01.11.2007 | Kapitalvermögen
Praktische Auswirkungen der neueren BFH-Rechtsprechung zu Finanzinnovationen
Im vergangenen Jahr hatte der BFH dem bislang angenommenen Wahlrecht der Steuerpflichtigen zwischen Emissionsrendite und Marktrendite in mehreren Urteilen eine Absage erteilt und klargestellt, dass für die steuerliche Bewertung einer Anleihe der Zeitpunkt der Emission maßgebend ist (GStB 07, 188 ff.). Verluste aus Argentinien-Anleihen nach der Marktrendite können demgemäß auch nach Zahlungseinstellung des Staates Argentinien und der Umschlüsselung der Anleihen durch die Deutsche Börse steuerlich nicht geltend gemacht werden. Mit drei weiteren Urteilen, die sich mit der Besteuerung von Dax-Zertifikaten mit Rückzahlungsgarantie, von Reverse Floatern und von Down-Rating-Anleihen befassen, hat der BFH nun weitere Eckpfeiler bei der Besteuerung von Finanzinnovationen eingeschlagen. Die Konsequenzen der Entscheidungen für die Beratungspraxis werden nachfolgend dargestellt.
1. BFH 13.12.06, VIII R 79/03 – Dax-Zertifikate mit Rückzahlungsgarantie
1.1 Sachverhalt
Der Kläger erwarb am 26.8.92 über seine Bank an der Börse 13 Stück Dax-Zertifikate (Ausgabepreis 1.775 DM je Zertifikat) für je 1.500 DM zuzüglich Erwerbsnebenkosten. Nach der Verkaufsmitteilung ist die Emittentin verpflichtet, dem Inhaber je Zertifikat bei dessen Endfälligkeit den Betrag zu zahlen, der dem in DM ausgedrückten Dax-Schlusskurs am 14.3.97 entspricht, mindestens aber jeweils 1.775 DM. Die Emittentin zahlte dem Kläger bei Fälligkeit je Zertifikat brutto 3.360 DM, darin waren Kapitalerträge von 24.171 DM enthalten. Diese Erträge behandelte der Kläger in seiner ESt-Erklärung 1997 als nicht steuerbar. Das FA qualifizierte sie hingegen als – zusätzliche – Einkünfte aus Kapitalvermögen und setzte die ESt entsprechend fest. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen und die Erträge als steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen erfasst. Als Index-Zertifikate mit Kapitalrückzahlungsgarantie erfüllen die Dax-Zertifikate die Voraussetzungen von sonstigen Kapitalforderungen i.S.von § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alt. 2 EStG. Der Erwerber eines derartigen Zertifikats erwirbt nämlich eine auf Geldleistung gerichtete Forderung an die Emittentin, zum vereinbarten Rückzahlungstermin einen Betrag ausgezahlt zu bekommen, der dem Dax-Schlusskurs am 14.3.97 entspricht, mindestens aber 1.775 DM. Damit ist die Rückzahlung des Kapitalvermögens zumindest zum Teil zugesagt.
1.2 Anmerkungen
Die Kapitalerträge sind der Höhe nach als Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Einlösung zu erfassen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2, 1. Halbsatz EStG); Bemessungsgrundlage ist also die Marktrendite. Das folgt daraus, dass die Dax-Zertifikate keine von vornherein bezifferbare Emissionsrendite aufweisen, d.h. keine zugesagte Rendite, die bis zur Einlösung des Papiers mindestens erzielt wird (Hinweis auf BFH 24.10.00, VIII R 28/99, BStBl II 01, 97). Da die Emittentin nur für den Fall eines gegenüber dem anfänglichen Verkaufspreis von 1.775 DM höheren Dax-Schlusskurses verpflichtet war, einen darüber hinausgehenden Betrag zu zahlen, hängt es von einem ungewissen Ereignis ab, ob ein über den anfänglichen Verkaufspreis hinausgehendes Kapitalnutzungsentgelt zu entrichten war. Maßstab für die Beurteilung der Emissionsrendite sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Emission. Da die Besteuerung an die Emissionsrendite anknüpft, ist auch der Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG auf den Zeitpunkt der Emission zu beziehen.
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