Kapitalgesellschaften
Forderungsverzicht durch Gesellschafter und nahestehende Personen
von Regierungsoberrat Winfried Hartmann, Mainz
Der Große Senat des BFH hat zu der Frage Stellung genommen, wie sich ein Forderungsverzicht von Gesellschaftern und nahestehenden Personen gegenüber einer Kapitalgesellschaft steuerlich auswirkt. Der Beschluß wird mit seinen Konsequenzen für die Praxis nachfolgend vorgestellt.
1. Die Entscheidung des Großen Senats
Der Große Senat des BFH hatte über folgende Rechtsfragen zu entscheiden:
1. Führt der Verzicht eines Gesellschafters auf seine nicht mehr werthaltige Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft bei dieser zu einer Einlage in Höhe des Nominalwerts der Verbindlichkeit oder in Höhe des Teilwerts der Forderung?
2. Ist eine Einlage bei der Kapitalgesellschaft auch dann anzunehmen, wenn der Forderungsverzicht von einer dem Gesellschafter nahestehenden Person ausgesprochen wird (Drittaufwand)?
3. Löst der Verzicht des Gesellschafters auf eine Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft bei ihm stets den Zufluß des erlassenen Forderungsbetrags nach Art des § 11 EStG aus oder tritt diese Rechtsfolge nur bei bestimmten Formen eines Forderungsverzichts (zum Beispiel Erlaßvertrag i.S.d. § 397 BGB) ein?
Seitdem der I. Senat des BFH mit Beschluß vom 27.6.94 (BStBl II 95, 27) diese Fragen vorgelegt hatte, wartete die Praxis mit Spannung auf die nunmehr gegebene Antwort des Großen Senats:
1. Ein auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhender Verzicht eines Gesellschafters auf seine nicht mehr vollwertige Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft führt bei dieser zu einer Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung. Dies gilt auch dann, wenn die entsprechende Verbindlichkeit auf abziehbare Aufwendungen zurückgeht.
2. Der Verzicht des Gesellschafters auf eine Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft im Wege der verdeckten Einlage führt bei ihm zum Zufluß des noch werthaltigen Teils der Forderung.
3. Eine verdeckte Einlage bei der Kapitalgesellschaft kann auch dann anzunehmen sein, wenn der Forderungsverzicht von einer dem Gesellschafter nahestehenden Person ausgesprochen wird.
2. Eine erste Analyse der Entscheidung
Entscheidungen des Großen Senats des BFH haben über den jeweiligen Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung. Weit mehr noch als die „normalen" Urteile und Beschlüsse des BFH präjudiziert und konstituiert ein Spruch des Großen Senats die steuerliche Rechtslage. Er klärt aber leider nicht nur die ihm vorgelegten Rechtsfragen, sondern wirft vor allem auch neue Probleme auf. Nachfolgend wird die Entscheidung des Großen Senats daher näher betrachtet.
2.1 Die entscheidungsrelevanten Sachverhalte
Der Entscheidung des Großen Senats lagen drei Vorverfahren zugrunde. In der Sache I R 23/93 verzichteten die Geschäftsführer der klagenden GmbH, gleichzeitig Ehemann und Brüder der beiden Gesellschafterinnen, sowohl auf persönliche Forderungen als auch auf Darlehensforderungen einer GbR, an der sie je zur Hälfte beteiligt waren. Die GmbH hatte ihre wesentlichen Betriebsgrundlagen von der GbR gepachtet und schuldete die rückständigen Pachtzinsen darlehenshalber. Die Beteiligten stritten nicht nur über die Werthaltigkeit der betroffenen Forderungen. Es ging auch darum, ob die verzichtenden Gläubiger aus eigenwirtschaftlichen Interessen gehandelt haben.
Die gleiche Problematik stellte sich auch im Rechtstreit I R 103/93. Die klagende Kapitalgesellschaft war überschuldet, als sie mit ihrem Alleingesellschafter und einer 100prozentigen Schwestergesellschaft einen Erlaßvertrag über fast 2,2 Mio. DM abschloß.
Im Verfahren I R 58/93 verzichtete der mit 44 Prozent beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer, gleichzeitig Ehemann und Vater der Mitgesellschafter, anläßlich der Veräußerung sämtlicher Anteile an der klagenden GmbH auf seine Pensionsansprüche. Streitig war offenbar allein die Rechtsfrage, ob die damit einhergegangene Vermögensmehrung der Klägerin in Höhe von rund 600.000 DM als außerordentlicher Ertrag oder aber als verdeckte Einlage zu würdigen ist.
