Kapitalgesellschaften
Tantiemen an den Gesellschafter-Geschäftsführer – Regeln und Fehler
von Oberamtsrat Matthias Alber, Stuttgart
Tantiemen sind neben dem Festgehalt und einer Pensionszusage ein gängiger Bestandteil der Gehaltsausstattung von Gesellschafter-Geschäftsführern. Hierbei ist zu beachten, dass nicht nur die Gesamtausstattung angemessen bleiben muss, sondern auch jeder einzelne Bestandteil. Das heißt: Auch wenn die Gesamtbezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers der Höhe nach vom Finanzamt insgesamt als noch angemessen anerkannt werden, können Fehler bei der Vereinbarung und Bemessung der Tantieme zu verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) führen. Nachstehend werden deshalb – unter Einbeziehung der neuen BFH-Rechtsprechung – die steuerlichen Voraussetzungen für Tantiemevereinbarungen dargestellt, um Stolpersteine in diesem Bereich zu vermeiden.
1. Zur Tantiemevereinbarung dem Grunde nach
1.1 Klare und eindeutige Vereinbarung
Nach dem BFH-Urteil vom 30.1.85 (BStBl II, 345) und Abschn. 33 KStR wird die Tantieme bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nur anerkannt, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach im Voraus klar und eindeutig vereinbart wurde. Die Höhe der Vergütung muss allein durch Rechenvorgänge ermittelt werden können, ohne dass es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung bedarf. Sofern als Bemessungsgrundlage für die Tantieme zum Beispiel der Jahresüberschuss vor Tantieme und vor Abzug der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer zu Grunde gelegt werden soll, muss dies im Voraus auch ausdrücklich vereinbart werden (vgl. Abschn. 31 Abs. 5 S. 11 KStR).
Eine klare und eindeutige Vereinbarung kann beispielsweise in folgenden Fällen nicht angenommen werden:
- Die Tantieme eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers bemisst sich nach dem „Gewinn gemäß Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Berücksichtigung aller steuerlich zulässigen Maßnahmen“ oder nach dem „Ergebnis der Steuerbilanz“ (BFH 1.7.92, BStBl II, 975).
- Kapitalgesellschaft und beherrschender Gesellschafter vereinbaren lediglich, dass der Gesellschafter eine „angemessene“ Vergütung (Tantieme) erhalten soll (vgl. BFH 17.12.97, BStBl II 98, 545).
Wichtig: Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer muss die Tantieme auch im Voraus vereinbart werden („Nachzahlungsverbot“). Im Voraus bedeutet nicht vor Zahlung der Tantieme, sondern bevor die Leistung erbracht wird, die der Tantiemezahlung zu Grunde liegt. Eine Tantieme für 2002 muss deshalb spätestens am 1.1.02 vereinbart werden. Sofern die Regelung erst im Laufe eines Veranlagungszeitraums erfolgt, ist diese zur Vermeidung einer vGA zeitanteilig zu kürzen (BFH 17.12.97, a.a.O.).
Beispiel 1
Am 1.10.01 vereinbaren die GmbH und der beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine Tantieme für 2001 von insgesamt 120.000 €. Diese ist – auf zwölf Monate gesehen – eigentlich angemessen.
Die Zahlung der ungekürzten Tantieme würde hier gleichwohl zu einer vGA in Höhe von 90.000 € (9/12 von 120.000 €) führen. Steuerlich zulässig sind also lediglich 30.000 € (3/12 von 120.000 €).
In der steuerlichen Beratungspraxis sollte darauf geachtet werden, dass auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der allein nach seiner Beteiligungsquote nicht als beherrschend anzusehen wäre, steuerlich gleichwohl ein beherrschender Gesellschafter sein kann. Für die Prüfung, ob eine beherrschende Stellung vorliegt, bietet sich folgende Vorgehensweise an:
- Es liegt eine beherrschende Stellung vor, wenn der Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte, das heißt im Regelfall eine Beteiligung von mehr als 50 v.H. hält (vgl. Abschn. 31 Abs. 6 S. 4 KStR).
