Haftung
Vorteile einer Geschäftsordnung für GmbH-Geschäftsführer
von RA Dr. Udo Knackstedt, Freiburg i. Br.
In der Praxis haben die meisten GmbHs mehr als einen Geschäftsführer. In diesem Fall ist der Erlass einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung, die die Arbeitsweise der Geschäftsführer untereinander regelt, aus Gründen der Effizienz und der Haftungsbeschränkung zweckmäßig. Der folgende Beitrag gibt hierzu Hinweise und stellt eine Musterformulierung vor.
1. Der Sinn und Zweck einer Geschäftsordnung
Die Notwendigkeit einer Geschäftsordnung wird unmittelbar ersichtlich, wenn man sich die gesetzliche Ausgangssituation für das Zusammenwirken von mehreren GmbH-Geschäftsführern vergegenwärtigt: Nach § 35 Abs. 2 GmbHG können die Geschäftsführer die Gesellschaft nach außen nur gemeinsam vertreten, das heißt, Verträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Unterschrift aller Gesellschafter (Gesamtvertretungsprinzip). Gleiches gilt auch für Geschäftsführungsmaßnahmen: Auch hier gilt der gesetzliche Grundsatz, dass alle Geschäftsführungsmaßnahmen, einerlei, ob sie das Tagesgeschäft oder außergewöhnliche und umfangreiche Geschäfte betreffen, immer der Mitwirkung sämtlicher Geschäftsführer bedürfen.
Diese Regelung ist aus sich heraus sehr starr. Sie läuft auch der Erwartung der Gesellschafter bei der Bestellung weiterer Geschäftsführer entgegen. So werden die Gesellschafter schon aus Kostengründen die Zahl der Geschäftsführer auf das notwendige Mindestmaß beschränken. Die Bestellung von weiteren Geschäftsführern ist dann mit der Erwartung verknüpft, dass mehrere Geschäftsführer sich die Arbeit aufteilen, um damit eine effizientere Geschäftsführung zu erreichen. Nicht jeder soll alles machen, sondern jeder Geschäftsführer soll in seinem Spezialgebiet tätig werden. An dieser Aufgabenverteilung werden die Geschäftsführer aber durch das gesetzliche Gesamthandlungsprinzip gehindert.
1.1 Die Geschäftsordnung als Grundlage der Effizienzsteigerung
Auf Grund der starren gesetzlichen Ausgangslage muss der Rahmen für die erwartete Effizienz durch flankierende Maßnahmen erst geschaffen werden:
- Im Rahmen des Vertretungsrechts ist es möglich, den Geschäftsführern abweichend von der gesetzlichen Regelung das Recht einzuräumen, die Gesellschaft nach außen allein oder zu zweit (oder auch mehr) zu vertreten (Alleinvertretungsrecht bzw. eingeschränktes Gesamtvertretungsrecht). Eine Vereinbarung darüber ist den Gesellschaftern vorbehalten und bedarf zwingend einer Regelung im Gesellschaftsvertrag. Das Alleinvertretungsrecht ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Eintragung wirkt deklaratorisch.
- Von dem Vertretungsrecht zu unterscheiden ist das Recht und die Pflicht zur Vornahme von Geschäftsführungsmaßnahmen. Auch hier gilt per Gesetz das Gesamtgeschäftsführungsprinzip. Per Geschäftsordnung kann dieses Gesamtgeschäftsführungsprinzip aufgeteilt und einzelnen Geschäftsführern können bestimmte Bereiche zugewiesen werden, in denen diese dann alleinverantwortlich entscheiden. Zu beachten ist jedoch, dass die Zuweisung einzelner Geschäftsführungsbereiche nicht automatisch ein Alleinvertretungsrecht mit sich bringt. Die Kompetenzen im Hinblick auf die Geschäftsführung und das Vertretungsrecht können differieren, müssen es aber nicht.
1.2 Die Geschäftsordnung als Grundlage von Haftungsbeschränkungen
Aus rechtlicher Sicht hat der Abschluss einer förmlichen Geschäftsordnung für die Geschäftsführer noch einen anderen, nicht zu unterschätzenden Vorteil. Denn auf Grund der gesetzlichen Gesamtgeschäftsführung haften alle Geschäftsführer für sämtliche Geschäftsführungsfehler. Die naheliegende Einlassung eines Geschäftsführers, er selbst habe an der fehlerhaften Maßnahme gar nicht mitgewirkt, ist also regelmäßig unerheblich, da er gesetzlich verpflichtet ist, an jeder Geschäftsführungsmaßnahme mitzuwirken und er damit auch automatisch die Verantwortung für sämtliche Geschäftsführungsmaßnahmen trägt.
