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  • Bundesfinanzministerium

    Renovierung kurz vor Auszug des Mieters und anschließender Selbstnutzung

    von Dipl.-Finw. Jürgen Serafini, Troisdorf

    Im vergangenen Jahr hatte der BFH über die Frage zu entscheiden, inwieweit Erhaltungsaufwendungen an einer noch vermieteten, aber bereits zur Selbstnutzung vorgesehenen Wohnung als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Der IX. Senat hat insoweit eine Steuerzahler freundliche Entscheidung getroffen, denn er stellt lediglich auf den Entstehungszeitpunkt der Maßnahme ab. Soweit die Renovierungskosten noch vor Beendigung der Vermietung entstanden sind, sei ihre Werbungskosteneigenschaft typisierend zu bejahen. Auf die Zweckbestimmung des Erhaltungsaufwands komme es nicht an (BFH 10.10.00, BFH/NV 01, 365). Die Finanzverwaltung hat sich nun der Ansicht des BFH angeschlossen – allerdings mit deutlichen Einschränkungen (BMF 26.11.01, GStB 02, R 8).

    Anmerkungen

    Renovierungsaufwendungen an einer Immobilie stellen nur dann Werbungskosten dar, wenn sie (nahezu) ausschließlich durch die Einkunftserzielung veranlasst sind. Bei Renovierungsmaßnahmen in unmittelbarer Nähe zur bevorstehenden Selbstnutzung ist dieser Veranlassungszusammenhang naturgemäß schwierig zu beurteilen. Regelmäßig wird zumindest eine Mitveranlassung durch die zukünftige Selbstnutzung nicht ausgeschlossen werden können. Der BFH hat jedoch in seiner jüngsten Entscheidung insofern eine Motivforschung beim Steuerpflichtigen abgelehnt. Es fehle für eine verursachungsgerechte Unterscheidung in vermietungsbedingt einerseits bzw. selbstnutzungsbedingt andererseits regelmäßig an objektiven Abgrenzungskriterien. Aus Gründen der Praktikabilität sei daher allein auf den Zeitpunkt der Reparaturmaßnahmen abzustellen. Falle der Erhaltungsaufwand noch während der Vermietungsphase an, so könne typisierend davon ausgegangen werden, diese Kosten dienten noch der Einkunftserzielung, selbst wenn die Maßnahmen der Selbstnutzung zugute kommen. Hierbei sei auf den Entstehungszeitpunkt abzustellen – der Zeitpunkt der Zahlung sei insofern nicht relevant.

    Es war zu erwarten, dass sich die Finanzverwaltung mit dieser Betrachtung schwer tun würde. Das BMF-Schreiben vom 26.11.01 (a.a.O.) formuliert dementsprechend zwar eine grundsätzliche Anerkennung der BFH-Ansicht, um diese Zustimmung jedoch sogleich wieder mit einer Einschränkung zu versehen, die einen Großteil der Praxisfälle betreffen dürfte: Dem betroffenen Renovierungsaufwand sei der Werbungskostenabzug „ausnahmsweise“ zu versagen, wenn die Erhaltungsmaßnahmen für die Selbstnutzung bestimmt seien und lediglich in die Vermietungszeit vorverlagert werden. Dies könne „insbesondere“ der Fall sein, wenn das Mietverhältnis bereits gekündigt sei und die Maßnahmen objektiv betrachtet nicht nur zur Wiederherstellung oder Bewahrung der Mieträume oder des Gebäudes erforderlich seien.

    Da das typisierende, von der Zweckbestimmung unabhängige Abstellen auf den Renovierungszeitpunkt die zentrale Kernaussage der jüngsten BFH-Rechtsprechung war, kommt die Sichtweise des BMF, insbesondere nach dem Veranlassungszusammenhang zu unterscheiden, schon einem Nichtanwendungserlass recht nahe. Dafür spricht auch das „Regelbeispiel“ des BMF, wonach Renovierungsmaßnahmen ins steuerliche Zwielicht geraten, wenn das Mietverhältnis bei Renovierung bereits gekündigt ist und die Maßnahmen eine normale Mietraum-Wiederherstellung überschreiten. Denn dass mit der Renovierung erst nach der Kündigung begonnen wird, dürfte der Normalfall sein – und zwar einerseits wegen der Länge der Kündigungsfristen und andererseits, weil sinnvollerweise eine auszugsbedingte Renovierung erst dann in Angriff genommen wird, wenn sich der Auszug des Mieters bereits konkretisiert hat.