2.2 Allgemeine ertragsteuerliche Folgen
Der Beschluß des Großen Senats hat in erster Linie Auswirkung auf die Ertragsteuer. Im einzelnen sind dies:
2.2.1 Es gelten § 4 Abs. 1 S. 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Geklärt ist die bislang umstrittene Anwendbarkeit der allgemeinen Gewinnermittlungs- und Bewertungsvorschriften der §§ 4 Abs. 1 S. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG auf Erhöhungen des Gesellschaftsvermögens, die durch offene oder durch verdeckte Einlagen der Gesellschafter verursacht sind. Wenn § 8 Abs. 1 KStG zur Einkommensermittlung der Kapitalgesellschaft auf das EStG verweist, gelten damit auch die Einlagevorschriften entsprechend, obwohl keine Personenidentität zwischen dem Einlegenden und dem Empfänger der Vermögenszuführung besteht (s.a. BFH 26.10. 87 BStBl II 88, 348, 354).
2.2.2 Gesellschaftereinlage durch Forderungsverzicht möglich
Bestätigt wird der Grundsatz, daß der Wegfall einer Verbindlichkeit beim Schuldner zur Vermögensmehrung führt. Dies muß auch beim Verzicht eines Gesellschafters auf Ansprüche gegenüber seiner Kapitalgesellschaft gelten.
Der Einlagewert bestimmt sich nach dem Teilwert der Forderung. Infolge des Forderungsverzichts bleibt das Einkommen der Kapitalgesellschaft letztlich nur noch im Umfang der Werthaltigkeit der Forderung gemindert. Soweit der Anspruch nicht werthaltig ist, erfolgt keine Korrektur des Handelsbilanzergebnisses der Gesellschaft. Logischerweise muß die ihr insoweit verbleibende Vermögensmehrung als außerordentlicher Ertrag ertragsteuerlich erfaßt werden.
Der Große Senat des BFH schließt sich damit ausdrücklich der im Beschlußtext wiedergegebenen Auffassung der Finanzverwaltung an. Er zitiert zwar den Standpunkt der wohl überwiegenden Literaturmeinung, die eine Einlage in Höhe des Buchwerts der Verbindlichkeit angenommen hat. Leider setzt er sich jedoch nicht mit ihren Argumenten auseinander. Seine Behauptung, der Schuldner würde für die Herbeiführung des Verzichts ebenso wie im Falle eines Erwerbs der Forderung nur einen Betrag in Höhe ihres werthaltigen Teils aufwenden, wird mit Sicherheit die erneute Diskussion anfachen.
Gerade nach dem gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EStG,§ 8 Abs. 1 KStG auch für Kapitalgesellschaften geltenden Imparitätsprinzip sind die Teilwerte von Forderungen und korrespondierenden Verbindlichkeiten eben nicht wertidentisch. Ein Schuldner kann im Regelfall seine Schuld nur beseitigen, wenn er sie in vollem Umfang erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Dem Gläubigerverzicht steht hingegen eine wertadäquate Gegenleistung nicht gegenüber. Es ist sehr fraglich, ob der eventuelle Wert einer Gesellschafterforderung geeignet ist, den einkommensmäßig relevanten Umfang einer durch den Verzicht herbeigeführten Vermögensmehrung der Kapitalgesellschaft zu bestimmen. Wie die „Peanuts-Episode" der Deutschen Bank gezeigt hat, ist es in unserem Wirtschaftsleben durchaus nicht unüblich, minderwertige und sogar völlig wertlose Forderungen zum Nominalwert zu erwerben.
2.2.3 Verbindlichkeit aus Überlassungen und Dienstleistungen
Resultiert die Verbindlichkeit beispielsweise aus einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung oder Dienstleistung des Gesellschafters, so hat sie sich schon gewinnmindernd bei der Kapitalgesellschaft ausgewirkt. Entfällt die Schuld später durch Verzicht des Gesellschafters, bleibt diese Gewinnminderung nur in Höhe der verdeckten Einlage erhalten. Soweit jedoch keine verdeckte Einlage anzunehmen ist, das heißt, soweit die Forderung im Verzichtszeitpunkt nicht werthaltig ist, wird der bereits berücksichtigte Aufwand sozusagen ex nunc rückgängig gemacht.