An diesem Punkt setzt eine wirksame Geschäftsordnung an. Die Zuweisung einzelner Bereiche in den Verantwortungsbereich eines Geschäftsführers begründet gegenüber der Gesellschaft dessen ausschließliche haftungsrechtliche Verantwortlichkeit und bedeutet auf der anderen Seite, dass die übrigen Geschäftsführer für Fehler aus diesen Bereichen nicht mehr automatisch verantwortlich sind.
Allerdings entbindet eine Geschäftsordnung die Geschäftsführer nicht von allen Verantwortlichkeiten für den „fremden“ Kompetenzbereich. So bleibt jeder Geschäftsführer verpflichtet, auch außerhalb seines Ressorts seinen unbeschränkbaren Informations- und Kontrollpflichten nachzukommen. Zeigt sich dabei, dass ein Mitgeschäftsführer seinen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachkommt, so ist ab diesem Zeitpunkt ein jeder Geschäftsführer wiederum verpflichtet, selbst tätig zu werden, um diesen Zustand zu beseitigen. Die Tätigkeitspflicht gilt auch im Fall einer Unternehmenskrise.
Der Umfang der Kontrollpflicht: Den Informations- und Kontrollpflichten wird im Rahmen von regelmäßigen Geschäftsführertreffen genügt, in denen sich die Geschäftsführer gegenseitig über die Ereignisse in ihren Zuständigkeitsbereichen unterrichten. Die Rechtsprechung geht nicht so weit, eine umfassende Überwachungspflicht bei jeder einzelnen Handlung eines Mitgeschäftsführers zu fordern (z.B. BGH vom 5.12.89, VI ZR 335/89, GmbHR 90, 207). Zweckmäßigerweise werden die Ergebnisse dieser Treffen protokolliert.
Der Umfang der Tätigkeitspflicht: Zeigt sich zum Beispiel im Verlauf eines dieser Treffen die Notwendigkeit des Eingreifens der übrigen Geschäftsführer, so ist der Umfang ihrer Tätigkeitspflicht davon abhängig, welche rechtliche Handlungsmöglichkeiten ihnen zur Seite stehen. Ist den übrigen Geschäftsführern das Alleinvertretungsrecht verliehen, so müssen sie die erforderlichen Handlungen selbstständig vornehmen. Ist ihnen das Alleinvertretungsrecht nicht verliehen, so sind sie gehalten, einen Beschluss aller Geschäftsführer über die gebotene Geschäftsführungsmaßnahme herbeizuführen. Dies gilt auch dann, wenn der einzelne Geschäftsführer keine Chance sieht, sich bei den anderen Geschäftsführern durchzusetzen. Er ist auch in diesem Fall verpflichtet, den Versuch zu unternehmen, seine Mitgeschäftsführer mit Nachdruck zu überzeugen.
Die Handlungspflicht kann sogar so weit gehen, das Problem den Gesellschaftern vorzutragen, im Extremfall verbunden mit der Drohung und gegebenenfalls Vollzug der Amtsniederlegung.
Beispiel
In einer Geschäfts(führungs)ordnung ist für die kaufmännische Leitung ein eigener Zuständigkeitsbereich vorgesehen. Neben dem Geschäftsführer für den kaufmännischen Bereich gibt es zwei weitere Geschäftsführer, die laut Geschäfts(führungs)ordnung für einen bestimmten Produktionsbereich zuständig sind. In den Bereich der kaufmännischen Leitung fällt auch die Aufgabe, die Lohnsteuer für die Arbeitnehmer an das Finanzamt abzuführen. Dies unterlässt der zuständige Geschäftsführer. Das Finanzamt nimmt daraufhin alle Geschäftsführer persönlich in Haftung. Die übrigen Geschäftsführer verweisen auf die Geschäftsordnung und auf ihre Ressortunzuständigkeit.
In diesem Fall wird es darauf ankommen, ob die übrigen Geschäftsführer ihren Kontrollpflichten nachgekommen sind und im Rahmen dieser Kontrolle hätten erkennen können, dass der kaufmännische Geschäftsführer seinen Pflichten nicht nachgekommen ist bzw. dass eine Unternehmenskrise vorgelegen hat. In diesem Fall hätten sie ohne Rücksicht auf die Kompetenzverteilung für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten selbst sorgen müssen. Haben sie die Kontrolle versäumt, so haften sie trotz Geschäftsordnung persönlich. Sind sie ihren Kontrollpflichten nachgekommen, ohne eine Tätigkeitspflicht erkennen zu müssen, so scheidet eine Haftung aus.