- Hält der Gesellschafter nicht mehr als 50 v.H. der Anteile, kann eine beherrschende Stellung gegeben sein, wenn gleichgerichtete Interessen mehrerer Gesellschafter i.S. des Abschn. 31 Abs. 6 S. 7 KStR vorliegen. Bei nahen Angehörigen dürfen gleichgerichtete Interessen nach Abschn. 31 Abs. 6 S. 10 KStR zwar nicht pauschal unterstellt werden; sie können im Einzelfall gleichwohl vorliegen.
Im Übrigen gilt das Nachzahlungsverbot auch für Personen, die dem beherrschenden Gesellschafter nahe stehen (Abschn. 31 Abs. 7 S. 10 KStR, also zum Beispiel bei Ehegatten und Kindern (vgl. Abschn. 31 Abs. 7 S. 6 KStR).
1.2 VGA bei Nichtdurchführung einer Vereinbarung
Bei einem beherrschenden Gesellschafter (oder einer ihm nahe stehenden Person) muss eine Vereinbarung tatsächlich durchgeführt werden, um die Ernsthaftigkeit der Vereinbarung erkennen zu lassen. Sofern im Arbeitsvertrag mit dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine monatliche Gehaltszahlung vereinbart ist, ist der Vertrag also nur dann vollzogen, wenn tatsächlich monatliche Zahlungen erfolgen (BFH 20.7.88, BFH/NV 90, 64). Anders ausgedrückt: Eine vGA ist auch dann möglich, wenn vereinbarte Vergütungen nicht oder nur unregelmäßig gezahlt werden. Demnach bedeutet die Nichtauszahlung einer vereinbarten Gewinntantieme grundsätzlich die Nichtdurchführung des Vertrages, so dass in Höhe der vereinbarten Tantiemebeträge eine vGA anzunehmen ist (BFH 29.7.92, BStBl II 93, 247). Allerdings sind Ausnahmen möglich, wenn betriebliche Gründe die Nichtauszahlung rechtfertigen oder ein Forderungsverzicht vorliegt (siehe unten).
Ein betrieblicher Grund, der eine Ausnahme vom Durchführungsgebot rechtfertigt, ist insbesondere ein Liquiditätsengpass der Gesellschaft. Die Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter muss dann aber in der Bilanz der Gesellschaft ausgewiesen werden. Um Schwierigkeiten in der Praxis zu vermeiden, ist außerdem darauf zu achten, dass bei „Stehen lassen“ von Gehaltszahlungen und Tantiemebeträgen ein Darlehensvertrag zwischen dem Gesellschafter und der GmbH getroffen wird oder aber eine Gutschrift auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto erfolgt.
Praxishinweis: Wird die klar und eindeutig vereinbarte Gewinntantieme eines beherrschenden Gesellschafters nicht binnen Monatsfrist nach Fälligkeit ausgezahlt, das heißt einen Monat nach der Feststellung des Jahresabschlusses so wird die Finanzverwaltung möglicherweise an der tatsächlichen Durchführung der Tantiemevereinbarung zweifeln. Nach dem BFH-Beschluss vom 28.7.93 (BFH/NV 94, 345) führt die verspätete Zahlung jedoch nicht zwingend zu einer vGA. Entscheidend ist vielmehr, ob unter Würdigung aller Umstände die verspätete Auszahlung Ausdruck mangelnder Ernsthaftigkeit der Tantiemevereinbarung ist. Nach Auffassung des BFH muss dabei unterschieden werden, ob es sich um monatlich geschuldete Zahlungen (z.B. Gehalt oder Miete) oder um einmalig zu zahlende Vergütungen (z.B. Gewinntantiemen) handelt. Wird etwa ein monatlich zu zahlendes Gehalt nicht ausgezahlt, so liegt es nahe, die Vereinbarung als nicht ernsthaft anzusehen. Für die Ernsthaftigkeit einer Tantiemevereinbarung ist hingegen auf die Dauer der Nichtgeltendmachung des Zahlungsanspruchs abzustellen; hierbei indiziert ein geringfügiges Überschreiten der Fälligkeit nicht zwangsläufig die mangelnde Ernsthaftigkeit. Eine Tantieme, die erst drei bis vier Monate nach Fälligkeit ausgezahlt wird, führt m.E. deshalb nicht zur vGA. Bei einer deutlich längeren Zahlungsverzögerung (z.B. zwölf Monate) dürfte die Sache aber anders aussehen.