Beispiel zur Wirkung der verdeckten Einlage
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH vermietet an diese ein Grundstück. Die GmbH hat die vereinbarte Miete aufgrund von Liquiditätsproblemen bereits seit mehreren Monaten nicht mehr zahlen können, jedoch als Betriebsausgabe verbucht. Der Gesellschafter verzichtet nach geraumer Zeit auf die rückständige Miete, der Nennwert seiner Forderung beträgt 10.000 DM, der Teilwert 2.000 DM. Die GmbH erzielt durch den Forderungsverzicht einen außerordentlichen Ertrag von 10.000 DM. Abzuziehen ist der werthaltige Teil der Forderung, der insoweit (2.000 DM) eine verdeckte Einlage darstellt. Unterm Strich ergibt sich somit eine Gewinnerhöhung von 8.000 DM.
2.2.4 Auswirkung bei bilanzierenden Gesellschaftern
Ein bilanzierender Gesellschafter hat zwischenzeitliche Wertminderungen seiner Forderung bereits als Aufwand berücksichtigt; sein steuerpflichtiger Ertrag wurde damit in diesem Umfang schon rückgängig gemacht.
Beispiel zur Auswirkung bei einem bilanzierenden Gesellschafter
Ein Gesellschafter verzichtet auf eine Forderung im Nennwert von 10.000 DM. Bereits am letzten Bilanzstichtag stand fest, daß maximal 2.000 DM der Forderung noch werthaltig sind. Der Gesellschafter hat daher eine Teilwertabschreibung von 8.000 DM vorgenommen. Verzichtet er einige Monate später auf den Restbetrag von 2.000 DM und ist die Forderung insoweit noch werthaltig, so ergeben sich keine Auswirkungen auf den Gewinn. Allerdings erhöht sich der Bilanzposten „Beteiligung" um 2.000 DM. Buchung: Beteiligung an Forderung 2.000 DM.
2.2.5 Auswirkung bei Einnahme-Überschußrechnern
Grundsätzlich fließen einem Gesellschafter die ihm von seiner GmbH geschuldeten Beträge erst im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Zahlung zu (§ 11 Abs. 1 EStG). Bei einem beherrschenden Gesellschafter wird der Zuflußzeitpunkt ausnahmsweise jedoch auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung vorverlagert, denn er hat es selbst in der Hand, sich fällig gewordene Beträge auszahlen zu lassen. Allerdings gilt diese „Zuflußfiktion" nur dann, wenn die GmbH liquide ist. Fehlen der GmbH die erforderlichen Zahlungsmittel, liegt noch kein Zufluß vor.
Ein Forderungsverzicht hat daher folgende Auswirkungen: (Spätestens) Mit dem Verzicht fließt dem Gesellschafter die Forderung in Höhe ihrer Werthaltigkeit zu. Handelt es sich allerdings um einen beherrschenden Gesellschafter, so muß geprüft werden, ob die Forderung bereits im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit als zugeflossen galt. Wenn nein, fließt auch dem beherrschenden Gesellschafter der werthaltige Teil der Forderung erst im Zeitpunkt des Forderungsverzichts zu. Wenn ja, dürfte es schwierig sein, den bereits verwirklichten Ertrag zu korrigieren, der Verzicht führt schließlich nicht zu einem Abfluß von Vermögenswerten. Berücksichtigt man jedoch, daß die Vorverlagerung des Zuflußzeitpunkts bei beherrschenden Gesellschaftern nur bei entsprechender Liquidität der GmbH gerechtfertig ist, müßte ein gerade wegen der finanziellen Situation der Gesellschaft ausgesprochener Forderungsverzicht im Umfang der eingetretenen Wertlosigkeit der Forderung zurückwirken. Somit ließe sich auch bei beherrschenden Gesellschaftern die Zuflußfiktion auf den werthaltigen Teil der Forderung beschränken.
In Höhe des werthaltigen Teils der Forderung erhöhen sich die Anschaffungskosten der Beteiligung. Die nachträgliche Erhöhung der Anschaffungskosten auf die Beteiligung wirkt sich spätestens bei einer künftigen Anteilsveräußerung aus - allerdings nur, wenn die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten wird bzw. wenn es sich um einbringungsgeborene oder um wesentliche Anteile i.S.v. § 17 EStG handelt.
