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  • 01.10.2007 | Bundesfinanzhof

    Verfassungsmäßigkeit der Pendlerpauschale weiterhin ernstlich zweifelhaft

    von Dipl.-Finw. Dr. Volker Kreft, Richter am Niedersächsischen FG, Bielefeld
    Nachdem bereits einzelne Finanzgerichte dem BVerfG ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gekürzte Pendlerpauschale in Vorlagebeschlüssen (2 BvL 1/07 und 2 BvL 2/07) vorgetragen hatten, hat der BFH brandaktuell eine entsprechende Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 2.3.07 (EFG 07, 773) wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 EStG n.F. bestätigt. Das Finanzamt wird damit verpflichtet, im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die ungekürzte Pendlerpauschale vorläufig auf die Lohnsteuerkarte einzutragen (BFH 23.8.07, VI B 42/07, Abruf-Nr. 072873).

     

    Sachverhalt

    Die Antragsteller sind Eheleute und an unterschiedlichen Orten nichtselbstständig tätig. Im Lohnsteuerermäßigungsverfahren für das Jahr 2007 beantragten sie, Aufwendungen des Ehemannes für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in voller Höhe als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Das Finanzamt setzte jedoch nur die gekürzte Entfernungspauschale an. Einspruch und Antrag auf AdV hatten keinen Erfolg. Das Niedersächsische FG teilte jedoch im Verfahren über den vorläufigen Rechtsschutz (§ 69 FGO) die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken und verpflichtete das Finanzamt, die ungekürzte Pendlerpauschale vorläufig auf die Lohnsteuerkarte einzutragen. Der BFH hat diese Entscheidung nun mit Beschluss vom 23.8.07 im Beschwerdeverfahren bestätigt. 

     

    Anmerkungen

    Ohne sich im Detail mit den gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 EStG n.F. vorgebrachten Argumenten auseinanderzusetzen, hat der BFH schlicht konstatiert, dass die Streitfrage wegen der im Schrifttum erhobenen beachtlichen Bedenken und einander widersprechender Finanzgerichtsentscheidungen höchstrichterlicher Klärung bedarf und allein deshalb die Voraussetzungen einer AdV erfüllt sind. 

     

    Der BFH musste aber noch eine weitere „Hürde überspringen“, die schon häufig in AdV-Verfahren wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm unüberwindbar schien. Denn nach langjähriger Rechtsprechung des BFH ist wegen des Geltungsanspruchs jedes verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich. Im Streitfall ist die Interessenabwägung zwischen der einer AdV entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für eine AdV sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen jedoch zugunsten der Antragsteller ausgegangen. Der BFH hat insoweit hervorgehoben, dass die Kosten für Fahrten zur Arbeitsstelle zur Erwerbssicherung unvermeidlich sind, denn „wenn der Erwerbende sich nicht zu seiner Arbeitsstelle begibt, verdient er auch nichts“.