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  • 01.10.2006 | Niedersächsisches FG

    Kindergeld: Beiträge eines Kindes zur privaten Krankenversicherung und „Fallbeilregelung“

    von RiFG Dipl.-Finw. Dr. Volker Kreft, Hannover
    Das BVerfG hatte in seinem Urteil vom 11.1.05 (Abruf-Nr. 051397) erstmals entschieden, dass Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nicht in die Bemessungsgröße für den Einkommensgrenzbetrag beim Kindergeld einbezogen werden dürfen, weil sie dem Kind nicht zur Bestreitung seines Unterhalts zur Verfügung stehen. Der 1. Senat des Niedersächsischen FG (23.2.06, Abruf-Nr. 062450, Rev. zugelassen) hat darüber hinausgehend nun auch den Abzug von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung zugelassen. Die Entscheidung ist zudem interessant, weil sich die Finanzrichter in den Urteilsgründen mit der Verfassungsmäßigkeit der „Fallbeilwirkung“ des § 32 Abs. 4 EStG auseinandersetzen.

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin, eine Beamtin im Dienste des Landes Niedersachsen, begehrte Kindergeld für ihre Tochter S für den Zeitraum Januar bis Mai 2002. S. vollendete am 4.5.02 ihr 27. Lebensjahr und schloss im Juni 2002 ihr Hochschulstudium an der G-Universität mit der Magisterprüfung ab. Die Familienkasse lehnte die Zahlung von Kindergeld jedoch mit der Begründung ab, die Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes aus einer Aushilfstätigkeit und einer Halbwaisenrente seien zu hoch. Der hier maßgebliche anteilige Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 EStG für das Jahr 2002 sei überschritten. Die Familienkasse forderte das bereits ausgezahlte Kindergeld für 2002 zurück. Das Niedersächsische FG sah das anders. Nach seiner Auffassung waren die Einkünfte des Kindes nicht nur um Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung, sondern auch um Zahlungen an die private Krankenversicherung zu kürzen. Damit lagen die Einkünfte und Bezüge des Kindes unter dem Grenzbetrag. 

     

    Anmerkungen

    Das FG entwickelt konsequent die Rechtsgrundsätze des BVerfG aus dem Urteil vom 11.1.05 (a.a.O.) fort. Wenn danach Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung für die Bestreitung des Unterhalts nicht zur Verfügung stehen und deshalb den Grenzbetrag mindern, kann auch für die Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung nichts anderes gelten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese – wie im Streitfall – einen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbaren Versicherungsschutz gewähren. In einem solchen Fall ist es unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten geboten, Aufwendungen für die Vorsorge im Krankheitsfall, die die Leistungsfähigkeit des Kindes mindern, zum Abzug zuzulassen. Diese Aufwendungen sind unvermeidbar und nicht disponibel (so auch bereits der 2. Senat des Niedersächsischen FG 9.11.05, EFG 06, 273, Rev. unter III R 72/05 und der BFH in seinem Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 14.2.05, BStBl II 06, 312). 

     

    Obwohl der Abzug der privaten Krankenversicherungsbeiträge der Klage bereits zum Erfolg verholfen hat, hat sich das Gericht auch noch kritisch mit den Rechtsfolgen bei nur geringfügiger Überschreitung des Grenzbetrages auseinandergesetzt. In diesen Fällen dürfe das Kindergeld nicht vollständig versagt werden. Diese im Schrifttum als „Fallbeilwirkung“ titulierte Rechtsfolge sei verfassungswidrig. Die Finanzrichter plädieren deshalb für eine verfassungskonforme Ergänzung der Regelung, die eine gleitende Minderung des Kindergeldes bewirkt, ohne jedoch eine konkrete Übergangsregelung vorzuschlagen. Denkbar wäre eine Abschmelzung des Kindergeldes entsprechend der Regelung in § 33a Abs. 1 EStG.