09.03.2009 | Der praktische Fall
Problemfall „Ausgleich eines Gesellschafterverrechnungskontos“
von StB RA FASteuerrecht Dipl.-Finw. Dr. Bernhard Janssen, Berlin
Nur bei Einzelunternehmen oder Personengesellschaften sind Entnahmen möglich, nicht aber bei einer Kapitalgesellschaft. Gerade Mandanten, die ihr Einzelunternehmen in eine GmbH überführen, scheinen davon oft nichts gehört zu haben und tätigen weiterhin unbesorgt „Entnahmen“. Diese werden dann auf einem Gesellschafterverrechnungskonto verbucht und die Forderung der GmbH gegenüber ihrem Gesellschafter wächst nach und nach ins unermessliche. An den Ausgleich des Kontos denkt der Alleingesellschafter häufig nicht, schließlich ist es ja „seine“ GmbH. Daneben wird oft verkannt, dass diese Forderung angemessen zu verzinsen ist, wenn eine vGA vermieden werden soll. Zu welchen Problemen das bei einer Betriebsprüfung führen kann, zeigt der folgende Fall.
1. Sachverhalt
Der Mandant ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer (GGf) einer GmbH, deren Anteile sich wegen einer Betriebsaufspaltung zu 100 % im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens befinden. Die Betriebs-GmbH betreibt eine Werkstatt für orthopädisches Schuhwerk. Die GmbH hat über viele Jahre Privatausgaben des Gesellschafters bezahlt. Diese wurden auf einem Gesellschafterverrechnungskonto als Forderung der GmbH gegenüber dem Einzelunternehmen erfasst. Das Einzelunternehmen wies eine entsprechend hohe Verbindlichkeit aus. Da die Kosten nicht das Einzelunternehmen betrafen, wurden sie dort als Entnahme gebucht und verursachten ein entsprechend hohes negatives Eigenkapital.
Die Forderung der GmbH hat inzwischen einen Stand von 300.000 EUR erreicht (einschließlich Zinsen), das negative Kapitalkonto des Einzelunternehmens liegt bei 320.000 EUR. Die GmbH verfügt über ein Eigenkapital von 100.000 EUR, davon 40.000 EUR gezeichnetes Kapital. Der GGf verfügt über beträchtliches Privatvermögen. Er ist Eigentümer
- eines selbstgenutzten Einfamilienhauses mit einem Wert von 200.000 EUR, das noch mit Verbindlichkeiten von 80.000 EUR belastet ist und
- eines vermieteten Mehrfamilienhauses im Wert von ca. 250.000 EUR, das noch mit 150.000 EUR belastet ist.
Dem GGf wäre es durchaus möglich, kurzfristig ein höheres Privatdarlehen aufzunehmen. Bei einem Verkauf der im Privatvermögen befindlichen Gebäude würde kein Spekulationsgewinn entstehen.
Die Betriebsprüfung droht damit, die komplette Darlehensverbindlichkeit der GmbH gegenüber dem Einzelunternehmen als vGA einzuordnen, wenn das Gesellschafterverrechnungskonto nicht zurückgeführt wird. Da man der Annahme einer vGA durch die Betriebsprüfung ausweichen möchte und einen Prozess vor dem FG (wegen Dauer und Kosten) fürchtet, wird nach Möglichkeiten zur Rückführung des Gesellschafterverrechnungskontos gesucht.
2. Gestaltungsüberlegungen
2.1 Tilgung
Das Gesellschafterverrechnungskonto lässt sich selbstverständlich am einfachsten durch Tilgung der Forderung auflösen. Da die Forderung der GmbH gegenüber dem Einzelunternehmen besteht, müssten die Tilgungen natürlich ebenso über das Einzelunternehmen geleitet werden.