2. Voraussetzungen einer wirksamen Geschäftsordnung
Eine wirksame Geschäftsordnung muss folgenden Voraussetzungen genügen:
- Erlass durch das zuständige Organ mit der erforderlichen Mehrheit;
- schriftliche Fixierung;
- kein Verstoß gegen GmbHG/Satzungsrecht/Geschäftsführervertrag.
2.1 Zuständigkeit und Mehrheitserfordernisse
Zuständig für den Erlass einer Geschäftsordnung können sein:
- die Gesellschafterversammlung;
- der Aufsichtsrat;
- die Geschäftsführer.
Die Zuständigkeiten dieser verschiedenen Gremien werden durch den Gesellschaftsvertrag geregelt. So ist der Aufsichtsrat für den Erlass einer Geschäftsordnung nur dann zuständig, wenn ihm dieses Recht in der Satzung verliehen worden ist. Ist im Gesellschaftsvertrag keine Regelung über die Zuständigkeit enthalten, dann sind sowohl die Gesellschafterversammlung als auch die Geschäftsführer zuständig, eine Geschäftsordnung zu erlassen. Die Zuständigkeit der Geschäftsführer folgt daraus, dass der Erlass einer Geschäftsordnung als ein Unterfall der Geschäftsführung angesehen wird. Dementsprechend muss die Geschäftsordnung von den Geschäftsführern einstimmig verabschiedet werden.
Liegt ein Gesellschafterbeschluss vor, so geht dieser der Geschäftsordnung der Geschäftsführer vor. Entsprechend § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG bedarf er einer 3/4-Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
2.2 Schriftform
Das Erfordernis der Schriftform ist vom BFH, also durch die Rechtsprechung eingeführt worden. Das Gericht wollte damit verhindern, dass mit „mündlichen Vereinbarungen“ im nachhinein Kompetenzzuweisungen und damit Haftungsbeschränkungen geschaffen werden. Eine haftungsbeschränkende Geschäftsordnung muss also schriftlich abgefasst werden (BFH 17.5.88, VII R 90/85, GmbHR 89, 170 ff.).
2.3 Kein Verstoß gegen GmbHG/Satzungsrecht/Geschäftsführervertrag
Die Geschäftsordnung muss schließlich mit der Satzung der Gesellschaft und den Geschäftsführungsverträgen im Einklang stehen. Oftmals findet sich in der Satzung und/oder den Anstellungsverträgen der Geschäftsführer eine Klausel, nach der die Vornahme von bestimmten Geschäften der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf. Diese Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis muss auch in der Geschäftsordnung berücksichtigt werden. Entgegenstehende Bestimmungen sind unwirksam.
Die Kompetenzzuweisungen des GmbHG können durch eine Geschäftsordnung allerdings nicht ausgehebelt werden. So müssen existenzielle Fragen der Geschäftspolitik nach ständiger Rechtsprechung des BGH immer von der Geschäftsführung als Gremium entschieden werden. Eine Einzelzuständigkeit kann hier durch die Geschäftsordnung nicht begründet werden, vielmehr hat die Geschäftsordnung auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen (z.B. BGH 6.7.90, ZStR 549/89, GmbHR 90, 500). Existenzielle Fragen dieser Art sind zum Beispiel die Richtlinien der Unternehmenspolitik und ihre Fortschreibung. Auch gewichtige Gesellschafterentscheidungen, die besondere Schwierigkeiten oder Risiken mit sich bringen, müssen von den Geschäftsführern gemeinsam ausgeführt werden. Gleiches gilt für wesentliche Fragen der Bilanzierung und die Aufstellung des Jahresabschlusses.
3. Fazit und Musterformulierung
Die Geschäftsordnung ist kein Allheilmittel. Allerdings bietet sie gute Ansätze, um einerseits die Effizienz und Qualität der Unternehmensführung zu steigern und andererseits die Haftung der Geschäftsführer auf ihren eigenen Zuständigkeitsbereich zu beschränken. Nachfolgend wird eine Musterformulierung für eine Geschäftsordnung vorgestellt. Hierbei handelt es sich nur um einen Vorschlag. Im Einzelfall sind die Vereinbarungen durch einen Rechtsanwalt/Notar entsprechend den besonderen Bedürfnissen der Mandanten zu formulieren.
