10.01.2008 | GmbH-Geschäftsführer
Haftung des Geschäftsführers für Forderungen in insolvenzreifer Zeit
Nach Eintritt der Insolvenzreife darf der Geschäftsführer einer GmbH nur noch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbarte Zahlungen vornehmen. Handelt er entgegen diesem Grundsatz, so haftet er persönlich. In der Rechtsprechung stellte sich seit einigen Jahren aber immer wieder die Frage, ob eine Haftung des Geschäftsführers für Steuerforderungen besteht, die in den letzten drei Monaten vor der Insolvenzantragstellung fällig wurden, obwohl bei deren Zahlung der Insolvenzverwalter möglicherweise von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht hätte oder aber zumindest eine Kollision mit der Pflicht des Gesellschafters zur Sicherung der Insolvenzmasse im Raume gestanden hätte. Diese Unsicherheit hat der BFH nunmehr in zwei aktuellen Urteilen beseitigt.
1. Hypothetischer Kausalverlauf – Urteil vom 5.6.07, VII R 65/05
1.1 Inhalt der Entscheidung
Im Streitfall wurde der Geschäftsführer einer GmbH wegen rückständiger Lohnsteuer, Solidaritäts- und Säumniszuschläge in insolvenzreifer Zeit in Anspruch genommen. Der VII. Senat des BFH (5.6.07, VII R 65/05, Abruf-Nr. 072922) hat nun aber klargestellt, dass hypothetische Kausalverläufe bei der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme nach § 69 AO keine Berücksichtigung finden. Zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der Abgaben entstandenen Vermögensschadens bestehe ein adäquater Kausalzusammenhang. Dieser falle nicht dadurch weg, dass der Insolvenzverwalter Zahlungen des Geschäftsführers an das Finanzamt, die innerhalb der letzten drei Monate vor Insolvenzantrag geleistet worden wären, möglicherweise angefochten hätte, womit der Steuerausfall dann ebenfalls entstanden wäre.
Zwar sei im Zivilrecht anerkannt, dass hypothetische Schadensverläufe als „Reserveursache“ bei Schadenersatzansprüchen zu berücksichtigen seien. Bei der Beurteilung von hypothetischen Kausalverläufen im Rahmen der Haftung nach § 69 AO seien aber andere Maßstäbe zu beachten. Die Haftung nach § 69 AO habe zwar wie im Zivilrecht auch Schadenersatzcharakter; sie verfolge daneben aber auch andere Ziele, die dazu führen, dass hypothetische Kausalverläufe nicht zu beachten seien. So seien Sicherungszwecke, Effektivitätsgesichtspunkte und Praktikabilitätserwägungen zu beachten.
Die Haftung nach § 69 AO lasse das Bemühen des Gesetzgebers erkennen, der steuerrechtlichen Stellvertretung Schranken zu setzen und der Gefahr entgegenzuwirken, dass der Steuerpflichtige durch die Stellvertretung das Steueraufkommen gefährdende Vorteile erlange. Effektiv sei eine Berücksichtigung der hypothetischen Kausalverläufe bei der Haftung nicht, weil ansonsten der Geschäftsführer stets drei Monate vor Insolvenzantragstellung seine Abgabenzahlungen an das Finanzamt einstellen könne. Auch sei eine solche Berücksichtigung nicht praktikabel, weil das Finanzamt unter Umständen lange warten müsse, um über den Erlass eines Haftungsbescheides entscheiden zu können. Denn es kann im Einzelfall fraglich sein, zu welchem Zeitpunkt oder ob es überhaupt zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt oder ob der Insolvenzverwalter nach einer Eröffnung überhaupt von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch machen wird.
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