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  • Bundesfinanzhof
    Kriterien für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Geschäftsanteilen
    von RiBFH Joachim Moritz, München
    Der Tatbestand der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung i.S. des § 17 EStG ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung in dem Zeitpunkt verwirklicht, zu dem das zivilrechtliche oder wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen auf den Erwerber übergeht (vgl. BFH 18.12.01, BFH/NV 02, 640). Fallen das bürgerlich-rechtliche und das wirtschaftliche Eigentum auseinander, ist ein Geschäftsanteil dem Veräußerer, auch wenn er noch zivilrechtlicher Eigentümer ist, ab dem Zeitpunkt nicht mehr zuzurechnen, zu dem das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber übergegangen ist. Der Zeitpunkt, in dem der Erwerber das wirtschaftliche Eigentum erlangt und der Veräußerer es verliert, ist auch der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG entsteht (vgl. BFH 15.7.97, BStBl II 98, 152; BFH 21.10.99, BStBl II 00, 424). Nunmehr hat der VIII. Senat des BFH in zwei aktuellen Entscheidungen die Anforderungen an den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Geschäftsanteilen weiter konkretisiert (BFH 17.2.04, VIII R 26/01 u. VIII R 28/02, Abruf-Nr. 041369 u. 041703).
    Vorbemerkung
    Die Frage, wann das wirtschaftliche Eigentum an einem GmbH-Geschäftsanteil übergeht, beurteilt sich nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Geschäftsanteilen auf Grund eines Verkaufs wendet der BFH die für den Verkauf von Sachen geltenden Grundsätze entsprechend an. Für den Übergang wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Geschäftsanteilen vor dem dinglichen Vollzug durch formwirksame Abtretung verlangt der BFH daher, dass der Erwerber alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben kann. Dazu gehört neben dem Übergang des Gewinnbezugsrechts auch der Übergang des Stimmrechts, wobei der BFH es insoweit als ausreichend erachtet, dass der Veräußerer auf Grund der getroffenen Vereinbarungen im Innenverhältnis zum Erwerber bei der Stimmabgabe dessen Interessen wahrzunehmen hat (vgl. BFH 10.3.88, BStBl II, 832).
    Das BFH-Urteil VIII R 26/01
    Dem Urteil VIII R 26/01 lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Gemeinsam mit drei weiteren Personen gründete der Kläger 1979 eine GmbH, an der er sich mit 26 v.H. beteiligte. Im April 1985 traten alle vier Gesellschafter je einen Anteil von 0,5 v.H. des Stammkapitals an Y ab. Darüber hinaus traten sie mit notarieller Urkunde vom 3.3.86 jeweils 2,5 v.H. des Stammkapitals an B ab, verbunden mit der Erklärung, die mit den abgetretenen Geschäftsanteilen verbundenen Rechte und Pflichten seien bereits am 1.4.85 "auf den Erwerber" übergegangen. Zuvor hatte am 7.5.85 eine Gesellschafterversammlung stattgefunden, in der zu der Beteiligung eines weiteren Gesellschafters A, dem Bruder des B, u.a. festgestellt wurde, zwischen den Gründungsgesellschaftern und A sei vereinbart worden, A übernehme 10 v.H. der Geschäftsanteile der GmbH mit Wirkung vom 1.4.85, die ihm die vier Gründungsgesellschafter zu gleichen Teilen abtreten; außerdem habe A die Option erhalten, statt seiner könne sein Bruder B Gesellschafter der GmbH werden. Den vereinbarten Kaufpreis leistete A bereits am 3.5.85. Auch nahm A 1985 an wichtigen Gesprächen und Beratungen der GmbH teil und erhielt entsprechend seiner Gewinnbeteiligung an der GmbH eine Gewinnausschüttung für den Zeitraum April bis Dezember 1985.
    Im Februar 1991 veräußerte der Kläger den überwiegenden Teil seiner Beteiligung. Das FA sah dadurch den Tatbestand des § 17 EStG als erfüllt an und unterwarf den Veräußerungsgewinn der Steuer. Das FG gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt und führte zur Begründung an, der durch notarielle Urkunde vom 3.3.86 an B abgetretene Teilgeschäftsanteil von 2,5 v.H. sei dem Kläger bereits seit dem 1.4.85 steuerlich nicht mehr zuzurechnen gewesen, vielmehr sei A ab 1985 wirtschaftlicher Eigentümer dieses Teilgeschäftsanteils gewesen. Damit sei der Kläger bei der Veräußerung im Februar 1991 nicht mehr innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich i.S. des § 17 EStG beteiligt gewesen.
