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  • Bundesfinanzministerium

    Schwesterpersonengesellschaften und mitunternehmerische Betriebsaufspaltung

    von Dipl.-Finanzwirt Hans-Ulrich Kühn, Halle/Westf.

    Die Behandlung von Schwesterpersonengesellschaften und der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung war lange Zeit streitig. Es ging stets um die Frage, bei welcher Gesellschaft ein Wirtschaftsgut zu bilanzieren ist, das die eine Gesellschaft der anderen überläßt. Während der BFH die Wirtschaftsgüter der überlassenden Gesellschaft zugeordnet hat, bevorzugte die Finanzverwaltung in bestimmten Fällen die Einordnung als Sonderbetriebsvermögen der nutzenden Gesellschaft. Nunmehr hat sich die Finanzverwaltung jedoch dazu durchgerungen, die Auffassung des BFH voll und ganz zu akzeptieren (BMF 28.4.98, Beilage GStB 7/98). Wir stellen Ihnen das aktuelle BMF-Schreiben vor und zeigen auf, wann Gestaltungsbedarf besteht.

    1. Die Rechtsprechung des BFH

    Der BFH hat mit Urteilen vom 16.6.94 und 22.11.94 (BStBl II 96, 82 und 93) entschieden, daß Wirtschaftsgüter, die eine – gewerblich tätige oder gewerblich geprägte – Personengesellschaft einer Schwesterpersonengesellschaft überläßt, der überlassenden Gesellschaft zugerechnet werden. Die Annahme von Sonderbetriebsvermögen bei der nutzenden Gesellschaft hat er abgelehnt. Weiterhin hat der BFH mit Urteil vom 26.11.96 (BStBl II 98, 328) klargestellt, daß dies auch gilt, wenn die überlassende Gesellschaft eine atypisch stille Gesellschaft ist. Hinweis: Von einer Schwesterpersonengesellschaft spricht man, wenn an dieser ganz oder teilweise die gleichen Personen wie an der überlassenden Gesellschaft beteiligt sind.

    Mit Urteil vom 23.4.96 (BStBl II 98, 325) hat der BFH diese Rechtsgrundsätze auch auf die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung übertragen und damit seine bisherige Rechtsprechung geändert. Danach hat die Qualifikation als Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft Vorrang vor der Einstufung als Sonderbetriebsvermögen der Betriebsgesellschaft. Hinweis: Eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung ist gegeben, wenn eine Personengesellschaft einer anderen Personengesellschaft eine wesentliche Betriebsgrundlage überläßt und die überlassende Gesellschaft die nutzende Gesellschaft (personell) beherrscht.

    2. Die Auffassung der Finanzverwaltung

    Nachdem die Finanzverwaltung zunächst nur die Urteile zu den Schwesterpersonengesellschaften eingeschränkt angewandt hat (vgl. BMF 18.1.96, BStBl I, 86), folgt sie nunmehr der Sicht des BFH uneingeschränkt (BMF 28.4.98, aaO). Das bedeutet:

    Wenn eine gewerbliche GbR, eine OHG, eine KG (auch Schein-KG) oder eine atypisch stille Gesellschaft Wirtschaftsgüter an eine ganz oder teilweise personenidentische Personengesellschaft vermietet oder im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung überläßt, werden Sonderbetriebsvermögen und Sonderbetriebsein-nahmen bei der nutzenden Personengesellschaft abgelehnt. Es genügt bereits, daß die überlassende Gesellschaft eine gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist oder ihre Einkünfte aufgrund einer Betriebsaufspaltung als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind. Diese Grundsätze sind allerdings nicht anzuwenden,

    • wenn die überlassende Gesellschaft bei unentgeltlicher oder teilentgeltlicher Überlassung keine Gewinnerzielungsabsicht hat, da sie dann keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt;
    • wenn die überlassende Gesellschaft keine gewerblichen Einkünfte, sondern zum Beispiel ausschließlich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus freiberuflicher Tätigkeit oder aus Vermietung und Verpachtung erzielt und diese nicht aufgrund der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als gewerblich zu qualifizieren sind;
    • wenn die Überlassung im Rahmen einer doppelstöckigen Personengesellschaft erfolgt, da insoweit der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG eindeutig ist und im Gegensatz zu den Urteilsfällen die überlassende Gesellschaft und nicht nur ihre Gesellschafter an der nutzenden Gesellschaft beteiligt sind;
    • und wenn die Nutzungsüberlassung durch einen Mitunternehmer erfolgt, der einen Einzelgewerbebetrieb unterhält.