2.1.1 Verrechnungen
In Höhe des Gewinnvortrags von (100.000 EUR ./. 40.000 EUR Stammkapital =) 60.000 EUR könnte eine Ausschüttung erfolgen, die dann direkt mit dem Gesellschafterverrechnungskonto verrechnet würde. Diese Ausschüttung wäre allerdings beim Gesellschafter zu versteuern und zwar ab 2009 im Teileinkünfteverfahren zu 60 %. Die Mittel für die Versteuerung müssten wegen der Verrechnung im Privatbereich aufgebracht werden, z.B. durch ein Privatdarlehen.
Da die GmbH über ein relativ hohes gezeichnetes Kapital verfügt, könnte der Gesellschafter ferner über eine Kapitalherabsetzung einen weiteren Anspruch gegenüber der GmbH gewinnen, der den negativen Saldo des Verrechnungskontos verringern könnte. Da nur das Mindestkapital verbleiben muss, wären dies hier 15.000 EUR. Eine formale Kapitalherabsetzung nimmt allerdings einige Zeit (regelmäßig mehr als 1 Jahr) in Anspruch. Und wird dem Gesellschafter die Liquidationsrate vor Eintritt aller Voraussetzungen gezahlt, so soll darin eine vGA zu sehen sein (FG Niedersachsen 8.11.90, VI 670/89, rkr., GmbHR 92, 59, a.A. Lange/Janssen, vGA, 9. Aufl. 2007, Rn. 1661 - Stichwort Liquidation).
2.1.2 Zahlungen
Darüber hinaus könnten aus den Privatdarlehen Zahlungen erbracht werden. Diese wären zunächst als Einlage an das Einzelunternehmen zu leisten. Die Einlage würde dann „Bank an Einlage“ gebucht und auch dazu beitragen, das negative Eigenkapital im Einzelunternehmen zu verringern. Daraufhin würde dann das Einzelunternehmen an die GmbH zahlen und somit die Verbindlichkeit gegenüber der GmbH tilgen. Die GmbH würde „Bank an Forderung aus Gesellschafterverrechnungskonto“ buchen und so den Saldo des negativen Gesellschafterverrechnungskontos reduzieren. Diese Vorgänge würden alle ohne Gewinnauswirkung bleiben und auch keine Besteuerung hervorrufen.
Allerdings würde sich die Liquidität dann in der GmbH befinden. Soweit zusätzlich die zuvor vorgeschlagenen Verrechnungen vorgenommen wurden, könnte diese Liquidität auch nicht mehr über Ausschüttungen an den Gesellschafter zurückgereicht werden, sondern nur über Darlehen, was aber ja gerade vermieden werden soll.
Die Liquidität sollte daher genutzt werden, Fremdverbindlichkeiten der GmbH zurückzuführen. Dies würde dann zur Steigerung der Ertragskraft beitragen und zukünftig höhere Ausschüttungen ermöglichen, so dass daraus z.B. die Privatdarlehen bedient werden können.
2.1.3 Einfamilienhaus
Unstreitig ist das Haus rund 200.000 EUR wert, abzüglich der Schulden verbleiben somit 120.000 EUR. Grundsätzlich kann hier wie bei einer Zahlung verfahren werden. Das Haus wird samt Schulden in das Betriebsvermögen des Einzelunternehmens eingelegt und erhöht dort das Kapital um 120.000 EUR. Von dort wird das Gebäude samt Schulden an die GmbH verkauft und mindert dann das Gesellschafterverrechnungskonto um 120.000 EUR. Der Verkauf bedarf allerdings der notariellen Beurkundung und löst auch Grunderwerbsteuer aus.
Bei der Einlage in das Einzelunternehmen entsteht kein Spekulationsgewinn, da das Einfamilienhaus seit Anschaffung ununterbrochen selbstgenutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG). Im Einzelunternehmen wird die Einlage mit dem Teilwert angesetzt (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 EStG). Der Verkauf an die GmbH erfolgt ebenfalls zum Teilwert, so dass im Einzelunternehmen durch den Verkauf kein Gewinn entsteht.
