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  • 01.04.2005 | Kapitalgesellschaften

    Bemessungsgrundlage von Tantiemen unter Berücksichtigung von Verlustvorträgen

    von Regierungsdirektorin Dr. Bianca Lang, Mannheim

    Neben Festgehalt und Pensionszusage sind Tantiemen ein üblicher Bestandteil der Vergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers. Um zu vermeiden, dass diese als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) behandelt werden, sind bereits bei der Wahl der Bemessungsgrundlage von der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung aufgestellte Grundsätze zu berücksichtigen. Worauf im Einzelnen zu achten ist und was insbesondere bei vorhandenen Verlustvorträgen gilt, wird im folgenden Beitrag dargestellt. 

    1. Klarheit der Bemessungsgrundlage

    Bei der Vereinbarung von Tantiemen mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ist nach ständiger Rechtsprechung darauf zu achten, dass die Bemessungsgrundlage klar und eindeutig festgelegt ist. Die Berechnungsgrundlagen müssen so bestimmt sein, dass allein durch Rechenvorgänge die Höhe der von der Kapitalgesellschaft zu entrichtenden Vergütung ermittelt werden kann, ohne dass es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung bedarf (BFH 30.1.85, BStBl II, 345).  

     

    Sinn und Zweck des Klarheitsgebots ist es, Gewinnmanipulationen insbesondere durch den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zu vermeiden. Bei gewinnabhängigen Tantiemen einer Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer muss deshalb klar vereinbart sein, welcher „Gewinn“ maßgebliche Berechnungsgrundlage ist. In Betracht kommen z.B. 

     

    • der Handels- oder Steuerbilanzgewinn,
    • der handels- oder steuerrechtliche Jahresüberschuss,
    • ein modifizierter Jahresüberschuss, bei dem bestimmte Zu- und/oder Abrechnungen vorgenommen werden, (Bsp: Zurechnung außerordentlicher Abschreibungen)
    • das körperschaftsteuerliche Einkommen,
    • der Jahresgewinn i.S.d. § 86 Abs. 2 AktG, d.h. Jahresüberschuss abzüglich Verlustvorträge und in Rücklagen einzustellende Beträge; im Rahmen des Jahresüberschusses sind auch die Ertragsteuern zum Abzug zu bringen (BFH 25.4.90, BFH/NV 91, 269).

     

    Vereinbaren Kapitalgesellschaft und beherrschender Gesellschafter lediglich, dass der Gesellschafter eine „angemessene“ Vergütung erhalten soll, so ist die gezahlte Vergütung eine vGA (BFH 17.12.97, BStBl II 98, 545). Denn ist die Bemessungsgrundlage nicht hinreichend bestimmt, so ist die Tantieme bereits dem Grunde nach nicht anzuerkennen und in voller Höhe als vGA zu qualifizieren. 

    2. Verhältnis der Tantieme zum verbleibenden Jahresüberschuss

    Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt in der Regel eine vGA vor, wenn die Gewinntantieme 50 Prozent des Jahresgewinns übersteigt. Die (rein steuerrechtliche) Regelvermutung, dass eine mehr als 50-prozentige Gewinnbeteiligung über eine Tantiemevergütung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, basiert auf dem Gedanken einer grundsätzlich hälftigen Teilung des erwirtschafteten Erfolgs zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschafter-Geschäftsführern (BFH 5.10.94, BStBl II 95, 549; BFH 4.6.03, BStBl II 04, 136). Demnach gilt die 50-Prozent-Grenze unabhängig davon, ob es sich um einen oder um mehrere beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer handelt. Im letzteren Fall haben diese die Tantieme unter sich aufzuteilen. Beschränkt sich die Tantiemezusage auf einen nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, so ist die 50-Prozent-Grenze gleichfalls maßgebend. 

     

    Bemessungsgrundlage für die Tantieme, die unter diesen Vorgaben nicht zu beanstanden ist, ist somit der Jahresüberschuss vor Steuern und Tantieme; die Finanzverwaltung folgt dabei der Rechtsprechung des BFH (BMF 1.2.02, BStBl I, 219, Tz. 1; siehe auch bereits BMF 5.1.98, BStBl I, 90). 

