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  • · Fachbeitrag · Mietrecht

    Kurze Verjährung kann nicht verlängert werden

    | Wird ein Mietvertrag beendet, fangen die Streitereien meist erst richtig an. Schäden an der Wohnung oder das Ausführen von Schönheitsreparaturen bieten reichhaltiges Konfliktpotenzial. Ersatzansprüche müssen von Vermietern jedoch schnell geltend gemacht werden. Denn das Gesetz sieht in § 548 BGB lediglich eine sechsmonatige Frist bis zur Verjährung vor. Weit verbreitet ist daher die Praxis, diese Frist durch AGB im Mietvertrag auf 12 Monate auszudehnen. Der BGH hat dazu nun in einer Weise Stellung bezogen, die zu erheblicher Vorsicht mahnt und die kein Bevollmächtigter übersehen darf. |

    Sachverhalt

    Die Klägerin hatte der Beklagten im Jahr 2003 eine Wohnung vermietet. Zum 28.2.15 hatte die beklagte Mieterin das Mietverhältnis gekündigt. Bereits am 29.12.14 gab die Beklagte der Klägerin die Wohnung zurück. Am 12.1.15 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die in der Wohnung befindliche Dusche (noch) zu reparieren, die infolge unsachgemäßer Nutzung beschädigt worden sei. Die Beklagte hat den Anspruch bestritten und jegliche Leistungen abgelehnt.

     

    Die Klägerin nimmt die Beklagte ‒ nach Klageerweiterung ‒ nun auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von über 16.000 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Die am 25.6.15 eingereichte Klage ist der Beklagten, nachdem der am 6.7.15 vom Gericht angeforderte Kostenvorschuss am 21.9.15 eingegangen war, am 1.10.15 zugestellt worden. Die Beklagte hat sich auf Verjährung berufen.

     

    Der von der Klägerin verwendete Formularmietvertrag enthält unter § 24 folgende Bestimmung: „Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache und Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen oder Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung verjähren in 12 Monaten nach Beendigung des Mietverhältnisses.“ Das hält der BGH für bedenklich (8.11.17, VIII ZR 13/17, Abruf-Nr. 197985).

    Entscheidungsgründe

    Der Anspruch der Klägerin resultiert aus § 280, § 241 Abs. 2 BGB und war entstanden, da die Beklagte nebenvertragliche Sorgfaltspflichten schuldhaft nicht beachtet und der Klägerin so einen Schaden verursacht hat. Der Anspruch ist nach Auffassung des BGH jedoch nicht mehr durchsetzbar, da die Beklagte begründet die Einrede der Verjährung erhoben hat und ihr daher gemäß § 214 BGB ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht zusteht.

     

    Kurze Verjährung nach § 548 BGB

    Nach § 548 Abs. 1 S. 1 BGB verjährt ein Ersatzanspruch des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache in 6 Monaten, beginnend ab dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Sache zurückerhält. Die Beklagte gab die Wohnung am 29.12.14 an die Klägerin zurück. Folglich sind die geltend gemachten Schadenersatzansprüche der Klägerin mit Ablauf des 29.6.15 verjährt.

     

    MERKE | Hier zeigt die Praxis häufig einen ersten Fehler, wenn der Verjährungsbeginn bei vorzeitiger Rückgabe gleichwohl erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist angenommen wird. Der Wortlaut des § 548 BGB ist demgegenüber eindeutig.

     

    Hemmung durch Klageerhebung?

    Die Verjährung könnte aber durch Erhebung der Klage gehemmt worden sein (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Klage ist am 25.6.15 eingereicht worden, mithin 4 Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist. Die Klage wird aber gemäß § 253 ZPO erst durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten erhoben. Die Zustellung erfolgte am 1.10.15 und daher verspätet. Die Zustellung könnte also allenfalls nach § 167 ZPO auf den Tag der Einreichung zurückwirken, wenn „demnächst“ zugestellt wird.