Denkbar wäre auch, nur das Gebäude einzulegen und an die GmbH zu verkaufen, die Schulden aber im Privatvermögen zu belassen. Das Gesellschafterverrechnungskonto würde sich dann sogar um 200.000 EUR vermindern.
Praxishinweis: Dies alles gilt allerdings nur dann, wenn es sich um ein ertragbringendes Grundstück handelt. Ein Grundstück, aus dem nur Verluste entstehen, kann schon nicht in das Einzelunternehmen eingelegt werden (vgl. BFH 7.11.95, III B 66/93, BFH /NV 96, 327; FG Münster 27.6.97, 4 K 3681/95 F; FG Köln 25.9.08, 15 K 1235/04). Da das Grundstück selbstgenutzt wird, ist zunächst nicht ersichtlich, inwieweit es ertragbringend sein sollte. Ersatzweise wäre daher daran zu denken, dieses Grundstück direkt aus dem Privatvermögen an die GmbH zu verkaufen und die Forderung aus diesem Verkauf in das Einzelunternehmen einzulegen und dort zu verrechnen. Die GmbH kann das Haus dann entweder an den GGf vermieten oder es ihm im Rahmen seines Anstellungsvertrages zur Nutzung zur Verfügung stellen. Der Vorteil daraus ist allerdings der Lohnsteuer zu unterwerfen.
Es besteht zudem in zweifacher Hinsicht ein vGA-Risiko:
- Liegt die Marktmiete über der tatsächlich vom Geschäftsführer gezahlten Miete, ist die Differenz zwischen tatsächlicher Miete und Marktmiete eine vGA an den Geschäftsführer.
- Zudem ist kritisch zu hinterfragen, ob die GmbH für einen Fremdgeschäftsführer ebenfalls ein Haus ankaufen würde. Allerdings wird hier eine vGA regelmäßig daran scheitern, dass keine Vermögensminderung (zu diesem Kriterium der vGA vgl. Lange/Janssen, a.a.O., Rn. 36 ff.) eintritt, da das Haus zu bilanzieren ist, der Kauf bilanziell also nur einen Aktivtausch darstellt.
2.1.4 Mehrfamilienhaus
Da es sich bei dem Mehrfamilienhaus unstreitig um ein ertragbringendes Objekt handelt kann dieses unproblematisch in das Einzelunternehmen eingelegt werden und von dort an die GmbH verkauft werden. Alternativ kann natürlich auch hier ein Verkauf direkt an die GmbH erfolgen und dann eine Einlage der Forderung in das Einzelunternehmen.
2.2 Verschmelzung
Würde man das Einzelunternehmen und die GmbH miteinander verschmelzen, so würden danach Forderung und Verbindlichkeit zusammenfallen und sich durch sog. Konfusion auflösen. Eine Verschmelzung ist grundsätzlich in zwei Richtungen denkbar:
2.2.1 Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH
Gemäß § 20 UmwStG kann das Einzelunternehmen in die GmbH eingebracht werden. Dafür ist allerdings steuerlich zwingend eine Kapitalerhöhung erforderlich. Es kann sich im Extremfall um eine Kapitalerhöhung von lediglich 50 EUR handeln, solange nur überhaupt eine erfolgt. Das Handelsregister wird sich in diesem Fall allerdings davon überzeugen, dass das Einzelunternehmen auch wirklich 50 EUR wert ist. Da im Einzelunternehmen ein negatives Kapital von 320.000 EUR besteht, müsste dem Handelsregister dargelegt werden, dass sich im Unternehmen stille Reserven von mindestens 320.050 EUR befinden. Dies ist jedoch erkennbar nicht der Fall. Eine Kapitalerhöhung ist daher nur möglich, wenn Barmittel von 320.050 EUR (abzüglich eventuell vorhandener stiller Reserven) aufgebracht werden. Wären Mittel in dieser Höhe vorhanden, wäre eine Verschmelzung nicht notwendig. Eine Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH ist daher nicht sinnvoll.