     

    Übersteigt die Tantieme die zulässige Obergrenze, so liegt in Höhe des übersteigenden Betrags eine vGA vor. Dabei ist die höchstzulässige Tantieme auf der Basis der o.g. Bemessungsgrundlage zu ermitteln. Es ist aber nicht zu beanstanden, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer mit der Gesellschaft eine Tantieme auf einer beliebigen Bemessungsgrundlage vereinbart (siehe Tz. 1). Dies ist zivilrechtlich wirksam, kann aber gegebenenfalls zu einer vGA führen. 

     

    Beispiel 1

    Die Tantiemezusage lautet auf 30 v.H. des Jahresergebnisses vor Tantieme, Sonderabschreibungen und ertragsabhängigen Steuern. Im Wirtschaftsjahr 01 hat die GmbH folgende Tantiemeberechnung angestellt: 

     

    Jahresüberschuss 

    4.600 EUR 

    + ertragsabhängige Steuern 

    5.400 EUR 

    + Tantieme 

    90.000 EUR 

    = Zwischensumme 

    100.000 EUR 

    + Sonderabschreibungen 

    200.000 EUR 

    = Bemessungsgrundlage 

    300.000 EUR 

    davon 30 v.H. Tantieme 

    90.000 EUR 

     

    Die Tantiemevereinbarung ist dem Grunde nach anzuerkennen, da sich die Höhe der Tantieme eindeutig auf Grund von Rechenschritten ermitteln lässt (Tz. 1). Davon unabhängig ist anhand einer Vergleichsrechnung zu prüfen, ob die zulässige Höhe nicht überschritten ist. Maßgebliche Größe ist der Jahresüberschuss vor Ertragsteuern und Tantieme, das wären hier 100.000 EUR. Angemessen wären demnach 50.000 EUR; der übersteigende Betrag von 40.000 EUR stellt somit eine vGA dar. 

     

    Allerdings spricht laut BFH nur der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass es sich bei einer die 50-Prozent-Grenze übersteigenden Tantieme um eine vGA handelt. Diese Vermutung kann im Einzelfall widerlegt werden. Hierzu muss die Gesellschaft jedoch Umstände vortragen, aus denen sich klar und eindeutig ergibt, dass die Vereinbarung eines Tantiemesatzes von mehr als 50 v.H. wirtschaftlich geboten war und deshalb auch einem Fremdgeschäftsführer gewährt worden wäre. 

    3. BFH äußert sich zur Berücksichtigung von Verlustvorträgen

    Im Urteil vom 17.12.03 (BStBl II 04, 524) hat der BFH entschieden, dass ein bei einer Kapitalgesellschaft bestehender Verlustvortrag grundsätzlich in die Bemessungsgrundlage der Tantieme einbezogen werden muss. Dieser Grundsatz soll jedenfalls dann gelten, wenn der tantiemeberechtigte Geschäftsführer für den Verlust verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich ist. Ansonsten liegt in der Höhe des Differenzbetrags zwischen der tatsächlich zu zahlenden Tantieme und derjenigen, die sich bei Berücksichtigung des Verlustvortrags ergeben hätte, eine vGA vor. 

     

    Als Argument, weshalb ein Verlustvortrag berücksichtigt werden muss, führt der BFH die bestehenden Manipulationsmöglichkeiten des Geschäftsführers an. Dieser könne notwendige betriebliche Aufwendungen in ein ohnehin mit Verlust abschließendes Wirtschaftsjahr verschieben und dadurch den Aufwand gewinnträchtiger Jahre reduzieren. Ohne Verlustberücksichtigung wäre es ihm daher möglich, die zeitliche Verteilung von Aufwendungen und Erträgen der Gesellschaft mit dem Ziel einer Maximierung seiner Tantiemeforderung zu steuern. 