    Im Übrigen bringt das BMF durch den Begriff „insbesondere“ zum Ausdruck, dass die beschriebene Sachverhaltsvariante nur eine der denkbaren Fallgestaltungen darstelle, bei denen aus Verwaltungssicht der Werbungskostenabzug zu verneinen sei. Damit dürfte es in der Praxis zu zahlreichen Fällen kommen, in denen Finanzbeamte den Werbungskostenabzug unter Berufung auf das BMF-Schreiben auch künftig versagen werden. Streit mit der Finanzverwaltung ist zudem deshalb vorprogrammiert, weil das BMF nicht erläutert, wann die Grenze der reinen „Mietraum-Wiederherstellung“ überschritten ist.

    Praxishinweise

    Die Vorbehalte des BMF mögen systematisch gut begründet sein. Sie sind jedoch aus Sicht des Steuerpflichtigen abzulehnen, da sie in nicht hinnehmbarer Weise die jüngste BFH-Rechtsprechung aushöhlen. In einschlägigen Fallgestaltungen sollten Sie daher Einspruch gegen entsprechende Steuerfestsetzungen einlegen. Auch ein sich anschließendes Klageverfahren erscheint erfolgversprechend, denn der BFH hat seine vorgenannte Ansicht inzwischen in einer weiteren Entscheidung bestätigt (BFH 20.2.01, BFH/NV 01, 1022). Dort hatte der BFH für die typisierende Zuordnung allein auf das formale Mietvertragsende abgestellt, obwohl der Mieter bereits Wochen vor diesem Zeitpunkt ausgezogen ist und sich umgemeldet hatte.

    Allerdings hat auch die typisierende BFH-Rechtsprechung ihre Grenzen: In seiner Entscheidung vom 10.10.00 (a.a.O.) hat der BFH ausdrücklich offen gelassen, ob bei „atypischen Sachverhalten“ eine andere als die typisierende Betrachtung geboten sein kann. Insbesondere bei Herstellungsaufwand, aber auch generell bei kostenintensiven Renovierungen mit „selbstnutzungsspezifischer“ Ausgestaltung (z.B. Ersatz des Fußbodenbelags durch hochwertige Natursteinböden) dürfte die „Schmerzgrenze“ der Typisierung überschritten und der Werbungskostenabzug damit zu versagen sein.

    Erfolgen die Renovierungsarbeiten nicht noch während der Vermietungsphase, sondern erst nach Auszug des Mieters, kommt ein Abzug als nachträgliche Werbungskosten – auf Grund der vorgenannten Typisierung – grundsätzlich nicht in Betracht. Dies gilt zumindest, soweit es sich um Schönheitsreparaturen oder um die Beseitigung kleinerer und vermietungsüblicher Schäden handelt. Ausnahmsweise lässt der IX. Senat jedoch den Werbungskostenabzug auch nach dem Auszug zu, wenn die beseitigten Mängel die normalen Abnutzungserscheinungen deutlich überschreiten. Zu solchen Mängeln gehören insbesondere mutwillige Beschädigungen oder Instandhaltungen, die der Mieter pflichtwidrig nicht selbst vorgenommen hat und für die daher seine Kaution verwendet wird (BFH 11.7.00, BFH/NV 00, 1547). Betrifft die nach Mieterauszug erfolgte Baumaßnahme nicht den Erhalt des Gebäudes, sondern seinen Abbruch, so ist bei anschließender Selbstnutzung des Grundstücks nur dann eine Berücksichtigung der Abbruchkosten als nachträgliche Werbungskosten denkbar, wenn das Gebäude wirtschaftlich und technisch verbraucht war (BFH 13.12.00, BFH/NV 01, 766 und BFH 31.3.98, BFH/NV 98, 1212).

    Es darf im Übrigen nicht vergessen werden, dass die typisierende Rechtsprechung des BFH auch für den Fall Gültigkeit haben dürfte, dass eine Vermietung nach einer vorangegangenen Selbstnutzungsphase erfolgt. Daher ist in einschlägigen Fällen darauf zu achten, dass Renovierungsmaßnahmen erst nach Beendigung der Selbstnutzung erfolgen, um den Abzug als vorweggenommene Werbungskosten nicht zu gefährden (vgl. BFH-Urteil vom 4.7.89, BFH/NV 90, 229, auf das die Entscheidung vom 10.10.00 ausführlich Bezug nimmt).

    Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 02/2002, Seite 54

    Quelle: Ausgabe 02 / 2002 | Seite 54 | ID 103702