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  • 01.02.2006 | Checkliste

    Typische Praxisfragen zum Rechtsschutz in Sachen „Grundsteuer“

    von Dipl.-Finw. Dr. Volker Kreft, Richter am Nieders. FG, Bielefeld

    Nachdem sich nun neben dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (25 K 2643/05) und dem Bundesverwaltungsgericht (10 B 45/05) auch das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1644/05) mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer beschäftigt, sehen sich die für die Festsetzung des Grundsteuermessbescheides zuständigen Finanzbehörden und die für die Erteilung des Grundsteuerbescheides zuständigen Gemeinden einer Fülle von Rechtsbehelfen gegenüber. Allein in Westfalen-Lippe gehen bei den Finanzämtern nach Auskunft der Sprecherin der OFD-Münster (siehe Ruhr-Nachrichten vom 21.1.06) täglich bis zu 500 Anträge auf Aufhebung von Grundsteuermessbescheiden ein. Viele steuerliche Berater werden seit Beginn dieses Jahres mit Anfragen überflutet, da wegen des Stichtagsprinzips jetzt viele Mandanten auch ihre Grundsteuerbescheide von den Gemeinden erhalten haben. Dies gibt Anlass, noch einmal die wichtigsten Praxisfragen zu erörtern, die in den letzten Tagen in unserer Redaktion eingegangen sind. Das soll nicht nur dem Steuerberater eine Hilfestellung bieten, die Checkliste kann auch im Internet abgerufen (Abruf-Nr. 060266) und den Mandanten als „erste Hilfe“ zur Verfügung gestellt werden. 

     

    Typische Fragen zum Rechtschutz bei der Grundsteuer

    Frage 

    Antwort 

    1.Welche Gründe sprechen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer? 

    1.Verstoß gegen Art. 14 GG: Die Besteuerung des Grundbesitzes mit der Grundsteuer bedeutet eine unzulässige „echte“ Substanzbesteuerung. Denn dem Gesetzgeber ist es grundsätzlich untersagt, dass persönliche Gebrauchsvermögen, mit dem man keinen tatsächlichen Ertrag erzielen kann, der Besteuerung zu unterwerfen (ähnlich die Beschlüsse des BVerfG v. 22.6.95, BStBl II 95, 655 u. 671, zur Vermögen- und Erbschaftsteuer).

     

    2.Verstöße gegen Art. 3 und Art. 6 GG:
    • Die Grundsteuer ist eine Sondervermögensteuer nur für einen bestimmten Vermögensteil.
    • Die Grundsteuer wird von einer Brutto-Bemessungsgrundlage erhoben, ohne z.B. Schulden zu berücksichtigen (Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip).
    • Auch persönliche Verhältnisse werden nicht berücksichtigt (z.B. kein Ansatz von Kinderfreibeträgen).

     

    Hinweis: Ausführliches hierzu finden Sie bei Kreft, GStB 05, 400 und Balke, NWB Nr. 36, S. 2997.

    2.Sind nur selbstgenutzte Objekte betroffen? 

    Die vorgenannten Gerichtsverfahren, auf die man sich berufen könnte, betreffen nur selbstgenutzte Immobilien. Die Problematik betrifft daher neben Wohnungseigentümern und Eigentümern von selbstgenutzten Einfamilienhäusern auch Eigentümer von Mehrfamilienhäusern, soweit sie dort eine Wohnung selbst nutzen. Nur für selbstgenutzte Immobilien kann geltend gemacht werden, dass die Grundsteuer in unzulässiger Weise das private Gebrauchsvermögen in der Substanz besteuert (s.o.).  

     

    Gleichwohl gilt das Argument, dass die Grundsteuer eine unzulässige Sondervermögensteuer für Grundbesitzer ist, auch für vermietete Immobilien oder Grundstücke im Betriebsvermögen. Auch der mögliche Verstoß gegen das Nettoprinzip hängt nicht von der Selbstnutzung ab.  

    3.Welcher Bescheid sollte angefochten werden? 

    Da die Grundsteuer in einem zweistufigen Verfahren bemessen und festgesetzt wird, kommen grundsätzlich zwei Bescheide für die Anfechtung in Betracht:  

     

    • der Grundsteuermessbescheid, der von dem für die Bewertung des Grundstücks örtlich zuständigen Finanzamt erlassen wird (Grundlagenbescheid) und
    • der eigentliche Grundsteuerbescheid, in dem die Steuer der Höhe nach festgesetzt wird und den die zuständige Gemeinde erlässt (Folgebescheid).

     

    Ergeht ein neuer Messbescheid, macht es aus praktischen und wirtschaftlichen Gründen Sinn, gegen diesen Bescheid (und nicht gegen den Grundsteuerbescheid; dazu s.u.) vorzugehen. Im Erfolgsfall wird bei entsprechender Änderung des Messbescheides auch der Grundsteuerbescheid automatisch (!) geändert. Der Einspruch sollte bei selbstgenutzten Immobilien auf das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1644/05) Bezug nehmen und aus Kostengründen den Antrag auf Ruhen des Verfahrens (§ 363 AO) enthalten.  