     

    Beispiel 2

    Die Bilanz zum 31.12.02 weist folgende Eigenkapitalposten aus: 

     

    Gewinnvortrag aus 01 

    0 EUR 

    ./. Jahresfehlbetrag 02 

    ./. 300.000 EUR 

    Bilanzverlust 02 

    ./. 300.000 EUR 

     

    (vorläufige) Bilanz zum 31.12.03 (vor Tantiemeberechnung) 

     

     

    Verlustvortrag 

    ./. 300.000 EUR 

    + Jahresüberschuss 03 

    300.000 EUR 

    Bilanzverlust 03 

    0 EUR 

     

    Trotz des Jahresüberschusses 03 darf für das Jahr 03 keine Tantieme gezahlt werden, da ein Verlustvortrag die Bemessungsgrundlage für die Tantieme mindert (300.000 EUR ./. 300.000 EUR ). Eine für 03 dennoch gezahlte Tantieme wäre in voller Höhe vGA. 

     

    3.1 Die Verluste welches Zeitraums sind zu berücksichtigen?

    Der BFH hat es offen gelassen, ob eine Verlustberücksichtigung auch erfolgen muss, wenn der tantiemeberechtigte Geschäftsführer an der Entstehung der Verluste unbeteiligt war und erst im Nachhinein die Leitung der Gesellschaft übernommen hat (BFH 17.12.03, BStBl II 04, 524, 525 Tz. 2b). 

     

    Aus der o.g. Begründung des BFH zur Notwendigkeit der Einbeziehung des Verlustvortrags ist zu folgern, dass eine Gesamtbetrachtung der Leistung des Geschäftsführers vorzunehmen ist. Der einzelne Geschäftsführer ist sowohl an den positiven als auch an den negativen Folgen seiner Tätigkeit zu beteiligen. Somit kann in die Bemessungsgrundlage mindernd nur derjenige Verlustvortrag einbezogen werden, der während der Geschäftsführertätigkeit des jeweiligen Geschäftsführers entstanden ist. Denn auch die vom BFH beschriebene Manipulationsmöglichkeit tritt nur bei einem Geschäftsführer auf, der sowohl in der Verlustphase als auch in der Gewinnphase leitend tätig ist. Bei einem neu eintretenden Gesellschafter-Geschäftsführer ist deshalb eine Verlustberücksichtigung bei der Tantiemeberechnung nicht zu verlangen. 

     

    Ist ein Verlust zwar im Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit eines konkreten Geschäftsführers entstanden, von diesem aber nicht zu verantworten, fällt die Entscheidung schon schwerer. Der Verlust könnte z.B. der allgemeinen konjunkturellen Lage oder den Fehlentscheidungen eines früheren Geschäftsführers, die sich erst zu späterem Zeitpunkt auswirken, zuzuschreiben sein. Dann stellt sich die Frage, ob auch dieser Verlust bei der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen ist.  

     

    M.E. ist dies zu bejahen. Die konkrete Veranlassung für ein schlechtes wirtschaftliches Abschneiden in einem bestimmten Jahr zu finden, dürfte im Einzelfall sehr schwierig oder sogar unmöglich sein. Im übrigen wird auch bei einem positiven Jahresergebnis nicht danach gefragt, ob dieses auf der Leistung des jetzigen Geschäftsführers oder auf anderen glücklichen Umständen, z.B. den vorausschauenden Dispositionen eines früheren Geschäftsführers beruht. Nur eine Einbeziehung sämtlicher, aus welchem Grund auch immer entstandener Verluste wird auch dem Gebot der Klarheit der Bemessungsgrundlage gerecht (siehe Tz. 1). 

     

    3.2 Ist der handelsrechtliche oder der steuerliche Verlustvortrag zu berücksichtigen?

    Bilanzieller und steuerlicher Verlustvortrag können u.U. erheblich voneinander abweichen: Dies ist z.B. bei hohen Beteiligungserträgen nach § 8b KStG der Fall. Aus einem positiven bilanziellen Ergebnis wird dann steuerlich schnell ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte, der zu einem steuerlichen Verlustvortrag führt. Umgekehrt kann sich bei hohen nicht abziehbaren Aufwendungen trotz eines bilanziellen Jahresfehlbetrags ein positives steuerliches Ergebnis ergeben. 

