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  • 05.01.2009 | Bundesverfassungsgericht

    Verfassungswidrigkeit der Pendlerpauschale: Die Auswirkungen auf die Beratungspraxis

    von Dipl.-Finw. Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf

    Seit dem 1.1.07 werden die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten steuerlich grundsätzlich nur noch ab dem 21. Entfernungskilometer wie Werbungskosten berücksichtigt. Entsprechendes gilt auch für den Betriebsausgabenabzug. Das BVerfG hat nun jedoch - wie erhofft - entschieden, dass diese „gekürzte“ Pendlerpauschale verfassungswidrig ist (BVerfG 9.12.08, 2 BvL 1/07 u.a., Abruf-Nr. 083929).

     

    Das Urteil des BVerfG vom 9.12.08

    Mit der Einführung des sog. Werkstorprinzips hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem VZ 2007 bestimmt, dass die Aufwendungen für die Wege zur regelmäßigen Arbeitsstätte keine Werbungskosten und keine Betriebsausgaben mehr darstellen, dass aber „zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen" für Fahrten ab dem 21. Entfernungskilometer eine Pauschale von 0,30 EUR „wie Werbungskosten" oder „wie Betriebsausgaben“ abzusetzen ist (siehe hierzu auch BMF 1.12.06, BStBl I 06, 778). Die Einführung der Pendlerpauschale wurde im Gesetzgebungsverfahren mit dem Ziel notwendiger Konsolidierung des übermäßig verschuldeten Staatshaushalts begründet, die verbliebene Abzugsfähigkeit der erhöhten Aufwendungen für längere Wegstrecken diente als ergänzende Härtefallregelung.  

     

    Das BVerfG hat diese Neuregelung des § 9 Abs. 2 S. 1 u. 2 EStG nun jedoch als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar eingestuft. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ist § 9 Abs. 2 S. 2 EStG damit im Wege vorläufiger Steuerfestsetzung (§ 165 AO) sowie entsprechend im Lohnsteuerverfahren, hinsichtlich der ESt-Vorauszahlungen und in sonstigen Verfahren, in denen das zu versteuernde Einkommen zu bestimmen ist, ohne die Beschränkung auf Entfernungen erst ab dem 21. Kilometer anzuwenden (so auch BMF 15.12.08, IV A 3 -S 0338/07/10010-02, Abruf-Nr. 084013). Der Gesetzgeber ist verpflichtet, rückwirkend auf den 1.1.07 die Verfassungswidrigkeit durch Umgestaltung der Rechtslage zu beseitigen.  

     

    Praktische Bedeutung für den Werbungskostenabzug

    Die Aufwendungen für die Wegstrecke zur Arbeit können ab dem VZ 2007 wie Werbungskosten ab dem ersten Entfernungskilometer geltend gemacht werden. Eine formelle Änderung der Steuerbescheide erfolgt im Regelfall gemäß § 165 Abs. 2 AO oder - falls der Steuerfall aus anderen Gründen offen ist - hiernach. Die Umsetzung durch die Finanzverwaltung dürfte in den Fällen unproblematisch sein, in denen der Arbeitnehmer bereits bislang seine Fahrtkilometer zur Arbeit in der Steuererklärung eingetragen hat. Erfolgte keine Eintragung, dürfte es geboten sein, dem Finanzamt die Entfernungskilometer und die Anzahl der Fahrtage anzuzeigen. Die Entscheidung des BVerfG vom 9.12.08 deckt nur diese Änderung ab. Sofern eine Änderung des ESt-Bescheides 2007 nach § 165 AO erfolgt, dürften neben den ab dem ersten Entfernungskilometer ansetzbaren Fahrtkosten mangels Berichtigungsvorschrift keine weiteren Werbungskosten (z.B. Reinigungskosten, Fachliteratur oder Kontoführungskosten) mit steuerlicher Wirkung nachmeldbar sein.