Beispiel 2
Dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer kleinen GmbH i.S. des § 267 Abs. 1 HGB wird die Gewinntantieme für das Geschäftsjahr 2000 a) im Februar 2002 bzw. b) im August 2002 auf seinem Gesellschafter-Verrechnungskonto gutgeschrieben. Der Jahresabschluss für 2000 wird innerhalb der gesetzlichen Elf-Monats-Frist nach § 42a Abs. 2 GmbHG im November 2001 festgestellt.
Im Fall a) liegt nur eine geringfügige Fristüberschreitung seit Fälligkeit (mit Feststellung des Jahresabschlusses im November 2001) von ca. drei Monaten vor, die nicht zu einem Verstoß gegen das Durchführungsgebot führt. Im Fall b) beträgt die Fristüberschreitung seit Fälligkeit ca. neun Monate. Hier ist eine Beanstandung der Tantiemevereinbarung durch das Finanzamt zu befürchten.
Auch bei einem Verzicht des Gesellschafter-Geschäftsführers auf den Tantiemeanspruch liegt nicht zwingend ein Verstoß gegen das Durchführungsgebot vor. Hier gilt vielmehr folgende Auffassung: Nach dem BFH-Urteil vom 29.6.94 (BStBl II, 952) kann aus dem Forderungsverzicht eines beherrschenden Gesellschafters nur dann auf einen nicht durchgeführten Vertrag rückgeschlossen werden, wenn die äußeren Umstände des Verzichts dafür sprechen, dass eine ernstlich gewollte Verbindlichkeit der Kapitalgesellschaft von Anfang an gefehlt hat.
Beispiel 3
Der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer hat auf Grund seines Anstellungsvertrags einen Tantiemeanspruch für 2000 in Höhe von 50.000 €. Tatsächlich hat die GmbH in ihrer Bilanz zum 31.12.00 nur eine Rückstellung von 30.000 € gebildet und später auch nur diesen Betrag ausgezahlt. Der Gesellschafter verzichtet nach dem Bilanzstichtag in 2001 auf den (werthaltigen) Mehrbetrag von 20.000 €. Das Finanzamt geht von einer nicht durchgeführten Vereinbarung aus und behandelt die Rückstellung von 30.000 € als vGA.
Der rückwirkende Forderungsverzicht des Gesellschafters führt nach Auffassung des BFH nicht generell wegen Verletzung des Durchführungsgebotes zu einer vGA. Liegt danach keine vGA vor, so ergeben sich aber folgende steuerliche Auswirkungen:
Der Forderungsverzicht des Gesellschafters in 2001 stellt eine verdeckte Einlage in die GmbH in Höhe von 20.000 € dar. Dies führt beim Gesellschafter im Veranlagungszeitraum 2001 zu weiteren Einnahmen nach § 19 EStG von 20.000 € sowie zu nachträglichen Anschaffungskosten seiner GmbH-Beteiligung i.S. des § 17 EStG in dieser Höhe. Bei der GmbH hätte die Verbindlichkeit in der Steuerbilanz zum 31.12.00 mit 50.000 € passiviert werden müssen; auf Grund der verdeckten Einlage ergibt sich dann in 2001 eine außerbilanzmäßige Abrechnung von 20.000 € (wegen gewinnerhöhender Auflösung der Verbindlichkeit) und eine entsprechende Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos i.S. des § 27 KStG n.F.