Selbstverständlich gelten die Ausführungen nur für Forderungen aus Nutzungsüberlassungen und Dienstleistungen. Bei hingegebenen Darlehen sind lediglich die Zinsen steuerbar, nicht jedoch die Darlehensforderung selbst. Insoweit ist der Forderungsverzicht daher nur hinsichtlich eines eventuellen Zinsanteils ertragsteuerlich erheblich.
Beispiel zur Auswirkung bei einem Einnahme-Überschußrechner
Ein Gesellschafter verzichtet auf Zinsen aus einer Darlehensforderung. Die Zinsen sollten monatlich ausgezahlt werden, es haben sich in den letzten fünf Monaten Zinsrückstände von 10.000 DM angesammelt. Im Zeitpunkt des Forderungsverzichts hatte die Forderung einen Teilwert von 2.000 DM.
a. Im Zeitpunkt der Fälligkeit der Zinsen hätte die GmbH diese nicht auszahlen können.
b. Im Zeitpunkt der Fälligkeit der Zinsen war die GmbH liquide.
Dem Minderheitsgesellschafter fließen im Zeitpunkt des Forderungsverzichts 2.000 DM zu - und zwar sowohl im Fall a. als auch im Fall b. Dem beherrschenden Gesellschafter fließen die 2.000 DM im Fall a. ebenfalls im Zeitpunkt des Forderungsverzichts zu. Im Fall b. hingegen galten die Zinsen von 10.000 DM bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit als zugeflossen. Durch den Verzicht, der ausdrücklich im Hinblick auf die finanzielle Lage ausgesprochen werden sollte, vermindert sich der zugeflossene Betrag im nachhinein um 8.000 DM.
Durch den Verzicht erhöhen sich die Anschaffungskosten der Beteiligung sowohl beim Minderheits- als auch beim beherrschenden Gesellschafter um 2.000 DM.
2.2.6 Sonderfall: Schuld aus Anschaffungsgeschäft
Was gilt nun im Hinblick auf Forderungen, die aus der Übertragung von Wirtschaftsgütern durch den Gesellschafter auf die Gesellschaft entstanden sind? In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß der Große Senat des BFH mit Beschluß vom 19.7.93 (BStBl II, 897) nachträglich eintretenden Umständen, die das vereinbarte Entgelt beeinflussen, jedenfalls in Fällen der Betriebsveräußerung eine Rückwirkung beimißt (vgl. auch § 255 Abs. 1 S. 3 HGB). Dies führt bei nachträglichem Verzicht auf eine wertlos gewordene Kaufpreisforderung beim Gesellschafter zur Minderung eines Veräußerungsgewinns und bei der Kapitalgesellschaft im Ergebnis zu einer unentgeltlichen Betriebsübertragung. Zusätzlich zur Erfassung eines außerordentlichen Ertrags müßte sie nun noch in konsequenter Anwendung des § 7 Abs. 1 und 2 EStDV die Wertansätze der erworbenen Wirtschaftsgüter korrigieren.
Beispiel zu Auswirkung bei Verzicht auf einen Kaufpreisanspruch
Ein Gesellschafter (Einnahme-Überschußrechner) veräußert einen Pkw aus seinem Betriebsvermögen an seine GmbH. Der Kaufpreis beträgt 50.000 DM, der Pkw hatte im Zeitpunkt der Veräußerung einen Buchwert von 40.000 DM. Der Kaufpreis wird zunächst gestundet. Nachdem die GmbH in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist, verzichtet der Gesellschafter auf seine Forderung. Im Zeitpunkt des Verzichts war die Forderung völlig wertlos. Bei konsequenter Anwendung der BFH-Rechtsprechung müßte der Forderungsverzicht den Gewinn aus der Veräußerung des Pkw nachträglich beeinflussen. Im Ergebnis ist davon auszugehen, daß der Pkw unentgeltlich auf die GmbH übertragen wurde.
2.2.7 Verdeckte Einlage auch bei Verzicht auf Pensionsansprüche?
Das letzte Wort dürfte hier noch nicht gesprochen sein. Der Große Senat des BFH geht davon aus, daß ein pensionsberechtigter bilanzierender Gesellschafter zur Aktivierung seines aus einer Pensionszusage resultierenden Anwartschaftsrechts verpflichtet ist. Er nimmt insoweit Bezug auf ein Urteil des I. Senats vom 14.12.88 (BStBl II 89, 323).