    Der BFH hat die Vorentscheidung bestätigt und die Revision zurückgewiesen. Die vertragliche Vereinbarung hinsichtlich der Übertragung der Geschäftsanteile zum 1.4.85 hielt der BFH wegen fehlender notarieller Beurkundung nicht für wirksam. Vielmehr sei der Teilgeschäftsanteil des Klägers erst durch den notariellen Vertrag vom März 1986 wirksam abgetreten worden (§ 15 Abs. 3 GmbHG). Für die Zurechnung einer Beteiligung i.S. des § 17 EStG reiche aber auch das wirtschaftliche Eigentum aus. Beim Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum werde ein Geschäftsanteil dem Veräußerer ab dem Zeitpunkt nicht mehr zugerechnet, ab dem das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber übergegangen ist. Der BFH überträgt insoweit die zum wirtschaftlichen Eigentum an Grundstücken bei formnichtigen Grundstückskaufverträgen entwickelten Grundsätze auf den Übergang wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Geschäftsanteilen im Rahmen des § 17 EStG.
    Bei einem formunwirksamen Kaufvertrag über einen GmbH-Geschäftsanteil geht demnach das wirtschaftliche Eigentum über, wenn im Vertrag das Gewinnbezugsrecht übertragen, das Stimmrecht eingeräumt oder eine Stimmrechtsbindung des zivilrechtlichen Anteilsinhabers an die Interessen des Erwerbers vereinbart worden ist und wenn die getroffenen Vereinbarungen und die formwirksame Abtretung in der Folgezeit tatsächlich vollzogen werden.
    Für den Streitfall folgerte der BFH daraus, der Kläger habe das wirtschaftliche Eigentum an dem Teil-Geschäftsanteil von 2,5 v.H. bereits 1985 verloren. Denn A hatte den Kaufpreis bereits im Mai 1985 entrichtet, mit Zustimmung aller Gesellschafter an deren Beratungen und Besprechungen teilgenommen und die vereinbarten anteiligen Gewinnausschüttungen erhalten. Die Tatsache, dass die Geschäftsanteile im notariellen Vertrag vom 3.3.86 nicht an A, sondern auf dessen Wunsch an seinen Bruder B abgetreten wurden, erachtete der BFH als unschädlich, da A zuvor eine entsprechende Option erhalten hatte. Nach Auffassung des BFH war der Kläger daher bei Anteilsübertragung im Februar 1991 nicht mehr innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich i.S. des § 17 EStG beteiligt.
    Das BFH-Urteil VIII R 28/02
    In dem Verfahren VIII R 28/02 ging es um folgenden Sachverhalt: Der Kläger war zu 50 v.H. am Stammkapital der U-GmbH beteiligt; die restlichen Geschäftsanteile hatte T inne, der auch die Beteiligung des Klägers treuhänderisch hielt. Am 28.10.96 veräußerte T mit notariellem Kaufvertrag sämtliche Geschäftsanteile für 1,5 Mio. DM an E. Der Kaufpreis war zu einem Drittel 1996 und hinsichtlich des Rests bei Eintritt bestimmter Bedingungen, spätestens am 31.10.97 fällig. Die Anteilsabtretung stand unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung. Im Dezember 1996 veräußerte E mit notariellem Vertrag einen Teil-Geschäftsanteil von 22.500 DM an einen dritten Erwerber, M. Die im Gesellschaftsvertrag der U-GmbH für den Fall der Veräußerung von Geschäftsanteilen vorgesehene Genehmigung erteilte T in seiner Eigenschaft als alleiniger GmbH-Gesellschafter.
    Nachdem E den T zunächst als Geschäftsführer der U-GmbH abberufen und zwei andere Geschäftsführer bestellt hatte, berief T im November 1997 eine Gesellschafterversammlung der U-GmbH ein. Dort berief er die beiden Geschäftsführer ab und bestellte sich selbst zum Geschäftsführer. Noch im selben Monat wurde mit notariellem Vertrag eine He-rabsetzung des ursprünglich geschuldeten Kaufpreises von 1,5 Mio. DM auf 1.274.433 DM vereinbart. Soweit nicht bereits geleistet, wurde dieser 1997 entrichtet.
