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  • 01.05.2006 | Bundesverfassungsgericht

    BVerfG erteilt Halbteilungsgrundsatz als Belastungsobergrenze eine Absage

    von Dipl.-Finw. Dr. Volker Kreft, Richter am Nieders. FG, Bielefeld
    Seit dem Beschluss des BVerfG vom 22.6.95 wurde in der Rechtsprechung und im steuerrechtlichen Schrifttum heftig darum gestritten, ob es eine verbindliche verfassungsrechtliche Obergrenze für die Gesamtbelastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer gibt. Nun hat aber das BVerfG (18.1.06, 2 BvR 2194/99, Abruf-Nr. 060975) selbst einen Schlussstrich unter diese Diskussion gezogen und entschieden, dass eine steuerliche Gesamtbelastung von über 50 v.H. Einkommen- und Gewerbesteuer verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

     

    Sachverhalt

    Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Gewerbebetriebs und wurde im Streitjahr 1994 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens von 622.878 DM setzte das FA die Einkommensteuer auf 260.262 DM fest. Ihre von der Gemeinde festgesetzte Gewerbesteuerschuld belief sich auf 112.836 DM. Mit ihrem Einspruch rügten sie, die Einkommen- und Gewerbesteuer verstoße gegen den „Halbteilungsgrundsatz“, da die steuerliche Gesamtbelastung des Einkommens über 50 v.H. liege. Klage, Revision und Verfassungsbeschwerde blieben ohne Erfolg, da laut Gericht die Steuerbelastung eines Gewerbetreibenden über 50 v.H. liegen dürfe.  

     

    Anmerkungen

    Nach Auffassung der Verfassungsrichter kann der 1995 durch die Rechtsprechung aufgestellte Halbteilungsgrundsatz nicht als Obergrenze für die Belastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer angesehen werden. Vielmehr sei es damals allein um die Gesamtbelastung durch eine neben der Einkommensteuer erhobene Vermögensteuer gegangen. Diese Belastung sei nicht ohne weiteres vergleichbar. Eine über 50 v.H. liegende Gesamtbelastung verletze hier nicht das durch Art. 14 GG geschützte Eigentumsrecht. Der Gesetzgeber habe einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung der Steuerbelastung. Eine zahlenmäßig zu konkretisierende Obergrenze der Besteuerung gebe es nicht. Die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen dürfe im Regelfall allerdings nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt werde und damit nicht mehr angemessen zum Ausdruck komme.  

     

    Praxishinweis

    Wenn schon die hohen Grenzsteuersätze im Streitjahr 1995 ohne Anrechnungsmöglichkeit der Gewerbesteuer (gem. § 35 EStG ab VZ 2001) zu keiner Übermaßbesteuerung geführt haben, bietet die gegenwärtige Ausgestaltung des deutschen Ertragsteuerrechts erst recht keinen Anhaltspunkt für einen Verfassungsverstoß. Sofern Steuerbescheide offen gehalten wurden, kommt auf Grundlage der Besprechungsentscheidung nur eine Rücknahme der Einsprüche in Betracht.