· Fachbeitrag · Versagungsgründe
Der Schuldner darf sich einiges erlauben
(AG Göttingen 24.4.13, 74 IN 136/10, Abruf-Nr. 140328) |
Sachverhalt
Über das Vermögen des Schuldners wurde aufgrund eigenen Antrags nach Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung unter Bewilligung von Stundung das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Schlussbericht prognostiziert für die Insolvenzgläubiger eine Befriedigungsquote von 0,00 Prozent. Der Gläubiger hat die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. Er beruft sich darauf, dass es sich bei seiner Forderung um eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung handele. Weiter läge der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO wegen verzögerter Stellung des Eröffnungsantrags und des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor, da der Schuldner grundlos den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung bestritten habe.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Auch wenn die Entscheidung des AG Göttingen im Sinne der Leitsätze zu bedauern ist, hat der Gläubiger übersehen, dass er bei einer richtigen Strategie den Untergang seiner Forderung hätte vermeiden können. Der Gläubiger berief sich bei seinem Versagungsantrag darauf, dass der Schuldner u.a. wegen Betrugs zu seinem Nachteil zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Aus einem solchen Sachverhalt musste kein Versagungsantrag hergeleitet werden.
Eine vorsätzliche unerlaubte Handlung im Sinne des §§ 302 Nr. 1 InsO führt dazu, dass die Forderung von der Erteilung einer Restschuldbefreiung unberührt bleibt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Forderung auch aus diesem Rechtsgrund zur Feststellung zur Insolvenztabelle angemeldet wurde.
ACHTUNG | Es dürfte sich als einen Fall der Anwaltshaftung darstellen, wenn der Bevollmächtigte des Gläubigers eine solche qualifizierte Anmeldung unterlässt bzw. den Gläubiger nicht auf diese Möglichkeit hinweist. |
Eine Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung führt nicht dazu, dass die Restschuldbefreiung insgesamt - wie bei Vorliegen von Versagungsgründen gemäß § 290 InsO - zu versagen ist. Vielmehr nimmt die Forderung an der Restschuldbefreiung nicht teil und kann deshalb nach dem Ende der Wohlverhaltensphase weiter beigetrieben werden. Dabei kommt dem Gläubiger sogar noch das Vollstreckungsprivileg nach § 850f Abs. 2 ZPO zugute, wenn in Arbeitseinkommen vollstreckt wird. Die üblichen Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO gelten dann nicht. Es bedurfte deshalb keines Versagungsantrags, der schon mangels Rechtsschutzbedürfnis scheitern musste.
Der Gläubiger beruft sich weiter darauf, dass der Schuldner gegen ein von ihm vor dem LG erstrittenes Zahlungsurteil Berufung einlegte und diese trotz seiner Ankündigung im Strafverfahren nicht zurücknahm, vielmehr vor dem OLG 1. und 2. Versäumnisurteil ergehen ließ. Der querulatorische Gebrauch von Rechtsmitteln, der die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögere, stelle einen Versagungsgrund dar (Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 290 Rn. 58). Dadurch seien weitere Schäden in Form von (unnötigen) Kosten entstanden.
Nach Ansicht des AG reicht dies für die Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO nicht aus. Es könne dahinstehen, ob die Berufung zum OLG und die Einlegung des Einspruchs gegen das 1. Versäumnisurteil querulatorisch waren. Dadurch sei die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht verzögert worden, vielmehr habe der Schuldner zeitnah nach der Verurteilung im Strafverfahren noch vor Erlass des 1. Versäumnisurteils Insolvenzantrag gestellt. Im Übrigen fehle es jedenfalls am Erfordernis der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger. Folge eines Verstoßes muss nämlich sein, dass sich die an die Gläubiger auszuschüttende Quote vermindert (Streck in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 290 InsO, Rn. 28), was in Stundungsverfahren zu verneinen sei (Schmerbach in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, § 290, Rn. 37).
ACHTUNG | Das AG übersieht, dass der Gläubiger als Kläger auch für die Kosten des Zivilverfahrens haftet. Zwar hat er einen Kostenerstattungsanspruch, den der Schuldner aber gegebenenfalls nicht erfüllt. Wird in dem Klageverfahren auch die Feststellung der Forderung als aus vorsätzlich unerlaubter Handlung stammend verfolgt, ergibt sich die Gläubigerbenachteiligung aus der verzögerten Feststellung der Qualifizierung, worauf der Gläubiger hinweisen muss. |
Auch der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO sei nicht erfüllt. Nach Auffassung des versagungsantragstellenden Gläubigers liegt ein Verstoß darin, dass der Schuldner die Deliktseigenschaft der Forderung trotz eines rechtskräftigen Strafurteils bestritten hat mit der Folge, dass eine (kostenauslösende) Feststellungsklage erforderlich gewesen sei. Ein Verstoß scheidet schon deshalb aus, weil der Schuldner keine Auskunfts- oder Mit-wirkungspflichten „nach diesem Gesetz“ verletzt habe. Darunter fielen nur in der InsO angeordnete Verpflichtungen (BGH ZInsO 03, 413; NZI 06, 481; Streck in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 290 InsO, Rn. 31, 33; Schmerbach in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsO, § 290, Rn. 25). Eine Verpflichtung, den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nur bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen bestreiten zu dürfen, enthalte die InsO jedoch nicht.
ACHTUNG | Das AG verkennt, dass über § 4 InsO auch die Regelungen der ZPO Anwendung finden. Danach gilt auch § 138 ZPO im Insolvenzverfahren. Folglich haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Gegen diese Verpflichtung hat der Schuldner vorsätzlich verstoßen. Allerdings dürfte dem regelmäßig keine Bedeutung zukommen, weil der Gläubiger die Feststellungsklage - erfolgreich - erheben kann und dann die Privilegierung des § 302 InsO greift. |
Der Gläubiger einer deliktischen Forderung sollte diese anmelden und nicht die Versagung der Restschuldbefreiung als Ganzes betreiben. Abgesehen davon, dass die Versagungsvoraussetzungen gestützt auf die deliktische Verhaltensweise viel schwerer zu begründen ist - wie der besprochene Fall zeigt - hat die Versagung der Restschuldbefreiung den Nachteil, dass sich die Zahl der Gläubiger nicht verringert und die Vollstreckungsaussichten des Deliktsgläubigers in der Zukunft wegen der Konkurrenz der Gläubiger nicht besser werden.