In dieser Entscheidung stellte der BFH jedoch ausdrücklich klar, daß eine Aktivierungspflicht gerade dann nicht bestehe, wenn der Pensionsberechtigte zum Kreis derjenigen Personen gehöre, die gemäß
§ 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG Arbeitnehmern gleichgestellt sind. Ein Arbeitnehmer versteuere Versorgungsbezüge aber erst mit ihrem tatsächlichen Zufluß. Die vom Gesetzgeber aus sozialen Gründen vorgesehene Gleichbehandlung der in § 17 Abs. 1 BetrAVG genannten Personen müsse auch für deren Besteuerung gelten. Dem Zweck dieser Regelung entsprechend sei demnach im betrieblichen Bereich die grundsätzlich mögliche Aktivierung einer Pensionsanwartschaft zu unterlassen.
Auch die Aussage in der Entscheidung des I. Senats vom 19.5.93 (BStBl II, 804) wird ausdrücklich verworfen. Entsprechend führt der Verzicht auf eine unverfallbare, aber noch nicht fällige Pensionszusage, soweit diese zum Zeitpunkt des Verzichts noch werthaltig war, zu einer verdeckten Einlage, die mit einem steuerpflichtigen Vermögenszufluß in gleicher Höhe beim verzichtenden Gesellschafter korrespondiert. Ob es sich bei dem Zufluß um (lohnsteuerpflichtige) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, oder aber um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt, läßt der Große Senat offen. Die Veranlassung des Zuflusses durch das Gesellschaftsverhältnis spricht dabei eher für Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Im Hinblick auf die weitreichenden Auswirkungen dieser Rechtsprechungsänderung stellt sich die Frage einer Übergangsregelung aus Gründen des Vertrauensschutzes. Jedenfalls sollte zum jetzigen Zeitpunkt keinem Mandanten zur Abgabe einer Verzichtserklärung geraten werden.
2.2.8 Forderungsverzicht durch nahestehende Person
Auch der Forderungsverzicht durch eine dem Gesellschafter nahestehende Person kann eine verdeckte Einlage sein. Folgende Fälle sind beispielsweise denkbar:
- Ein Gläubiger der Kapitalgesellschaft spricht einen Forderungsverzicht aus, um damit eine Zuwendung gegenüber den Gesellschaftern zu machen, die dadurch ihrerseits eine verdeckte Einlage in die Gesellschaft erbringen.
- Die B-GmbH ist die Schwester-Gesellschaft der A-GmbH. Die B-GmbH spricht gegenüber der A-GmbH einen Forderungsverzicht aus. Dieser Forderungsverzicht geschieht jedoch nicht aufgrund der geschäftlichen Beziehungen, sondern zugunsten des gemeinsamen Hauptgesellschafters.
Nun ist nicht jeder Forderungsverzicht einer nahestehenden Person eine verdeckte Einlage. Vielmehr kommt es auf die Interessenlage des Verzichtenden an.
Eigenwirtschaftliches Interesse: Der Gläubiger kann aus eigenwirtschaftlichem Interesse auf eine Forderung gegenüber der Kapitalgesellschaft verzichten. Bei dieser Sachlage ist die eingetretene Vermögensmehrung des Gesellschaftsvermögens in vollem Umfang ertragswirksam. Die Werthaltigkeit der Forderung ist damit für die Einkommensermittlung der Gesellschaft irrelevant. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob der Gläubiger gleichzeitig auch Gesellschafter ist und/oder einem Gesellschafter nahesteht. Naturgemäß kommt die mit dem Verzicht erfolgte Mehrung des Gesellschaftsvermögens auch den Gesellschaftern zugute. Allein diese reflexartige Wirkung (so schon BFH 27.7.88 BStBl II 89, 271) führt aber noch nicht zu einer verdeckten Einlage.
Kein eigenwirtschaftliches Interesse: Die Annahme einer verdeckten Einlage ist nur möglich, wenn der Gläubiger ohne eigenwirtschaftliche Gründe auf seine Forderung verzichtet hat. Nur wenn eigenwirtschaftliche Motive nicht maßgebend sind, bleibt das zu versteuernde Einkommen der Kapitalgesellschaft in Höhe des Einlagewerts gemindert. Bei Vorteilszuwendungen durch Gesellschaftern nahestehenden Personen werden verdeckte Einlagen daher ausscheiden, wenn diese Personen auch geschäftliche Beziehungen zur begünstigten Kapitalgesellschaft unterhalten.