     

    MERKE | Das Merkmal „demnächst“ ist nach der Rechtsprechung regelmäßig erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen. Bei der Zahlung eines zu leistenden Gerichtskostenvorschusses wird es noch als ausreichend erachtet, wenn dieser nach seiner Anforderung innerhalb eines Zeitraums eingezahlt wird, der sich „um 2 Wochen bewegt oder nur geringfügig darüber liegt“ (BGH NJW 15, 2666).

     

    Da die am 25.6.15 anhängig gemachte Klage wegen der um rund 10 Wochen verzögerten Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses erst am 1.10.15 an die Beklagte zugestellt worden ist, sind die Voraussetzungen des § 167 ZPO nicht erfüllt.

     

    Verlängerung der Verjährungsfrist durch Vertrag?

    Es kam also darauf an, ob die Verjährungsfrist durch die Vereinbarung im Formularmietvertrag auf ein Jahr wirksam verlängert worden ist. Mit der vereinbarten Formulierung wird der Eintritt der Verjährung der in § 548 Abs. 1 S. 1 BGB genannten Ansprüche des Vermieters gegenüber der gesetzlichen Regelung in zweifacher Hinsicht erschwert. Zum einen wird die Frist, nach deren Ablauf diese Ansprüche verjähren, von 6 auf 12 Monate verdoppelt. Zum anderen verändert die Klausel zusätzlich den Beginn des Fristlaufs, indem sie nicht auf den Zeitpunkt des Rückerhalts der Sache abstellt (so § 548 Abs. 1 S. 2 BGB), sondern auf das Datum, an dem das Mietverhältnis endet.

     

    BGH sieht unangemessene Benachteiligung des Mieters

    Die im Formularmietvertrag als „Allgemeine Geschäftsbedingung“ zu qualifizierende Regelung verstößt nach Auffassung des BGH gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, da sie den Mieter unangemessen benachteiligt. Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Dabei ist eine solche unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden soll, nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

     

    Formularmäßige Verlängerung der Verjährungsfrist

    Ob eine Formularbestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, vereinbar ist oder nicht, beurteilt sich maßgeblich danach, ob die gesetzliche Regelung auf zu berücksichtigenden Gerechtigkeitserwägungen beruht oder reinen Zweckmäßigkeitserwägungen folgt (BGH NJW-RR 14, 1133; NJW 17, 1461). Verdanken Vorschriften des dispositiven (nachgiebigen) Rechts ihre Entstehung einem sich aus der Natur der Sache ergebenden Gerechtigkeitsgebot, müssen bei einer abweichenden Regelung durch AGB nach dem BGH regelmäßig Gründe vorliegen, die das zu Grunde liegende Gerechtigkeitsgebot in Frage stellen und eine abweichende Regelung als vertretbar erscheinen lassen.

     

    MERKE | Der BGH verweist darauf, dass das Institut der Verjährung den Zweck hat, dem Rechtsfrieden und der Sicherheit des Rechtsverkehrs dadurch zu dienen, dass die Anspruchsberechtigten genötigt werden, ihre Ansprüche alsbald geltend zu machen, weil nach Ablauf der Verjährungsfrist die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzbarkeit entfällt, wenn der Anspruchsgegner sich auf die Verjährung beruft. Die Vorschriften über die Verjährung dienen öffentlichen Interessen und weisen einen hohen Gerechtigkeitsgehalt auf, der im Rahmen der Inhaltskontrolle zu respektieren ist.

     

    Formularmäßige Verlängerungen der Verjährungsfrist hat der BGH vor diesem Hintergrund nur gebilligt, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind und maßvoll erfolgen, wobei es für die Ausgewogenheit einer Klausel spricht, wenn die Begünstigung des Verwenders durch Vorteile für dessen Vertragspartner kompensiert wird (BGH NJW 15, 2571).