Literatur zum Thema „Geschäftsordnung“: Scholz, GmbH-Gesetz, § 43 Rz. 34 ff.; Baumbach-Hueck, GmbH-Gesetz, § 37 Rz. 16 ff.
Die Gesellschafterversammlung der A-GmbH gibt der Geschäftsführung folgende Geschäftsordnung:
§ 1 Grundlagen der Geschäftsführung
Die Geschäftsführer haben die Geschäfte der Gesellschaft unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach Maßgabe der Gesetze, der Satzung, dieser Geschäftsordnung und der in den Dienstverträgen enthaltenen Bestimmungen zu führen.
§ 2 Gesamt- und Einzelgeschäftsführung
- Jeder Geschäftsführer ist für den ihm zugewiesenen Geschäftsbereich unmittelbar verantwortlich und – vorbehaltlich abweichender Regelungen in dieser Geschäftsordnung – berechtigt, innerhalb seines Geschäftsbereichs selbstständig Entscheidungen zu treffen und Anordnungen zu erteilen. Eine Einzelvertretungsmacht oder Einzelvertretungsbefugnis wird dadurch nicht begründet.
- Die Geschäftsbereiche werden durch den anliegenden Geschäftsverteilungsplan abgegrenzt.
- Maßnahmen der Geschäftsführung, die nach dem Geschäftsverteilungsplan die Tätigkeitsbereiche mehrerer Geschäftsführer betreffen, bedürfen der vorherigen Zustimmung aller beteiligten Geschäftsführer, wenn nicht ausnahmsweise ein sofortiges Handeln zur Vermeidung drohender Nachteile erforderlich ist. Wird eine hiernach erforderliche Zustimmung nicht eingeholt oder erteilt, so kann jeder beteiligte Geschäftsführer eine Beschlussfassung durch die gesamte Geschäftsführung verlangen.
- Der Zuständigkeit der gesamten Geschäftsführung unterliegen:
- alle Angelegenheiten, für die das Gesetz, die Satzung oder die Geschäftsordnung eine Entscheidung der Geschäftsführung vorsehen,
- alle Geschäfte, die der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen,
- die Geschäftspolitik und die Unternehmensplanung,
- Fragen der Bilanzierung,
- die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts,
- alle Vorlagen an die Gesellschafterversammlung, den Aufsichtsrat und dessen Ausschüsse,
- alle Angelegenheiten, bei denen ein Mitglied der Geschäftsführung gemeinsame Beratung und Beschlussfassung verlangt.
§ 3 Sitzung und Beschlussfassungen
- Die Geschäftsführung soll mindestens einmal im Monat zusammentreten. Die Sitzungen dienen sowohl der Unterrichtung der übrigen Geschäftsführer über die Maßnahmen eines jeden Geschäftsführers in dem ihm zugewiesenen Geschäftsbereich als auch der Beschlussfassung.
- Die Einberufung der Sitzung obliegt dem von den Geschäftsführern gewählten Sprecher der Geschäftsführung.
- Außerhalb einer Sitzung können Beschlüsse gefasst werden, wenn kein Mitglied der Geschäftsführung dem vorgeschlagenen Abstimmungsverfahren widerspricht.
- Die Gesamtgeschäftsführung ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder ordnungsgemäß mit einer Frist von zwei Tagen eingeladen worden sind und die Mehrheit der Mitglieder der Geschäftsführung anwesend ist. Als anwesend gilt auch, wer trotz Abwesenheit schriftlich, fernschriftlich, fernmündlich, telegrafisch oder per Telefax an der Beschlussfassung teilnimmt.
- Die Gesamtgeschäftsführung beschließt mit einfacher Mehrheit, soweit das Gesetz, die Satzung oder die Geschäftsordnung nichts anderes vorsehen. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt.
- Der wesentliche Inhalt der Unterrichtung und der Beratung und die gefassten Beschlüsse sind in einer Niederschrift festzuhalten. Die Niederschrift ist von allen Mitgliedern der Geschäftsführung, die an der Sitzung teilgenommen haben, zu unterzeichnen.
§ 4 Inkrafttreten, Aufhebung, Ergänzung und Änderung der Geschäftsordnung
Diese Geschäftsordnung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft. Aufhebung, Ergänzungen und Änderungen der Geschäftsordnung bedürfen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
Dieses Muster für eine Geschäftsordnung können Abonnenten auch aus unserem Internet-Auftritt herunterladen und in Ihre Textverarbeitung einstellen. Rufen Sie die Internet-Seite www.iww.de auf und geben Sie im Feld Quellenmaterial die Abruf-Nr. 010069 ein.
Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 02/2001, Seite 57