3. Wie wird die Finanzverwaltung reagieren?
Mit Rücksicht auf das laufende Verfahren vor dem Großen Senat des BFH hatte die Finanzverwaltung das Ruhenlassen einschlägiger Rechtsbehelfsverfahren angeordnet. Nun hat der Große Senat die Verwaltungsauffassung zur ertragsteuerlichen Behandlung des Forderungsverzichts nicht nur bestätigt. Er ist sogar noch darüber hinausgegangen, indem er die Rechtsfigur der verdeckten Einlage fiskalisch günstiger definiert als bisher.
Vor einer Wiederaufnahme dieser Verfahren sollte daher zweckmäßigerweise noch abgewartet werden, wie der I. Senat nunmehr über die bei ihm anhängigen Revisionen entscheiden wird. Er ist zwar nach Maßgabe des § 11 Abs. 7 FGO an die Rechtsauffassung des Großen Senats gebunden. Da danach die Unterscheidung zwischen verdeckter Einlage und steuerpflichtiger Vermögensmehrung im wesentlichen Tatfrage ist, wird man zumindest in den Streitsachen I R 23/93 und I R 103/93 noch kein abschließendes Urteil erwarten können.
Naheliegend ist eine Zurückverweisung in die erste Instanz, um zu klären, ob gegebenenfalls eigenwirtschaftliche Interessen der verzichtenden Gläubiger für den Schulderlaß maßgebend waren. Der I. Senat wird jedoch die Gelegenheit wahrnehmen, in Interpretation des Beschlusses des Großen Senats die künftige Richtung aufzuzeigen.
Kapitalgesellschaften und ihre Gesellschafter können sich bereits jetzt darauf einstellen, daß verdeckte Zuwendungen in das Gesellschaftsvermögen nur noch in Ausnahmefällen nicht einkommenserhöhend wirken. Wie ein kleiner Silberstreif am Horizont mag dabei ein Hinweis auf die Schenkungsteuer erscheinen.
4. Schenkungsteuerliche Hinweise
Für den Großen Senat des BFH bestand selbstverständlich keine Veranlassung, sich zur Schenkungsteuer zu äußern. Dennoch ist es interessant, sich mit der Materie zu beschäftigen. Im Einzelfall ist es nämlich durchaus denkbar, daß die Gesamtsteuerbelastung mit Hilfe des Schenkungsteuergesetzes gemindert wird. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang zwar darauf, daß die Finanzverwaltung die auftretenden Probleme - ihrer Ansicht nach erschöpfend - in dem koordinierten Ländererlaß vom 15.3.97 (BStBl I, 350) behandelt hat. Trotzdem könnte es im Einzelfall sinnvoll sein, eine finanzgerichtliche Entscheidung zu diesem Komplex herbeizuführen.
4.1 Forderungsverzicht ist grundsätzlich schenkungsteuerbar
Die durch einen Forderungsverzicht eintretende Befreiung des Schuldners von seiner korrespondierenden Verbindlichkeit ist grundsätzlich schenkungsteuerbar, wenn der Gläubiger nicht rechtlich zum Verzicht verpflichtet ist und/oder der Schuldner keine rechtlich verknüpfte, wertadäquate Gegenleistung erbringt und zumindest der Verzichtende Kenntnis der insoweit maßgebenden Tatsachen hat. In dieser Weise umschrieb der für die Schenkungsteuer zuständige II. Senat des BFH mit Urteil vom 2.3.94 (BStBl II, 366) den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Er wies ausdrücklich darauf hin, daß seine Ausführungen für sämtliche Vorteilsgewährungen gelten - und nicht nur für die Beurteilung unbenannter Zuwendungen zwischen Ehegatten.
Zwar verneint die Finanzverwaltung in ihrem gemeinsamen Ländererlaß vom 15.3.97 (aaO) „zur schenkungsteuerlichen Behandlung von Leistungen von Gesellschaftern und Dritten an Kapitalgesellschaften" grundsätzlich die Schenkungsteuerpflicht von Kapitalgesellschaften bei Zuwendungen durch ihre Gesellschafter. Sie legt hierbei jedoch nicht die vorstehend skizzierten Maßstäbe des BFH an, um die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu prüfen.
