon „ausgegangen“, dass der Gläubiger in der Liste aufgeführt sei.
- Der Schuldner hat in seinem Gläubigerverzeichnis Forderungen von 2005 bis 2012 aufgeführt, sodass nicht davon ausgegangen werden könne, dass ihm die 2010 titulierte Forderung wegen ihres Alters entgangen sei.
- Die Forderung macht mindestens 5 Prozent der gesamten Insolvenzmasse aus und war deshalb auch der Höhe nach auffällig (vierthöchste Forderung).