     

    Maßgeblich für die Reduzierung der Bemessungsgrundlage der Gewinntantieme ist der handelsbilanzielle und nicht der steuerliche Verlustvortrag; in diesem schlägt sich das wirtschaftliche Ergebnis der Gesellschaft nieder. Dies folgt schon konsequenterweise aus dem Umstand, dass auch der Tantiemeberechnung der handelsrechtliche Jahresüberschuss und nicht das zu versteuernde Einkommen zugrunde liegt (siehe Tz. 2). 

     

    3.3 Mit welchen positiven Eigenkapitalposten können Verlustvorträge saldiert werden?

    Wurden Gewinne der Vergangenheit nicht ausgekehrt, können diese zur Saldierung mit späteren Verlusten verwendet werden. Ein Verlustvortrag ist dann nicht mehr vorhanden, sodass in den Folgejahren keine Reduzierung der Tantieme-Bemessungsgrundlage erfolgen muss. 

     

    Beispiel 3

    Die Bilanz zum 31.12.02 weist folgende Eigenkapitalposten aus: 

     

    Gewinnvortrag aus 01 

    300.000 EUR 

    ./. Jahresfehlbetrag 02 

    ./. 300.000 EUR 

    Bilanzverlust 02 

    0 EUR 

     

    In 03 wird ein Jahresüberschuss in Höhe von 300.000 EUR erwirtschaftet. Steht dem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Tantieme zu? 

     

    (vorläufige) Bilanz zum 31.12.03 (vor Tantiemeberechnung): 

     

    Verlustvortrag 

    0 EUR 

    + Jahresüberschuss 03 

    300.000 EUR 

    Bilanzverlust 03 

    300.000 EUR 

     

    Der Jahresüberschuss 03 i.H.v. 300.000 EUR geht in diesem Fall trotz des Jahresfehlbetrags in 02 in voller Höhe in die Berechnung der Gewinntantieme ein. Auf Grund des Gewinnvortrags aus den Vorjahren konnte der Jahresfehlbetrag im Jahr 02 nämlich vollständig kompensiert werden.  

     

    Zur Kompensation der Verlustvorträge können allerdings nur diejenigen Posten des Eigenkapitals herangezogen werden, die sich aus früheren Gewinnen speisen. Dies sind regelmäßig die Posten „Gewinnvortrag“ und „Gewinnrücklagen“ gemäß § 266 Abs. 3 Buchst. A III und IV HGB. Nicht dazu gehört das in die Kapitalrücklage eingestellte Eigenkapital; hierbei handelt es sich nicht um Gewinne, sondern um nicht in das gezeichnete Kapital/Nennkapital geleistete Einlagen (§ 272 Abs. 2 HGB). 

     

    3.4 Kann das Ausschüttungsverhalten einer Gesellschaft die Tantiemeberechnung beeinflussen?

    Immer wieder stellt sich auch die Frage, wie Ausschüttungen bei der Tantiemeberechnung zu berücksichtigen sind. Dazu ein Beispiel: 

     

    Beispiel 4

    Ausgangsfall wie Beispiel 3, es wird im Jahr 02 aber eine Ausschüttung des in 01 erwirtschafteten Gewinns von 300.000 EUR beschlossen. 

     

    Der Gewinnvortrag aus dem Jahr 01 beträgt auf Grund der Ausschüttung 0 EUR, damit ist für den Verlust in 02 kein Gewinn zur Kompensation vorhanden. Es darf deshalb wie im Beispiel 2 für das Jahr 03 keine Tantieme gezahlt werden. 

     

    Das Ausschüttungsverhalten einer Gesellschaft in einem früheren Jahr kann die Tantiemeberechnung in einem späteren Jahr beeinflussen. So muss die Gesellschaft in o.g. Beispiel nach der Ausschüttung erst wieder Gewinne erwirtschaften, um zukünftige Tantiemezahlungen zu ermöglichen. 

     

    Lässt die Gesellschaft den im Jahr 03 erwirtschafteten Gewinn von 300.000 EUR stehen und schüttet ihn nicht aus, so ist der Verlustvortrag damit kompensiert. Ein im Jahr 04 entstehender Gewinn kann dann wieder als Grundlage für eine Tantiemezahlung dienen. 