Ein eventuell zwischen Gläubiger und Schuldner bestehendes Gesellschaftsverhältnis ist selbstverständlich in diesem Zusammenhang eingehend zu würdigen (BFH 25.10.95 BStBl II 96, 160). Besitzt der Schuldner jedoch auch aus gesellschaftsrechtlichen Gründen keinen konkreten Rechtsanspruch auf den Forderungsverzicht durch den Gläubiger (vgl. insb. § 707 BGB) und ist der Erlaß nicht rechtlich abhängig von einer wertangemessenen Gegenleistung, so muß seine damit einhergehende Bereicherung schenkungsteuerpflichtig sein.
Bei im Regelfall einverständlicher Entlastung des Schuldners durch den Forderungsverzicht eines Gläubigers liegen grundsätzlich sogar die tatbestandlichen Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Schenkung vor. Daß der Gläubiger gegebenenfalls aus eigenwirtschaftlichem Interesse verzichtet hat, hindert diese Annahme nicht (vgl. § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG; BMF 14.10.96 BStBl I, 1192); Absichten und Motive des Zuwendenden sind ohnehin schenkungsteuerlich unbeachtlich (BFH 27.4.88 BFH/NV 89, 168).
4.2 Körperschaftsteuer muß zurücktreten
Auf den ersten Blick scheint es absurd, einer Kapitalgesellschaft nahezubringen, daß der Forderungsverzichts durch einen (Gesellschafter-)Gläubiger und die hierdurch verursachte bilanzielle Vermögensmehrung schenkungsteuerpflichtig ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch mit seinem Beschluß vom 22.6.95 zur Vermögensteuer (2 BvL 37/91, BStBl II, 655) auf die verfassungsrechtlichen Grenzen der Besteuerung hingewiesen. Ein und derselbe Bereicherungsvorgang darf nicht kumulativ durch Körperschaftsteuer und Schenkungsteuer erfaßt werden.
Mit § 35 EStG hat der Gesetzgeber gezeigt, daß die Erbschaftsteuer grundsätzlich Vorrang vor der Einkommensteuer hat. Diese gesetzgeberische Wertung sollte auch hier beachtet werden.
§ 174 AO zeigt den Weg auf, in einschlägigen Fällen die Körperschaftsteuer zu vermeiden. Bei widerstreitenden Steuerfestsetzungen (vgl. FG Münster 8.12.81 EFG 82, 352) ist nämlich der fehlerhafte Steuerbescheid gemäß § 174 Abs. 1 AO aufzuheben; nach Erhalt eines Schenkungsteuerbescheids kann man mit Erfolgsaussicht die Aufhebung der Körperschaftsteuerfestsetzung beantragen. § 174 Abs. 4 AO ermöglicht die Festsetzung von Schenkungsteuer, wenn ein aufgrund irriger Beurteilung eines Sachverhalts ergangener Körperschaftsteuerbescheid aufgehoben wurde; im ertragsteuerlichen Rechtsbehelfsverfahren müßte man auf die ausschließlich einschlägige Schenkungsteuer hinweisen.
4.3 Fazit
Die Situation ist vor allem für Kapitalgesellschaften als Empfänger steuerpflichtiger Zuwendungen erheblich günstiger geworden. Es empfiehlt sich, im Einzelfall die steuerliche Belastung durch Körperschaftsteuer einerseits oder Schenkungsteuer andererseits miteinander zu vergleichen. Wenn es ökonomisch sinnvoller erscheint, Schenkungsteuer anstelle von Körperschaftsteuer zu zahlen, sollte man die Auffassung der Finanzverwaltung nicht akzeptieren, daß Kapitalgesellschaften bei Zuwendungen durch ihre Gesellschafter grundsätzlich nicht schenkungsteuerpflichtig werden könnten (bei Zuwendungen Dritter hält die Finanzverwaltung dies immerhin für „denkbar").
Das Erbschaftsteuergesetz zeigt vor allem mit §§ 2 Abs. 1 Nr. 1d, 13 Abs. 1 Nr. 16b und c sowie § 35 Abs. 2 Nr. 1 die Unrichtigkeit des Standpunkts der Finanzverwaltung. Mit § 19a Abs. 1 ErbStG hat der Gesetzgeber soeben sogar noch bestätigt, daß es auch steuerpflichtige Erwerbsvorgänge durch juristische Personen geben kann. Denn wenn er in § 19a ErbStG vom Erwerb durch „natürliche Personen" spricht, muß es auch Erwerbe durch „juristische Personen" geben.
Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 12/1997, Seite 28