    In diesen Fällen verbleibt es bei dem Vorrang des Sonderbetriebsvermögens.

    Diese Rechtsgrundsätze sind nunmehr spätestens für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.98 beginnen. Auf Antrag können die Grundsätze allerdings auch schon früher angewendet werden. Entsprechende Anträge können einheitlich für alle Beteiligten und unwiderruflich bis zum 31.12.99 bei den zuständigen Finanzämtern gestellt werden. Innerhalb dieser Fristen ist mithin zu prüfen, ob gegebenenfalls Gestaltungsbedarf besteht!

    3. Wann besteht Gestaltungsbedarf?

    Gestaltungsbedarf wird immer dann bestehen, wenn eine gewerbliche Personengesellschaft Wirtschaftsgüter an eine Schwestergesellschaft vermietet oder im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung überläßt und bisher insoweit Sonderbetriebsvermögen bei der nutzenden Personengesellschaft angenommen worden ist.

    Die Auswirkungen werden an dem folgenden Beispiel einer – durch Rechtsprechungsänderung – entstehenden mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung aufgezeigt (vgl. dazu auch GStB 9/97).

    Beispiel

    Eine GbR, die zu je 1/3 aus den Gesellschaftern Schwarz, Weiß und Rot besteht, ist als Bruchteilsgemeinschaft Eigentümerin eines bebauten Grundstücks an der Bergstraße und eines Mietwohnhauses an der Talstraße. Das Grundstück Bergstraße wird an eine OHG, die zu je 1/2 aus den Gesellschaftern Schwarz und Weiß besteht, für deren gewerbliche Zwecke vermietet. Das Grundstück Talstraße wird an fremde Dritte vermietet.

                                 vermietet an                                    vermietet an

    Nach bisheriger Sicht waren die Anteile von Schwarz und Weiß am Grundstück Bergstraße (sowie anteilige Verbindlichkeiten) Sonderbetriebsvermögen der Schwarz-Weiß-OHG. Sie führten bei der OHG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb; im übrigen erzielten die Gesellschafter der GbR Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Nach neuer Sicht ist jedoch eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung anzunehmen (die GbR und die OHG sowohl personell als auch sachlich miteinander verflochten). Folge: Die GbR ist insgesamt hinsichtlich Vermögen und Einkünften gewerblich. Nach der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sind daher auch die ursprünglichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren.

    Im oben genannten Beispiel können sich die folgenden wesentlichen Vor- und Nachteile ergeben:

    Nachteile:

    • Die stillen Reserven in den Grundstücken Bergstraße und Talstraße sind nunmehr insgesamt steuerverstrickt, insbesondere auch soweit sie Rot, dem “Nur-Besitzgesellschafter”, zuzurechnen sind.
    • Die GbR ist mit ihren gesamten Einkünften gewerbesteuerpflichtig.
    • Schwarz und Weiß können Verluste aus dem bisherigen Sonderbetriebsvermögen Bergstraße nicht mehr mit gewerbeertragsteuerlicher Wirkung mit Gewinnen der Schwarz-Weiß-OHG ausgleichen.
    • Darlehensverhältnisse zwischen der GbR und der OHG führen zu Dauerschulden.
    • Betreibt die OHG ein gemäß § 3 Nr. 20 GewStG befreites Unternehmen (zum Beispiel Altenheim oder Klinik), werden Gewinne aus dem Sonderbetriebsvermögen nicht mehr von der Gewerbesteuerbefreiung umfaßt.