1.3 Fehlende Schriftform der Tantiemevereinbarung
Eine mündlich abgeschlossene Gehaltsvereinbarung ist nach der BFH-Rechtsprechung grundsätzlich noch keine vGA (vgl. BFH 29.7.92, BStBl II 93, 139). Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung kann bei Dauerschuldverhältnissen – wie zum Beispiel bei Dienst- und Mietverträgen – im Allgemeinen aus dem tatsächlichen Leistungsaustausch der Schluss gezogen werden, dass ihm eine (mündlich abgeschlossene) entgeltliche Vereinbarung zu Grunde liegt. Tatsächlicher Leistungsaustausch bedeutet Auszahlung, zeitnahe Verbuchung und gegebenenfalls Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen („tatsächliche Übung“, vgl. Abschn. 31 Abs. 5 S. 12 KStR). Auf die tatsächliche Übung kann ab dem Zeitpunkt zurückgegriffen werden, ab dem sie objektiv erkennbar nach außen in Erscheinung tritt (vgl. BMF 13.10.97, BStBl I, 900).
Ob diese Rechtsprechung bzw. Verwaltungsmeinung auch bei einmaligen jährlichen Zahlungen wie zum Beispiel bei Tantiemen gilt, ist jedoch nicht sicher. Denn die tatsächliche Übung, der regelmäßige Leistungsaustausch, lässt sich üblicherweise nur bei monatlichen Zahlungen ohne weiteres nachvollziehen. Andererseits ist aber nicht generell ausgeschlossen, die vorherige Vereinbarung auch bei einmaligen jährlichen Gewinntantiemen anhand tatsächlicher Übung festzustellen (vgl. BFH 17.10.90, BFH/NV 91, 773). Dann dürfte es jedoch entscheidend darauf ankommen, wieviele Jahre die Tantieme auf Grund nur mündlicher Vereinbarung ausgezahlt wurde. Zwei Jahre dürften aber noch nicht ausreichen, um einen „regelmäßigen Leistungsaustausch“ zu begründen.
Fazit: Üblicherweise kann lediglich bei Dauerschuldverhältnissen, deren Durchführung mit einen regelmäßigen (monatlichen) Leistungsaustausch verbunden ist (wie zum Beispiel bei Dienst- oder Mietverträgen), aus der Regelmäßigkeit der Leistungen und dem engen zeitlichen Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung auf eine (mündlich) getroffene Vereinbarung geschlossen werden.
Beispiel 4
Der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH erhält zusätzlich zu seinem monatlichen Festgehalt am 31.8.01 erstmals eine Tantieme von 40.000 € für das Jahr 2000. Schriftliche Vereinbarungen hierüber liegen nicht vor. In der Bilanz zum 31.12.00 wurde eine entsprechende Tantiemerückstellung gewinnmindernd eingestellt.
Die Tantiemezahlung ist als vGA zu behandeln und führt im Veranlagungszeitraum 2000 zur Einkommenskorrektur in Höhe von 40.000 €. Durch den ordnungsgemäßen Vollzug der Tantiemezahlung (Auszahlung, Verbuchung, Abführung von Lohnsteuer) allein kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass die Tantieme auf einer im Voraus abgeschlossenen (mündlichen) Vereinbarung beruht, das heißt spätestens zu Beginn des Jahres 2000 getroffen worden ist. Diese Unklarheit geht zu Lasten der GmbH.