     

     

    3.5 Können frühere Gewinne auch dann zur Verlustkompensation herangezogen werden, wenn sie bereits einmal Bemessungsgrundlage für eine Tantieme waren?

    Hier geht es um die Problematik, dass ein in einem früheren Wirtschaftsjahr erzielter Gewinn damals als Bemessungsgrundlage für eine Tantieme gedient hat. Im darauf folgenden Jahr entsteht ein Verlust, dem wieder ein Gewinnjahr folgt. Hierzu meint Janssen (BB 04, 1776), dass jedes Jahresergebnis nur einmal in die Tantiemeberechnung einfließen könne. Wurde ein Gewinn bereits einmal in eine Tantiemeberechnung einbezogen, so könne er nicht mehr mit einem späteren Verlust verrechnet werden.  

     

    Beispiel 5

    Wie Beispiel 3, der Gesellschafter-Geschäftsführer hat auf Grund des positiven Jahresergebnisses in 01 aber bereits damals eine Tantieme erhalten (Jahresüberschuss 300.000 EUR nach Tantieme und Steuern). 

     

    Folgt man der Meinung von Janssen, so könnte der Jahresüberschuss aus 01 nicht zur Kompensation des in 02 erlittenen Verlusts herangezogen werden, da das positive Ergebnis in 01 bereits Grundlage für eine Tantiemeberechnung war. Es müsste dann eine Nebenrechnung durchgeführt werden, aus der hervorgeht, welche Gewinnvorträge bereits mit einer Tantieme „vorbelastet“ sind. 

     

    Die Meinung von Janssen ist m.E. abzulehnen. Das Urteil des BFH vom 17.12.03 spricht von bestehenden Verlustvorträgen. Es ist somit im Jahr der Tantiemeleistung lediglich zu ermitteln, ob ein Verlustvortrag noch vorhanden ist oder ob ein früher entstandener Verlust bereits durch Gewinne ausgeglichen wurde. Dabei ist es unbeachtlich, ob diese Gewinne bereits als Bemessungsgrundlage für eine Tantieme gedient haben. Sie werden nicht ein zweites Mal als Bemessungsgrundlage für eine Tantiemeberechnung herangezogen, sondern tragen lediglich dazu bei, die Bemessungsgrundlage im aktuellen Gewinnjahr nicht durch den früheren Verlust zu mindern. 

     

    Hinweis: Dies entspricht auch der Regelung in § 86 Abs. 2 AktG. Danach ist für eine Beteiligung der Vorstandsmitglieder am Jahresgewinn der Jahresüberschuss vermindert um einen Verlustvortrag und um gesetzliche oder satzungsmäßige Gewinnrücklagen zugrunde zu legen. Auch hier ist nur maßgeblich, ob ein handelsrechtlicher Verlustvortrag besteht. 

     

    3.6 Besteht eine Übergangsregelung?

    Eine Übergangsregelung wurde von der Finanzverwaltung für die Vergangenheit nicht getroffen. Das BFH-Urteil ist daher mit Ergehen anzuwenden. Eine generelle Nichtberücksichtigung von Verlustvorträgen war von der Finanzverwaltung so definitiv nicht gefordert worden, so dass aus ihrer Sicht kein Bedürfnis für eine Übergangsregelung besteht. 

    4. Folgen einer Nichtberücksichtigung von Verlustvorträgen in der Tantiemevereinbarung

    Fraglich ist, wie die Fälle zu behandeln sind, bei denen in der Tantiemevereinbarung eine Einschränkung, dass sich Verlustvorträge mindernd auf die Bemessungsgrundlage der Tantieme auswirken müssen, nicht enthalten ist. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich die Tantiemevereinbarung an den Kriterien des BMF-Schreibens vom 1.2.02 orientiert und als Bemessungsgrundlage der Jahresüberschuss vor Abzug der Tantieme und der ertragsabhängigen Steuern festgeschrieben ist. Begrifflich ist dabei eindeutig, dass der Jahresüberschuss – anders als der Jahresgewinn – nicht durch einen bilanziellen Verlustvortrag gemindert wird. 