    Das FA sah auf Grund der Veräußerung der GmbH-Geschäftsanteile den Tatbestand des § 17 EStG als erfüllt an und berücksichtigte den Veräußerungsgewinn des Klägers von rund 607.000 DM bei der Veranlagung für das Streitjahr 1996. Es ging davon aus, mit dem Vertrag vom 28.10.96 sei das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Geschäftsanteilen auf E übergegangen. Der Kläger machte mit seiner nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage geltend, sein Veräußerungsgewinn könne nicht 1996 erfasst werden, denn bis zur Leistung des Kaufpreises habe nur er selbst rechtlich wirksame Gesellschafterbeschlüsse fassen können. Da das Stimmrecht nicht auf E übergegangen sei, habe E 1996 kein wirtschaftliches Eigentum an den Geschäftsanteilen erworben. Das FG schloss sich der Auffassung des FA an und wies die Klage mit dem Hinweis ab, das beim Treuhänder T verbliebene Stimmrecht sei ohne wirtschaftliche Bedeutung gewesen, denn T habe auf die Geschäftstätigkeit der U-GmbH keinen Einfluss genommen.
    Der BFH hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Nach seiner Auffassung ist der Veräußerungsgewinn des Klägers bereits 1996 zu erfassen, weil in diesem Jahr das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Geschäftsanteilen auf E übergegangen ist. Das zivilrechtliche Eigentum an den Anteilen sei zwar 1996 noch nicht übergegangen, da der Kläger sich dieses bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vorbehalten habe und nicht der gesamte Kaufpreis in 1996 geflossen sei. Die aufschiebende Bedingung, unter der die Anteilsübertragung stand, konnte damit 1996 nicht eintreten. Mit dem notariellen Vertrag vom 28.10.96 sei jedoch das wirtschaftliche Eigentum auf E übergegangen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Denn ab diesem Zeitpunkt hätten E die mit dem Erwerb der Geschäftsanteile verbundenen wesentlichen Rechte zugestanden, das heißt insbesondere Gewinnbezugs? und Stimmrecht. Auch wenn das Stimmrecht formal noch beim Kläger und beim Treuhänder T verblieben sei, dürfe bei einer Veräußerung unter einer aufschiebenden Bedingung der Verkäufer das vom Eintritt der Bedingung abhängige Recht in der Schwebezeit nicht beeinträchtigen, sondern sei verpflichtet, das bei ihm (formal) verbliebene Stimmrecht im Interesse des Erwerbers wahrzunehmen. Das gelte jedenfalls dann, wenn - wie hier - das Gewinnbezugsrecht auf den Erwerber übergegangen sei und hinsichtlich des Stimmrechts keine besonderen Vereinbarungen getroffen worden seien.
    Dass der gemäß Vertrag vom 28.10.96 geschuldete Restkaufpreis zum ursprünglich vereinbarten Termin (spätestens 31.10.97) nicht entrichtet wurde, führt nach Meinung des BFH nicht dazu, dass der 1996 entstandene Veräußerungsgewinn rückwirkend entfällt. Die schuldrechtlichen Grundlagen für das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Geschäftsanteilen fallen zwar dadurch weg. Die Beteiligten haben aber die auf Grund des Anteilskaufvertrages erbrachten Leistungen nicht rückgängig gemacht, sondern das wirtschaftliche Ergebnis des 1996 abgeschlossenen Kaufvertrages bestehen lassen. Unter Hinweis auf § 41 Abs. 1 S. 1 AO folgert der BFH daraus, die ursprüngliche Vereinbarung vom 28.10.96 sei so lange als gültig zu betrachten, bis die Beteiligten aus deren Unwirksamkeit endgültig zivilrechtliche Folgerungen gezogen und die erbrachten Leistungen insgesamt rückgängig gemacht haben (Hinweis auf § 812 Abs. 1 S. 1 BGB). Im Streitfall sei eine Rückabwicklung jedoch nicht erfolgt. Vielmehr hätten die Beteiligten im Ergebnis den Kaufvertrag vom 28.10.96 bestehen lassen. Denn weder wurde dem E das Gewinnbezugsrecht noch das Stimmrecht entzogen, noch ist der von E geleistete Teilkaufpreis zurückgezahlt worden; stattdessen ist lediglich der Gesamtkaufpreis herabgesetzt worden. Letztlich haben die Beteiligten damit die ursprüngliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den GmbH-Geschäftsanteilen bestätigt und die ursprünglichen Leistungspflichten aufrechterhalten.