Wichtig: Beim Ansatz einer vGA wegen Nichtanerkennung von Tantiemen ist darauf zu achten, dass die nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG vorzunehmende Einkommenskorrektur und die Herstellung der Ausschüttungsbelastung regelmäßig zeitlich auseinanderfallen. Im Beispiel 4 erfolgt die außerbilanzmäßige Einkommenskorrektur im Veranlagungszeitraum 2000, die Herstellung der Ausschüttungsbelastung wird in 2001 auf Grund des Systemwechsels jedoch nicht mehr vorgenommen. Eine Körperschaftsteuer-Erhöhung nach § 38 KStG n.F. ist möglich, sofern positives EK 02 als für die vGA verwendet gilt. Eine Körperschaftsteuer-Minderung kommt hingegen nicht in Betracht (selbst wenn ein entsprechendes Körperschaftsteuer-Guthaben i.S. des § 37 KStG n.F. besteht).
2. Zur Bemessung der Tantieme der Höhe nach
2.1 Obergrenze für die Gewinntantieme
Sofern Tantiemeversprechen gegenüber den Gesellschafter-Geschäftsführern insgesamt 50 v.H. des Jahresüberschusses übersteigen, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Annahme einer vGA wegen Unangemessenheit. Die Obergrenze von 50 v.H. gilt nach dem BMF-Schreiben vom 5.1.98 (BStBl I, 90) und Abschn. 33 Abs. 2
S. 1 KStR für alle Gesellschafter-Geschäftsführer zusammen. Vom BFH wurde dies mit zwei Urteilen vom 15.3.00 (BStBl II, 547 und BFH/NV 00, 1245) bestätigt. Die Grenze ist im Übrigen auch bei Tantiemezusagen an einen einzelnen Gesellschafter-Geschäftsführer maßgebend.
Bemessungsgrundlage für die Gewinntantieme ist die im Voraus getroffene, klare und eindeutige, individuelleTantiemevereinbarung. Die Höhe der Vergütung muss allein durch Rechenvorgänge ermittelt werden können, ohne dass es noch der Ausübung von Ermessensakten seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung bedarf (vgl. BFH 17.12.97, BStBl II 98, 545).
Nach dem BMF-Schreiben vom 5.1.98 (a.a.O.) ist Bemessungsgrundlage zur Prüfung der 50 v.H.-Grenze der handelsrechtliche Jahresüberschuss vor Abzug der Gewinntantieme und der ertragsabhängigen Steuern (Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Solidaritätszuschlag).
Praxishinweis: Erkennt ein Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen der Bilanzerstellung, dass auf Grund einer „Gewinnexplosion“ die im Anstellungsvertrag vereinbarte Tantieme zu einer unangemessenen Gesamtausstattung führen würde (weil die Tantieme der absoluten Höhe nach nicht begrenzt wurde) und wird die Tantiemevereinbarung aus diesem Grunde rückwirkend geändert, liegt grundsätzlich eine vGA mit anschließender verdeckter Einlage des Gesellschafters vor. Teilweise wird jedoch von der Finanzverwaltung in Einzelfällen eine Änderung der Tantiemevereinbarung zur Vermeidung einer vGA wegen überhöhter Gesamtausstattung steuerlich anerkannt. Voraussetzung hierfür ist, dass nur der steuerlich angemessene Tantiemebetrag in die Bilanz eingestellt und später ausgezahlt wird. Der nachträgliche Verzicht des Gesellschafter-Geschäftsführers auf einen Teil der Tantieme zur Vermeidung einer vGA führt dann weder zu einer Nichtanerkennung der Tantiemevereinbarung insgesamt noch zu einer verwirklichten vGA mit anschließender verdeckter Einlage. Um die genannten steuerlichen Probleme von vornherein auszuschließen, ist eine absolute Begrenzung oder eine degressive Gestaltung der Tantieme schon in der Tantiemevereinbarung empfehlenswert!
2.2 Regelaufteilung der Gesamtbezüge (75 : 25 v.H.-Grenze)
Grundsätzlich müssen die Gesamtvergütungen zu mindestens 75 v.H. aus einem festen und dürfen höchstens zu 25 v.H. aus einem erfolgsabhängigen Bestandteil bestehen (vgl. BFH 5.10.94, BStBl II 95, 549; Abschn. 33 Abs. 2 S. 4 KStR). Diese Regelaufteilung wurde im BFH-Urteil vom 27.3.01 (I R 27/99, DStR 01, 982) nochmals bestätigt.