    4.Macht es Sinn, gegen den Grundsteuerbescheid vorzugehen (Widerspruch, Klage vor dem VG)? 

    Liegt ein aktueller - d.h. nicht verfristeter - Grundsteuerbescheid vor, kann man auch gegen diesen Bescheid vorgehen. Nachteilig ist hier aber, dass in den Widerspruchsverfahren ein Ruhen des Verfahrens i.d.R. nicht durchgesetzt werden kann (§ 94 VwGO) mit der Folge, dass man ggf. den weiteren Weg des gerichtlichen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht gehen muss. Hier entstehen auf jeden Fall Gerichtskosten. Zudem ist zu beachten, dass in einigen Bundesländern das Widerspruchsverfahren abgeschafft wurde und man hier direkt vor dem Verwaltungsgericht klagen muss (z.B. in Niedersachsen ab 1.1.05). Bei einem Grundsteuerbescheid über 1.250 EUR ergeben sich z.B. Gerichtskosten von etwa 457 EUR (zu weiteren Beispielen siehe www.steuerberater-verband.de).  

    5.Was ist zu tun, wenn es keinen aktuellen anfechtbaren Bescheid gibt? 

    Da nicht jedes Jahr ein Grundsteuermessbescheid von den Finanzbehörden ergeht, stellt sich die Frage, wie man in diesen Fällen in das Verfahren kommt. Lösung: Antrag auf Aufhebung des bestandskräftigen Grundsteuermessbescheides auf den 1.1. des laufenden Jahres, soweit eigengenutzte Immobilien betroffen sind (§ 20 Abs. 1 Nr. 2b i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 GrStG). Gegen den ablehnenden Bescheid ist der Einspruch geboten verbunden mit dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens wegen des vorgreiflichen Verfahrens beim BVerfG. Die gesonderte Anfechtung des Grundsteuerbescheides ist dann entbehrlich (s. Nr. 3).  

    6.Müssen die Grund­steuern trotz Rechts­behelf gezahlt werden? 

    Wie in allen sonstigen steuerrechtlichen Verfahren auch haben Rechtsbehelfe wie Einsprüche, Widersprüchen oder Anträge auf Aufhebung keine aufschiebende Wirkung, d.h. die Grundsteuer wird fällig und ist zu bezahlen. Im Erfolgsfall werden die Grundsteuern jedoch zurückerstattet.  

    7.Wie reagieren die Behörden auf Rechtsbehelfe?  

    Die Reaktion auf die Fülle der Verfahren ist unterschiedlich: So gewährt das Finanzministerium NRW auf Einsprüche und entsprechende Anträge Verfahrensruhe (Schreiben v. 25.10.05 – G 1030 – 9 – V A 6). Ähnlich hat die OFD Karlsruhe reagiert (Verf. v. 26.9.05); Anträge auf Aufhebung oder Neuveranlagung sollen aber unzulässig sein. Die OFD Koblenz stellt nach einer Pressemitteilung vom 8.12.05 die Bearbeitung der Eingaben zurück bis zur Entscheidung des BVerfG. Einige Städte und Gemeinden erlassen lediglich vorläufige Bescheide oder stellen ebenfalls die Bearbeitung der Rechtsbehelfe und Anträge zurück (Bremerhaven, Köln, Böblingen, Leverkusen, Sindelfingen). 

    8.Wie sind die Erfolgsaussichten?  

    Die Erfolgsaussichten der Rechtsmittel sind schwer abzuschätzen. Die Mandanten könnten nur dann sofort von einem positiven Ausgang der Verfassungsbeschwerde profitieren, wenn das BVerfG die Grundsteuer ohne Übergangsfrist für verfassungswidrig und unanwendbar hält. Es ist aber auch – wie bei der Vermögensteuer – denkbar und aus haushalterischen Gründen (Steueraufkommen aus der Grundsteuer 2004 ca. 9 Mrd. EUR) auch wahrscheinlich, dass das Gericht dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist einräumt, um eine verfassungskonforme Änderung und Ausgestaltung der Grundsteuer umzusetzen. In dieser Übergangsfrist blieben die bisherigen Vorschriften weiter gültig. 

    9.Wie geht es weiter mit der Grundsteuer?  

    Da der Gesetzgeber ohnehin die Grundsteuer reformieren wollte – Bayern und Rheinland-Pfalz haben hier schon Vorschläge vorgelegt – ist zu erwarten, dass der Handlungs- und Reformdruck weiter wachsen wird. Die Grundsteuer in der bisherigen Form wird jedenfalls bald der Vergangenheit angehören.  

     

    Service der Redaktion: In unserem Online-Service für Abonnenten halten wir Muster-Einsprüche bzw. Muster-Aufhebungsanträge für Sie bereit: 

     

    • Grundsteuermessbescheid des Finanzamtes: Abruf-Nr. 053053
    • Grundsteuerbescheid der Gemeinde: Abruf-Nr. 060267
    Quelle: Ausgabe 02 / 2006 | Seite 50 | ID 87318