2.2.2 Verschmelzung der GmbH auf das Einzelunternehmen
Wird hingegen die GmbH auf das Einzelunternehmen verschmolzen, so dass am Ende nur mehr das Einzelunternehmen verbleibt, so gibt es dafür keine vergleichbaren Beschränkungen. Dies liegt darin begründet, dass durch die Aufgabe der GmbH nunmehr eine volle persönliche Haftung des vormaligen GGf begründet wird und damit eine weitergehende Haftung, als sie zuvor in der Rechtsform der GmbH bestand.
Die Gläubiger der GmbH erhalten dadurch das Privatvermögen des GGf als zusätzliche Haftungsmasse. Soweit das Privatvermögen überschuldet ist, haben die Gläubiger der GmbH nach § 22 UmwG die Möglichkeit, sich im Rahmen der Umwandlung Sicherheit leisten zu lassen, damit sich ihre Position nicht verschlechtert (vgl. Heckschen in: Widmann/Mayer, § 120 UmwG, Rn. 23.9 und 8.8).
Wird eine solche Verschmelzung vorgenommen, ist ggf. ein Übernahmegewinn zu versteuern. Dieser ergibt sich aus dem Wert der auf das Einzelunternehmen übergegangenen Wirtschaftsgüter abzüglich dem im Einzelunternehmen bilanzierten Buchwert der Beteiligung an der GmbH:
Wert aller WG der GmbH zu Buchwerten = Kapital | 100.000 |
Buchwert der Beteiligung im Einzelunternehmen |
|
= Nennkapital | 40.000 |
Übernahmegewinn | 60.000 |
Ein solcher Übernahmegewinn fällt freilich nur an, soweit das Kapital nicht vorher bereits durch eine Ausschüttung vermindert worden ist.
2.2.3 Insolvenz
Eine Schuldbefreiung wäre auch in einer Privatinsolvenz zu erlangen. Allerdings würden im Rahmen einer solchen Insolvenz auch die Anteile an der GmbH mit verwertet. Spätestens aber nach dem durch die Privatinsolvenz veranlassten Ausfall der Forderung müsste dann auch die GmbH in Insolvenz gehen. Diese Lösung führt also nicht weiter. Der Mandant sucht schließlich nur einen Weg, das Gesellschafterverrechnungskonto loszuwerden, nicht das Unternehmen.
3. Empfehlung des Steuerberaters
Die Rechtsform der GmbH schützt in der Praxis vor unvorhersehbaren Risiken (Schadenersatzansprüchen z.B. aus Unfällen, Umweltschäden etc.), nicht aber vor der Haftung gegenüber der Bank, da die Banken sich regelmäßig durch Bürgschaften der Gesellschafter zusätzlich absichern. Solche unvorhersehbaren Risiken mögen in der Chemiebranche naheliegen, kaum jedoch bei einer orthopädischen Schusterwerkstatt. Auf den Vorteil der Rechtsform der GmbH kann daher hier m.E. ohne weiteres verzichtet werden. Daher wäre eine Verschmelzung der GmbH auf das Einzelunternehmen wohl die eleganteste Lösung zur Beseitigung des Gesellschafterverrechnungskontos.
Ist jedoch die Haftungsbeschränkung der GmbH - anders als im geschilderten Fall - von essentieller Bedeutung für das Unternehmen, so kann nur versucht werden, das Gesellschafterverrechnungskonto durch Tilgungen und Verrechnungen zu vermindern. Dann würde es wohl nicht ausreichen, nur eine der vorgestellten Möglichkeiten umzusetzen. Vielmehr müssten alle additiv genutzt werden, um das Gesellschafterverrechnungskonto gegen 0 zu bringen. Dies hat den Nachteil der Belastung mit Privatdarlehen und der Verhaftung des Einfamilienhauses im Betriebsvermögen. Werden diese Nachteile hingenommen, so müssen sie doch im Auge behalten und bei Besserung der wirtschaftlichen Lage wieder beseitigt werden.