Das Beispiel 6 zeigt, dass bei Ermittlung des der Höhe nach angemessenen Teils der Tantieme von der angemessenen Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers auszugehen ist (also Verhältnis von angemessener Gesamtvergütung zur Tantieme) und nicht mehr wie nach bisheriger Ansicht der Finanzverwaltung vom tatsächlich vereinbarten Festgehalt (Verhältnis Festgehalt zur Tantieme). Bei Zugrundelegung des Verhältnisses Festgehalt zur Tantieme würde die angemessene Gewinntantieme nur ein Drittel von 75.000 € = 25.000 € betragen.
Abweichungen von der Regelaufteilung sind nur möglich, wenn besondere betriebliche Gründe vorliegen. Diese werden nach dem BMF-Schreiben vom 5.1.98 (a.a.O.) und beispielsweise nach Auffassung der Finanzverwaltung in Baden-Württemberg – bis auf weiteres – insbesondere in folgenden Fällen bejaht:
- in der Gründungsphase (ca. 3 Jahre);
- bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten;
- bei stark risikobehafteten Geschäftszweigen (z.B. EDV-, Modebranche);
- bei nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern (keine gleichgerichteten Interessen, keine nahe stehende Person des beherrschenden Gesellschafters);
- bei ausgeprägter Personenbezogenheit (auch bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern). Davon kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn neben dem Gesellschafter-Geschäftsführer (bzw. den Gesellschafter-Geschäftsführern) keine weiteren Führungskräfte wie zum Beispiel Fremdgeschäftsführer oder Prokuristen vorhanden sind.
2.3 Zur Berücksichtigung von Verlustvorträgen
Nach dem rechtskräftigen Urteil des Hessischen FG vom 16.5.00 (EFG 00, 1147) liegt eine vGA regelmäßig vor, wenn die vereinbarte Bemessungsgrundlage für eine Gewinntantieme nur isoliert an einen Jahresüberschuss anknüpft, ohne die vom selben Geschäftsführer in früheren Jahren erzielten und vorzutragenden Verluste zu berücksichtigen. Eine solche Vereinbarung beruht grundsätzlich auf dem Gesellschaftsverhältnis. Vom FG Köln wurde dies mit rechtskräftigem Urteil vom 14.9.00 (EFG 01, 309) bestätigt. Danach sagt ein ordentlicher und gewissenhafter GmbH-Geschäftsleiter einem fremden Geschäftsführer eine Gewinntantieme nur in der Form zu, dass Verluste, die dieser Geschäftsführer selbst erwirtschaftet, die Bemessungsgrundlage späterer Tantiemeberechnungen mindern (analog § 86 Abs. 2 AktG).
2.4 Zur steuerlichen Anerkennung einer „Nur-Tantieme“
Eine „Nur-Tantieme“ liegt vor, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer außer seiner erfolgsabhängigen Vergütung keine festen Gehaltsbestandteile erhält. Der BFH geht in seiner neuen Rechtsprechung davon aus, dass eine „Nur-Tantieme“ steuerlich grundsätzlich nicht anerkannt werden kann (vgl. BFH 27.3.01, I R 27/99, DStR 01, 982). Dies beruht auf der Überlegung, dass eine „Nur-Tantieme“ wirtschaftlich einer offenen Ausschüttung an den Gesellschafter entspricht und es der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer damit in der Hand hätte, Gewinne in Form verschleierter Betriebsausgaben auszuschütten und damit nach Belieben Gewinne abzusaugen. Bei der Finanzverwaltung zeichnet sich zwischenzeitlich ebenfalls die Tendenz ab, die Grundsätze des o.g. BFH-Urteils vom 27.3.01 uneingeschränkt anzuwenden und „Nur-Tantiemen“ die steuerliche Anerkennung insgesamt zu verweigern. Dies wird auch damit begründet, dass dem berechtigten Bedürfnis der Unternehmen nach verstärkter erfolgsabhängiger Vergütung mit einer großzügigen Handhabung bei der 75 : 25- Regelaufteilung nachgekommen werden könne.