     

    Tritt der Verlustfall ein, so ist in diesem Jahr unstreitig keine Tantieme auszuzahlen. Problematisch sind die Folgen, wenn später wieder ein Jahresüberschuss erzielt wird; nach der vertraglichen Regelung ist ein Verlustvortrag in einem Folgejahr dann nicht von der Tantiemebemessungsgrundlage abzuziehen. Zivilrechtlich besteht damit grundsätzlich ein Anspruch auf die höhere Tantieme, als sie steuerrechtlich anzuerkennen ist. Es bestehen in diesem Fall zwei Möglichkeiten: 

     

    1. Die zivilrechtlich zustehende, aber steuerlich überhöhte Tantieme wird ausbezahlt:

     

    Hier liegt eine vGA vor, soweit die Tantieme auf der Nichtberücksichtigung des Verlustvortrags beruht.

     

    2. Es wird nur die nach Berücksichtigung der Verlustvorträge anzuerkennende Tantieme ausbezahlt:

     

    Zivilrechtlich entsteht ein Tantiemeanspruch auf einer Bemessungsgrundlage, die keine Verlustvorträge berücksichtigt. Wird eine demgegenüber reduzierte Tantieme ausbezahlt, so hat der Gesellschafter-Geschäftsführer auf einen Teil seines Tantiemeanspruchs verzichtet.

     

    Geschieht dies aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen, was in diesen Fällen regelmäßig anzunehmen ist, so handelt es sich dabei um eine verdeckte Einlage. Auf der Ebene des Gesellschafters sind die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 9.6.97 anzuwenden (BStBl II 98, 307). Danach führt der Teil-Verzicht auf die Tantieme in Höhe des werthaltigen Teils des Anspruchs zu steuerpflichtigen Einkünften. Da hier auf den Teil der Tantieme verzichtet wird, der als vGA zu qualifizieren wäre, erzielt der Gesellschafter-Geschäftsführer Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 EStG

     

    Diese Behandlung soll nach Auffassung der Finanzverwaltung auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom 28.5.02 (BStBl I, 603) unabhängig davon erfolgen, ob der Tantiemeanspruch bei der Kapitalgesellschaft bereits bilanziert war oder nicht. 

     

    Auch wenn die Tantieme in der Steuerbilanz noch nicht verbucht war und zur Vermeidung der vGA nur der steuerlich angemessene Betrag in die Bilanz eingestellt wird, verzichtet der Gesellschafter-Geschäftsführer auf einen Anspruch, der als vGA zu qualifizieren ist. Dieser führt nach dem oben genannten BMF-Schreiben zu einer verdeckten Einlage und zu einem Zufluss von Einnahmen aus Kapitalvermögen beim Gesellschafter. 

    5. Praxishinweis

    Auf der Grundlage der Verwaltungsmeinung lässt sich die verdeckte Einlage und damit der Einnahmezufluss für Altjahre nur dann vermeiden, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer nachweist, dass eine Berücksichtigung der Verlustvorträge bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahrs konkludent vereinbart war. Eine solche Vertragsänderung kann auch als mündliche Nebenabrede zu einem schriftlich abgeschlossenen Vertrag getroffen worden sein (Ausnahme bei qualifizierter Schriftformklausel).  

     

    Es ist für zukünftige Wirtschaftsjahre zu empfehlen, den Anstellungsvertrag umgehend auch schriftlich anzupassen und die Verlustvorträge in die Bemessungsgrundlage mit einzubeziehen. Die Tantiemevereinbarung könnte z.B. wie folgt formuliert werden:  

     

    Musterformulierung

    Der Gesellschafter-Geschäftsführer erhält als Tantieme 50 v.H. des Jahresüberschusses vor Tantieme und Ertragsteuern.  

     

    Die Bemessungsgrundlage wird durch einen Bilanzverlust bzw. Verlustvortrag gemindert, soweit dieser nicht durch Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann. 

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2005 | Seite 149 | ID 87359