    Vorteile:

    • Die gewerbesteuerlichen Freibeträge und der Staffeltarif kommen auch bei der GbR zur Anwendung.
    • Die OHG kann tarifbegünstigt veräußert oder aufgegeben werden, auch wenn das Grundstück Bergstraße nicht mitveräußert oder die insoweit bestehenden stillen Reserven nicht aufgedeckt werden. Da das Grundstück der GbR zuzurechnen ist, wird insoweit eine “Abschirmwirkung” entfaltet. Es muß allerdings darauf geachtet werden, daß die GbR nach Verkauf oder Aufgabe der OHG ihrerseits selbst gewerbliche Einkünfte erzielt, da mit Verkauf bzw. Aufgabe der OHG auch die Betriebsauspaltung entfällt. Das gewünschte Ererreichen, indem die GbR in eine gewerblich geprägte Gesellschaft (GmbH & Co. GbR oder GmbH & Co. KG) umgewandelt wird.
    • Ein weiterer Vorteil ist, daß die OHG gemäß § 20 UmwStG in eine Kapitalgesellschaft zu Buchwerten umgewandelt werden kann, ohne daß das Grundstück Bergstraße einzubringen ist. Die aufgrund der Rechtsprechung entstandene mitunternehmerische Betriebsaufspaltung kann mithin in eine kapitalistische Betriebsaufspaltung umgewandelt werden.

      Werden keine gestalterischen Maßnahmen ergriffen, so führt dies nach dem genannten BMF-Schreiben dazu, daß zum Ende des Wirtschaftsjahres, das nach dem 31.12.98 beginnt (also zumeist zum 31.12.99), für die Besitzgesellschaft eine Bilanz erstellt wird. In dieser sind die Grundstücke Berg- und Talstraße – gegebenenfalls zuzüglich Schulden – mit den bisherigen Buch- bzw. Restwerten einzustellen.

      Führt die Rechtsprechung bzw. die neue Auffassung der Finanzverwaltung zu Nachteilen, insbesondere wegen der Steuerverstrickung des Grundstücks Talstraße, so können beispielsweise die nachfolgend dargestellten Maßnahmen ergriffen werden:
    • Vor Anwendung der neuen Rechtsprechung, also bis zum 31.12.98 (soweit kein abweichendes Wirtschaftsjahr gegeben ist) übertragen Schwarz und Weiß ihre Anteile an dem von der OHG genutzten Grundstück Bergstraße aus ihrem Sonderbetriebsvermögen erfolgsneutral in das Gesamthandsvermögen ihrer OHG. Die Buchwertübertragung ermöglicht Tz 26 des Mitunternehmererlasses vom 20.12.77 (BStBl I 78, 8). Werden gleichzeitig Verbindlichkeiten von der OHG übernommen, so stehen allerdings die Tz 28 und 66 des Mitunternehmerlasses einer vollständig erfolgsneutralen Übertragung entgegen. Für diese Fälle läßt das BMF-Schreiben die Aufspaltung in ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft und in einen steuerneutralen Übertragungsvorgang zu (vgl. dazu auch BMF 27.3.98; DStR, 766 sowie Beitrag auf Seite 3). In diesem Zusammenhang kann natürlich auch Rot seinen Grundstücksanteil steuerfrei an die OHG veräußern.
    • Ist es Ziel, das Grundstück Bergstraße von der OHG zu separieren, so könnten Schwarz, Weiß und gegebenenfalls Rot auch eine weitere eigenständige (gewerblich geprägte) Personengesellschaft gründen. Schwarz und Weiß könnten entsprechend den Regelungen des Mitunternehmerlasses ihre Anteile an diesem Grundstück auf die neue Gesellschaft übertragen (Ausgliederungsmodell). Rot könnte eventuell seinen Anteil an die neue Gesellschaft steuerfrei veräußern. Bei dieser Gestaltung bliebe bei der ursprünglichen Gesellschaft hinsichtlich des Grundstücks Talstraße die neue Rechtsprechung ohne Auswirkung.
    • Entscheiden sich Schwarz, Weiß und Rot gemeinsam, die neue Rechtsprechung bereits zu einem früheren Zeitpunkt anzuwenden, könnten sie auch gemäß § 24 UmwStG ihre dann anzunehmenden Mitunternehmeranteile an der GbR in die OHG einbringen. Dies wäre allerdings bei dem vorgegebenen Beispiel keine gute Alternative, da dann die Anteile von Rot und das gesamte Grundstück Talstraße steuerverstrickt wären.