2.5 Steuerliche Besonderheiten bei Umsatztantiemen
In der steuerlichen Beratungspraxis muss bei Vereinbarung einer Umsatztantieme insbesondere auf Folgendes geachtet werden:
- Umsatztantiemen werden steuerlich nur in Ausnahmefällen anerkannt (z.B. bei Branchenüblichkeit, in der Aufbauphase oder bei ausschließlicher Vertriebszuständigkeit; vgl. BFH 28.6.89, BStBl II 89, 854; BFH 19.5.93, BFH/NV 94, 124; BFH 20.9.95, BFH/NV 96, 508).
- Selbst wenn Umsatztantiemen dem Grunde nach anzuerkennen sind, ist aber in jedem Fall in der Tantiemevereinbarung eine zeitliche und höhenmäßige Begrenzung erforderlich (BFH 19.2.99, BStBl II, 321). Dies gilt auch für den nichtbeherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer sowie für den Gesellschafter-Geschäftsführer, der ausschließlich für den Vertrieb zuständig ist. Die Formulierung der zeitlichen und betragsmäßigen Begrenzung könnte in einer Tantieme-Vereinbarung wie folgt lauten: „Die Tantieme beträgt ... v.H. des im Geschäftsjahr erzielten Umsatzes. Sie beläuft sich höchstens auf ... €. Ein Anspruch auf Umsatztantieme besteht für ... Jahre“.
- Auch eine Rohertragstantieme unterliegt den o.g. einschränkenden Voraussetzungen für die Anerkennung von Umsatztantiemen, wenn der maßgebliche Rohertrag weitgehend dem Umsatz angenähert ist (vgl. BFH 10.11.98, BStBl II 99, 199).
- Eine Kombination von Gewinn- und Umsatztantiemen ist nach dem BFH-Urteil vom 9.9.98 (BFH/NV 99, 519) grundsätzlich nicht möglich.
3. Weitere Hinweise für die Praxis
3.1 Abschlagszahlungen auf die Gewinntantieme
Der Anspruch auf eine Gewinntantieme entsteht mit Ende des Geschäftsjahres und wird mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig. Sofern Abschlagszahlungen auf die Gewinntantieme im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag nicht vereinbart sind und auf den Tantiemeanspruch gleichwohl im laufenden Jahr (z.B. in 2001 für 2001) zinsfreie Vorauszahlungen geleistet werden, ist der Verzicht auf eine angemessene Verzinsung eine vGA (BFH 17.12.97, BStBl II 98, 545). Das heißt: Um bei zinsfreien Abschlagszahlungen eine vGA zu vermeiden, müssen die Abschlagszahlungen bereits im Voraus im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vereinbart werden.
3.2 Zuflusszeitpunkt beim beherrschenden Gesellschafter
Einem beherrschenden GmbH-Gesellschafter gelten Beträge, die ihm die Gesellschaft schuldet, bereits mit der Fälligkeit, das heißt üblicherweise mit der Feststellung des Jahresabschlusses und damit mit der Feststellung der Tantiemehöhe als zugeflossen (vgl. BFH 12.7.57, BStBl III, 289; BFH 11.2.65, BStBl III, 407). Das heißt: Der Tantiemeanspruch, der am Schluss des Geschäftsjahres entsteht und mit der rechtswirksamen Feststellung des Jahresabschlusses fällig wird (§§ 172, 173 AktG, § 46 Nr. 1 GmbHG), ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Feststellung des Jahresabschlusses zu versteuern. Dies wird damit begründet, dass es beherrschende Gesellschafter selbst in der Hand haben, die Tantiemen auszuzahlen oder im Betrieb der Gesellschaft stehen zu lassen. Durch eine Vereinbarung über die spätere Auszahlung der Tantieme lässt sich der Zuflusszeitpunkt daher nicht hinausschieben (z.B. durch die Vereinbarung, dass der Anspruch erst zwölf Monate nach Feststellung des Jahresabschlusses fällig ist, vgl. BFH 17.11.98, BStBl II 99, 223).
