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  • 02.09.2010 | Europäischer Gerichtshof

    EuGH hat Neuregelung zur Umsatzsteuerpflicht von Glücksspielumsätzen abgesegnet

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    Der deutsche Gesetzgeber hat § 4 Nr. 9b UStG zum 6.5.06 in der Weise verschärft, dass seither nur noch die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze steuerfrei bleiben. Alle übrigen Glücksspielerlöse - egal, ob in öffentlichen Spielbanken oder durch private Glücksspielbetreiber erwirtschaftet - unterliegen seitdem der Umsatzsteuer. Diese von vielen als EG-rechtswidrig empfundene Einschränkung der Steuerbefreiung hat der EuGH jetzt endgültig abgesegnet (EuGH 10.6.10, C-58/09, Abruf-Nr. 102737).

    1. Der lange Weg zu einer EU-konformen Regelung

    Nach früherer Rechtslage befreite § 4 Nr. 9b UStG nur die Umsätze der öffentlichen Spielbanken von der Umsatzsteuer, wogegen die Erlöse der privaten Glücksspielunternehmen - insbesondere aus dem Glücksspielautomatengeschäft - umsatzsteuerpflichtig waren. Nachdem der EuGH diese Differenzierung als gemeinschaftsrechtswidrig verworfen hatte (vgl. z.B. EuGH 17.2.05, C-453/02), verschärfte der deutsche Gesetzgeber § 4 Nr. 9b UStG - wie im Leitsatz dargelegt. Von Anfang an war allerdings fraglich, ob diese Einschränkung der Steuerbefreiung zum 6.5.06 den EG-Vorgaben entsprach. Der EuGH hat die deutsche Regelung nun jedoch als EG-konform eingestuft.  

    2. Das streitige Verfahren

    Die L betrieb eine Spielhalle mit Geldspielautomaten. In ihrer USt-Voranmeldung für Januar 2007 erklärte sie steuerpflichtige Umsätze und legte gegen die entsprechende Festsetzung Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die zum 6.5.06 in Kraft getretene Neuregelung des § 4 Nr. 9b UStG gegen EG-Recht verstoße. Denn nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL seien Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Zwar belasse der Wortlaut den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Bedingungen oder Beschränkungen festzulegen; mit § 4 Nr. 9b UStG n.F. habe der deutsche Gesetzgeber jedoch den gemeinschaftsrechtlichen Gestaltungsspielraum überschritten, denn danach verbleibe eine Steuerbefreiung nur noch für ca. 37 % der inländischen Glücksspielumsätze. Der EuGH sah das aber auf Vorlage des BFH anders.  

    3. Anmerkungen

    Die Zweifel des vorlegenden BFH an der EG-Kompatibilität der Gesetzesänderung - wegen der sehr starken Beschränkung der gemeinschaftsrechtlichen Steuerbefreiung nur auf wenige begünstigte Umsatzformen - hat der EuGH nicht bestätigt. Zur Begründung verweist er auch auf den Motivhintergrund der EG-rechtlichen Steuerbefreiung. Demnach erfolge die Steuerbefreiung nämlich - anders als bei sozialpolitischen Steuerbefreiungen - nicht mit der Begründung der „staatlichen Unterstützungswürdigkeit des Glücksspiels“, sondern allein vor dem Hintergrund, dass sich Glücksspielumsätze aufgrund ihrer technischen Besonderheiten unter praktischen Erwägungen weniger für eine Umsatzbesteuerung eigneten.  

     

    Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL räume den Mitgliedstaaten einen sehr weitgehenden Wertungs- und Gestaltungsspielraum bei Steuerbefreiungseinschränkungen ein. Ein Mitgliedstaat könne sogar das Angebot an Glücksspielen mit Geldeinsatz auf jene Spielarten beschränken, die sich für eine Anwendung der Mehrwertbesteuerung eigneten, und für die daher das vorgenannte Motiv für eine Befreiung überhaupt nicht einschlägig sei. Der von L geforderten Mindestbegünstigungsquote stehe bereits das praktische Hindernis „schwankender Spiel- und Umsatzrelationen" entgegen. Auch der von L ins Feld geführte Neutralitätsgrundsatz spreche nicht gegen die deutsche Regelung, denn die Umsätze der privaten Glücksspielbetreiber würden in gleicher Weise wie die zu diesen in Wettbewerb stehenden vergleichbaren Umsätze besteuert. Die Anpassung der von öffentlichen Spielbanken erhobenen Spielbankenabgabe an die seit dem 6.5.06 geltende Mehrwertsteuerbelastung sei dabei nicht von Belang, da dies eine im Gemeinschaftsgebiet „nicht-harmonisierte Abgabe“ betreffe.  

    4. Praxishinweise

    Durch die vorliegende Entscheidung besteht für die Beteiligten nun wieder Planungs- und Rechtssicherheit bei der weiteren Besteuerung, was den Blick auf andere Probleme bei der Glücksspielbesteuerung lenkt: So hat der BFH jüngst hinsichtlich der Ermittlung der Bemessungsgrundlage unter Hinweis auf das Verfahren V R 42/02 klargestellt, dass grundsätzlich der gesamte Spieleinsatz der Umsatzbesteuerung unterliege und demnach auch die Vergnügungssteuer zur Bemessungsgrundlage gehöre (BFH 22.4.10, V R 26/08). Eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage auf den dem Betreiber nach Abzug der Gewinnauszahlungen verbleibenden Rest bleibe entsprechend der EuGH-Entscheidung „Glawe“ (EuGH 5.5.94, C-38/93) auf solche Fälle beschränkt, bei denen der Betreiber aufgrund gesetzlicher Vorgaben zur Gewinnquote bzw. technischer Gegebenheiten im Spielablauf effektiv nur über einen Restbetrag verfügen könne.