    4. Wann besteht kein Gestaltungsbedarf?

    gebnis, also die Erzielung gewerblicher Einkünfte, läßt sich aberLiegen die Voraussetzungen der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung nicht vor, besteht grundsätzlich kein Gestaltungsbedarf. Erfolgt die Überlassung der Wirtschaftsgüter nämlich durch eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, die nicht wegen Annahme einer Betriebsaufspaltung, einer gewerblichen Prägung oder einer sonstigen eigenen gewerblichen Tätigkeit als gewerblich anzusehen ist, wird die neue Rechtsprechung nicht relevant.

    Beispiel

    Eine GbR vermietet ein Grundstück an eine OHG; weitere Geschäfte tätigt sie nicht. An der GbR sind A, B, C, D und E zu je 1/5 Gesellschafter, an der nutzenden OHG sind A und B zu je 1/2 beteiligt. Da die OHG nicht von der GbR beherrscht wird, liegt keine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung vor. Die Grundstücksanteile von A und B stellen Sonderbetriebsvermögen der OHG dar; die neue Rechtsprechung führt nicht zu Änderungen. Grundsätzlich besteht kein Handlungsbedarf.

    Auch für Fälle der doppelstöckigen Personengesellschaft besteht grundsätzlich kein Gestaltungsbedarf zur Abwendung von Nachteilen. Zutreffend geht das BMF davon aus, daß sich der BFH durch seine neue Rechtsprechung nicht von der Sicht des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Zuordnungsnorm lösen wollte. In dem BFH-Urteil vom 1.10.96 (VIII R 44/95, BB 97, 1344) verweist der BFH zum Sonderbetriebsvermögen auf den BFH-Beschluß vom 3.5.93 GrS 3/92 (BStBl II 93, 616, 623). Dieser Beschluß verweist wiederum auf das BFH-Urteil vom 18.7.79 (BStBl II 79, 750), in dem die Sicht des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Zuordnungsnorm begründet worden ist.

    Die Frage der Nutzungsüberlassung durch eine freiberufliche oder land- und forstwirtschaftliche Personengesellschaft ist leider nicht ausdrücklich angesprochen worden. Ein Risiko kann jedoch ausgeschlossen werden, soweit die überlassende Personengesellschaft nicht aufgrund der Abfärberegelung (zum Beispiel wegen Begründung einer Betriebsaufspaltung) insgesamt gewerblich wird.  Zu Möglichkeiten der Abwendung dieses Risiko wird auf die von Kreft in GStB 5/98 dargestellten Möglichkeiten verwiesen.

    5. Fazit

    Die neue Rechtsprechung des BFH eröffnet Chancen und Risiken. Der steuerliche Berater ist nun aufgefordert, sämtliche Fälle zu prüfen, in denen eine Personengesellschaft einer anderen – ganz oder teilweise personenidentischen – Personengesellschaft Wirtschaftsgüter überläßt. Überwiegen die Vorteile der neuen Rechtsprechung, sollten die Rechtsgrundsätze sofort – gegebenenfalls für alle noch offenen Veranlagungszeiträume – angewandt werden. Überwiegen die Nachteile, muß nach geeigneten Gestaltungen gesucht werden.

    In diesem Beitrag konnten nicht alle Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, da letztlich jeder Fall nach einer individuellen Lösung verlangt. Zu weiteren Gestaltungsmöglichkeiten wird daher auf den Aufsatz von Thiel/Rödder “Nutzung des Mitunternehmererlasses und der Betriebsaufspaltungsgrundsätze für Umstrukturierungsvorhaben” (FR 98, 401) hingewiesen. Interessant auch: Neu, “Nutzungsüberlassungen zwischen Schwesterpersonengesellschaften” (DStR 98, 1250).

    Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 09/1998, Seite 8

    Quelle: Ausgabe 09 / 1998 | Seite 8 | ID 103354