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  • 01.10.2005 | Bundesfinanzhof

    „Gewinne“ aus einem Schneeball-System: Kapitaleinkünfte oder Spekulationsgeschäft?

    von Dr. Friedrich E. Harenberg, Barsinghausen
    Für die Frage, ob ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt, ist entscheidend, wie sich das jeweilige Anlagegeschäft aus der Sicht des Kapitalanlegers bei objektiver Betrachtungsweise darstellt. Beteiligt er sich an einem Schneeballsystem, so kommt es darauf an, ob er das wissentlich oder unwissentlich macht. Der Besteuerung ist der von ihm angenommene Sachverhalt zu Grunde zu legen (BFH 14.12.04, VIII R 81/03, Abruf-Nr. 052308).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger beteiligte sich im Jahr 1984 an einem „Gewinn-Spiel“ einer Kapitalanlagegesellschaft, bei dem ihm Gewinne aus Dollar-DM-Devisentermingeschäften an der Börse in Chicago versprochen wurden. Die hinter der Anlagegesellschaft stehenden Personen täuschten den Abschluss von Options- und Termingeschäften (Treasury-Bond-Terminkontrakte und Treasury-Bond-Optionen) in amerikanischen Schatzanweisungen vor. Die 1988 und 1989 ausgezahlten Überschüsse aus angeblichen Optionsgeschäften von 17.891 DM und 669.475 DM stammten aber tatsächlich aus Einlagen anderer Kapitalanleger. Das Schneeball-System brach 1990 zusammen. Der Kläger gab die Erträge nicht in seiner Steuererklärung an. Nach Kenntnis der Vorgänge erfasste das Finanzamt die Überschüsse als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage zwar statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH die Vorentscheidung aber auf und pflichtete dem Finanzamt bei. 

     

    Anmerkungen

    Das FG hatte die Steuerfreiheit der ausgekehrten „Überschüsse“ damit begründet, dass die Geldbeträge aus Treasury-Bond-Optionsgeschäften stammten, die weder als Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 7 EStG) noch als Spekulationsgewinne (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a. F.) zu erfassen seien. Dem widersprach der BFH und machte die steuerliche Einordnung der Überschüsse davon abhängig, ob der Kläger das betrügerische Schneeball-System durchschaut oder aber darauf vertraut hatte, die avisierten Optionsgeschäfte seien von der Anlagegesellschaft tatsächlich abgeschlossen worden. 

     

    Hatte der Kläger den Anlagebetrug durchschaut, seien die Überschüsse als Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtig, da er für die Überlassung von Kapital an die Anlagegesellschaft neben der Rückzahlung seiner „Einschüsse“ auch einen „Gewinn“ als Nutzungsentgelt kassiert hatte. Für den Fall, dass der Kläger den Anlagebetrug nicht erkannt haben sollte und von Optionsgeschäften ausgegangen war, kommt es nach Ansicht des VIII. Senats des BFH darauf an, wie sich aus der Sicht des Klägers bei objektiver Betrachtungsweise das jeweilige Anlagegeschäft dargestellt hat. Entscheidend sei der nach außen erkennbare Wille der Anlagegesellschaft bei Vertragsabschluss. Spiegelt die Anlagegesellschaft dem Anleger beispielsweise eine Anlage in Optionsgeschäften vor, so sind die ausgezahlten Beträge nach den Regeln des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zu versteuern. Werden dagegen Termingeschäfte vorgetäuscht, sind die darauf gezahlten Gewinne in den Jahren vor 1999 steuerlich nicht zu erfassen, da die Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG, die Gewinne und Vorteile aus Termingeschäften erfasst, erst ab 1999 zur Anwendung kommt.