     

    BGH entscheidet gegen Instanzgerichte und Literatur

    Die Rechtsprechung der Instanzgerichte und die mietrechtliche Literatur haben bislang die Auffassung vertreten, eine formularmäßige Verlängerung der Verjährungsfrist der in § 548 BGB geregelten Ansprüche von 6 auf 12 Monate sei unbedenklich, wenn diese Verlängerung sowohl für Schadenersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache als auch für Ansprüche des Mieters auf Verwendungsersatz und Wegnahme von Einrichtungen gleichermaßen gelte (z. B. LG Frankfurt NZM 11, 546; LG Detmold 1.6. 11, 10S 14/09; MüKo/Bieber, BGB, 7. Aufl., § 548 Rn. 26; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 13. Aufl., § 548 BGB Rn. 62; Erman/Lützenkirchen, BGB, 15. Aufl., § 548 Rn. 3; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. XIII 241 f.). Der BGH widerspricht dieser Auffassung kurz und knapp:

     

    • Leitsatz: BGH 8.11.17, VIII ZR 13/17

    Die Verlängerung der Verjährungsfrist des § 548 BGB von 6 auf 12 Monate, durch eine in einem Formularmietvertrag vereinbarte Bestimmung, benachteiligt den Mieter unangemessen und ist daher nach § 307 BGB unwirksam (Abruf-Nr. 197985).

     

    Es fehlt an der sachlichen Rechtfertigung

    Eine derartige Verlängerung der Verjährungsfrist für die Ansprüche des Vermieters ist sachlich nicht gerechtfertigt. Der Vermieter wird durch die Rückgabe der Mietsache, an die das Gesetz den Verjährungsbeginn für dessen Ansprüche anknüpft, in die Lage versetzt, sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob ihm gegen den Mieter Ansprüche wegen Verschlechterung oder Veränderung der Mietsache zustehen und er diese durchsetzen oder gegebenenfalls innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist erforderliche verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen will. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Prüfung nicht regelmäßig in der vom Gesetz vorgesehenen Verjährungsfrist von 6 Monaten vorgenommen werden kann.

     

    Berechtigte Interessen des Mieters übersehen

    Auch ist die in § 548 BGB geregelte kurze Verjährung der Ansprüche des Vermieters durch berechtigte Interessen des Mieters im Rahmen der Abwicklung des Mietverhältnisses begründet. Denn der Mieter hat nach der Rückgabe der Mietsache an den Vermieter auf diese keinen Zugriff mehr und kann somit ab diesem Zeitpunkt regelmäßig auch keine beweissichernden Feststellungen mehr treffen. Zudem muss er damit rechnen, dass sich der zu diesem Zeitpunkt bestehende und für etwaige Schadenersatzansprüche des Vermieters maßgebliche Zustand der Mietsache angesichts einer in der Regel zu erwartenden zeitnahen Überlassung an einen anderen Mieter oder einer Nutzung durch den Vermieter selbst alsbald verändern wird. Unabhängig davon, ob eine Verdoppelung der Verjährungsfrist von 6 auf 12 Monate noch als maßvoll angesehen werden könnte, werden dadurch jedenfalls wesentliche Interessen des Mieters erheblich beeinträchtigt.

     

    Gesetzeszweck widerspricht der Verlängerung

    Schließlich spricht auch der vom Gesetzgeber mit § 548 BGB verfolgte Zweck gegen die Zulässigkeit einer formularvertraglichen Verlängerung der Verjährungsfrist über 6 Monate hinaus. Mit der gesetzlichen Regelung wollte der Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zeitnah zur Rückgabe der Mietsache beziehungsweise zeitnah zur Beendigung des Mietverhältnisses eine „möglichst schnelle“ Klärung über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache erreichen (BT-Drucksache 14/4553, S. 45). Die spiegelbildliche Verlängerung der Verjährungsfrist für die Ansprüche des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen und auf Gestattung der Wegnahme einer Einrichtung stellt auch keine ausreichende Kompensation für den Mieter dar. Folge: Die Bestimmung kann in ihrer Gesamtheit als eine interessengerechte Gleichbehandlung beider Vertragsparteien verstanden und damit als ausgewogen angesehen werden. Denn auch die reziproke Verlängerung beider Verjährungsfristen ändert nichts an den dargestellten berechtigten Interessen des Mieters an einer möglichst kurzen, an die Rückgabe der Mietsache anknüpfenden Verjährungsfrist.