    Anmerkungen und Praxishinweise
    Der BFH bleibt mit den Rezensionsentscheidungen bei seiner Linie, bei der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Geschäftsanteilen Parallelen zu formunwirksamen Grundstückskaufverträgen zu ziehen und die dort entwickelten Grundsätze zum Übergang wirtschaftlichen Eigentums auf Anteilsübertragungen entsprechend anzuwenden. Beim Verkauf von Sachen geht das wirtschaftliche Eigentum über, wenn der Verkäufer dem Käufer die Sache zu Eigenbesitz überlässt und Gefahr, Lasten und Nutzen der Sache auf den Käufer übergehen (vgl. BFH 25.1.96, BStBl II 97, 382; BFH 18.12.01, BFH/NV 02, 640). Bei formunwirksamen Anteilskaufverträgen zwischen Fremden hat die Anwendung dieser Grundsätze zur Folge, dass das wirtschaftliche Eigentum übergeht, wenn im Vertrag
  • das Gewinnbezugsrecht übertragen wird,
  • das Stimmrecht eingeräumt oder eine Stimmrechtsbindung des zivilrechtlichen Gesellschafters an die Interessen des Erwerbers vereinbart worden ist und
  • wenn die getroffenen Vereinbarungen und die formwirksame Abtretung in der Folgezeit tatsächlich vollzogen werden.
    Die Entscheidung VIII R 26/01 macht aber deutlich, dass die Grundsätze nicht uneingeschränkt Anwendung finden. Denn aus der Formulierung des BFH "für einen formunwirksamen Kaufvertrag zwischen Fremden über einen Geschäftsanteil..." ist zu schließen, dass diese Grundsätze nur zwischen fremden Dritten gelten, zumal in der Praxis die Verschaffung wirtschaftlichen Eigentums vor der formgerechten Abtretung zwischen Fremden eher die Ausnahme darstellen dürfte und allenfalls zwischen nahen Angehörigen vorkommen wird. Ein Verzicht auf die Vorgaben des § 15 Abs. 3 GmbHG, das heißt ein Verzicht auf die notarielle Beurkundung des Anteilskaufvertrages, könnte daher für das FA Anlass sein, den wirtschaftlichen Hintergrund der Angelegenheit näher zu prüfen, genauer gesagt nach einem Rechtsmissbrauch zu fahnden.
    Im Fall VIII R 28/02 fällt ins Auge, dass der BFH das wirtschaftliche Eigentum auch bei nachträglicher Unwirksamkeit der schuldrechtlichen Vereinbarungen bestehen lässt, sofern die Beteiligten im Ergebnis die ursprünglichen vertraglichen Leistungspflichten aufrechterhalten, das heißt den Vertrag letztlich durch Erfüllung der ursprünglichen Leistungsverpflichtungen durchführen. Auch wenn die zivilrechtliche Vereinbarung nicht mehr wirksam ist, kann nach Auffassung des BFH daher wirtschaftliches Eigentum bestehen bleiben.
    Sollten die Beteiligten bei Wegfall des rechtlichen Grundes eine Rückabwicklung des Anteilskaufvertrages ins Auge fassen, ist zu bedenken, dass diese u.U. die Rechtsfolgen des § 17 EStG auslösen kann. Überträgt zum Beispiel der Erwerber einer wesentlichen Beteiligung diese anschließend auf den Veräußerer zurück, weil ihn der Veräußerer über den Wert der Beteiligung getäuscht hat, so sieht der BFH in der Rückübertragung eine Veräußerung i.S. des § 17 EStG. Soweit der Erwerber den gezahlten Kaufpreis wegen Zahlungsunfähigkeit des ursprünglichen Veräußerers nicht zurückerlangen kann und der entstandene Schaden nicht durch realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte kompensiert wird, liegt deshalb für den Erwerber ein steuerlich zu berücksichtigender Veräußerungsverlust i.S. des § 17 EStG vor (vgl. BFH 21.10.99, BStBl II 00, 424).
    Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 10/2004, Seite 380
    Quelle: Ausgabe 10 / 2004 | Seite 380 | ID 103960