Eine Besonderheit gilt, wenn die Bilanz nicht rechtzeitig erstellt wird oder sich die Feststellung des Jahresabschlusses verzögert. In diesem Fall war nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung der Zufluss beim beherrschenden Gesellschafter erst (bzw. spätestens) mit Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Frist für die Feststellung des Jahresabschlusses anzunehmen. Diese Frist beträgt nach § 42a Abs. 2 GmbHG acht Monate nach dem Bilanzstichtag oder, wenn es sich um eine kleine Gesellschaft i.S. des § 267 Abs. 1 HGB handelt, elf Monate. Zu diesem Zeitpunkt war auch der Lohnsteuerabzug vorzunehmen; die Höhe der Tantieme war gegebenenfalls zu schätzen. Ein dem beherrschenden Gesellschafter gutgebrachter Betrag konnte nur dann nicht als zugeflossen behandelt werden (und zwar auch nicht nach Ablauf der Acht- bzw. Elf-Monats-Frist), wenn die Gesellschaft in dem maßgebenden Zeitpunkt zahlungsunfähig war, wenn also die notwendigen Mittel infolge der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft unter keinen Umständen flüssig gemacht werden konnten.
Die Rechtsprechung hat jedoch Ausnahmen von der Acht- bzw. Elf-Monats-Regel zugelassen. So hat das FG Baden-Württemberg wie folgt entschieden: Beruht die verspätete Feststellung des Jahresabschlusses auf gewichtigen betrieblichen Gründen und können diese glaubhaft vorgebracht werden, kann ein Zufluss der gewinnabhängigen Tantieme nicht bereits im Zeitpunkt des Ablaufs der Frist von acht bzw. elf Monaten angenommen werden, sondern erst später (z.B. im Folgejahr; FG Baden-Württemberg 7.11.96, EFG 97, 872, rkr.). Gewichtige betriebliche Gründe können zum Beispiel der Ausfall der EDV-Anlage, der Wechsel des verantwortlichen Bilanzbuchhalters oder des Steuerberaters oder eine anhängige Betriebsprüfung sein. Die Finanzverwaltung hat sich nunmehr dieser Rechtsprechung angeschlossen.
Beispiel 8
Wegen einer anhängigen Betriebsprüfung wird die Bilanz für den Veranlagungszeitraum (VZ) 2000 erst in 2002 erstellt und gleichzeitig auch der Jahresabschluss festgestellt. Da die Verzögerung der Bilanzerstellung auf Grund der Betriebsprüfung einen gewichtigen betrieblichen Grund darstellt, ist eine Gewinntantieme für 2000 dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer steuerlich nicht bereits im VZ 2001 (mit Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Frist für die Feststellung des Jahresabschlusses), sondern erst im VZ 2002 zugeflossen.
Beachte aber: Sofern „zielgerichtet“ die Fälligkeit eines dem Gesellschafter-Geschäftsführer zustehenden Tantiemeanspruchs und damit der Zeitpunkt der Besteuerung hinausgezögert wird, kann ein Missbrauch nach § 42 AO vorliegen, der bewirkt, dass ein Zufluss der Tantieme nicht erst mit verspäteter Feststellung des Jahresabschlusses, sondern bereits im Zeitpunkt der gesetzlichen Pflicht zur Feststellung des Jahresabschlusses nach § 42a Abs. 2 GmbHG anzunehmen ist.
Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 01/2002, Seite 32