     

    Veränderter Verjährungsbeginn ebenso unzulässig

    Des Weiteren ist nach dem BGH die Vereinbarung auch unwirksam, weil sie über die Verdoppelung der Verjährungsfrist hinaus den Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist verändert. Während § 548 Abs. 1 S. 2 BGB vorsieht, dass die Verjährung der Vermieteransprüche im Zeitpunkt des Rückerhalts der Sache beginnt, verschiebt die Formularklausel den Verjährungsbeginn auf die Beendigung des Mietverhältnisses. Auch dies steht mit dem Zweck des § 548 BGB nicht im Einklang. Es ist also als sach- und interessengerecht anzusehen, wenn das Gesetz die Verjährung der Vermieteransprüche unabhängig von der rechtlichen Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsache beginnen lässt. Denn ab diesem Zeitpunkt kann der Vermieter die Mietsache untersuchen und sich über etwaige Ansprüche klar werden.

    Relevanz für die Praxis

    Die Verlängerung der kurzen Verjährungsfrist des § 548 BGB ist nach der BGH-Entscheidung zumindest im Formularverträgen unzulässig. Von daher ist zu empfehlen, diese Klauseln aus den Verträgen zu streichen, jedenfalls aber Ansprüche in einer verjährungshemmenden Weise vor Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist geltend zu machen.

     

    Checkliste / Handlungsoptionen im Lichte des § 548 BGB

    Die kurze Verjährungsfrist setzt den Vermieter regelmäßig unter Druck. Er muss innerhalb dieser Zeit Mängel erkennen, mit dem Mieter kommunizieren, die Kosten der Beseitigung beziffern und ggf. verjährungsunterbrechende Maßnahmen einleiten. Daher sollte der Vermieter folgende Aspekte berücksichtigen:

     

    • Der Zeitpunkt der Rückgabe der Mietsache ist mit dem Inhalt des Rückgabeanspruchs nach § 546 Abs. 1 BGB nur teilweise identisch. Während § 546 Abs. 1 BGB die Pflicht des Mieters zur Einräumung des unmittelbaren Besitzes regelt, dient § 548 Abs. 1 BGB dazu, Ersatzansprüche zügig abzuwickeln. Folglich muss der Vermieter nicht wie bei der Rückgabe nach § 546 BGB alle Schlüssel des Mietobjekts zurückerhalten. Es kommt nur auf die unmittelbare Besitzverschaffung und die damit verbundene Möglichkeit an, die Mieträume zu prüfen. Diese kann auch gegeben sein, wenn aus vielen Schlüsseln noch einzelne beim Mieter verblieben sind (OLG Düsseldorf IBR 08, 229).

     

    • Dem Vermieter ist zu empfehlen, im Streitfall in der 6-Monats-Frist zunächst Klage auf Schadenersatz zu erheben. Zudem sollte er auf Feststellung klagen, dass der Mieter verpflichtet ist, den künftig entstehenden Mietausfall- und Mietminderungsschaden zu ersetzen. Das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ergibt sich bereits aus der drohenden Verjährung nach § 548 BGB.

     

    • Unsicher ist angesichts der Entscheidung des BGH die Möglichkeit, den Mieter rechtzeitig aufzufordern, schriftlich auf die Verjährungseinrede unter Beachtung der zeitlichen Grenzen des § 202 Abs. 2 BGB zu verzichten.

     

    • § 548 BGB ist weit auszulegen. Er umfasst alle Ersatzansprüche des Vermieters im Zusammenhang mit Wiederherstellungs- und Rückbaumaßnahmen, Beschädigungen oder Verschlechterungen des Mietobjekts und unterlassener oder verzögerter Schönheitsreparaturen einschließlich der darauf jeweils beruhenden Mietausfallschäden.
     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2018 | Seite 206 | ID 45582305